Deutscher Bundestag Einführung einer Veröffentlichungspflicht für Kooperationsverträge zwischen Hochschulen und Unternehmen Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste WD 3 – 3000 – 242/11 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 242/11 Seite 2 Einführung einer Veröffentlichungspflicht für Kooperationsverträge zwischen Hochschulen und Unternehmen Verfasser/in: Aktenzeichen: WD 3 – 3000 – 242/11 Abschluss der Arbeit: 26. Juli 2011 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Telefon: Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 242/11 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Zusammenfassung 4 2. Einleitung 5 3. Formen und Inhalte von Kooperationsverträgen 5 3.1. Forschungs- und Entwicklungsverträge 6 3.2. Gemeinsame Institute 7 3.3. Stiftungsprofessuren 7 4. Gesetzgebungskompetenz 7 4.1. Forschung 8 4.2. Förderung 8 4.3. Keine Umgestaltung des Hochschulwesens 8 5. Materielle Anforderungen an ein Gesetz zur Einführung einer Veröffentlichungspflicht 9 5.1. Freiheit der Wissenschaft (Art. 5 Abs. 3 GG) 9 5.2. Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse (Art. 12 Abs. 1 GG) 11 5.3. Wettbewerbsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) 12 5.4. Vertragsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) 12 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 242/11 Seite 4 1. Zusammenfassung Kooperationen zwischen Hochschulen und Unternehmen gewinnen an Bedeutung. Um einer übermäßigen Einflussnahme auf das Handeln einer Hochschule entgegen zu wirken und größere Transparenz sicher zu stellen, käme die Einführung einer Veröffentlichungspflicht für Kooperationsverträge in Betracht. Verfassungsrechtlich stellt sich bereits die Frage, ob eine derartige Pflicht durch Bundesgesetz eingeführt werden könnte. Dies wäre allenfalls für reine Forschungskooperationen nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 13 2. Var. GG denkbar. Allerdings sprechen auch gewichtige Argumente dafür, dass die Regelung einer Veröffentlichungspflicht insgesamt in die Gesetzgebungskompetenz der Länder fällt. Hinzu kommt, dass eine bundesrechtliche Veröffentlichungspflicht keine Verträge bzw. Vertragsteile erfassen könnte, die den Bereich der Lehre berühren, da dies Ländersache ist. Bei der konkreten Ausgestaltung einer Veröffentlichungspflicht sind die Grundrechtspositionen der Beteiligten, insbesondere die Forschungsfreiheit, die Berufsausübungsfreiheit sowie die allgemeine Handlungsfreiheit in Form der Vertragsfreiheit zu beachten. Problematisch wäre jedenfalls eine umfassende Veröffentlichungspflicht, da hierdurch wissenschaftlicher Know-how- Vorsprung sowie Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse offengelegt werden müssten. Dem Interesse an größerer Transparenz hinsichtlich der Kooperationen von Hochschulen und Unternehmen könnte jedoch durch eine inhaltlich beschränkte Offenlegungspflicht begegnet werden. Eine Veröffentlichung der Fördersumme sowie der Laufzeit einer Kooperation dürfte grundsätzlich mit den Grundrechtspositionen der Beteiligten zu vereinbaren sein. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 242/11 Seite 5 2. Einleitung Kooperationen zwischen Wissenschaft und Wirtschaft haben eine lange Tradition.1 Neu sind das wachsende Interesse an Kooperationen und die Intensität der Zusammenarbeit.2 Besonders das erweiterte Spektrum der Kooperationsformen und die veränderten rechtlichen Rahmenbedingungen in den Landeshochschulgesetzen, die eine Ausweitung der Kooperation und eine Annäherung der Hochschulen an unternehmerisches Handeln befördern sollen, sorgen für das wachsende Interesse.3 Hochschulen und Unternehmen schließen Kooperationsverträge ab, von denen beide Seite profitieren sollten. Unternehmen profitieren vor allem davon, dass sie Zugang zu den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen erhalten und Kontakt zu gut ausgebildeten Absolventen bekommen .4 Der Nutzen für die Hochschulen besteht insbesondere aus zusätzlichen finanziellen Mitteln , aber auch in der Erschließung von Anwendungsperspektiven ihrer Arbeit und von Berufsperspektiven für Mitarbeiter und Studierende.5 Dabei geht der Trend weg von kurzfristigen Projekten hin zu strategischen Partnerschaften, die langfristig angelegt sind.6 Allerdings stellt die wachsende Zahl strategischer Partnerschaften die Unternehmen und vor allem die Hochschulen vor neue Herausforderungen. Sie fordert von den Hochschulen eine systematische Herangehensweise und die Entwicklung einer institutionellen Gesamtstrategie, eine Bündelung und Transparenz der Aktivitäten und einen professionellen Umgang mit Interessengegensätzen.7 Letztlich stellt sich auch die Frage, ob und wie einer zunehmenden Einflussnahme von Unternehmen auf Hochschulen entgegengewirkt werden sollte. Ein möglicher Ansatzpunkt wäre die Einführung einer Pflicht zur Veröffentlichung von Kooperationsvereinbarungen zwischen Universitäten und Unternehmen. Diese Ausarbeitung untersucht die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen für die Einführung einer derartigen Veröffentlichungspflicht . 3. Formen und Inhalte von Kooperationsverträgen Es gibt unterschiedliche Formen der Kooperation zwischen Hochschulen und Unternehmen. Dabei bietet es sich an, Kooperationsvereinbarungen in zwei Kategorien zu trennen: zum einen die 1 Vogel, Bernd, Public Private Partnership: Einführung in das Thema, Hochschule-Informations-System (HIS) 2002, S. 3. 2 Vogel (Fn. 1), S. 3. 3 Vogel (Fn. 1), S. 3. 4 Fischer, Martin/Wolf, Björn, Entstehungsbedingungen und Gestaltungsformen von Public-Private-Partnerships als Ausgestaltungsform strategischer Forschungskooperationen zwischen Wissenschaftseinrichtungen und Unternehmen in Deutschland, S. 25; http://ec.europa.eu/education/highereducation /doc/business/kooperation_de.pdf. (Letzte Abruf aller Internet-Nachweise: 18. Juli 2011). 5 Fischer/Wolf (Fn. 4), S. 25; http://ec.europa.eu/education/higher-education/doc/business/kooperation_de.pdf. 6 Tettinger, Peter J., Kooperation auf neuer Basis – Zur juristischen Ausgestaltung von Public Private Partnership in Forschung und Entwicklung sind Leitlinien erforderlich,Wissenschaftsmanagement 1/1999, S. 24. 7 Fischer/Wolf (Fn. 4), S. 25; http://ec.europa.eu/education/higher-education/doc/business/kooperation_de.pdf. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 242/11 Seite 6 punktuell projektorientierten vertraglichen Kooperationen (hauptsächlich Forschungs- und Entwicklungsaufträge ) und langfristig angelegte institutionalisierte Kooperation (gemeinsame Institute , Stiftungsprofessuren).8 3.1. Forschungs- und Entwicklungsverträge Im Zuge zunehmender Spezialisierung und hohen Kostendrucks spielen Forschungs- und Entwicklungsverträge eine wichtige Rolle in der Zusammenarbeit zwischen Hochschulen und Unternehmen .9 Gegenstand solcher Verträge sind in erster Linie die Erbringung von Forschungsund