Möglichkeiten des Bundeszwangs nach Art. 37 Grundgesetz – Einsetzung eines “Sparkommissars“? - Ausarbeitung - © 2006 Deutscher Bundestag WD 3 - 249/06 Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages Verfasser/in: Möglichkeiten des Bundeszwangs nach Art. 37 Grundgesetz – Einsetzung eines “Sparkommissars“? Ausarbeitung WD 3 - 249/06 Abschluss der Arbeit: 19. Juli 2006 Fachbereich WD 3: Verfassung und Verwaltung Telefon: Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Die Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste sind dazu bestimmt, Mitglieder des Deutschen Bundestages bei der Wahrnehmung des Mandats zu unterstützen. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Diese bedürfen der Zustimmung des Direktors beim Deutschen Bundestag. - Zusammenfassung - Die Einsetzung eines „Sparkommissars“ im Wege des Bundeszwangs in einem Land, das sich in einer Haushaltsnotlage befindet, ist bisher von der Rechtsprechung noch nicht und im einschlägigen Schrifttum lediglich vereinzelt behandelt worden. Insofern können sich Aussagen zu dieser Fragestellung im Wesentlichen auf bisher vorliegende allgemeine Aussagen zum Bundeszwang und zu finanzverfassungsrechtlichen Grundsätzen stützen. Für die Anwendung von Bundeszwang ist zentrale Voraussetzung das Vorliegen einer Bundespflichtverletzung. Eine solche Pflichtverletzung kann einerseits in einem Verstoß gegen Haushaltsgrundsatzgesetze liegen. Ferner kann ein Land, das vor dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) aufgrund einer extremen Haushaltsnotlage Sanierungshilfen erstreitet, zur Durchführung eines Sanierungsprogramms verpflichtet werden. Ein Verstoß gegen ein verbindlich festgelegtes Sanierungsprogramm kann ebenfalls eine Verletzung von Bundespflichten darstellen. Ob allein in einer extrem verschwenderischen Haushaltspolitik eine Bundespflichtverletzung i.S.d. Art. 37 Abs. 1 GG gesehen werden kann, ist insbesondere aufgrund der durch Art. 109 Grundgesetz (GG) gewährleisteten Haushaltsautonomie problematisch. Es ist den Ländern aus dem bundesstaatlichen Prinzip heraus jedoch verwehrt, die anderen Glieder des Bundesstaats durch gegenläufige Handlungen an der Wahrnehmung ihrer Aufgaben zu hindern. Insofern ist die finanzielle Selbstständigkeit nicht absolut, sondern im Rahmen eines von der Verfassung zwischen den Gliedern des Bundesstaats vorgegebenen Pflichtenverhältnisses zu verstehen. Liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen des Bundeszwangs vor, so hat die Bundesregierung über die Anordnung des Bundeszwangs und die Auswahl der notwendigen Maßnahmen, die zur Beendigung der Pflichtverletzung erforderlich sind, zu entscheiden . Die Einsetzung eines Bundesbeauftragten bzw. eines „Bundeskommissars“ mit umfassenden Befugnissen ist im Rahmen des Bundeszwangs zulässig. Aufgrund des besonderen Konfliktpotentials, das eine Anwendung des Bundeszwangs beinhaltet, ist dieser aus politischer Sicht erst als ultima ratio anzuwenden. Auch verfassungsgerichtliche Schritte zur Abstellung etwaiger Bundespflichtverletzungen sollten in Erwägung gezogen werden. Inhalt 1. Vorbemerkung 4 2. Die Regelung des Bundeszwangs in Art. 37 Grundgesetz 4 3. Haushaltsautonomie von Bund und Ländern 5 4. Die Einsetzung eines „Sparkommissars“ im Wege des Bundeszwangs 7 4.1. Tatbestandsfeststellung: Vorliegen einer Pflichtverletzung 7 4.1.1. Erfolgreiche Klage auf Anerkennung einer extremen Haushaltsnotlage 8 4.1.2. Haushaltsnotlage ohne erfolgreiche Klage 9 4.1.3. Zwischenergebnis 11 4.2. Feststellung des Tatbestandes und Entscheidung über die Anordnung des Bundeszwangs 12 4.3. Entscheidung über die Auswahl notwendiger Maßnahmen 12 4.4. Zustimmung des Bundesrates 13 4.5. Durchführung des Bundeszwangs 14 5. Zusammenfassende Bewertung 14 6. Literaturverzeichnis 16 - 4 - 1. Vorbemerkung Die Ausarbeitung befasst sich mit der Frage, ob einem Land, das sich in einer Haushaltsnotlage befindet, im Wege des Bundeszwangs ein „Sparkommissar“ durch den Bund aufgezwungen werden kann. Dafür werden die Voraussetzungen des Bundeszwangs unter Beachtung der Vorgaben durch die verfassungsrechtlich gewährte Haushaltsautonomie der Länder dargestellt und anschließend die im Wege des Bundeszwangs möglichen Mittel auf die Möglichkeit der Einsetzung eines Sparkommissars hin untersucht. Dabei wird auch darauf eingegangen, ob Verstöße gegen Haushaltsgrundsätze durch die Länder einen Verstoß gegen das Prinzip bundesfreundlichen Verhaltens darstellen. 