© 2019 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 248/19 Fragen zur Nutzung öffentlicher Einrichtungen durch politische Parteien Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 248/19 Seite 2 Fragen zur Nutzung öffentlicher Einrichtungen durch politische Parteien Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 248/19 Abschluss der Arbeit: 08. November 2019 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 248/19 Seite 3 1. Fragestellung Der Sachstand befasst sich mit der Frage, ob politischen Parteien ein Anspruch auf Nutzung öffentlicher Einrichtungen zusteht, obwohl der Träger der Einrichtung eine Nutzung für parteipolitische Veranstaltungen ausgeschlossen hat. Weiter wird erörtert, ob ein solcher Anspruch einfachgesetzlich im Parteiengesetz (PartG) geregelt werden könnte. 2. Anspruch auf Zugang zu öffentlichen Einrichtungen für Parteien Ausführliche Ausführungen zu der Frage nach der Möglichkeit, die Durchführung parteipolitischer Veranstaltungen in öffentlichen Einrichtungen per Widmung auszuschließen, finden sich im - Sachstand der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages, Ausschluss politischer Veranstaltungen in öffentlichen Einrichtungen vom 13. November 2018, WD 3 - 3000 - 393/18. Anlage Mit Bezug auf die insoweit grundlegende Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aus dem Jahr 1969 kommt der Sachstand zu dem Ergebnis, dass keine generelle Verpflichtung besteht, öffentliche Einrichtungen für Veranstaltungen politischer Parteien zur Verfügung zu stellen.1 Im Sachstand wird weiter ausgeführt, dass eine Ausnahme nur für den Fall angenommen wird, dass die Parteien mangels adäquater Ausweichmöglichkeiten von der Möglichkeit zur Durchführung von Parteiveranstaltungen völlig ausgeschlossen würden.2 Zudem weist der Sachstand darauf hin, dass ein Ausschluss politischer Parteien alle Parteien umfassen muss. Der Ausschluss nur bestimmter Parteien würde einen Verstoß gegen den gemäß Art. 3 GG i.V.m. Art. 21 Grundgesetz (GG) gewährleisteten Grundsatz der Chancengleichheit der Parteien bedeuten. Das Bundesverwaltungsgericht hat in seiner Entscheidung aus dem Jahr 1969 festgestellt, dass es keine ausdrückliche gesetzliche Vorschrift gebe, die die Gemeinde verpflichte, Räume für Parteiveranstaltungen zur Verfügung zu stellen. Die Bereitstellung solcher Räume sei keine Pflichtaufgabe der Gemeinde. Ein Nutzungsanspruch für Parteien könne weder aus § 5 PartG noch aus der Pflicht zur Amtshilfe aus Art. 35 GG hergeleitet werden. Bei § 5 Abs. 1 S. 1 PartG handele es sich um einen Anspruch auf Gleichbehandlung, nicht aber auf originären Zugang zu den öffentlichen Einrichtungen.3 Der Grundsatz, dass die Träger öffentlicher Einrichtungen politische Parten von der Nutzung der Einrichtungen ausschließen können, solange dabei die Chancengleichheit der 1 BVerwG, Urteil vom 18. Juli 1969, VII C 56.68, BVerwGE 32, 333 ff., juris Rn. 35 ff. 2 Köster, Zugang der politischen Parteien zu öffentlichen Einrichtungen der Kommunen, in: KommJur 2007, 244 ff. (245). 3 BVerwG, Urteil vom 18. Juli 1969, VII C 56.68, BVerwGE 32, 333 ff., juris Rn. 35 ff. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 248/19 Seite 4 politischen Parteien aus Art. 3 GG in Verbindung mit Art. 21 und Art. 38 GG gewahrt bleibt, ist von Rechtsprechung und Literatur seither anerkannt.4 In Rechtsprechung und Literatur findet sich regelmäßig im Zusammenhang mit der Frage der Ungleichbehandlung zwischen den Parteien beim Zugang zu öffentlichen Einrichtungen der Hinweis , dass eine beschränkende Widmung der öffentlichen Einrichtung nicht dazu führen darf, dass Parteien die Möglichkeit genommen wird, öffentliche Veranstaltungen durchzuführen.5 Da sich die einschlägigen Entscheidungen im Kern mit der Frage der Ungleichbehandlung zwischen politischen Parteien beschäftigen, unterbleiben allerdings hierzu weiterführende Ausführungen und Begründungen. 3. Einfachgesetzliche Regelung durch den Bundesgesetzgeber Nach Art. 28 Abs. 2 GG steht den Kommunen die sog. Selbstverwaltungsgarantie zu. Hiervon umfasst ist das Recht der Kommunen, ihre örtlichen Angelegenheiten in eigener Verantwortung zu regeln.6 Darunter fällt auch das Recht, die Nutzung kommunaler Einrichtungen durch entsprechende Widmung (welche nicht formgebunden ist) eigenständig zu regeln. Entscheidet sich eine Kommune im Rahmen der Widmung, ihre Einrichtungen grundsätzlich politischen Parteien nicht zur Verfügung zu stellen, so ist dies von der Selbstverwaltungsgarantie gedeckt.7 Demgegenüber stehen die Bedeutung der Parteien im Staatsgefüge und ihre in Art. 21 Abs. 1 S. 1 GG geregelte Aufgabe, bei der politischen Willensbildung des Volkes mitzuwirken. Die Parteien können diesen Auftrag des Grundgesetzes nur dann wirksam wahrnehmen, wenn sie nicht nur innerparteilich arbeiten, sondern auch nach außen tätig und sichtbar werden. Zudem