© 2014 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 241/14 Kontrollbefugnisse der Zollverwaltung in den Abgeordnetenbüros Zur Reichweite der Polizeigewalt des Bundestagspräsidenten Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 241/14 Seite 2 Kontrollbefugnisse der Zollverwaltung in den Abgeordnetenbüros Zur Reichweite der Polizeigewalt des Bundestagspräsidenten Verfasser/in: Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 241/14 Abschluss der Arbeit: 30.10.2014 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Telefon: Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 241/14 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Fragestellung 4 2. Gesetzliche Kontrollbefugnisse der Zollverwaltung 4 3. Verfassungsrechtliche Würdigung 5 3.1. Gewährleistung des freien Mandats 5 3.2. Polizeigewalt des Bundestagspräsidenten 7 3.2.1. Räumlicher Umfang der Polizeigewalt 7 3.2.2. Sachlicher Umfang der Polizeigewalt 8 3.2.2.1. Materieller Polizeibegriff 8 3.2.2.2. Keine repressiv-polizeilichen Aufgaben 9 3.2.2.3. Maßnahmen der besonderen Gefahrenabwehr? 10 3.2.2.4. Zwischenergebnis 14 3.3. Genehmigungsvorbehalt nach Art. 40 Abs. 2 S. 2 GG 14 3.4. Praktische Wahrnehmung der Aufgaben im Rahmen der präsidialen Polizeigewalt 15 4. Fazit 16 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 241/14 Seite 4 1. Fragestellung Das am 16. August 2014 als Art. 1 des Tarifautonomiestärkungsgesetzes in Kraft getretene Mindestlohngesetz (MiLoG)1 normiert in § 17 Abs. 1 Dokumentationspflichten unter anderem für Arbeitgeber, die Arbeitnehmer in Gestalt geringfügiger Beschäftigungen (sog. Minijobs) nach § 8 SGB IV beschäftigen. Die Arbeitgeber sind insbesondere verpflichtet, Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit dieser Arbeitnehmer aufzuzeichnen. Die Aufzeichnung muss spätestens bis zum Ablauf des siebten auf den Tag der Arbeitsleistung folgenden Kalendertags erfolgen. Die Unterlagen sind für zwei Jahre aufzubewahren und zur Kontrolle der Verpflichtung der Arbeitgeber zur Zahlung des Mindestlohns bereit zu halten. Ein Verstoß gegen diese Pflichten stellt eine Ordnungswidrigkeit nach § 21 Abs. 1 Nr. 7 MiLoG dar. In ihrer Eigenschaft als Arbeitgeber der nach § 12 Abs. 3 Abgeordnetengesetz privatrechtlich beschäftigten Mitarbeiter sind auch Abgeordnete Adressaten der Dokumentationspflichten nach § 17 Abs. 1 MiLoG. Zuständig für die Überwachung der Einhaltung der Dokumentationspflichten der Arbeitgeber sind die Behörden der Zollverwaltung (§ 14 MiLoG).2 Vor diesem Hintergrund wird um eine gutachterliche Stellungnahme gebeten, ob und inwieweit die Behörden der Zollverwaltung befugt sind, die Abgeordnetenbüros in den Liegenschaften des Deutschen Bundestages sowie deren Wahlkreisbüros zum Zweck derartiger Kontrollen zu betreten. Dabei wird auch die Frage aufgeworfen, wie derartige Kontrollmaßnahmen im Lichte der verfassungsrechtlichen Gewährleistung des freien Mandats (Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG) zu bewerten sind. 2. Gesetzliche Kontrollbefugnisse der Zollverwaltung Die Kontrollbefugnisse der Behörden der Zollverwaltung und anderer Behörden ergeben sich aus § 15 MiLoG. Die Vorschrift erklärt verschiedene Befugnisnormen des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes (SchwarzArbG) für entsprechend anwendbar mit der Maßgabe, dass die dort genannten Behörden auch Einsicht in Arbeitsverträge, Niederschriften nach § 2 des Nachweisgesetzes und andere Geschäftsunterlagen nehmen können, die mittelbar oder unmittelbar Auskunft über die Einhaltung des Mindestlohns nach § 20 MiLoG geben, und dass die nach § 5 Abs. 1 Schwarz- ArbG zur Mitwirkung Verpflichteten diese Unterlagen vorzulegen haben.3 Aufgrund dieser Regelungen sind die Behörden der Zollverwaltung befugt, Geschäftsräume des Arbeitgebers zu betreten und dort Einsicht in die genannten Geschäftsunterlagen zu nehmen. 1 Mindestlohngesetz vom 11. August 2014 (BGBl. I S. 1348). 2 Zwar bezieht sich die Zuständigkeitsregelung des § 14 MiLoG dem Wortlaut nach nur auf die Pflichten des Arbeitgebers nach § 20 MiLoG, also der Zahlungspflicht. In der Begründung des Gesetzentwurfs ist zu § 14 MiLoG jedoch die Rede von der Überprüfung der „Einhaltung der sich aus diesem Gesetz ergebenden Pflichten“. Zudem dient die Dokumentation nach § 17 MiLoG und deren Kontrolle gerade der Ermittlung des nach § 20 MiLoG zu zahlenden Mindestlohns. 3 Die maßgeblichen Vorschriften des Mindestlohngesetz und des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz sind abgedruckt in der Anlage. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 241/14 Seite 5 Arbeitgeber haben das Betreten der Geschäftsräume und die Prüfung zu dulden und dabei mitzuwirken , insbesondere für die Prüfung erhebliche Auskünfte zu erteilen und die genannten Unterlagen vorzulegen. Dies gilt vor allem für die Dokumentation der Arbeitszeiten nach § 17 Abs. 1 MiLoG, die im Sinne des § 15 Nr. 1 MiLoG mittelbar Auskunft über die Einhaltung des Mindestlohns gibt. Eine Sonderregelung für den Deutschen Bundestag bzw. die Abgeordneten als Arbeitgeber treffen weder das Mindestlohngesetz noch die in Bezug genommenen Vorschriften des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes . Die genannten Kontrollbefugnisse der Behörden der Zollverwaltung beanspruchen daher grundsätzlich auch Geltung im Hinblick auf die Abgeordnetenbüros im Deutschen Bundestag sowie in den Wahlkreisen. 