2. Die Regelung des Bundeszwangs in Art. 37 Grundgesetz Art. 37 Grundgesetz (GG) enthält Regelungen über den Bundeszwang. Art. 37 Abs. 1 GG lautet: „Wenn ein Land die ihm nach dem Grundgesetz oder einem anderen Bundesgesetz obliegenden Bundespflichten nicht erfüllt, kann die Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates die notwendigen Maßnahmen treffen, um das Land im Wege des Bundeszwangs zur Erfüllung seiner Pflichten anzuhalten“. Damit dient der Bundeszwang der Sicherung des durch Art. 20 Abs. 1, 79 Abs. 3 GG festgelegten bundesstaatlichen Prinzips, ist also ein Mittel zur Sicherung der bundesstaatlichen Einheit1. Tatbestandliche Voraussetzung für die Anordnung des Bundeszwangs ist eine Verletzung von Bundespflichten, die entweder aus dem Grundgesetz oder aus den Bundesgesetzen erwachsen. Diese Pflicht muss von einem Land verletzt worden sein2. Pflichtwidrigkeiten oberster Landesorgane bzw. solche, die von obersten Landesorganen ausdrücklich gebilligt werden, sind dem Land zuzurechnen und können mit Hilfe des Bundeszwangs geahndet werden. Die Anordnung und Durchführung des Bundeszwangs erfolgt dabei in fünf Schritten: − Die Bundesregierung stellt den Tatbestand fest. − Die Bundesregierung beschließt im Kabinett, ob der Bundeszwang angewendet wird. − Nach dem Beschluss über das ob, muss die Bundesregierung beschließen, in welcher Weise sie gegen das Land vorgehen will. − Vor der Durchführung muss die Zustimmung des Bundesrates eingeholt werden. 1 Gubelt, in: v. Münch/Kunig, Bd. 2, 5. Aufl., München 2001, Art. 37 Rn. 1. 2 Gubelt, in: v. Münch/Kunig, Art. 37 Rn. 3. - 5 - − Der letzte Schritt ist die faktische Durchführung des Bundeszwangs. Die praktische Bedeutung des Bundeszwangs ist bisher gering. In der Geschichte der Bundesrepublik wurde er noch nie angewendet. Dem Bundeszwang wird deshalb v.a. eine „Reservefunktion“ beigemessen, die die Chance zur schnellen Wiederherstellung der staatlichen Ordnung in Krisenzeiten gibt3. Demzufolge kann für die Beantwortung der Frage, ob einer Haushaltsnotlage eines Landes mit Mitteln des Bundeszwangs begegnet werden kann, weder auf Rechtsprechung4 noch auf Staatspraxis5 und nur vereinzelt auf Literatur zu dieser speziellen Fragestellung zurückgegriffen werden. Entscheidend für den möglichen Einsatz von Bundeszwang ist jedoch auch für die Frage der Einsetzung eines „Sparkommissars“ vorerst, dass „ein Land die ihm nach dem Grundgesetz oder einem anderen Bundesgesetz obliegenden Bundespflichten nicht erfüllt“ (so der Wortlaut von Art. 37 Abs. 1 GG). Fraglich ist deshalb, welche Pflichtverletzung einem Land vorzuwerfen ist, dass in eine Haushaltsnotlage geraten ist. In diesem Zusammenhang ist zunächst auf die Bedeutung des Art. 109 GG einzugehen. 3. Haushaltsautonomie von Bund und Ländern Eine unabhängige und selbstständige Haushaltswirtschaft gehört zum Kernbereich der Staatlichkeit von Bund und Ländern. Deshalb ist Art. 109 Abs. 1 GG, der die Haushaltsautonomie von Bund und Ländern festlegt, als eine Konkretisierung des föderalistischen Prinzips anzusehen6. Trotz der Gefahr etwaiger Fehlentscheidungen sind damit eigene Entscheidungsräume für Bund und Länder eröffnet7. Diese Vorgaben sind bei der Prüfung des Vorliegens einer Pflichtverletzung im Sinne von Art. 37 Abs. 1 GG unbedingt zu beachten. Es kann aus verfassungssystematischen Gründen nicht sein, dass die in Art. 109 GG angelegte Haushaltsautonomie der Länder durch die Anwendung der Regelung über den Bundeszwang faktisch wieder aufgehoben wird. Bundesaufsicht und Bundeszwang sind deshalb voneinander zu unterscheiden8. 3 Gubelt, in: v. Münch/Kunig, Art. 37 Rn. 2. 4 Die einzigen beiden Entscheidungen des BVerfG, in denen eher am Rande auf die Möglichkeit des Einsatzes von Bundeszwang hingewiesen wurde, sind BVerfGE 3, 52 (57) und 7, 367 (372). 5 Vgl. auch die Antwort der Bundesregierung auf die schriftliche Frage des Abgeordneten Martin Zeil (FDP) (BT-Drs. 16/1934 S. 17 vom 23. Juni 2006): Auf die Frage nach einer zeitweisen Entziehung der Haushaltshoheit von Notlagenländern antwortete die Bundesregierung mit Verweis auf die Haushaltsautonomie der Länder nach Art. 109 Abs. 1 GG - ohne Erwägung des Einsatzes von Bundeszwang -, dass eine solche Möglichkeit nicht bestünde. 6 Siekmann, in: Sachs, Art.109 Rn. 3. 7 Siekmann, in: Sachs, Art. 109 Rn. 7. 