Entwicklungsleistungen. Die Verträge enthalten zumeist Festlegungen über die Einräumung von Nutzungsrechten, über Haftungsfragen bei Leistungserfolgen, Kündigungsmöglichkeiten sowie Fälligkeit der Vergütung.10 Nach dem früheren sogenannten Hochschullehrerprivileg in § 43 Gesetz über Arbeitnehmererfindungen (ArbNErfG)11 wurden Erfindungen von lehrenden Hochschulangehörigen unabhängig von der Art und Weise ihres Zustandekommens als freie Erfindung im Sinne des § 4 Abs. 3 Arb- NErfG eingeordnet.12 Dies hatte zur Folge, dass die alleinige Verfügungsbefugnis bei dem jeweiligen Hochschulangehörigen lag und die Unternehmen Forschungsverträge unmittelbar mit dem Professor oder Dozenten der Hochschule vereinbaren konnten. Dieses Hochschullehrerprivileg gilt aufgrund der Übergangsregelung des § 43 ArbNErfG nur noch für Erfindungen, die vor dem 07.02.2002 gemacht wurden.13 Für spätere Erfindungen gelten die allgemeinen Regelungen des Arbeitnehmererfindungsgesetzes. Damit können die Hochschulen über die Forschungs- und Entwicklungsergebnisse der an der Hochschule Beschäftigten verfügen und deren Erfindungen in Anspruch nehmen.14 Diese Entwicklung hat zur Folge, dass Hochschulen Unternehmen vermehrt anbieten, gemeinsam mit diesen Forschung und Entwicklung zu betreiben und Forschungs- und Entwicklungsaufträge für die Unternehmen übernehmen.15 8 Tettinger (Fn. 6), Wissenschaftsmanagement 1/1999, S. 24. 9 Schmeißer, Nikolai/Zirkel, Markus, Forschungs- und Entwicklungsverträge – Rechtliche Einordnung und vertragliche Gestaltung, Monatsschrift für Deutsches Recht (MDR) 2003, S. 849. 10 Schmeißer /Zirkel (Fn. 9), MDR 2003, S. 849. 11 Gesetz über Arbeitnehmererfindungen in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 422-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, das zuletzt durch Artikel 7 des Gesetzes vom 31. Juli 2009 (BGBl. I S. 2521) geändert worden ist. 12 Schütze, Joachim/Vormann, Thorsten, in: Dieners, Peter/Reese, Ulrich, Handbuch des Pharmarechts, 1. Auflage 2010, Rn 112. 13 Schütze/Vormann (Fn. 12), in: Dieners/Reese, Rn 112. 14 Winzer, Wolfgang, Forschungs- und Entwicklungsverträge, 1. Auflage 2006, Rn 10. 15 Winzer (Fn. 14), Rn 10. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 242/11 Seite 7 3.2. Gemeinsame Institute Eine besonders intensive Form der Zusammenarbeit sind Institute, die von Hochschulen und Unternehmen gemeinsam gegründet und finanziert werden.16 Als Beispiel ist der 2006 formulierte Kooperationsvertrag zwischen der Deutschen Bank, der Humboldt Universität und der Technischen Universität Berlin anzuführen.17 Darin einigte man sich, ein Institut für Angewandte Finanzmathematik zu gründen, das Quantitative Products Laboratory. Solche Gründungen waren in Deutschland lange Zeit Ausnahmen, haben aber in den vergangenen Jahren zugenommen.18 3.3. Stiftungsprofessuren Stiftungsprofessuren stellen eine weitere Form der langfristigen Kooperation dar. Sie werden von Unternehmen in der Regel für fünf Jahre finanziert und sollen anschließend von der Hochschule fortgeführt werden.19 So werden neue Lehrstühle errichtet, häufig für zukunftsorientierte Fächer mit Praxisbezug.20 Den Hochschulen wäre dies in vielen Fällen ohne die zusätzliche finanzielle Unterstützung nicht möglich. Unabhängig davon, welche Form der Kooperation zwischen Hochschule und Unternehmen gewählt wird, besteht die Gefahr, dass die Einflussnahme der Unternehmen auf die Arbeit der Hochschule so