3. Verfassungsrechtliche Würdigung Zu prüfen bleibt, ob diese einfachgesetzlich begründeten Kontrollbefugnisse auch verfassungskonform sind. Dabei stellen sich vor allem zwei Fragen: – Ist es mit der Gewährleistung des freien Mandats nach Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG vereinbar, dass die Abgeordneten überhaupt hinsichtlich der Einhaltung ihrer Dokumentationspflicht nach § 17 Abs. 1 MiLoG kontrolliert werden (dazu unter 3.1)? – Ist es mit dem in Art. 40 Abs. 2 GG verankerten besonderen verfassungsrechtlichen Schutz der räumlichen Integrität des Bundestages vereinbar, dass Behörden der Zollverwaltung Kontrollaufgaben in den Liegenschaften des Bundestages wahrnehmen? Diese Frage stellt sich zum einen im Hinblick auf die nach Art. 40 Abs. 2 S. 1 GG dem Präsidenten des Deutschen Bundestages zustehende Polizeigewalt (dazu unter 3.2), zum anderen im Hinblick auf den Genehmigungsvorbehalt nach Art. 40 Abs. 2 S. 2 GG, dem derartige Kontrollen möglicherweise unterliegen (dazu unter 3.3). 3.1. Gewährleistung des freien Mandats Nach Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG sind die Abgeordneten des Deutschen Bundestages Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen. Diese Vorschrift begründet einen allgemeinen verfassungsrechtlichen Grundsatz der Freiheit der Mandatsausübung und der Unabhängigkeit des Mandats sowie der gleichen Teilhabe am Prozess der parlamentarischen Willensbildung.4 Die Gewissensformel bringt zum Ausdruck, dass die Abgeordneten bei allen im Zuge der Wahrnehmung ihres Mandats zu treffenden parlamentarischen Entscheidungen nur ihren politischen Überzeugungen verpflichtet sind und insoweit keiner Begründungspflicht unterliegen.5 4 BVerfGE 112, 118 (134); 123, 267 (342); Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, 13. Aufl. 2014, Art. 38 Rn. 36. 5 Vgl. Klein, in: Maunz/Dürig, GG, 71. Ergänzungslieferung 2014 (Kommentierung 60. Ergänzungslieferung 2010), Art. 38 Rn. 195; Morlok, in: Dreier, GG, Band 2, 2. Aufl. 2006, Art. 38 Rn. 146; Badura, in: Kahl/Waldhoff/Walter, Bonner Kommentar zum GG, 167. Ergänzungslieferung 2014 (Kommentierung 132. Ergänzungslieferung 2008), Art. 38 Rn. 52. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 241/14 Seite 6 Der Gewährleistungsbereich des Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG erstreckt sich auf die gesamte parlamentarische Tätigkeit der Abgeordneten im Plenum, in den Ausschüssen, in sonstigen parlamentarischen Gremien sowie in den Fraktionen.6 Umfasst sind auch die Bedingungen und Umstände der eigenen Willensbildung und persönlichen Entscheidungsvorbereitung im Vorfeld parlamentarischer Äußerung und Entscheidung.7 Das freie Mandat entbindet die Abgeordneten jedoch nicht von der Beachtung der Rechtsordnung .8 Die Annahme, die Abgeordneten dürften sich unter Berufung auf ihr Gewissen über geltendes Recht hinwegsetzen, wäre eine Fehlinterpretation der Gewissensformel.9 Vielmehr bleibt die Bindung der Abgeordneten an die allgemeinen Gesetze von Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG unberührt.10 Dies gilt im Falle von Abgeordneten, die Arbeitnehmer beschäftigen, auch für sämtliche arbeitsrechtlichen Regelungen. Hierzu zählt auch die Dokumentationspflicht nach § 17 Abs. 1 MiLoG. Es liegen auch keine Anhaltspunkte für die Annahme vor, dass die Regelung des § 17 Abs. 1 MiLoG, soweit sie Abgeordnete verpflichtet, wegen Verstoßes gegen Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG verfassungswidrig wäre. Die Dokumentationspflicht ist rein formaler Natur und berührt die inhaltliche Mandatsarbeit nicht. Aus der Dokumentation der Arbeitszeiten einzelner Mitarbeiter lassen sich auch keine Rückschlüsse auf Tätigkeitsschwerpunkte, politische Planungen oder dergleichen ziehen. Zwar erscheint es theoretisch denkbar, dass überbordende administrative Verpflichtungen in einen Eingriff in die Mandatsfreiheit umschlagen können, wenn deren Befolgung nämlich so zeitintensiv wäre, dass die inhaltliche Mandatsarbeit litte und gewissermaßen eine „erdrosselnde Wirkung“ entstünde. Eine solche Wirkung ist aber bei der schlichten Dokumentation der täglichen Arbeitszeit von Mitarbeitern zum einen nicht erkennbar. Zum anderen erfordert die Vorschrift keineswegs , dass der Abgeordnete der Dokumentationspflicht in Person nachkommt. Die Verpflichtung kann selbstverständlich durch den Büroleiter oder andere mit Personalangelegenheiten betraute Angestellte wahrgenommen werden. Abgesehen davon, könnten sich Abgeordnete der Dokumentationspflicht nach § 17 Abs. 1 MiLoG auch schlicht dadurch entziehen, dass sie keine Arbeitnehmer in geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen einstellen. 6 Vgl. Klein, in: Maunz/Dürig, GG, 71. Ergänzungslieferung 2014 (Kommentierung 60. Ergänzungslieferung 2010), Art. 38 Rn. 196. 7 Urteil des Verfassungsgerichtshofs des Freistaates Sachsen vom 21. November 2008, LVerfGE 19, 428 (439). 8 Vgl. Morlok, in: Dreier, GG, Band 2, 2. Aufl. 2006, Art. 38 Rn. 147; Trute, in: von Münch/Kunig, GG, Band 1, 6. Aufl. 2012, Art. 38 Rn. 87. 9 Vgl. Klein, in: Maunz/Dürig, GG, 71. Ergänzungslieferung 2014 (Kommentierung 60. Ergänzungslieferung 2010), Art. 38 Rn. 195. 10 Vgl. Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, 13. Aufl. 2014, Art. 38 Rn. 40; Schneider, in: Denninger/Hoffmann- Riem/Schneider/Stein, Alternativkommentar GG, 3. Aufl. 2001, 2. Ergänzungslieferung 2002, Art. 38 Rn. 40. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 241/14 Seite 7 Das durch Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG gewährleistete freie Mandat wird durch § 17 Abs. 1 MiLoG nach alledem weder berührt noch entbindet es von der Beachtung dieser Vorschrift. Auch die in § 15 MiLoG vorgesehenen Kontrollbefugnisse der Behörden der Zollverwaltung als solche berühren den Gewährleistungsgehalt des freien Mandats nicht: Wenn den Abgeordneten in einer ihre verfassungsrechtliche Stellung wahrenden Weise bestimmte gesetzliche Verpflichtungen als Arbeitgeber auferlegt werden, dann ist es grundsätzlich auch zulässig, die Einhaltung dieser Verpflichtungen ordnungsbehördlich zu kontrollieren. Die Kontrollbefugnisse beziehen sich auf „Geschäftsunterlagen, die mittelbar oder unmittelbar Auskunft über die Einhaltung des Mindestlohns“ geben können (§ 15 Nr. 1 MiLoG). Auf die Mandatsarbeit inhaltlich betreffende Unterlagen erstrecken sich diese Kontrollbefugnisse nicht. Im Übrigen werden die Abgeordneten gegenüber hoheitlichen Maßnahmen durch die besonderen Schutzregelungen der Art. 46 bis 48 GG geschützt, die im Hinblick auf die bloße Überprüfung der dokumentierten Arbeitszeiten der Mitarbeiter aber nicht einschlägig sind. Nach alledem erscheinen sowohl die Dokumentationspflicht nach § 17 Abs. 1 MiLoG als solche als auch die Kontrolle deren Einhaltung nach § 15 MiLoG mit der Gewährleistung des freien Mandats nach Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG vereinbar. 