8 Bauer, in: Dreier, Art. 37 Rn. 15; vgl. auch BVerfGE 86, 148 (265). - 6 - Die Selbstständigkeit und Unabhängigkeit der Haushaltswirtschaft der Länder kann jedoch nicht grenzenlos sein, da „das Finanzwesen im Bundesstaat ein Gesamtgefüge“ darstellt9. Unter dem Gesichtspunkt der Bundestreue, stehen alle Glieder eines Bundesstaates unter dem Gebot, auf die Interessen der anderen Glieder Rücksicht zu nehmen und sie nicht durch gegenläufige Handlungen an der Wahrnehmung ihrer Aufgaben zu hindern10. Dies muss auch für Entscheidungen im Bereich der Haushaltswirtschaft gelten . Denn nach der Rechtsprechung des BVerfG ist im Fall der extremen Haushaltsnotlage eines Landes, das bundesstaatliche Prinzip als solches berührt11. Daraus folgt, dass Bund und Länder trotz ihrer Haushaltsautonomie auf das gesamtstaatliche Interesse an einer soliden Haushaltsführung Rücksicht zu nehmen haben12. Nach Art. 109 Abs. 2 GG haben Bund und Länder den Erfordernissen eines gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts Rechnung zu tragen. Dem Haushaltsgesetzgeber darf es nicht nur auf die Deckung des staatlichen Finanzbedarfs ankommen; vielmehr trägt er auch die Verantwortung für die Auswirkungen des Haushalts auf die Gesamtwirtschaft. Das Bundesverfassungsgericht hat 1992 in einem Urteil zum Finanzausgleichsgesetz (FAG)13, in dem es v.a. um die Klage Bremens und des Saarlands auf Anerkennung einer extremen Haushaltsnotlage ging, hervorgehoben, dass es nach Art. 109 Abs. 2 GG „nicht nur nahe gelegt sondern geboten“ ist, dass der Gesetzgeber für Bund und Länder rechtlich verbindliche Regeln erlässt, die der Entstehung einer Haushaltsnotlage entgegenwirken und zur Bewältigung einer eingetretenen Haushaltsnotlage geeignet sind. Art. 109 Abs. 3 GG biete dafür die entsprechende Gesetzgebungskompetenz14. Auf dieser Grundlage sind das Haushaltsgrundsätzegesetz15 und zum Teil das Stabilitäts- und Wachstumsgesetz16 ergangen17. 9 BVerfGE 4, 115 (140); 72, 330 (386 f.); 86, 148 (214); Siekmann, in: Sachs, Art. 109 Rn. 8. 10 Maunz, in: Maunz/Dürig, Art. 109, Rn. 23. 11 BVerfGE 86, 148 (263). 12 Vgl. Brockmeyer, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, Art. 109 Rn. 4. 13 BVerfGE 86, 148 ff. 14 BVerfGE 86, 148 (266 f.). Teilweise wird jedoch bestritten, dass eine derart weit reichende Gesetzgebungskompetenz des Bundes besteht. Dagegen wird eingewendet, dass solche Regelungen zwar Gegenstand des Haushaltsrecht sind, Art. 109 Abs. 3 aber lediglich zur Aufstellung verfahrensrechtlicher Grundsätze für das Haushaltsrecht ermächtige, nicht jedoch zu inhaltlich verbindlichen Vorgaben für die Gestaltung der Haushaltswirtschaft. Eine solche Regelung sei ein massiver Eingriff in die materielle Budgetautonomie der Länder (So Hillgruber, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 109 Rn. 93. Dagegen : Heintzen, in: von Münch/Kunig, Art. 109 Rn. 22 f.). 15 Gesetz über die Grundsätze des Haushaltsrechts des Bundes und der Länder vom 19. August 1969 (BGBl. I 1969, S. 1273), zuletzt geändert durch Art. 63 Gesetz vom 23. Dezember 2003 (BGBl. I 2003, S. 2848). 16 Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft vom 8. Juni 1967, zuletzt geändert durch Art. 101 Achte Zuständigkeitsverordnung vom 25. November 2003 (BGBl. I 2003 S. 2304). 17 Vgl. Heintzen, in: v. Münch/Kunig, Art. 109 Rn. 19. - 7 - Hervorzuheben ist, dass die Verpflichtung aus Art. 109 Abs. 2 GG Bund und Länder selbstständig trifft, ohne dass dem Bund in dieser Hinsicht zusätzlich zu seiner Grundsatzgesetzgebungskompetenz nach Abs. 3 und den Eingriffsrechten nach Abs. 4 besondere hoheitliche Rechte oder Aufsichtsrechte gegenüber den Ländern zustünden. Die Länder haben im Rahmen der Grundsatzgesetzgebung selbst zu entscheiden, wie sie ihrer Verpflichtung aus Art. 109 Abs. 2 nachkommen18. Dabei enthält der Begriff des „gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts“ einen weiten Beurteilungsspielraum für Bund und Länder. Meinungsverschiedenheiten über die Einhaltung der Grenzen dieses Beurteilungsspielraums und die Einhaltung der Pflicht aus Art. 109 Abs. 2 GG sind grundsätzlich in einem Rechtsstreit zwischen Bund und Land vor dem BVerfG auszutragen19. Diese finanzverfassungsrechtlichen Grundlagen sind jeder Überlegung über die Anwendung von Bundeszwang in Bereichen der Haushaltsführung der Länder zugrunde zulegen . Erst unter Berücksichtigung dieser Vorgaben kann auf die Frage eingegangen werden , ob und unter welchen Voraussetzungen der Bund die Verpflichtung der Länder zu einer soliden Haushaltsführung durch Einsetzung eines „Sparkommissars“ im Wege des Bundeszwangs durchsetzen kann. 4. Die Einsetzung eines „Sparkommissars“ im Wege des Bundeszwangs 4.1. Tatbestandsfeststellung: Vorliegen einer Pflichtverletzung Um die Möglichkeit des Einschreitens im Wege des Bundeszwangs zu eröffnen, müsste zunächst einem Land, das sich in einer Haushaltsnotlage befindet, der Vorwurf der Verletzung einer Bundespflicht gemacht werden können. Wird durch die Art und Weise der Haushaltsführung eines Landes gegen das Haushaltsgrundsätzegesetz oder das Stabilitäts - und Wachstumsgesetz verstoßen, so stellt dieser Verstoß unzweifelhaft eine (Bundes -)Pflichtverletzung i.S.d. Art. 37 Abs. 1 GG dar, so dass die tatbestandliche