© 2016 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 252/16 Schaffung einer zentralen Rechenstelle für Geldspielgeräte Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 252/16 Seite 2 Schaffung einer zentralen Rechenstelle für Geldspielgeräte Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 252/16 Abschluss der Arbeit: 30. November 2016 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 252/16 Seite 3 1. Fragestellung Gegenstand der Ausarbeitung sind Regelungsmöglichkeiten zur Schaffung einer zentralen Rechenstelle für Geldspielgeräte. Durch die Anbindung der Spielautomaten an einen zentralen Computer sollen Spielmanipulation, Steuerhinterziehung und Geldwäsche bekämpft werden. Ein vergleichbares System besteht bereits in Österreich. Dort regelt die Automatenglücksspielverordnung ,1 erlassen auf Grundlage des Glücksspielgesetzes,2 unter anderem die elektronische Anbindung von Glücksspielautomaten an das Datenrechenzentrum der Bundesrechenzentrum GmbH. Danach muss der behördliche Zugriff auf alle Glücksspielautomaten über eine Internet- Standleitung ermöglicht werden. In einem genau definierten Verfahren können so jederzeit die relevanten Daten, darunter die Einzelspieldaten und die Zählerstände, ausgelesen werden. 2. Rechtslage Das deutsche Recht kennt eine solche Internetanbindung von Geldspielgeräten nicht. Die Zulassungsvoraussetzungen für Geldspielgeräte richten sich nach der Gewerbeordnung (GewO) und der Spielverordnung (SpielV).3 Eine Aufstellerlaubnis (§ 33c GewO) wird nur für solche Geldspielgeräte erteilt, deren Bauart von der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt zugelassen ist. Die Bauartzulassung ist nach § 33e GewO zu versagen, wenn die Gefahr besteht, dass Spieler unangemessen hohe Verluste erleiden. Die Details werden in der SpielV geregelt, zu deren Erlass § 33f Abs. 1 GewO ermächtigt. Die SpielV sieht derzeit nur die lokale Speicherung der in einem Geldspielgerät anfallenden Daten vor. Nach § 12 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 SpielV ist sicherzustellen, dass bei dem Gerät „die Möglichkeit besteht, sämtliche Einsätze, Gewinne und Kasseninhalte für steuerliche Erhebungen zu dokumentieren“. Nach § 13 Nr. 9, 9a SpielV muss das Gerät eine Kontrolleinrichtung enthalten, die „sämtliche Einsätze, Gewinne und den Kasseninhalt zeitgerecht, unmittelbar und auslesbar erfasst“ und sie vor Veränderungen geschützt speichert. 3. Regelungsmöglichkeiten Eine dem österreichischen System vergleichbare Regelung, die die Übertragung der lokal gespeicherten Daten über das Internet vorsieht, könnte auch in Deutschland getroffen werden. Ob hierzu 1 Verordnung der Bundesministerin für Finanzen über die technischen Merkmale von Glücksspielautomaten und Video Lotterie Systemen, deren Anbindung an ein Datenrechenzentrum sowie über die Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten (Automatenglücksspielverordnung), abrufbar unter https://www.ris.bka.gv.at/Geltende Fassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=20007737; alle Internet-Quellen wurden zuletzt am 30. November 2016 abgerufen. 2 Bundesgesetz vom 28. November 1989 zur Regelung des Glücksspielwesens (Glücksspielgesetz - GSpG), abrufbar unter https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=10004611. 3 Verordnung über Spielgeräte und andere Spiele mit Gewinnmöglichkeit (Spielverordnung - SpielV), abrufbar unter http://www.gesetze-im-internet.de/spielv/. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 252/16 Seite 4 eine Änderung der SpielV ausreichen würde oder ob ein formelles Parlamentsgesetz erforderlich wäre, hängt vom genauem Inhalt und Zweck der Regelung ab. Für technische Zulassungsvoraussetzungen für Geldspielgeräte besteht eine Gesetzgebungskompetenz des Bundes. Nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG besteht eine konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes für das Recht der Wirtschaft, insbesondere das Gewerberecht. Durch die Föderalismusreform I wurde im Jahr 2006 unter anderem das Recht der Spielhallen von dem Kompetenztitel ausgenommen; es fällt seitdem in die Zuständigkeit der Länder (Art. 70 GG). Der Begriff des Rechts der Spielhallen erfasst jedoch nach ganz überwiegender Auffassung nur die Voraussetzungen für den Betrieb von Spielhallen und nicht die Zulassungsvoraussetzungen für die dort aufgestellten Spielgeräte.4 Der Verfassunggeber wollte den Ländern solche Materien zuweisen, die „lokal radiziert “, also nur von regionaler oder lokaler Bedeutung