3.2. Polizeigewalt des Bundestagspräsidenten Zu klären bleibt jedoch, ob die Kontrollaufgaben in den Liegenschaften des Bundestages und in den Wahlkreisbüros durch Behörden der Zollverwaltung wahrgenommen werden dürfen. Nach Art. 40 Abs. 2 S. 1 GG übt der Bundestagspräsident nicht nur das Hausrecht, sondern auch die Polizeigewalt im Gebäude des Bundestages aus. Die Bestimmung geht nahezu wortgleich zurück auf Art. 28 S. 1 Weimarer Reichsverfassung, der dem Reichstagspräsidenten dieselben Befugnisse einräumte. Dem Parlamentspräsidenten als Legislativorgan wird durch die Übertragung der Polizeigewalt die Zuständigkeit für bestimmte Verwaltungsaufgaben übertragen, die außerhalb des Parlamentsgebäudes der Exekutive obliegen. Sinn dieser Durchbrechung des Gewaltenteilungsprinzips war und ist der Schutz der Parlamentsautonomie gegenüber Einflüssen der Exekutive.11 3.2.1. Räumlicher Umfang der Polizeigewalt In räumlicher Hinsicht umfasst der Begriff „Gebäude des Bundestages“ i. S. d. Art. 40 Abs. 2 S. 1 GG – ebenso wie der in Art. 40 Abs. 2 S. 2 GG verwandte Begriff „Räume des Bundestages“ – alle der Verwaltung des Bundestages unterstehenden Gebäude, Gebäudeteile und Grundstücke (§ 7 Abs. 2 GOBT), ungeachtet der zivilrechtlichen Eigentumslage. Umstritten, im vorliegenden Kontext aber nicht vertiefungsbedürftig, ist die Frage, ob die Polizeigewalt darüber hinaus auch auf 11 Vgl. Wilrich, Der Bundestagspräsident, DÖV 2002, 152 (155); zum Schutzzweck des Art. 40 Abs. 2 GG vgl. auch BVerfGE 108, 251 (273 f.). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 241/14 Seite 8 alle sonstigen Orte, an denen der Bundestag oder einzelne Ausschüsse im Einzelfall zusammentreten , zu erstrecken ist.12 Jedenfalls zum „Gebäude des Bundestages“ i. S. d. Art. 40 Abs. 2 S. 1 GG zählen die in den Liegenschaften des Bundestags befindlichen Räume, die den Fraktionen und Abgeordneten zur Nutzung überlassen worden sind, also auch die hier in Rede stehenden Abgeordnetenbüros.13 Eindeutig nicht von der Polizeigewalt des Bundestagspräsidenten umfasst sind demgegenüber von Fraktionen oder Abgeordneten selbst angemietete oder erworbene Räumlichkeiten außerhalb der Liegenschaften des Bundestags wie insbesondere die Wahlkreisbüros.14 Sie zählen auch nicht zu den „Räumen des Bundestages“ i. S. d. Art. 40 Abs. 2 S. 2 GG. 3.2.2. Sachlicher Umfang der Polizeigewalt Fraglich ist nun, ob die präsidiale Polizeigewalt nach Art. 40 Abs. 2 S. 1 GG auch die Zuständigkeit für Kontrollen nach dem Mindestlohngesetz umfasst mit der Folge, dass Behörden der Zollverwaltung im räumlichen Geltungsbereich der Polizeigewalt kraft Verfassungsrechts unzuständig wären. 3.2.2.1. Materieller Polizeibegriff Maßgeblich für die Bestimmung des sachlichen Umfangs der Polizeigewalt ist der materielle Polizeibegriff.15 Er beinhaltet sämtliche präventiv-polizeilichen Aufgaben zur Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung.16 Die sachliche Zuständigkeit des Bundestagspräsidenten ist also umfassend. Er hat in den Gebäuden des Bundestages dieselben Aufgaben wie sie die Polizeibehörden, insbesondere die allgemeinen Landespolizeibehörden, außerhalb des Bundestages haben. Der Bundestagspräsident ist also gewissermaßen „Polizeipräsident im Bezirk 12 Eine derartige Erstreckung befürworten Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, 13. Aufl. 2014, Art. 40 Rn. 13; Achterberg /Schulte, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Grundgesetz Kommentar, Band 2, 6. Aufl. 2010, Art. 40 Rn. 62; Brocker , in: Epping/Hillgruber, BeckOK GG, 22. Edition 2014, Art. 40 Rn. 42; Köhler, G. M., Die Polizeigewalt des Parlamentspräsidenten im deutschen Staatsrecht, DVBl. 1992, 1577 (1582); a. A. Klein, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz Kommentar, 71. Ergänzungslieferung 2014 (Kommentierung 50. Ergänzungslieferung 2007), Art. 40 Rn. 165 m.w.N. 13 Vgl. Brocker, in: Epping/Hillgruber, BeckOK GG, 22. Edition 2014, Art. 40 Rn. 42. 14 Vgl. Brocker, in: Kahl/Waldhoff/Walter, Bonner Kommentar zum GG, 167. Ergänzungslieferung 2014 (Kommentierung 150. Ergänzungslieferung 2011), Art. 40 Rn. 246. 15 Klein, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz Kommentar, 71. Ergänzungslieferung 2014 (Kommentierung 50. Ergänzungslieferung 2007), Art. 40 Rn. 152; Achterberg/Schulte, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Grundgesetz Kommentar, Band 2, 6. Aufl. 2010, Art. 40 Rn. 64; Brocker, in: Epping/Hillgruber, BeckOK GG, 22. Edition 2014, Art. 40 Rn. 51. 16 Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, 13. Aufl. 2014, Art. 40 Rn. 14; Klein, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz Kommentar, 71. Ergänzungslieferung 2014 (Kommentierung 50. Ergänzungslieferung 2007), Art. 40 Rn. 152. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 241/14 Seite 9 Bundestag“.17 Er ist in diesem Bereich für die Gefahrenabwehr die allein zuständige Polizeibehörde . Jede andere Polizeigewalt ist ausgeschlossen.18 Die an sich sachlich und örtlich zuständigen Landes- und ggf. Bundesbehörden werden durch Art. 40 Abs. 2 S. 1 GG kraft Verfassungsrechts für unzuständig19 erklärt.20 3.2.2.2. Keine repressiv-polizeilichen Aufgaben Zu betonen ist, dass die Polizeigewalt des Bundestagspräsidenten nach dem materiellen Polizeibegriff nur präventiv-polizeiliche Aufgaben, also Maßnahmen zur Abwehr von Gefahren bzw. zur Beseitigung von Störungen umfasst. Nicht zur Polizeigewalt des Bundestagspräsidenten i. S. d. Art. 40 Abs. 2 S. 1 GG zählen hingegen nach einhelliger Auffassung repressiv-polizeiliche Aufgaben, also Maßnahmen der Verfolgung von Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten.21 Dem Bundestagspräsidenten obliegen weder repressive Aufgaben, noch verfügt er über repressive Befugnisse zu Strafverfolgungsmaßnahmen nach der Strafprozessordnung.22 Er verfügt in diesem Bereich nur über die Jedermannsrechte (wie das Notwehr- und Notstandsrecht nach §§ 32, 34 Strafgesetzbuch und das Recht zur vorläufigen Festnahme nach § 127 Strafprozessordnung). 