Voraussetzung zur Anwendung von Bundeszwang vorliegen würde. Hält sich die Haushaltsführung eines Notlagenlandes jedoch im Rahmen dieser gesetzlichen Grenzen, scheidet insofern eine Pflichtverletzung durch Verstoß gegen Bundesgesetze aus. Bei der Durchsetzung der Pflichten aus Art. 109 Abs. 2 GG im Wege des Bundeszwangs sind für die Feststellung der nach Art. 37 Abs. 1 GG maßgeblichen Pflichtverletzung dann verschiedene Fallkonstellationen genauer zu betrachten: Zum einen könnte ein Land mit seiner Klage auf Anerkennung einer extremen Haushaltsnot- 18 Maunz, in: Maunz/Dürig, Art. 109 Rn. 40 m.w.N. 19 Maunz, in: Maunz/Dürig, Art. 109 Rn. 40. Richtige Klageart wäre der Bund-Länder-Streit nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 3 GG. - 8 - lage und finanzieller Unterstützung vor dem BVerfG Erfolg haben und der Bund zur Zahlung entsprechender Finanzmittel verpflichtet werden. Andererseits besteht die Möglichkeit, dass ein Land mit seiner Klage auf Finanzhilfen vor dem BVerfG unterliegt oder aber keine Klage vor dem BVerfG erhebt, sich aber dennoch in einer Haushaltsnotlage befindet. Diese beiden Konstellationen sollen im Folgenden jeweils nach kurzer Darstellung ihres rechtlichen Hintergrunds daraufhin untersucht werden, ob und wie ihnen im Wege des Bundeszwangs begegnet werden könnte. 4.1.1. Erfolgreiche Klage auf Anerkennung einer extremen Haushaltsnotlage Befindet sich ein Land in einer extremen Haushaltsnotlage, so ergibt sich nach der Rechtsprechung des BVerfG20 aus dem Bundesstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG für Bund und Länder die Pflicht, dem Land in seiner Notlage beizustehen. Bund und Länder müssen dann durch Hilfsmaßnahmen das Notlagenland wieder zu politischer Autonomie und zur Wahrnehmung seiner verfassungsrechtlichen Verpflichtungen befähigen 21. Bei der Suche nach einer Pflichtverletzung im Sinne des Art. 37 GG ist es nicht sinnvoll , auf ein etwaiges Verschulden des Landes für den Eintritt der Haushaltsnotlage abzustellen. Denn ob ein Anspruch des Landes auf finanzielle Unterstützung nur dann besteht, wenn es unverschuldet in eine Haushaltsnotlage geraten ist, oder ob ein solcher Anspruch auch bei selbst verschuldeter Notlage bestehen kann, ist sehr umstritten22. Das BVerfG hat sich nicht unmittelbar zu dieser Frage geäußert. Da es jedoch bei Bestehen einer Haushaltsnotlage das bundesstaatliche Prinzip als solches bedroht sieht und aus dieser Feststellung auf die Unterstützungspflicht der anderen Glieder des bundesstaatlichen Systems schließt23, ist nahe liegend, dass bei der konkreten Gefahr des „Bankrotts“ eines Landes auch bei verschuldeter Haushaltsnotlage Unterstützungspflichten gelten müssen. Andernfalls würde das Bundesstaatsprinzip in einem solchen Fall aufgegeben. Dies heißt jedoch nicht, dass der Bund in jedem Fall zur Zahlung von finanziellen Mitteln verpflichtet ist. 20 Vgl. BVerfGE 86, 148 ff. 21 Auf die Einzelheiten der Voraussetzungen für die Anerkennung einer extremen Haushaltsnotlage und der sich daraus ableitenden Pflichten und Ansprüche von Bund und Ländern kann und soll im Rahmen dieser Ausarbeitung nicht eingegangen werden. Vgl. dazu als Übersicht: Krawietz, Fragenkatalog zu Sonderbedarfs-Bundesergänzungszuweisungen zur Beseitigung von Haushaltsnotlagen; ferner das oben zitierte Urteil des BVerfG (BVerfGE 86, 148 ff.). 22 Vgl. z.B. die gegensätzlichen Äußerungen im Verfahren zum Normenkontrollantrag des Landes Berlin von der Regierung des Landes Berlins einerseits und der Bundesregierung und einiger Länder andererseits : siehe, Wieland, Erwiderung, S. 50 f. 23 BVerfGE 86, 148 (263). - 9 - Das BVerfG hebt ausdrücklich hervor, dass es für den Bund diverse Reaktionsmöglichkeiten auf die Haushaltsnotlage eines Landes gibt, die bis hin zur Neuordnung der Länder nach Art. 29 GG24 führen können25. Die Beistandspflicht des Bundes und der übrigen Länder grenzt das BVerfG weiterhin ein, indem es den Bund auf die gebotene Wahrung der Erfordernisse des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts (Art. 109 Abs. 2 GG) sowie der Aufgabenerfüllungsfähigkeit des Bundes und der anderen Länder verweist und in diesem Zusammenhang nachdrücklich das Maß an Eigenanstrengung des betroffenen Landes als potentiell pflichtenbegrenzendes Kriterium hervorhebt26. So kann die Gewährung von Bundesergänzungszuweisungen an die Aufstellung und Durchführung eines verbindlichen Sanierungsprogramms gebunden werden27. Eine solche Verpflichtung sei keine nach Art. 107 Abs. 2 Satz 3 GG verbotene Zweckbindung, sondern nehme lediglich ein in Art. 109 Abs. 2 und 3 GG angelegtes, durch die extreme Haushaltsnotlage zu konkreten Handlungspflichten verdichtetes Handlungsrichtmaß auf. Ein Rückgriff auf den Bundeszwang wurde vom BVerfG insofern jedoch nicht erwogen. Hätte ein Land mit seiner Klage auf finanzielle Unterstützung durch den Bund allerdings Erfolg und bestünde die Verpflichtung auf ein bestimmtes Sanierungsprogramm, so müsste zumindest die Nichtbefolgung des Sanierungsprogramms eine Verletzung gegen Bundespflichten im Sinne des Art. 37 Abs. 1 GG darstellen. Damit wären die tatbestandlichen Voraussetzungen für den Bundeszwang gegeben. Ein Verschulden hinsichtlich der Pflichtverletzung ist nicht erforderlich28. 