sind. Das soll für die Regelungsgegenstände des § 33i GewO gelten, also für die personen- und ortsgebundenen Anforderungen an eine Spielhallenerlaubnis . Die Zulassungsvoraussetzungen für Spielgeräte, wie sie in den §§ 33c, 33f GewO und in der SpielV geregelt sind, sollen von der Ausnahme dagegen nicht erfasst sein.5 Hierfür besteht weiterhin eine konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes. In Betracht kommt zunächst eine Regelung durch Änderung der SpielV. Die Änderung in der Rechtsverordnung müsste die Voraussetzungen der Verordnungsermächtigung einhalten,6 also nach Inhalt, Zweck und Ausmaß von der Verordnungsermächtigung gedeckt sein. Nach § 33f Abs. 1 GewO kann das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie „zur Durchführung der §§ 33c, 33d, 33e und 33i“ Vorschriften „zur Eindämmung der Betätigung des Spieltriebs, zum Schutze der Allgemeinheit und der Spieler sowie im Interesse des Jugendschutzes“ erlassen. Hierzu kann es insbesondere Anforderungen an die technische Konstruktion der Spielgeräte stellen, § 33f Abs. 1 Nr. 3 g) GewO. Inhaltlich können das Herstellen einer Internetverbindung und die Übertragung bestimmter Daten unter den Begriff der technischen Anforderungen subsumiert werden . Problematisch erscheint dagegen die Einhaltung des von der Verordnungsermächtigung vorgegebenen Zwecks. Zwar nennt § 33f Abs. 1 GewO neben dem Schutz der Spieler auch den Schutz der Allgemeinheit. Die Verordnung muss hier aber der Durchführung des § 33e GewO dienen, 4 Vgl. Rengeling/Szczekalla, in: Kahl u.a. (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, 131. Lfg. 2007, Art. 74 Abs. 1 Rn. 153; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Grundgesetz, 14. Aufl. 2016, Art. 74 Rn. 31a; Hahn, Neuregelungen zum gewerblichen Spielrecht, in: GewArch 2007, 89; Schneider, Das Recht der „Spielhallen“ nach der Föderalismusreform , Zur Auslegung von Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG, in: GewArch 2009, 265 und 243, 343 ff.; ders., Ultra vires? Kompetenzprobleme im neuen Spielhallenrecht der Länder, in: GewArch 2013, 137 f.; Kluth, Die Gesetzgebungskompetenz für das Recht der Spielhallen nach der Neufassung des Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG, Halle 2010, S. 81, abrufbar unter http://www.universitaetsverlag-halle-wittenberg.de/media/upload/file/Kapitel_Vorworte/027- 7_Kluth.pdf; anders Dietlein, Die Gesetzgebungszuständigkeit der Länder für das Spielhallenwesen, Kompetenzielle und materielle Fragen des neuen Art. 74 I Nr. 11 GG, in: ZfWG 2008, 12, 14 ff. 5 Rengeling/Szczekalla (Fn. 4), Art. 74 Abs. 1 Rn. 153; Schneider (Fn. 4), GewArch 2009, 345, 347 f.; ders. (Fn. 4), GewArch 2013, 137. 6 Remmert, in: Maunz/Dürig (Begr.), Grundgesetz-Kommentar, 77. Lfg. 2016, Art. 80 Rn. 123. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 252/16 Seite 5 der die Versagung der Bauartzulassung nur zum Schutz des Spielers erlaubt.7 Eine Neuregelung wäre daher dann von der Verordnungsermächtigung gedeckt, wenn sie dem Spielerschutz dient. Das wäre etwa der Fall, wenn verhindert werden soll, dass durch Manipulation Höchsteinsätze, Unterbrechungszeiten oder Gewinnquoten unterlaufen werden. Sollte die Regelung dagegen der Bekämpfung von Geldwäsche und Steuerhinterziehung dienen, so wäre sie von der Verordnungsermächtigung nicht mehr gedeckt. Soweit demnach eine Regelung in der SpielV ausscheidet, müsste entweder die Verordnungsermächtigung entsprechend angepasst werden oder die Regelung unmittelbar durch formelles Gesetz erfolgen. Eine konkrete Regelung – durch Verordnung oder durch Gesetz – müsste schließlich mit höherrangigem Recht, insbesondere mit den Grundrechten vereinbar sein. Hinsichtlich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) bestehen hier keine Bedenken, solange keine personenbezogenen Daten erhoben werden. *** 7 Daher werden teilweise § 12 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 und § 13 Nr. 9 SpielV, die auch steuerlichen Zwecken dienen, für rechtswidrig gehalten: so Odenthal, Rechtsprobleme der neuen Spielverordnung, in: ZfWG 2006, 286, 291; Hahn (Fn. 4), S. 92 („nicht frei von Bedenken“); Dietlein/Hüsken, in: Dietlein u.a. (Hrsg.), Glücksspielrecht, Kommentar, § 13 SpielV Rn. 17 („nicht unproblematisch“). Vgl. auch Gallwas, § 13 Spielverordnung auf dem Prüfstand der Rechtsstaatlichkeit, in: Letzgus u.a. (Hrsg.), Für Recht und Staat, Festschrift für Herbert Helmrich, München 1994, S. 933, 934 ff., der im Spielerschutz den einzig zulässigen Zweck sieht.