17 Sinngemäß nach der treffenden Formulierung von W. Jellinek, Verfassung und Verwaltung des Reichs und der Länder, 3. Abdruck 1927, S. 72, zum gleichlautenden Art. 28 S. 1 WRV: „Der Präsident […] ist gleichsam Polizeipräsident im Sprengel ‚Reichstagsgebäude‘; […] die preußischen Behörden, insbesondere der Polizeipräsident von Berlin, sind für den Sprengel ‚Reichstagsgebäude‘ örtlich unzuständig“. 18 Vgl. Morlok, in: Dreier, Grundgesetz Kommentar, Band 2, 2. Aufl. 2006, Art. 40 Rn. 36. 19 Sie dürfen nur im Wege der Amtshilfe auf Ersuchen des Bundestagspräsidenten sowie – nach umstrittener Auffassung – im Fall von Gefahr im Verzug tätig werden, vgl. Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, 13. Aufl. 2014, Art. 40 Rn. 14 m.w.N.; Klein, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz Kommentar, 71. Ergänzungslieferung 2014 (Kommentierung 50. Ergänzungslieferung 2007), Art. 40 Rn. 149 f. 20 Vgl. Köhler, G. M., Die Polizeigewalt des Parlamentspräsidenten im deutschen Staatsrecht, DVBl. 1992, 1577 (1578). 21 So die einhellige Auffassung, vgl. nur Klein, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz Kommentar, 71. Ergänzungslieferung 2014 (Kommentierung 50. Ergänzungslieferung 2007), Art. 40 Rn. 152; Köhler, G. M., Die Polizeigewalt des Parlamentspräsidenten im deutschen Staatsrecht, DVBl. 1992, 1577 (1579); Brocker, in: Kahl/Waldhoff/Walter, Bonner Kommentar zum GG, 167. Ergänzungslieferung 2014 (Kommentierung 150. Ergänzungslieferung 2011), Art. 40 Rn. 271; ders., in: Epping/Hillgruber, BeckOK GG, 22. Edition 2014, Art. 40 Rn. 51; Ramm, Die Polizeigewalt des Bundestagspräsidenten , NVwZ 2010, 1461 (1462); Kleinschnittger, Die rechtliche Stellung des Bundestagspräsidenten, 1963, S. 133; Reinecke, Die Polizeigewalt des Bundestagspräsidenten, 1959, S. 174 f.; zur inhaltgleichen Bestimmung der Nordrhein-Westfälischen Landesverfassung Hemmer, Der Präsident des Landtages Nordrhein-Westfalen, 2000, S. 359. 22 Vgl. Ramm, Die Polizeigewalt des Bundestagspräsidenten, NVwZ 2010, 1461 (1462); Köhler, G. M., Die Polizeigewalt des Parlamentspräsidenten im deutschen Staatsrecht, DVBl. 1992, 1577 (1579). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 241/14 Seite 10 Die Zuständigkeit für Maßnahmen der Strafverfolgung verbleibt vielmehr bei den hierfür auch sonst zuständigen Gerichten und Staatsanwaltschaften.23 Die präsidiale Polizeigewalt ändert hieran nichts, wie auch das Bundesverfassungsgericht festgestellt hat.24 3.2.2.3. Maßnahmen der besonderen Gefahrenabwehr? Entscheidend im vorliegenden Kontext ist jedoch nicht die Abgrenzung zwischen präventivpolizeilichen und repressiv-polizeilichen Aufgaben, sondern die Frage, ob die präventiv-polizeiliche Zuständigkeit des Bundestagspräsidenten auf allgemeinpolizeiliche Maßnahmen beschränkt ist oder ob sie darüber hinaus auch Maßnahmen der besonderen Gefahrenabwehr (sog. Verwaltungspolizei 25) umfasst. Hierzu zählen beispielsweise bauordnungsrechtliche, gewerbeaufsichtsrechtliche , gaststättenrechtliche oder denkmalschutzrechtliche Maßnahmen. Diese Maßnahmen obliegen außerhalb des Bundestages den verschiedenen fachlich zuständigen Ordnungsbehörden. Der materielle Polizeibegriff, der für den sachlichen Umfang der Polizeigewalt maßgeblich ist (s.o.), umfasst grundsätzlich alle Bereiche der Gefahrenabwehr, auch die hier genannten besonderen.26 Im Schrifttum wird daher – trotz umstrittener Einzelheiten27 – überwiegend angenommen, dass sich die präsidiale Polizeigewalt auch auf diese besonderen Gefahrenabwehraufgaben erstreckt.28 Die 23 Dass der Bundestagspräsident über keine repressiv-polizeilichen Zuständigkeiten verfügt, besagt allerdings noch nichts darüber, ob und inwieweit die Beamten des Polizeivollzugsdienstes des Deutschen Bundestages aufgrund anderer Rechtsgrundlagen selbst strafprozessuale Kompetenzen haben. 24 BVerfGE 108, 251 (274). 25 Zum Begriff der Verwaltungspolizei in Abgrenzung zur sog. Sicherheitspolizei ausführlich Reinecke, Die Polizeigewalt des Bundestagspräsidenten, 1959, S. 176 ff. 26 Vgl. für das Bauordnungsrecht (nach früherem Sprachgebrauch Baupolizeirecht) BVerfGE 3, 407 (431). 27 Eine gut aufbereitete, wenngleich ältere Darstellung des Streitstandes findet sich bei Köhler, G. M., Die Polizeigewalt des Parlamentspräsidenten im deutschen Staatsrecht, DVBl. 1992, 1577 (1580). 28 Mit überzeugender Begründung insbesondere Köhler, G. M., Die Polizeigewalt des Parlamentspräsidenten im deutschen Staatsrecht, DVBl. 1992, 1577 (1580); ebenso Brocker, in: Kahl/Waldhoff/Walter, Bonner Kommentar zum GG, 167. Ergänzungslieferung 2014 (Kommentierung 150. Ergänzungslieferung 2011), Art. 40 Rn. 262 m.w.N.; ders., in: Epping/Hillgruber, BeckOK GG, 22. Edition 2014, Art. 40 Rn. 51; Klein, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz Kommentar, 71. Ergänzungslieferung 2014 (Kommentierung 50. Ergänzungslieferung 2007), Art. 40 Rn. 153 f. m.w.N.; Achterberg/Schulte, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Grundgesetz Kommentar, Band 2, 6. Aufl. 2010, Art. 40 Rn. 64; Ramm, Die Polizeigewalt des Bundestagspräsidenten, NVwZ 2010, 1461 (1462 f.); zur inhaltgleichen Bestimmung der Brandenburgischen Verfassung ebenso ein (unveröffentlichtes) Gutachten des Parlamentarischen Beratungsdienstes des Brandenburgischen