4.1.2. Haushaltsnotlage ohne erfolgreiche Klage Der Fall eines möglichen Pflichtenverstoßes gegen Vorgaben auf ein verbindliches Sanierungsprogramm besteht jedoch nur für den Fall, dass ein solches Programm gekoppelt an finanzielle Hilfen des Bundes aufgestellt wird. Unterliegt das Land mit seiner Klage auf Finanzhilfen vor dem BVerfG oder erhebt es eine solche Klage erst gar nicht, kann es sich dennoch in einer Haushaltsnotlage befinden. So ist die Unterstützung des Bundes grundsätzlich subsidiär. Zunächst hat das Land erhebliche Eigenanstrengungen zu unternehmen, um eine Haushaltsnotlage abzuwenden oder sich aus einer solchen zu 24 Dafür ist jedoch grundsätzlich die Durchführung eines Volksentscheides erforderlich (vgl. Art. 29 Abs. 2 Satz 1 GG). 25 BVerfGE 86, 148 (270). 26 BVerfGE 86, 148 (269). 27 BVerfGE 86, 148 (266 f.). 28 Im Ergebnis ebenso Kerber, Vor dem Sturm, S. 46 ff.; Kerber, Der verdrängte Finanznotstand, S. 389 ff.: Wenn zur Bewältigung von Haushaltsnotlagen neben Sonderzuweisungen auch die Ernennung eines Staatskommissars durch den Bund erforderlich ist, so kann dies ohne Zustimmung des hiervon betroffenen Landes nur im Wege des Bundeszwangs gem. Art. 37 GG erfolgen. - 10 - befreien. Deshalb kann es ggf. auch dazu kommen, dass ein Land sich in einer Haushaltsnotlage befindet, jedoch zum Zeitpunkt seiner Klage auf Unterstützung vor dem BVerfG unterliegt, weil es noch nicht genügend Eigenanstrengungen unternommen hat. Für die Anwendung des Bundeszwangs in einem solchen Fall stellt sich dann wiederum die Frage nach einer Pflichtverletzung des Landes. Mangels entsprechender Pflichten aus einem Sanierungsprogramm ist dann auf die Verpflichtung zur Einhaltung der Vorgaben aus der Finanzverfassung abzustellen29. Zwar gewährleistet Art. 109 Abs. 1 GG, wie dargestellt, Bund und Ländern die Selbstständigkeit ihrer Haushaltsführung. Diese Haushaltsautonomie ist jedoch nicht absolut zu verstehen, sondern wird, wie das gesamte verfassungsrechtliche Verhältnis zwischen Gesamtstaat und seinen Gliedern, von einem Pflichtenverhältnis bestimmt, in dem weder Bund noch Länder dazu berechtigt sind, durch gegenläufige Handlungen die Aufgaben des anderen Teils zu verhindern30. Ob zur Beschreibung dieses Pflichtenverhältnisses auf den Begriff des bundesfreundlichen Verhaltens bzw. der Bundestreue zurückzugreifen ist31, spielt dabei eine untergeordnete Rolle. Entscheidend ist vielmehr, dass jede Kompetenz von Bund oder Ländern im bundesstaatlichen System auch das Recht enthält, die Durchsetzung und Beachtung der innerhalb dieses Kompetenzrahmens getroffenen Maßnahmen zu verlangen32. Das Bundesverfassungsgericht führt dazu aus33: „Die Länder haben ebenso wie der Bund die verfassungsrechtliche Pflicht, dem Wesen des sie verbindenden verfassungsrechtlichen ‚Bündnisses’ entsprechend zusammenzuwirken und zu seiner Festigung und zur Wahrung der wohlverstandenen Belange des Bundes und der Glieder beizutragen (BVerfGE 1, 299 [315]; s. auch BVerfGE 1, 117 [131]; 3, 52 [57]). Daraus ergibt sich auch eine Beschränkung des Landesgesetzgebers. Bleiben die Auswirkungen einer gesetzlichen Regelung nicht auf den Raum des Landes begrenzt, so muss der Landesgesetzgeber Rücksicht auf die Interessen des Bundes und der übrigen Länder nehmen. Hat ein Landesgesetzgeber unter Verletzung dieser Pflicht zur Rücksichtnahme seine Freiheit offenbar missbraucht, so ist sein Verhalten verfassungswidrig (BVerf- GE 4, 115 [140]). Daraus ist herzuleiten, dass im Bundesstaat auch nichts geschehen darf, was das Ganze oder eines der Glieder schädigt. Daher erfordert die Bundestreue die Rücksichtnahme jedes Gliedes auf Interessen- und Spannungslagen, die im Bund auftreten (…).“ Demnach hat der Landesgesetzgeber z.B. auch bei der Verabschiedung und Gestaltung des Haushaltsplanes Rücksicht auf die Interessen des Bundes und der übrigen Länder zu nehmen, so dass diese Pflichtenbeziehung faktisch zu einer Beschränkung der finanziel- 29 Auch die Pflichten aus der Finanzverfassung (Art. 104a ff. GG) gehören zu den Bundespflichten i.S.d. Art. 37 GG: vgl. Bauer, in: Dreier, Art. 37 Rn. 10. 