groß ist, dass die Freiheit von Forschung und Lehre nicht mehr gewährleistet ist. 4. Gesetzgebungskompetenz Aufgrund dieser Entwicklungen wird gefordert, dass Kooperationsverträge zwischen Hochschule und Unternehmen offenzulegen sind. Um eine gesetzlich geregelte Veröffentlichungspflicht auf Bundesebene einzuführen, müsste dem Bund zunächst die Gesetzgebungskompetenz auf diesem Gebiet zustehen. Nach Art. 70 Abs. 1 Grundgesetz (GG) haben die Länder das Recht der Gesetzgebung, soweit das Grundgesetz nicht dem Bund die Gesetzgebungsbefugnis verleiht. Der Bund hat demnach nur dann die Gesetzgebungskompetenz, wenn ihm diese nach Art. 73 Abs. 1 GG ausschließlich zuwiesen wird oder wenn er nach Art. 74 Abs. 1 GG im Wege der konkurrierenden Gesetzgebung zuständig ist und nach Art. 72 Abs. 2 GG die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet oder die Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse eine bundesgesetzliche Regelung erforderlich macht. Eine ausschließliche Gesetzgebungsbefugnis nach Art. 73 Abs. 1 GG ist nicht ersichtlich. 16 http://ec.europa.eu/education/higher-education/doc/business/kooperation_de.pdf. 17 Lüpke-Narberhaus, Frauke/Trenkamp, Oliver, Kauf Dir einen Prof, Spiegel online vom 28.05.2011, abrufbar unter: http://www.spiegel.de/unispiegel/studium/0,1518,765337,00.html, Kraul, Martin, Wissen von der Deutschen Bank, taz. die Tageszeitung vom 26.052011, abrufbar unter: http://www.taz.de/!71442. 18 http://ec.europa.eu/education/higher-education/doc/business/kooperation_de.pdf. 19 http://ec.europa.eu/education/higher-education/doc/business/kooperation_de.pdf. 20 http://ec.europa.eu/education/higher-education/doc/business/kooperation_de.pdf. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 242/11 Seite 8 Nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 13 GG ist der Bund für die Regelungen der Ausbildungsbeihilfen und die Förderung der wissenschaftlichen Forschung zuständig. Auf die Variante „Förderung der wissenschaftlichen Forschung“ wurde - soweit ersichtlich - bislang nur das Graduiertenfördergesetz21 gestützt. Fraglich ist, ob auch eine Veröffentlichungspflicht für Kooperationsverträge auf dieser Kompetenzgrundlage erlassen werden könnte. 4.1. Forschung Zunächst müsste es sich bei der Veröffentlichungspflicht um eine Regelung zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung handeln (Art. 74 Abs. 1 Nr. 13 2. Var. GG). Forschung im Sinne von Art. 5 Abs. 3 GG ist die geistige Tätigkeit mit dem Ziele, in methodischer, systematischer und nachprüfbarer Weise neue Erkenntnisse zu gewinnen.22 Hiervon wären jedenfalls reine Forschungskooperationen zwischen Universitäten und Unternehmen erfasst. Verträge oder Vertragsteile , die den Bereich der Lehre berühren könnten nicht Gegenstand einer bundesgesetzlichen Regelung sein. 23 Diese Trennung dürfte in der Praxis schwer fallen, da Forschung und Lehre oftmals eng verzahnt sind.24 4.2. Förderung Der Begriff Förderung meint in diesem Zusammenhang die Regelung finanzieller, organisatorischer und planerischer Maßnahmen zur Förderung von Forschungsprojekten und Forschungseinrichtungen .25 Welche Regelungen konkret hierunter fallen könnten, wird in der Kommentarliteratur nicht erörtert. Denkbar wäre aber, dass hierunter auch formale Vorschriften über die Finanzierung von Forschungsprojekten fallen könnten, bspw. Modalitäten für die Vergabe von Fördergeldern oder auch eine Veröffentlichungspflicht für Verträge, die eine Finanzierung von Forschungsprojekten vorsehen. 