Landtags vom 5. August 2010, Klesse, Hausrecht und Polizeigewalt des Landtagspräsidenten, S. 15 f.; zur entsprechenden Vorschrift der Hessischen Landesverfassung ebenso Günther, Hausrecht und Polizeigewalt des Parlamentspräsidenten, 2013, S. 22; zur entsprechenden Vorschrift der Nordrhein -Westfälischen Landesverfassung ebenso Hemmer, Der Präsident des Landtages Nordrhein-Westfalen, 2000, S. 357 f.; a. A. Kleinschnittger, Die rechtliche Stellung des Bundestagspräsidenten, 1963, S. 132, sowie Reinecke, Die Polizeigewalt des Bundestagspräsidenten, 1959, S. 188, die die Polizeigewalt in der Sache auf die allgemeine Gefahrenabwehr begrenzen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 241/14 Seite 11 Zuständigkeiten nicht nur der allgemeinen Polizeibehörden, sondern auch der besonderen Ordnungsbehörden sollen „an den Toren des Bundestages“ enden.29 Das bedeutet freilich nicht, dass im Bundestag das materielle Ordnungsrecht keine Geltung hätte und der Bundestag etwa eigene materielle bauordnungsrechtliche Regelungen erlassen müsste. Art. 40 Abs. 2 S. 1 GG überträgt dem Bundestagspräsidenten nur die Verwaltungskompetenz, also die Zuständigkeit für die Ausführung und Durchsetzung der jeweiligen ordnungsrechtlichen Vorschriften. Diese überwiegende Auffassung hat unmittelbare Auswirkungen auf die vorliegende Frage der Kontrollbefugnisse der Behörden der Zollverwaltung in den Liegenschaften des Bundestages: Denn die Vollzugsbeamten der Zollverwaltung sind zwar statusrechtlich keine Polizeivollzugsbeamten , ebenso wie die Behörden der Zollverwaltung organisationsrechtlich (noch) nicht als Bundesfinanzpolizei bezeichnet werden.30 Ungeachtet dessen nehmen sie aber in großem Umfang Aufgaben wahr, die in der Sache unter den materiellen Polizeibegriff fallen, die nämlich die Verhütung und Beseitigung von Verstößen gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften in besonderen Rechtsbereichen zum Gegenstand haben. Das zeigt sich besonders deutlich bei den bei allen Hauptzollämtern angesiedelten Einheiten „Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS)“, die in Arbeitsstätten verdachtsunabhängige Prüfungen im Hinblick auf die Einhaltung verschiedener öffentlichrechtlicher Vorschriften durchführen.31 Dies ist eine klassische ordnungsbehördliche Aufgabe, die zum Bereich der besonderen Gefahrenabwehr zählt und damit unter den materiellen Polizeibegriff fällt. Dasselbe gilt für die Überwachung der Einhaltung öffentlich-rechtlicher Pflichten von Arbeitgebern , wie beispielsweise der vorliegenden Dokumentationspflichten nach § 17 Abs. 1 MiLoG. Die überwiegende Auffassung, nach der auch der Bereich der besonderen Gefahrenabwehr zur präsidialen Polizeigewalt zählt, verdient Zustimmung. Die – ohnehin nur äußerst spärlich und in alten Literaturbeiträgen – vertretenen Gegenargumente lassen sich leicht entkräften. So wird vorgetragen, die Parlamentspräsidenten hätten in der bisherigen Praxis verwaltungspolizeiliche Aufgaben gegenüber den örtlichen Behörden nicht beansprucht.32 Ob diese Verwaltungspraxis allerdings im Einklang mit Art. 40 Abs. 2 S. 1 GG steht oder nicht, ist damit noch nicht gesagt. Ferner ist vorgeschlagen worden, jedenfalls solche Bereiche der besonderen Gefahrenabwehr aus der präsidialen Polizeigewalt auszuklammern, deren Wahrnehmung eines besonderen technischen Apparates bedürfte, über den der Parlamentspräsident nicht verfüge.33 Dieses Argument erscheint zunächst stichhaltig, zumal weiter argumentiert wird, der Parlamentspräsident müsste anderenfalls für alle denkbaren verwaltungspolizeilichen Aufgaben Fachberater beschäftigen, die aber nur sehr selten in Tätigkeit zu treten hätten.34 Gleichwohl überzeugt diese Argumentation nicht, weil mit ihr von der Ausübungsmöglichkeit eines Rechts auf dessen Bestehen geschlossen wird. Ein solcher Schluss von der Fähigkeit auf die Zuständigkeit ist verfassungsdogmatisch unzulässig, und zwar 29 Brocker, in: Kahl/Waldhoff/Walter, Bonner Kommentar zum GG, 167. Ergänzungslieferung 2014 (Kommentierung 150. Ergänzungslieferung 2011), Art. 40 Rn. 262. 30 Vgl. Rachor, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 5. Aufl. 2012, Abschnitt C Rn. 76. 31 Vgl. Rachor, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 5. Aufl. 2012, Abschnitt C Rn. 84. 32 So Reinecke, Die Polizeigewalt des Bundestagspräsidenten, Diss. Hamburg, 1959, S. 185 ff. 33 So Woldt, Die Polizeigewalt des Reichstagspräsidenten, Diss. Heidelberg, 1934, S. 16. 34 Vgl. Woldt, Die Polizeigewalt des Reichstagspräsidenten, Diss. Heidelberg, 1934, S. 16. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 241/14 Seite 12 in positiver Hinsicht (bestehende Fähigkeit begründe Kompetenz) ebenso wie in negativer Hinsicht (fehlende Fähigkeit begründe Unzuständigkeit). Mit der Frage der Zuständigkeit ist im Übrigen noch nicht das letzte Wort darüber gesprochen, wer die Aufgabe tatsächlich wahrnimmt. Denn der zuständige Verwaltungsträger kann sich zur Erledigung einer Aufgabe unter bestimmten Voraussetzungen im Wege der Amts- bzw. Vollzugshilfe oder der Organleihe des Personals anderer Verwaltungsbehörden bedienen (dazu näher unter Punkt 3.4). Entscheidend muss letztlich eine am Schutzzweck der Polizeigewalt des Bundestagspräsidenten orientierte teleologische Auslegung sein. Sinn und Zweck der Norm ist der Schutz der Parlamentsautonomie und ungestörter parlamentarischer Abläufe. Weder Handlungen Dritter noch Maßnahmen der Exekutive sollen die Tätigkeit des Parlamentes stören können. Die Übertragung der Polizeigewalt auf den Parlamentspräsidenten ist insoweit ein wesentlicher Baustein der Parlamentsautonomie.35 Es bedarf nicht viel Phantasie, um sich vorzustellen, dass nicht nur allgemeinpolizeiliche Maßnahmen, sondern auch ordnungsbehördliche Maßnahmen der Exekutive die Funktionsfähigkeit des Parlaments empfindlich beeinträchtigen können. Man denke nur an eine Sperrung des Plenarsaals