sind Parteien gemäß Art. 21 Abs. 1 S. 3 GG in ihrer inneren Ordnung auf die demokratischen Grundsätze verpflichtet. Als Ausdruck dieser Verpflichtung kann u. a. die in § 9 Abs. 1 S. 3 PartG geregelte Pflicht verstanden werden, wonach Parteien mindestens in jedem zweiten Kalenderjahr einen Parteitag abzuhalten haben. Dafür benötigten die Parteien geeignete Veranstaltungsräume, über die Kommunen regelmäßig verfügen. Eine einfachgesetzliche Regelung eines Anspruchs politischer Parteien auf Nutzung kommunaler öffentlicher Einrichtungen etwa im Parteiengesetz müsste sich daran messen lassen, ob diese in 4 Siehe nur BVerfG Nichtannahmebeschluss vom 07. März 2007 - 2 BvR 447/07, BeckRS 2007, 21805; OVG Lüneburg, Beschluss vom 28. Februar 2007 – 10 ME 74/07 –, juris Rn. 9; Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 28. November 2011 – OVG 3a B 4.11 –, juris Rn. 35.; Streinz in: von Mangoldt/Klein/Starck, Grundgesetz, 7. Auflage 2018, Art 21 GG, Rn. 141; siehe dazu auch Schoch, Rechtsprechungsentwicklung, Zugang zu kommunalen öffentlichen Einrichtungen, NVwZ 2016, 257 ff. (258 und 262). 5 Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 28. November 2011 – OVG 3a B 4.11 –, juris Rn 34; Thüringer Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 16. September 2008 – 2 EO 490/08 –, juris Rn. 39; Augsberg in: Kersten/Rixen, Parteiengesetz, § 5, Rn. 93; Köster, Zugang der politischen Parteien zu öffentlichen Einrichtungen , KommJur 2007 Heft 7, 244 (245); 6 Ausführlich zur Eigenverantwortlichkeit siehe Dreier, in: Dreier, Grundgesetz-Kommentar, 3. Auflage 2015, Art. 28 Rn. 105 f. 7 Hierzu ausführlich: OVG Bautzen, Beschluss vom 12. April 2001 – 3 BS 10/01, NVwZ 2002, 615. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 248/19 Seite 5 die Selbstverwaltungsgarantie eingreift und ob ein solcher Eingriff gerechtfertigt wäre. Eine solche Prüfung kann hier nur allgemein erfolgen, da kein entsprechender Gesetzentwurf vorliegt. Die Regelung eines Nutzungsanspruches für politische Parteien würde einen Eingriff in die Selbstverwaltungsgarantie darstellen, da den Kommunen – wie aufgezeigt – grundsätzlich die Regelungshoheit hinsichtlich der öffentlichen Einrichtungen zusteht. Einem solchen Eingriff müsste ein legitimer Zweck zugrunde liegen, zudem müsste der Eingriff geeignet, erforderlich und angemessen sein, damit er gerechtfertigt wäre. Die Unterstützung der Parteien bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben und Erfüllung ihrer Pflichten stellt einen legitimen Zweck dar. Die Regelung eines Nutzungsanspruches wäre zudem geeignet, diesen Zweck zu erreichen. Bedenken könnten gegen die Erforderlichkeit einer solchen Regelung bestehen. Politische Parteien sind grundsätzlich eigenständige, vom Staat unabhängige, im gesellschaftlichen Raum angesiedelte Einheiten.8 Als solche sind sie für ihre Organisation eigenverantwortlich zuständig. Politische Parteien werden finanziell vom Staat unterstützt. Insofern dürfte es regelmäßig andere zumutbare Möglichkeiten für Parteien geben, ihre Veranstaltungen abzuhalten, insbesondere durch die Anmietung Veranstaltungsräume Privater. In Rechtsprechung und Literatur findet sich wiederholt der Hinweis, dass Parteien im Einzelfall schon bei bestehender Rechtslage ein Anspruch auf Nutzung öffentlicher Einrichtungen zukomme, wenn andernfalls die Wahrnehmung ihrer politischen Aufgaben nicht mehr möglich sei.9 Eine ausdrückliche Regelung eines Nutzungsanspruches könnte insofern als überflüssig angesehen werden. Dagegen spricht allerdings, dass es für die Parteien im Einzelfall eine große Belastung bedeuten würde, ihren Anspruch notfalls gerichtlich erstreiten zu müssen. Sofern man eine solche Regelung als erforderlich ansieht, müssten die Anspruchsvoraussetzungen so gestaltet werden, dass diese angemessen sind und nicht unzumutbar in den Kernbereich der Selbstverwaltungsgarantie eingreifen.10 Insbesondere dürfte eine solche Regelung nicht dazu führen, dass die Nutzung besonders bevorzugter öffentlicher Einrichtungen für andere Veranstaltungen , die allen Einwohnerinnen und Einwohnern einer Gemeinde offen stehen, nur noch stark eingeschränkt möglich wäre. *** 8 BVerwG, Urteil vom 18. Juli 1969, VII C 56.68, BVerwGE 32, 333 ff., juris Rn. 37. 9 Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 28. November 2011 – OVG 3a B 4.11 –, juris Rn 34; Thüringer Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 16. September 2008 – 2 EO 490/08 –, juris Rn. 39; Augsberg in: Kersten/Rixen, Parteiengesetz, § 5, Rn. 93; Köster, Zugang der politischen Parteien zu öffentlichen Einrichtungen , KommJur 2007 Heft 7, 244 (245); offengelassen VG Chemnitz, Beschluss vom 13. Februar 2009 – 1 L 38/09, BeckRS 2009, 32225. 10 Zum Vorliegen eines Eingriffs in den Kernbereich ausführlich: Magen, Die Garantie kommunaler Selbstverwaltung , JuS 2006, 404 ff.