4.3. Keine Umgestaltung des Hochschulwesens Es ist jedoch zu beachten, dass der Bund, seitdem die Rahmenkompetenz aus Art. 75 Abs. 1 Nr. 1a GG a.F. im Zuge der Föderalismusreform gestrichen wurde, keine forschungsbezogene Zuständigkeit auf dem Gebiet des Hochschulrechts mehr hat.26 Der Gesetzgeber hat durch den Wegfall der Rahmenkompetenz zur Regelung der allgemeinen Grundsätze des Hochschulwesens (Art. 75 Abs. 1 Nr. 2 GG a. F.) deutlich gemacht hat, dass die Hochschulkompetenz bei den Län- 21 Graduiertenförderungsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 22. Januar 1976 (BGBl. I S. 207), das zuletzt durch Artikel 58 der Verordnung vom 25. November 2003 (BGBl. I S. 2304) geändert worden ist. 22 BVerfGE 35, 79; Schemmer, Franz, in: Epping, Volker/Hillgruber, Christian, Grundgesetz Kommentar 2009, Art. Art. 5 Rn 182. 23 Maunz, Theodor, in: Maunz, Theodor/Dürig, Günter, Grundgesetz Kommentar, Band V, 23. Lfg. 1984, Art. 74 Rn 182. 24 Maunz (Fn. 23), Art. 74 Rn 182. 25 Seiler, Christian, in: Epping, Volker/Hillgruber, Christian, Grundgesetz Kommentar 2009, Art. 74 Rn 54. 26 Seiler (Fn. 25), Art. 74 Rn 54. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 242/11 Seite 9 dern liegt und der Bund nur unter engen Voraussetzungen in bestimmten Bereichen tätig werden darf. Neben Art. 74 Abs. 1 Nr. 13 GG hat der Bund noch die Kompetenz Hochschulzulassung und –abschlüsse zu regeln. Der Kompetenztitel aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 13 2. Var. GG darf daher nicht dazu eingesetzt werden, die Strukturen des Hochschulwesens zu gestalten.27 Die Einführung einer Veröffentlichungspflicht für Kooperationsvereinbarungen könnte durchaus zu einem bedeutenden Einschnitt in die Hochschulfinanzierung führen. Eine Veröffentlichungspflicht könnte ein finanzielles Engagement für Unternehmen unattraktiv werden lassen, so dass hochschulseitig geplante Forschungsprojekte nicht oder nur mit höheren staatlichen Zuschüssen verwirklicht werden könnten . Im Ergebnis kann festgehalten werden, dass eine Veröffentlichungspflicht für reine Forschungskooperationen möglicherweise von Art. 74 Abs. 1 Nr. 13 2. Var. GG gedeckt wäre. Folgt man dieser Auslegung, müssten zudem die Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 2 GG vorliegen. Andererseits sprechen die eng begrenzten Gesetzgebungskompetenzen des Bundes im Hochschulbereich eher gegen eine Kompetenz zur Einführung einer Veröffentlichungspflicht, da eine derartige Pflicht negative Auswirkungen auf die Hochschulfinanzierung haben könnte. Vor diesem Hintergrund dürfte eine Veröffentlichungspflicht wohl in die Gesetzgebungskompetenz der Länder fallen. 5. Materielle Anforderungen an ein Gesetz zur Einführung einer Veröffentlichungspflicht Neben der Gesetzgebungskompetenz stellt sich in materieller Hinsicht die Frage, ob bzw. in welcher Form ein Veröffentlichungspflicht für Kooperationsverträge mit den Grundrechtspositionen der Vertragspartner vereinbar wäre. 5.1. Freiheit der Wissenschaft (Art. 5 Abs. 3 GG) Nach Art. 5 Abs. 3 GG ist die Freiheit der Wissenschaft, Forschung und Lehre geschützt.28 Eine Veröffentlichungspflicht könnte einen Eingriff in die Freiheit der Forschung darstellen. Die Forschungsfreiheit umfasst insbesondere die Fragestellung und die Grundsätze der Methodik sowie die Bewertung des Forschungsergebnisses und seine Verbreitung.29 Darüber hinaus werden alle wissenschaftlichen Tätigkeiten geschützt, die eigenverantwortlich durchgeführt werden.30 Dazu gehören u. a. Vorarbeiten, Materialsammlung, Ermittlung über den Stand der Forschung, Zugang und Nutzen von Daten aus allgemein zugänglichen Quellen, Mitteleinwerbung, Experi- 27 Seiler (Fn. 25), Art. 74 Rn 54. 