durch bauordnungsrechtliche Verfügung wegen (angeblicher) Baufälligkeit .36 Vor dem Hintergrund des Schutzzwecks kann es keinen Unterschied machen, ob die Exekutive die parlamentarischen Abläufe aufgrund allgemeinpolizeilicher oder aufgrund ordnungsbehördlicher Rechtsgrundlage stört. Die herrschende Auffassung kann sich insoweit überzeugend auf den Sinn und Zweck des Art. 40 Abs. 2 S. 1 GG stützen und verdient Zustimmung. Ausgehend von dieser Grundannahme wird der konkrete Umfang der Polizeigewalt bei Aufgaben der besonderen Gefahrenabwehr im Schrifttum teilweise differenzierend nach Maßgabe des Schutzzwecks beurteilt: Die Aufgaben der besonderen Gefahrenabwehr sollen nur dann dem Parlamentspräsidenten vorbehalten sein, wenn und soweit durch das Hineinwirken der Exekutive in Gestalt ordnungsbehördlicher Maßnahmen die parlamentarische Funktionsfähigkeit potentiell beeinträchtigt werden könne.37 Das bedeutet: Es soll – ausgehend vom materiellen Polizeibegriff – „in jedem Einzelfall“ zu prüfen sein, ob die jeweilige Aufgabe der besonderen Gefahrenabwehr, würde sie von der Exekutive wahrgenommen, potentiell in irgendeiner Weise die verfassungsmäßige Aufgabenwahrnehmung des Parlaments beeinträchtigen kann.38 Ist dies der Fall, soll ausschließlich der Bundestagspräsident für die Wahrnehmung der Aufgabe zuständig sein. Ist dies nicht der Fall, soll es bei der allgemeinen Zuständigkeit der jeweiligen Ordnungsbehörde 35 Vgl. Brocker, in: Kahl/Waldhoff/Walter, Bonner Kommentar zum GG, 167. Ergänzungslieferung 2014 (Kommentierung 150. Ergänzungslieferung 2011), Art. 40 Rn. 261. 36 Vgl. Köhler, G. M., Die Polizeigewalt des Parlamentspräsidenten im deutschen Staatsrecht, DVBl. 1992, 1577 (1580); Brocker, in: Kahl/Waldhoff/Walter, Bonner Kommentar zum GG, 167. Ergänzungslieferung 2014 (Kommentierung 150. Ergänzungslieferung 2011), Art. 40 Rn. 262. 37 So Brocker, in: Kahl/Waldhoff/Walter, Bonner Kommentar zum GG, 167. Ergänzungslieferung 2014 (Kommentierung 150. Ergänzungslieferung 2011), Art. 40 Rn. 262; Klein, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz Kommentar, 71. Ergänzungslieferung 2014 (Kommentierung 50. Ergänzungslieferung 2007), Art. 40 Rn. 154; Köhler, G. M., Die Polizeigewalt des Parlamentspräsidenten im deutschen Staatsrecht, DVBl. 1992, 1577 (1580). Zu diesem Ergebnis kommt auch ein (unveröffentlichtes) Gutachten des Parlamentarischen Beratungsdienstes des Brandenburgischen Landtags vom 5. August 2010, Klesse, Hausrecht und Polizeigewalt des Landtagspräsidenten, S. 15 f. 38 So Köhler, G. M., Die Polizeigewalt des Parlamentspräsidenten im deutschen Staatsrecht, DVBl. 1992, 1577 (1580), sowie ein (unveröffentlichtes) Gutachten des Parlamentarischen Beratungsdienstes des Brandenburgischen Landtags vom 5. August 2010, Klesse, Hausrecht und Polizeigewalt des Landtagspräsidenten, S. 15 f. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 241/14 Seite 13 verbleiben. Diese Differenzierung ist letztlich nichts anderes als eine teleologische Reduktion des materiellen Polizeibegriffs für Fälle, in denen ein Ausschluss der Behörden der Exekutive nach dem Sinn und Zweck des Art. 40 Abs. 2 S. 1 GG nicht erforderlich erscheint. Diese Differenzierung erscheint zwar dogmatisch überzeugend. Die nach dieser Auslegung für jeden Einzelfall vorzunehmende Abgrenzung birgt aber praktische Probleme. Denn je nachdem, wie man das von einer Kontrollaufgabe ausgehende Potential der Beeinträchtigung des Parlamentsbetriebs einschätzt, sind entweder die Behörden der Exekutive (Bundes- oder Landesbehörden) oder der Bundestagspräsident ausschließlich zuständig. Da es sich stark um Wertungsfragen handelt, wären Auffassungsunterschiede zwischen Bundestag und Behörde bereits programmiert. Soweit eine Behörde der Exekutive zuständig wäre, d.h. soweit sie durch Art. 40 Abs. 2 S. 1 GG nicht aus ihrer Zuständigkeit verdrängt würde, hätte sie auch das Recht, im Rahmen ihrer Befugnisse unangemeldet den Bundestag zu betreten und dort Kontrollen durchzuführen. Dies würde letztlich in der höchstpraktischen Situation kulminieren, dass Behördenmitarbeiter an einer Pforte des Bundestages Einlass zu Kontrollzwecken begehren und sich der Bundestagspräsident in der Folge mit der jeweiligen Behördenleitung über die Abgrenzungsfrage auseinandersetzen müsste. Damit aber würde der Schutzzweck, der die räumliche Integrität des Bundestages gerade vor „Übergriffen“ der Exekutive schützen will, konterkariert, was der am Schutzzweck orientierten teleologischen Reduktion den Boden entzieht. Es spricht daher mehr dafür, die Aufgaben der besonderen Gefahrenabwehr insgesamt unter die präsidiale Polizeigewalt zu fassen, wie es auch der materielle Polizeibegriff von vornherein vorsieht. Damit sind auch die hier fraglichen Überwachungsaufgaben nach dem Mindestlohngesetz von der Polizeigewalt umfasst. Selbst wenn man mit Teilen der Literatur die dargestellte Differenzierung zwischen potentiell parlamentsbeeinträchtigenden und nicht potentiell parlamentsbeeinträchtigenden Aufgaben vornimmt , dürften die hier fraglichen Überprüfungen der Polizeigewalt zuzurechnen sein: § 15 MiLoG i.V.m. verschiedenen Befugnisnormen des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes erlaubt den Zollbehörden insbesondere das Betreten der Geschäftsräume des Arbeitgebers und die Einsichtnahme von Arbeitsverträgen und anderen Geschäftsunterlagen, die mittelbar oder unmittelbar Auskunft über die Einhaltung des Mindestlohns geben können (s.o.). Während derartige Kontrollen in einzelnen Abgeordnetenbüros in der parlamentarischen Sommerpause den Parlamentsbetrieb kaum werden beeinträchtigen können, erscheint eine großangelegte Kontrolle sämtlicher Abgeordnetenbüros in einer Sitzungswoche potentiell durchaus in der Lage, den Parlamentsbetrieb empfindlich zu stören. Die beiden Beispiele markieren gewissermaßen die Extrempunkte einer Skala. Die Frage, ob eine Aufgabe der besonderen Gefahrenabwehr der Polizeigewalt des Bundestagspräsidenten unterfällt oder nicht, muss aber für die Aufgabe als solche beantwortet werden. Die Zuständigkeit kann nicht je nach Art und Weise der Aufgabenwahrnehmung durch die Ordnungsbehörden schwanken. Entscheidend ist, ob die verfassungsmäßige Aufgabenwahrnehmung des Parlaments durch ordnungsbehördliche Maßnahmen beeinträchtigt werden kann. Dies dürfte vorliegend der Fall sein: Insbesondere angesichts der Befugnisse zum Betreten von Abgeordnetenbüros sind Situationen vorstellbar, in denen der Parlamentsbetrieb gestört werden kann. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 241/14 Seite 14 Dabei ist zu berücksichtigen, dass zwar die Kontrolle in einem Aufgabenbereich für sich genommen nicht störend sein mag, eine solche Wirkung aber eintreten kann, wenn sich verschiedene ordnungsbehördliche Kontrollen häufen. So könnten etwa an einem Tag die Zollbeamten die Dokumentation nach § 17 Abs. 1 MiLoG kontrollieren, am nächsten Tag eine andere Behörde die Einhaltung anderweitiger ordnungsrechtlicher Verpflichtungen und am dritten Tag eine dritte Behörde ein drittes Rechtsgebiet. Dies verdeutlicht die Missbrauchsgefahr exekutiver Befugnisse im Parlament, der Art. 40 Abs. 2 S. 1 GG vorbeugen will und die daher maßgeblich bei dessen Auslegung zu berücksichtigen ist. Daher sowie vor dem Hintergrund, dass eine zu kleinteilige Differenzierung die Wahrscheinlichkeit von Zuständigkeitsstreitigkeiten zwischen den Verfassungsorganen erhöht und eine unklare Zuständigkeitsverteilung dem Schutzzweck der Polizeigewalt gerade nicht gerecht wird, spricht einiges dafür, eine potentielle Beeinträchtigung des Parlamentsbetriebs bei sämtlichen ordnungsbehördlichen Kontrollen bei Abgeordneten in den Liegenschaften des Bundestages anzunehmen und diese somit – auch nach der differenzierenden Lösung der Literatur – stets unter die Polizeigewalt des Bundestagspräsidenten zu fassen. 3.2.2.4. Zwischenergebnis Die fraglichen Überwachungsaufgaben nach dem Mindestlohngesetz zählen nach alledem zur Polizeigewalt des Bundestagspräsidenten nach Art. 40 Abs. 2 S. 1 GG. Das bedeutet, dass diesem in den Liegenschaften des Bundestages die ausschließliche Verwaltungskompetenz zur Durchführung der gesetzlich vorgesehenen Maßnahmen zusteht und die außerhalb des Bundestages zuständigen Behörden in den Liegenschaften des Bundestages unzuständig sind. Der Bundestagspräsident wird insoweit als Verwaltungsbehörde tätig (zur praktischen Aufgabenwahrnehmung sogleich unter Punkt 3.4). 3.3. Genehmigungsvorbehalt nach Art. 40 Abs. 2 S. 2 GG Subsumiert man – wie hier vertreten – die ordnungsbehördlichen Kontrollaufgaben nach dem MiLoG unter die Polizeigewalt des Bundestagspräsidenten, erübrigt sich die Frage nach dem Genehmigungsvorbehalt nach Art. 40 Abs. 2 S. 2 GG. Denn dieser betrifft Eingriffsakte anderer Behörden; für Eingriffsakte im sachlichen Anwendungsbereich der Polizeigewalt ist der Bundestagspräsident bereits selbst zuständige Behörde. Es kommt auf Art. 40 Abs. 2 S. 2 GG daher nur dann an, wenn man entgegen der hier vertretenen Auffassung die Kontrollen nach dem MiLoG nicht unter die Polizeigewalt subsumiert. Der Vollständigkeit halber wird für diesen Fall hilfsgutachtlich dargestellt, welche Auswirkungen der Genehmigungsvorbehalt nach Art. 40 Abs. 2 S. 2 GG auf die Kontrollen nach dem Mindestlohngesetz hätte: Nach Art. 40 Abs. 2 S. 2 GG darf ohne die Genehmigung des Bundestagspräsidenten in den Räumen des Bundestages keine Durchsuchung oder Beschlagnahme stattfinden. Die Genehmigung ist (entgegen der Terminologie der §§ 183, 184 BGB) als vorherige Zustimmung zu verstehen. Das Genehmigungserfordernis ist kein Teil der Polizeigewalt, sondern des Hausrechts.39 39 BVerfGE 108, 251 (273). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 241/14 Seite 15 Es ergänzt den – auch durch die Übertragung der Polizeigewalt beabsichtigten – Schutz der Parlamentsautonomie vor möglichem Druck durch andere Hoheitsträger insoweit,40 als es für repressiv -polizeiliche Maßnahmen erheblicher Eingriffsintensität ein „ungebremstes“ Eindringen der Exekutive oder Judikative in die Räumlichkeiten des Parlaments gegen den Willen des Bundestagspräsidenten ausschließt.41 Auch Staatsanwaltschaften und Gerichte, die aufgrund der Polizeigewalt des Parlamentspräsidenten nicht an der Wahrnehmung ihrer Aufgaben gehindert sind (s.o.), bedürfen zur Vornahme von Eingriffsakten im räumlichen Bereich des Bundestages der Genehmigung des Präsidenten.42 Der räumliche Anwendungsbereich des Genehmigungserfordernisses nach Art. 40 Abs. 2 S. 2 GG ist identisch mit dem der Polizeigewalt nach Art. 40 Abs. 2 S. 1 GG (s.o.). Sachlich bezieht sich der Genehmigungsvorbehalt in erster Linie auf Durchsuchungen und Beschlagnahmen durch die Strafverfolgungsbehörden, also Durchsuchungen nach den §§ 102 ff. StPO und Beschlagnahmen nach den §§ 94 ff. StPO.43 Es ist in der Literatur aber zum einen anerkannt , dass auch Durchsuchungen und Beschlagnahmen durch andere Hoheitsträger in den Anwendungsbereich der Norm fallen,44 und zum anderen, dass über den Wortlaut hinaus auch eingriffsintensivere Maßnahmen wie insbesondere Verhaftungen und Festnahmen unter den Genehmigungsvorbehalt fallen.45 Die vorliegend erörterten Betretungs- und Einsichtnahmebefugnisse der Beamten der Zollverwaltung erreichen die Eingriffsschwelle von Durchsuchungen oder Beschlagnahmen jedoch nicht. Derartige Kontrollmaßnahmen dürften daher nicht unter den Genehmigungsvorbehalt des Art. 40 Abs. 2 S. 2 GG fallen. 3.4. Praktische Wahrnehmung der Aufgaben im Rahmen der präsidialen Polizeigewalt Zur Ausübung der verfassungsrechtlich übertragenen Polizeigewalt bedient sich der Bundestagspräsident für den Bereich der allgemeinpolizeilichen Aufgaben eines eigenen Polizeivollzugsdienstes, der Polizei beim Deutschen Bundestag. 40 BVerfGE 108, 251 (274). 