30 BVerfGE 4, 115 (140 ff.); Brockmayer, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, Art. 109 Rn. 4. 31 Ablehnend dazu Brockmeyer, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, Art. 109 Rn. 4. 32 Brockmeyer, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, Art. 109 Rn. 4. 33 BVerfGE 6, 309 (361 f.). - 11 - len Selbstständigkeit der Länder führt. Deshalb kann auch die Bundes- oder eine Landesregierung im Wege der abstrakten Normenkontrolle ein Haushaltsgesetz des Bundes oder eines Landes vor dem BVerfG überprüfen lassen, ohne dass darin ein Eingriff in die Haushaltsautonomie zu sehen ist; der Grundsatz des Art. 109 GG bleibt insofern unberührt34. Es ist also festzuhalten, dass die Kompetenz der Länder zur selbstständigen Haushaltsführung durch die Pflicht zur Berücksichtigung der Belange des Bundes oder anderer Länder begrenzt wird. Da nach ganz überwiegender Auffassung auch ein Verstoß gegen die Pflicht zu bundesfreundlichem Verhalten35 eine Pflichtverletzung i.S.d. Art. 37 Abs. 1 GG darstellen kann36, wären die tatbestandlichen Voraussetzung gegeben37, wenn ein Land eine extrem verschwenderische Haushaltspolitik betreibt, die zu einem „Bankrott“ des Landes oder zu einer absehbaren Unterstützungspflicht des Bundes oder ggf. anderer Länder führen muss. Dies bedarf jedoch einer Prüfung im Einzelfall. 4.1.3. Zwischenergebnis Verstößt die Art und Weise der Haushaltsführung eines Landes gegen das Haushaltsgrundsätzegesetz oder das Stabilitäts- und Wachstumsgesetz, so liegt in diesem Verstoß eine Verletzung von Bundespflichten i.S.d. Art. 37 Abs. 1 GG. Befindet sich ein Land in einer extremen Haushaltsnotlage und verpflichtet das BVerfG den Bund zur Zahlung von finanziellen Unterstützungsmitteln gekoppelt an ein Sanierungsprogramm , so stellt jedenfalls ein Verstoß des Landes gegen dieses Sanierungsprogramm eine Verletzung von Bundespflichten dar. Auch insofern wäre folglich die tatbestandliche Voraussetzung für den Bundeszwang gegeben. Ist ein Land dagegen in eine extreme Haushaltsnotlage geraten, ohne dass es gegen Gesetze verstößt und ohne dass es aufgrund einer eingeklagten Zahlungspflicht des Bundes auf ein bestimmtes Sanierungsprogramm verpflichtet ist, so kann nur noch auf die Pflicht zum bundesfreundlichen Verhalten abgestellt werden. Danach ist es den Ländern untersagt, die Wahrnehmung der in Art. 109 GG verbürgten Freiheit zur autonomen Führung ihres Haushalts durch eine extrem verschwenderische Haushaltspolitik so auszuüben , dass der Bund oder andere Länder in der Wahrnehmung ihrer Belange - z.B. durch eine etwa eintretende Unterstützungspflicht - beeinträchtigt werden können. Ob 34 BVerfGE 20, 56 (94). 35 Will man einen Rückgriff auf den Begriff der Bundestreue vermeiden, so könnte unter der oben dargestellten Auslegung des Art. 109 GG auch unmittelbar auf eine Verletzung dieser finanzverfassungsrechtlichen Vorschrift abgestellt werden. 36 Stern, S. 715; Maunz, in: Maunz/Dürig, Art. 37 Rn. 17 m.w.N.; a.A.: Bauer, in: Dreier, Art. 37 Rn. 10. 37 Zu dem gleichen Ergebnis kommt auch der Prozessvertreter des Landes Berlins in dem Verfahren zum Normenkontrollantrag Berlins vor dem BVerfG: vgl. Wieland, Anspruch auf Sanierungshilfe, S. 2 a.E. - 12 - dem Land dann ein Verstoß gegen das Prinzip des bundesfreundlichen Verhaltens und damit eine Bundespflichtverletzung i.S.d. Art. 37 Abs. 1 GG vorgeworfen werden kann bedarf einer Prüfung im Einzelfall und kann nicht allgemein festgestellt werden. Gerät ein Land dagegen unverschuldet, etwa durch besondere, nur in diesem Land anfallende Sonderlasten in eine Haushaltsnotlage, so kann darin wohl keine Pflichtverletzung i.S.d. Art. 37 Abs. 1 GG gesehen werden. 4.2. Feststellung des Tatbestandes und Entscheidung über die Anordnung des Bundeszwangs Das Vorliegen einer Pflichtverletzung i.S.d. Art. 37 Abs. 1 GG wird von der Bundesregierung im Kabinett in eigener Verantwortung festgestellt. Sie fasst auch den Beschluss, ob der Bundeszwang angewendet wird. Dabei steht ihr nach dem Wortlaut des Art. 37 GG Ermessen zu („kann“). Die Feststellungen der Bundesregierung können im Verfahren des Bund-Länder-Streits nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 3 GG vor dem BVerfG überprüft werden. Der Bundeszwang ist als eine Art „Zwangsvollstreckung“ ein sehr starkes Mittel gegen ein Land. Allerdings soll nach allgemeiner Auffassung keine rechtliche Pflicht bestehen, den Bundeszwang erst als letztes Mittel anzuwenden; dennoch wird er zumindest politisch als ultima ratio angesehen38. 