© 2019 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 244/19 Auswirkung des Brexit auf die Rückführung von Asylsuchenden in das Vereinigte Königreich Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 244/19 Seite 2 Auswirkung des Brexit auf die Rückführung von Asylsuchenden in das Vereinigte Königreich Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 244/19 Abschluss der Arbeit: 29. Oktober 2019 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 244/19 Seite 3 1. Fragestellung Gefragt wird, wie sich ein möglicher Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU (sog. Brexit) auf die Rückführung von Asylsuchenden auswirkt, die während eines im Vereinigten Königreich laufenden Asylverfahrens nach Deutschland ausreisen. 2. Auswirkungen des Brexit auf die Rückführung von Asylsuchenden in das Vereinigte Königreich Die Rechtslage hängt maßgeblich davon ab, ob ein etwaiger Brexit mit oder ohne Austrittsabkommen stattfindet. Im Falle eines geordneten Brexits sieht das Austrittsabkommen1 zwischen dem Vereinigten Königreich und der EU mit Stand 17. Oktober 2019 in Art. 126 und 127 die Fortgeltung des Unionsrechts für einen Übergangszeitraum bis zum 31. Dezember 2020 vor. Davon ist auch die sogenannte Dublin-III-Verordnung2 umfasst, die die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten für die Durchführung von Asylverfahren und die entsprechende Überstellung regelt. Der Europäische Gerichtshof hat mit Urteil vom 23. Januar 2019 zum Aktenzeichen C-661/17 entschieden, dass die die Zuständigkeit prüfenden Mitgliedstaaten auch nicht zur Ausübung ihres Selbsteintrittsrechts nach Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-Verordnung verpflichtet sind, wenn der nach den Kriterien der Dublin-III-Verordnung zuständige Mitgliedstaat beabsichtigt, aus der EU auszutreten. Nach dem Ablauf der Übergangsfrist bzw. ohne Abschluss eines Austrittsabkommens ist das Primär- und Sekundärrecht der EU und damit auch die Dublin-III-Verordnung für das Vereinigte Königreich nicht mehr anwendbar. Dieses gilt dann nach dem deutschen Asyl- und Aufenthaltsrecht als Drittland. Bislang besteht kein Rückübernahmeabkommen zwischen Deutschland und dem Vereinigten Königreich.3 Ungeklärt ist, ob nach einem Brexit das 1990 auch durch das Vereinigte Königreich ratifizierte Dubliner Übereinkommen4, völkerrechtliche Wirkungen entfaltet. Dieses wurde formal nie außer Kraft gesetzt, jedoch innerhalb der EU durch die Dublin-Verordnungen 1 Abkommen über den Austritt des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland aus der Europäischen Union und der Europäischen Atomgemeinschaft, in der Fassung vom 17. Oktober 2019 abrufbar in englischer Sprache unter: https://ec.europa.eu/commission/publications/working-document-consolidated-version-withdrawal -agreement-following-revision-protocol-ireland-northern-ireland-and-technical-adaptations-articles-184-and- 185-agreed-negotiators-level-and-endorsed-european-council_de (zuletzt abgerufen: 25. Oktober 2019). 2 Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Neufassung), ABl. L 180 vom 29.6.2013, S. 31, abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32013R0604&from=de (zuletzt abgerufen: 25. Oktober 2019). 3 Vgl. die Auflistung der bestehenden Rückübernahmeabkommen des Bundesministeriums des Innern, abrufbar unter: https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/downloads/DE/veroeffentlichungen/themen/migration/rueckkehrfluechtlinge .pdf?__blob=publicationFile&v=3 (Stand: Juni 2018). 4 Übereinkommen über die Bestimmung des zuständigen Staates für die Prüfung eines in einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften gestellten Asylantrags vom 15. Juni 1990, ABl. C 254 vom 19.8.1997, S. 1, abrufbar unter: http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/HTML/?uri=CELEX:41997A0819(01)&from=EN (zuletzt abgerufen: 25. Oktober 2019). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 244/19 Seite 4 weiterentwickelt. Sofern das Abkommen weiterhin gilt, wären in Deutschland gestellte Asylanträge von Personen, die auch im Vereinigten Königreich Asyl beantragt haben, nach § 29 Abs. 1 b) Asylgesetz (AsylG) unzulässig. In diesen Fällen ordnet das Bundesamt für Migration und Flucht die Abschiebung an, sobald feststeht, dass diese durchgeführt werden kann, § 34a Abs. 1 S. 1 AsylG. Einer vorherigen Androhung der Abschiebung oder Fristsetzung für die Ausreise bedarf es nicht, § 34a Abs. 1 S. 3 AsylG. Gilt das Dubliner Übereinkommen nicht in Bezug auf das Vereinige Königreich fort, könnte der Asylantrag in der o.g. Konstellation dennoch nach § 29 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 26a AsylG unzulässig sein, wenn das Vereinigte Königreich als sicherer Drittstaat in die Anlage I zu § 26a AsylG aufgenommen werden würde. § 34a AsylG gilt dann ebenfalls. Andernfalls wäre das Vereinigte Königreich als sonstiger Drittstaat anzusehen. Der Asylantrag wäre dann nach § 29 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 27 AsylG nur unzulässig, wenn der Antragsteller im Vereinigten Königreich vor politischer Verfolgung sicher war und dieses zur Wiederaufnahme des Ausländers bereit ist. Die Abschiebung wäre dann gemäß § 34 Abs. 1 zunächst anzudrohen. Die Ausreisefrist würde eine Woche betragen, § 36 Abs. 1 AsylG. Ist der Asylantrag zulässig und wird das Asylverfahren als unbegründet abgeschlossen, richten sich die für die Ausreisefrist und Androhung bzw. Anordnung der Abschiebung maßgeblichen Regelungen nach der Art der Ablehnung . Ob abgelehnte Asylbewerber anstelle in ihr Herkunftsland in sonstige Staaten und mithin auch in das Vereinigte Königreich abgeschoben werden können, hängt jeweils von der Einreiseberechtigung und der konkreten Aufnahmebereitschaft dieser Staaten ab (vgl. auch § 59 Abs. 2 Aufenthaltsgesetz). ***