41 Vgl. Brocker, in: Kahl/Waldhoff/Walter, Bonner Kommentar zum GG, 167. Ergänzungslieferung 2014 (Kommentierung 150. Ergänzungslieferung 2011), Art. 40 Rn. 271; Kleinschnittger, Die rechtliche Stellung des Bundestagspräsidenten , 1963, S. 133. 42 Köhler, G. M., Die Polizeigewalt des Parlamentspräsidenten im deutschen Staatsrecht, DVBl. 1992, 1577 (1580). 43 Vgl. Brocker, in: Kahl/Waldhoff/Walter, Bonner Kommentar zum GG, 167. Ergänzungslieferung 2014 (Kommentierung 150. Ergänzungslieferung 2011), Art. 40 Rn. 271. 44 Vgl. Magiera, in: Sachs, GG, 7. Aufl. 2014, Art. 40 Rn. 32; Brocker, in: Epping/Hillgruber, BeckOK GG, 22. Edition 2014, Art. 40 Rn. 54.1. 45 Vgl. Klein, in: Maunz/Dürig, GG, 71. Ergänzungslieferung 2014 (Kommentierung 60. Ergänzungslieferung 2010), Art. 40 Rn. 175; Brocker, in: Epping/Hillgruber, BeckOK GG, 22. Edition 2014, Art. 40 Rn. 54.2; a.A. Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, 13. Aufl. 2014, Art. 40 Rn. 16. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 241/14 Seite 16 Für den Bereich der besonderen Gefahrenabwehr, also der ordnungsbehördlichen Aufgaben, existiert innerhalb der Bundestagsverwaltung kein entsprechender Fachdienst. Dies wäre angesichts der Bandbreite der denkbaren Aufgaben und der zum Teil erforderlichen Fachkenntnisse auch kaum möglich. Durch das Grundgesetz übertragene Zuständigkeiten sind prinzipiell unverfügbar. Wenn das Grundgesetz eine Aufgabe zuweist, dann impliziert dies auch eine Pflicht zur Wahrnehmung. Das bedeutet aber nicht, dass der Bundestagspräsident die Aufgaben zwingend selbst bzw. durch Beschäftigte der Bundestagsverwaltung wahrnehmen muss. Er kann dies tun. Wie jeder Verwaltungsträger kann er sich unter bestimmten Voraussetzungen aber auch der Unterstützung durch andere Behörden bedienen. Hierzu sind eine Reihe organisationsrechtlicher Institute anerkannt, deren gemeinsamer Nenner ist, dass an sich unzuständige Behörden im Aufgabenbereich der zuständigen Behörde tätig werden, beispielsweise weil die zuständige Behörde quantitativ oder qualitativ überfordert ist oder weil die unterstützende Behörde über eine größere Sachnähe oder bestehende Strukturen verfügt. Zu nennen sind hier beispielsweise die Amtshilfe nach Art. 35 Abs. 1 GG oder die Organleihe. Die Einzelheiten bedürfen an dieser Stelle keiner Vertiefung. Bei der Ausgestaltung ist aber sicherzustellen, dass sämtliche Fachbehörden nur auf Anordnung und im Rahmen konkreter Weisung des Bundestagspräsidenten im Bundestagsgebäude tätig werden dürfen.46 Formal wird dann der Bundestagspräsident in Ausübung seiner Polizeigewalt nach Art. 40 Abs. 2 S. 1 GG tätig. Ihm kommt die fachliche Letztverantwortung für die Aufgabenwahrnehmung zu. Zugleich könnten aber weiterhin die bei den speziellen Ordnungsbehörden vorhandenen Kenntnisse und Ressourcen eingesetzt werden, die die sachgerechte Wahrnehmung der jeweiligen Fachaufgabe erfordert. In der praktischen Aufgabenwahrnehmung besteht damit kein großer Unterschied zur bisherigen Praxis: Die Ordnungsbehörden könnten, wenn sie Kontrollen nach Maßgabe des jeweiligen Fachrechts im Bundestag durchführen wollen, dem Bundestagspräsidenten vorschlagen, sie damit zu beauftragen. Kommt er dem nach, können die Behörden in seinem Auftrag Kontrollen im Bundestag durchführen. Die praktische Aufgabenwahrnehmung könnte also ähnlich ablaufen wie im Falle einer originären Zuständigkeit der Ordnungsbehörden. Der entscheidende rechtliche Unterschied liegt allerdings darin, dass nunmehr dem Bundestagspräsidenten und nicht dem Behördenleiter das Entscheidungsrecht im Hinblick auf die fachliche Aufgabenwahrnehmung zusteht, etwa auch was Art und Umfang der Kontrollen angeht. Er kann also als Letztverantwortlicher dafür Sorge tragen, dass durch vorgenommene Kontrollen die verfassungsrechtliche Aufgabenwahrnehmung des Parlaments nicht beeinträchtigt wird. Das wiederum entspricht exakt dem Sinn und Zweck des Art. 40 Abs. 2 S. 1 GG, dem damit genüge getan ist. 4. Fazit Die Dokumentationspflicht nach § 17 Abs. 1 MiLoG trifft auch Abgeordnete, soweit sie Arbeitnehmer in geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen nach § 8 SGB IV beschäftigen. 46 So auch ein (unveröffentlichtes) Gutachten des Parlamentarischen Beratungsdienstes des Brandenburgischen Landtags vom 5. August 2010, Klesse, Hausrecht und Polizeigewalt des Landtagspräsidenten, S. 28. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 241/14 Seite 17 Sowohl die Dokumentationspflicht als solche als auch die Kontrolle von deren Einhaltung nach Maßgabe des § 15 MiLoG in den Abgeordnetenbüros und Wahlkreisbüros sind mit der Gewährleistung des freien Mandats nach Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG vereinbar. Es ist jedoch verfassungsrechtlich unzulässig, dass Behörden der Zollverwaltung – ebenso wie andere Ordnungsbehörden – in den Liegenschaften des Bundestages Kontrollaufgaben in eigener Zuständigkeit wahrnehmen. In den Wahlkreisbüros ist dies unproblematisch, da diese nicht an dem besonderen verfassungsrechtlichen Schutz der räumlichen Integrität des Bundestages teilnehmen. Für die Liegenschaften des Bundestages verleiht jedoch Art. 40 Abs. 2 S. 1 GG dem Bundestagspräsidenten die Polizeigewalt und damit die ausschließliche Zuständigkeit für alle Aufgaben der Gefahrenabwehr. Hierzu zählen auch Aufgaben der besonderen Gefahrenabwehr, die außerhalb des Bundestages von den Ordnungsbehörden des Bundes und des Landes Berlin wahrgenommen werden. Hierunter fallen auch die den Behörden der Zollverwaltung zugewiesenen Kontrollaufgaben nach dem Mindestlohngesetz. Diese sind in den Liegenschaften des Bundestages daher kraft Verfassungsrechts unzuständig. Die Zuständigkeit für die Überwachung der Einhaltung der Verpflichtungen nach dem Mindestlohngesetz durch die Abgeordneten liegt beim Bundestagspräsidenten. Er kann die Behörden der Zollverwaltung allerdings mit der Durchführung der Kontrollen betrauen.