4.3. Entscheidung über die Auswahl notwendiger Maßnahmen Art. 37 GG räumt der Bundesregierung zur Bestimmung der im Einzelfall notwendigen Maßnahmen des Bundeszwangs ein erhebliches Auswahlermessen ein. Grenzen ergeben sich aus der Eigenstaatlichkeit der Bundesländer und der Pflicht des Bundes zu bundesfreundlichem Verhalten (auch wenn genau genommen von der Pflicht des Bundes zu „länderfreundlichem“ Verhalten zu sprechen wäre39). Im Übrigen erlaubt der Bundeszwang alle „notwendigen Maßnahmen“, ohne eine Eingrenzung festzulegen. Notwendige Maßnahmen sind danach alle zur Verfügung stehenden Machtmittel, die zur Durchsetzung der Pflichterfüllung des Landes erforderlich und nicht bloß zweckmäßig sind40. Unzulässig sind deshalb sämtliche Maßnahmen reinen Strafcharakters41. Des Weiteren können bestimmte Machtmittel durch andere Verfas- 38 Vgl. Gubelt, in: v. Münch/Kunig, Art. 37 Rn. 1; Maunz, in: Maunz/Dürig, Art. 37 Rn. 31. 39 Trotz der insofern missverständlichen Begrifflichkeit, gilt die Pflicht zu bundesfreundlichem Verhalten bzw. zur Bundestreue sowohl für die Länder als auch für den Bund (vgl. Maunz, in: Isensee/Kirchhoff, § 94 Rn. 20). 40 Stern, S. 716; Maunz, in: Maunz/Dürig, Art. 37 Rn. 47. 41 Maunz, in: Maunz-Dürig, Art. 37 Rn. 54; Stern, S. 716 m.w.N. - 13 - sungsbestimmungen ausgeschlossen sein, wie z.B. die Liquidation eines Landes (arg. Art. 29 GG) 42. Zulässig ist dagegen die Einsetzung eines „Bundeskommissars“ 43 mit allgemeiner oder spezieller Vollmacht44. Allerdings darf es sich nach dem Ziel des Art. 37 GG bei den Maßnahmen nur um vorübergehende Eingriffe handeln. Danach beinhaltet der Bundeszwang nur die Durchsetzung der Erfüllungspflicht des Landes.45. Mit erfolgreicher Durchsetzung der Pflicht entfällt die Berechtigung des Bundeszwangs. Demzufolge scheint auch die Einsetzung eines Bundesbeauftragten bei Verletzung haushaltsrechtlicher Länderpflichten möglich. Handelt es sich dabei um einen Verstoß gegen Bundesgesetze oder gegen ein verbindliches Sanierungsprogramm im Zusammenhang mit der Gewährung von Finanzhilfen, so könnte ein solcher „Bundeskommissar “ eingesetzt werden, um die Einhaltung der Gesetze oder des Sanierungsprogramms durchzusetzen. Nach Art. 37 Abs. 2 GG könnte einem solchem Bundesbeauftragten ein umfassendes Weisungsrecht zugeteilt werden. Dieses Weisungsrecht bestünde gegenüber dem Land als Ganzem ebenso, wie auch gegenüber den zuständigen Landesbehörden . Auch können Weisungen an andere Länder gerichtet werden und diese zur Nichteinmischung verpflichtet werden46. Bei einem Verstoß gegen die Pflicht zur Bundestreue , wäre die Haushaltsführung durch den Bundesbeauftragten wieder so weit in die richtige Richtung zu lenken, dass die Haushaltsnotlage bzw. der Eintritt einer absehbaren Beistandspflicht von Bund und Ländern abgewendet wird47. 4.4. Zustimmung des Bundesrates Zur Vornahme von Maßnahmen des Bundeszwangs ist die vorherige Zustimmung des Bundesrates, der mit der Mehrheit seiner Stimmen zu entscheiden hat (Art. 52 Abs. 3 GG), erforderlich. Eine nachträgliche Billigung reicht nicht aus48. Umstritten ist, ob sich die Zustimmung des Bundesrates auf alle Stadien oder nur auf einen Teil der Beschlussfassung der Bundesregierung bezieht und wie weit in so einem Fall eine Prü- 42 Eine Auflistung zulässiger und unzulässiger Mittel des Bundeszwangs findet sich z.B. bei Maunz, in: Maunz/Dürig, Art. 37 Rn. 47 ff. m.w.N. 43 Zur Verwendung dieses Begriffs vgl. Maunz, in: Maunz/Dürig, Art. 37 Rn. 56, dort Fn. 5. 44 Vgl. statt vieler z.B. Maunz, in: Maunz/Dürig, Art. 37 Rn. 55. 45 Maunz, in: Maunz/Dürig, Art. 37 Rn. 52 m.w.N. 46 Vgl. zu dem umfassenden Weisungsrecht nach Art. 37 Abs. 2 GG: Maunz, in: Maunz/Dürig, Art. 37 Rn. 56 m.w.N. 47 Zu den möglichen Befugnissen eines „Bundeskommissars“, insbesondere zu der Frage, ob ein „Bundeskommissar “ zur Reorganisation der Finanzen einzelner Länder, mit der Befugnis, in die Ausgabenstruktur des Landes gestaltend einzugreifen, ernannt werden kann, vgl. Kerber, Der verdrängte Finanznotstand, S. 390 ff.; Kerber, Vor dem Sturm, S. 46 ff. 48 Gubelt, in: v. Münch/Kunig, Art. 37, Rn.16. - 14 - fungskompetenz des Bundesrates besteht49. So wird zum Beispiel die Meinung vertreten , dass die Zustimmung des Bundesrates nach Art. 37 Abs. 1 GG zur Anwendung von Bundeszwang durch die Bundesregierung gegen ein Land die verfahrensrechtliche Mitwirkung an einer gesamtstaatlichen Maßnahme des Bundes ist. Streitfragen darüber, ob das Land durch eine Behinderung der Arbeit des von der Bundesregierung eingesetzten „Bundeskommissars“ seine Pflicht zu bundesfreundlichem Verhalten nicht beachtet oder ob das Prinzip der selbständigen Haushaltswirtschaft der Länder hierdurch verletzt wird, könnten nur durch das Bundesverfassungsgericht geklärt werden50. 