28 Schemmer (Fn. 22), Art. 5 Rn 179. 29 Schemmer (Fn. 22), Art. 5 Rn 182. 30 Schemmer (Fn. 22), Art. 5 Rn 182. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 242/11 Seite 10 mentieren, Publikationen der Ergebnisse, Gründung von Instituten und Hochschulen.31 Die Forschungsfreiheit ist ein individuelles Grundrecht des Wissenschaftlers der Forschung betreibt.32 Es ist aber kein höchstpersönliches Grundrecht, das nur natürlichen Personen zusteht.33 Die Einbeziehung juristischer Personen in den Schutzbereich rechtfertigt sich dadurch, dass ihre Bildung und Betätigung bereits Ausdruck der freien Entfaltung von natürlichen Personen ist.34 Die Forschungsfreiheit ist ihrem Wesen nach gem. Art. 19 Abs. 3 GG auch auf juristische Personen anwendbar, da die Forschungfreiheit nicht nur die Forschung selbst umfasst sondern auch die Schaffung der Voraussetzungen, um Forschung frei zu betreiben.35 Eine umfassende Veröffentlichungspflicht für Kooperationsverträge würde in die Forschungsfreiheit eingreifen. Die beteiligten Wissenschaftler wären durch Offenlegung etwaiger Forschungsgegenstände oder –projekte in ihrer Forschungsfreiheit beeinträchtigt. Zudem könnten Hochschulen in ihrer Forschungsfreiheit beeinträchtigt sein, da eine Pflicht zur Offenlegung zu einem Verlust von Vertragspartnern aus der privaten Wirtschaft führen könnte. Bei Einführung einer Veröffentlichungspflicht wäre zudem ein effektiver Urheberrechts- oder Patentschutz zu beachten, um wettbewerbliche oder finanzielle Einbußen bei Veröffentlichungen zu verhindern und die für den wissenschaftlichen Diskurs erforderliche Freiheit der Publikation von Forschungsergebnissen zu gewährleisten.36 Art. 5 Abs. 3 GG kennt keine ausdrücklichen Schranken für die Freiheit von Wissenschaft und Forschung.37 Soweit es um Verfahren und Ergebnisse der Forschung geht, sind Einschränkungen nur verfassungsgemäß, wenn sie dem Schutz anderer verfassungsrechtlich geschützter Rechtsgüter dienen.38 Was Tätigkeiten angeht, die nicht unbedingt zur Forschungsarbeit selbst gehören, wie z.B. Erwerb des Materials, Art und Weise der Veröffentlichung, gilt die allgemeine Rechtsordnung unter Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, ohne dass verfassungsrechtlich geschützte Rechtsgüter nachgewiesen werden müssen.39 Vor diesem Hintergrund dürfte eine umfassende Veröffentlichungspflicht von Kooperationsverträgen problematisch sein, da eine Veröffentlichung von Details über Forschungsprojekte einen wissenschaftlichen Know-how-Vorsprung entwerten würde. Damit dürften Kooperationsvereinbarungen im Bereich der Forschung unattraktiv werden. Denkbar wäre jedoch, eine grundsätzliche aber inhaltlich beschränkte Veröffentlichungspflicht hinsichtlich der Größenordnung der 31 Schemmer (Fn. 22), Art. 5 Rn 182; Pernice, Ingolf, in: Dreier, Horst, Grundgesetz Kommentar, Band I, 2. Auflage 2006, Art. 5 Abs. 3 Rn 30. 32 BVerfGE 47, 327. 33 Schemmer (Fn. 22), Art. 5 Rn 185. 34 BVErfGE 75, 192, 196, NVwZ 1987, S. 879; Schemmer (Fn. 22), Art. 5 Rn 185. 35 Schemmer (Fn. 22), Art. 5 Rn 185. 36 Pernice (Fn. 31), Art. 5 Abs. 3 Rn 62; Schemmer (Fn. 22), Art. 5 Rn 190. 