4.5. Durchführung des Bundeszwangs Zwar enthält Art. 37 GG keine der Mängelrüge des Art. 84 GG vergleichbare Pflicht zur vorherigen Ankündigung des Bundeszwangs oder zur vorherigen Aufforderung an das Land zur Abhilfe. Weitgehend wird eine solche Pflicht in der Literatur dennoch angenommen oder zumindest als für sinnvoll erachtet51. Die Kosten des Bundeszwangs trägt der Bund52. 5. Zusammenfassende Bewertung Die Einsetzung von Bundeszwang durch Einsetzung eines Bundesbeauftragten zur Durchsetzung bundesstaatlicher finanzverfassungsrechtlicher und haushaltsrechtlicher Pflichten scheint unter den oben dargestellten Voraussetzungen im Einzelfall möglich. Eine abschließende Bewertung kann jedoch mangels Rechtsprechung und einschlägigem Schrifttum zu diesem Thema nicht getroffen werden. Es ist deshalb darauf hinzuweisen, dass insofern weitgehende Einigkeit besteht, dass von dem Bundeszwang nur sehr zurückhaltend Gebrauch gemacht werden sollte. Zwar ist er nicht rechtlich, wohl jedoch politisch als ultima ratio anzusehen, zumal derartige Zwangsmaßnahmen des Bundes erhebliche politische Konflikte hervorrufen können, die 49 Da dieser Streit für die vorliegend behandelte Fragestellung von untergeordneter Relevanz ist, sei insofern auf die einschlägige Kommentarliteratur zu Art. 37 GG verweisen (vgl. z.B. als Übersicht über den Streitstand: Maunz, in: Maunz/Dürig, Art. 37 Rn. 37 ff.). 50 Kerber, Der verdrängte Finanznotstand, S. 389, 392 51 Zur Begründung wird dafür teilweise auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit abgestellt (vgl. z.B. Maunz, in: Maunz/Dürig, Art. 37 Rn. 35. Ob dieser im Rahmen des Bundeszwangs jedoch tatsächlich in vollem Umfang Anwendung findet, ist heftig umstritten (vgl. zur Übersicht über den Streitstand: von Danwitz, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 37 Rn. 30 m.w.N.). Insofern wäre jedoch ein Abstellen auf die Pflicht des Bundes gegenüber den Ländern zu bundesfreundlichem Verhalten denkbar (so hinsichtlich der Schranken für das Handeln des Bundes: BVerfGE 81, 310 (337)). 52 Erbguth, in Sachs, Art. 37 Rn. 20 m.w.N. - 15 - auch dem Bürger nur schwer vermittelbar sind53. Insbesondere ist auf die Möglichkeit eines Bund-Länder-Streits vor dem BVerfG hinzuweisen, mit dem etwaige Verfassungsverstöße festegestellt werden können und dass betreffende Land wirksam zur Einhaltung seiner Pflichten angehalten werden kann54. 53 Vgl. etwa Gubelt, in: v. Münch/Kunig, Art. 37 Rn. 23; ähnlich Maunz, in: Maunz/Dürig, Art. 37 Rn. 9. 54 Vgl. BVerfGE 7, 367 (372). Zustimmend Stern, S. 716. - 16 - 6. Literaturverzeichnis − Dreier, Horst, Grundgesetz, Band II, 2. Aufl., Tübingen 2006 (zit.: Bearbeiter, in: Dreier). − Isensee, Josef/Kirchhof, Paul, Handbuch des Staatsrechts, Band IV, Heidelberg 1990 (zit.: Bearbeiter, in: Isensee/Kirchhof). − Kerber, Markus C., Der verdrängte Finanznotstand: Zur finanzpolitischen Verantwortlichkeit von Parlament und Regierung sowie zur Rolle des Bundes als Hüter der finanzwirtschaftlichen Souveränität, u.a. Berlin 2002. − Kerber, Markus C.,Vor dem Sturm: Anmerkungen zur finanziellen Neuordnung Berlins aus staatsrechtlicher und finanzwissenschaftlicher Sicht, Berlin 2002. − Krawietz, Fragenkatalog zu Sonderbedarfs-Bundesergänzungszuweisungen zur Beseitigung von Haushaltsnotlagen, Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages , WF IV – 059/2003. − Mangoldt, Hermann von/Klein, Friedrich /Starck, Christian, Grundgesetz, Band III, 5. Auflage, München 2005 (zit.: Bearbeiter, in: v. Mangoldt/Klein/Starck). − Maunz, Theodor/Dürig, Günter, Grundgesetz, Loseblatt, München (zit.: Bearbeiter, in: Maunz/Dürig). − Münch, Ingo von/Kunig, Philip, Grundgesetz-Kommentar, Bd. II, 5. Aufl., München 2000 (zit. Bearbeiter, in: v. Münch/Kunig). − Sachs, Michael, Grundgesetz, 3. Aufl., München 2003 (zit.: Bearbeiter, in: Sachs). − Schmidt-Bleibtreu, Bruno/Klein, Franz, Grundgesetz, 10. Auflage, München 2004 (zit.: Bearbeiter, in: Schmidt-Bleibteu/Klein). − Stern, Klaus, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band I, 2. Auflage, München 1984. − Wieland, Joachim, Der Anspruch auf Sanierungshilfe und die Obliegenheiten des Landes aus verfassungsrechtlicher Sicht, abrufbar unter: http://www.berlin.de/imperia/md/content/senatsverwaltungen/finanzen/haushalt/ans pruchsanierungwieland.pdf [Zugriff: 13. Juli 2006.] (zit.: Wieland, Anspruch Sanierungshilfe ). - 17 - − Wieland, Joachim, Erwiderung auf die Stellungnahmen des Bundes und anderer Bundesländer, Schriftsatz an das Bundesverfassungsgericht vom 28. September 2004, abrufbar unter: http://www.berlin.de/imperia/md/content/senatsverwaltungen /finanzen/haushalt/041022schriftsatzwieland.pdf [Zugriff: 13. Juli 2006] (zit.: Wieland, Erwiderung).