37 Starck, Christian, in: von Mangoldt, Hermann/Klein, Friedrich, Kommentar zum Grundgesetz, Band 1, 5. Auflage 2005, Art. 5 Abs. 3 Rn 414. 38 Starck (Fn. 37), Art. 5 Abs. 3 Rn 415. 39 Starck (Fn. 37), Art. 5 Abs. 3 Rn 416; Pernice (Fn. 31), Art. 5 Abs. 3 (Wissenschaft) Rn 40. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 242/11 Seite 11 gezahlten Gelder und der Laufzeit einzuführen. Dies dürfte mit der Forschungsfreiheit in Einklang zu bringen sein, zumal diese Informationen ohnehin bereits regelmäßig von Unternehmen und Hochschulen zum Zwecke der Öffentlichkeitsarbeit verbreitet werden. Zu prüfen wäre, ob für bestimmte Forschungsprojekte eine Ausnahme von der Veröffentlichungspflicht angezeigt sein könnte, etwa wenn bereits aus dem Umstand, welches Unternehmen mit einer Hochschule kooperiert Rückschlüsse auf etwaige Forschungsinhalte ermöglicht würden . 5.2. Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse (Art. 12 Abs. 1 GG) Die Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG gewährt allen Deutschen das Recht, den Beruf frei zu wählen und frei auszuüben. "Beruf" ist jede auf Erwerb gerichtete Tätigkeit, die auf Dauer angelegt ist und der Schaffung und Erhaltung der Lebensgrundlage dient.40 Das Grundrecht der Berufsfreiheit ist nach Art. 19 Abs. 3 GG auch auf juristische Personen anwendbar, soweit sie eine Erwerbszwecken dienende Tätigkeit ausüben, die ihrem Wesen und ihrer Art nach in gleicher Weise einer juristischen wie einer natürlichen Person offen steht.41 Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) umfasst der Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG den Schutz der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse.42 Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sind alle auf ein Unternehmen bezogene Tatsachen, Umstände und Vorgänge, die nicht offenkundig, sondern nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich sind und an deren Nichtverbreitung der Rechtsträger ein berechtigtes Interesse hat.43 Wird exklusives wettbewerbliches Wissen den Konkurrenten zugänglich, mindert dies die Möglichkeit, die Berufsausübung unter Rückgriff auf dieses exklusive Wissen erfolgreich zu gestalten. Eine Veröffentlichungspflicht, die sich auch auf Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse erstreckt, wäre ein Eingriff in Art. 12 Abs. 1 GG. Ein solcher Eingriff ist als Eingriff in die Berufsausübung zu werten und wäre gerechtfertigt, wenn das zu Grunde liegende Gesetz durch hinreichende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt ist und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht .44 Dabei sind bei Berufsausübungsregelungen weniger hohe Anforderungen an das Gesetz zu stellen als bei Regelungen der Berufswahl. Berufsausübungsregelungen sind zulässig, wenn 40 BVerfGE 7, 377. 41 BVerfGE 50, 290. 42 BVerfGE 115, 205, 229; BVerwGE 71, 183 (189 u. 197); so auch Wolff, Heinrich Amadeus, Der verfassungsrechtliche Schutz der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, Neue Juristische Wochenschrift (NJW) 1997, 98, Ruffert, Matthias, in: Epping, Volker/Hillgruber, Christian, Beck’ scher Online-Kommentar zum GG, 10. Aufl. 2011, Art. 12 Rn 49; zahlreiche Ansichten in der Literatur sehen hingegen den Schutzbereich des Artikel 14 GG berührt, so Papier in: Maunz, Theodor/Dürig, Günter, 59. Ergänzungslieferung Juli 2010, Art. 14, Rn 99, Axer, Peter, in: Epping/Hillgruber (s.o.), Art. 14 Rn 50. Im vorliegenden Fall ist der Meinungsstreit nicht entscheidungserheblich , da eine Einschränkung der Geheimnisse nach ähnlichen Kriterien zu prüfen ist.. 43 BVerfGE 115, 205. 44 BVerfGE 102, 197/213; 115, 276/304; 125, 260/360; 126, 112/139 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 242/11 Seite 12 vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls sie zweckmäßig erscheinen lassen und sie auch im Übrigen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen.45 Im Ergebnis dürfte eine auf einzelne Vertragsdetails beschränkte Veröffentlichungspflicht (s. 5.1) mit der Berufsfreiheit vereinbar sein. 5.3. Wettbewerbsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) Art. 12 Abs. 1 GG schützt auch die Wettbewerbsfreiheit.46 Wettbewerbsfreiheit bedeutet die Freiheit zur Teilhabe am Wettbewerb. Die freie Wahl und Ausübung von Berufen führt zum Wettbewerb zwischen Unternehmen.47 Eine Veröffentlichungspflicht könnte geeignet sein, das Verhalten privater Unternehmer im Wettbewerb zu steuern.48 So könnten unternehmerische Strategien durchkreuzt werden. Der Eingriff wäre wie beim Eingriff in die Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse gerechtfertigt, wenn vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls sie zweckmäßig erscheinen lassen und sie auch im Übrigen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen.49 5.4. Vertragsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) Eine Veröffentlichungspflicht könnte zudem in die nach Art. 2 Abs.1 GG gewährleistete Vertragsfreiheit als eine Dimension der allgemeinen Handlungsfreiheit eingreifen. Diese gewährt den Vertragsparteien eine umfassendes Recht zur Ausgestaltung ihrer vertraglichen Beziehungen. Hierzu zählt auch die Möglichkeit, Vertraulichkeit hinsichtlich der Vertragsinhalte zu vereinbaren. In der Praxis sind derartige Vertragsklauseln weit verbreitet, um Know-how zu schützen. Daher würde eine Pflicht zur Offenlegung des Vertragsinhalts in Art. 2 Abs. 1 GG eingreifen. Die allgemeine Handlungsfreiheit unterliegt einer weiten Einschränkungsmöglichkeit.50 Nach Art. 2 Abs. 1 GG ist die allgemeine Handlungsfreiheit durch die verfassungsmäßige Ordnung einschränkbar. Unter der verfassungsmäßigen Ordnung ist die gesamte Rechtsordnung zu verstehen .51 Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist zu beachten. Eine gesetzliche Einführung einer Veröffentlichungspflicht müsste von sachlichen Gründen getragen sein und das öffentliche Interesse an der Einführung einer Veröffentlichungspflicht müsste das schützenswerte Vertrauen der Vertragspartner überwiegen.52 45 BVerfG 115, 276/308. 46 Jarass, Hans D./Pieroth, Bodo, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Kommentar, 11. Auflage 2011, Art. 12 Rn 15. 47 Jarass /Pieroth (Fn. 46), Art. 12 Rn 15. 48 Jarass /Pieroth (Fn. 46), Art. 12 Rn 15b. 49 BVerfG 115, 276/308. 50 Dreier, Horst in: Dreier, Horst, Grundgesetz Kommentar, Band 1, 2. Auflage 2006, Art. 2 Abs.1 Rn 54. 51 Dreier (Fn. 50), Art. 2 Abs.1 Rn 54. 52 BVerfGE 76, 256, 347. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 242/11 Seite 13 Es besteht ein öffentliches Interesse daran, Kooperationsverträge zwischen staatlichen Hochschulen und privaten Unternehmen transparenter zu gestalten. So könnten einseitige Abhängigkeiten und jeder Anschein davon vermieden werden. Jedenfalls eine auf die Summe und Laufzeit beschränkten Veröffentlichungspflicht dürfte daher mit der Vertragsfreiheit zu vereinbaren sein.