© 2017 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 238/17 Zum Fragerecht von Gemeinderatsmitgliedern Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 238/17 Seite 2 Zum Fragerecht von Gemeinderatsmitgliedern Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 238/17 Abschluss der Arbeit: 11. Dezember 2017 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 238/17 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Überblick über die Frage- und Informationsrechte von Gemeinderatsmitgliedern 4 2.1. § 24 Abs. 3-5 Gemeindeordnung für Baden-Württemberg 5 2.2. § 29 Kommunalverfassung des Landes Brandenburg 5 2.3. § 50 Abs. 2 Hessische Gemeindeordnung 5 2.4. § 34 Abs. 2-4 Kommunalverfassung für das Land Mecklenburg- Vorpommern 6 2.5. § 58 Abs. 4 Niedersächsisches Kommunalverfassungsgesetz 6 2.6. § 55 Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen 6 2.7. § 33 Abs. 3-5 Gemeindeordnung Rheinland-Pfalz 7 2.8. § 37 Kommunalselbstverwaltungsgesetz Saarland 7 2.9. § 28 Abs. 5-7 Sächsische Gemeindeordnung 8 2.10. § 45 Abs. 6-8 Kommunalverfassungsgesetz des Landes Sachsen- Anhalt 8 2.11. § 30 Gemeindeordnung für Schleswig-Holstein 9 2.12. § 22 Abs. 3 Thüringer Kommunalordnung 9 3. Übertragbarkeit der Rechtsprechung zum parlamentarischen Fragerecht auf die kommunale Ebene 9 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 238/17 Seite 4 1. Einleitung Mit Urteil vom 7. November 2017 hat das Bundesverfassungsgericht das Fragerecht des Bundestages konkretisiert und gestärkt.1 Gegenstand des Verfahrens waren mehrere Kleine Anfragen und Schriftliche Fragen aus dem Jahr 2010, die teils die Deutsche Bahn AG, teils die Finanzmarktaufsicht betrafen. Die Bundesregierung hatte diese Fragen nicht öffentlich oder überhaupt nicht beantwortet. Das Gericht hat in seinem Urteil nicht nur zu den konkreten Streitfragen Stellung bezogen, sondern auch allgemein seine bisherige Rechtsprechung zum Frage- und Informationsrecht des Bundestages rekapituliert. Dabei führt das Gericht aus, dass dem Fragerecht des Bundestages eine Antwortpflicht der Bundesregierung entspreche. Fragerecht und Antwortpflicht seien jedoch nicht grenzenlos. Begrenzend wirkten der Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung, der Grundrechtsschutz sowie das Staatswohl. Bei berechtigten Geheimhaltungsinteressen komme anstelle der Nichtbeantwortung einer Frage als milderes Mittel deren nichtöffentliche Beantwortung in Betracht. Vor dem Hintergrund dieses Urteils des Bundesverfassungsgerichts wird gefragt, ob das vom Bundesverfassungsgericht beschriebene Fragerecht des Bundestages auch für kommunale Mandatsträger gilt. Insoweit ist zunächst festzuhalten, dass sich die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts unmittelbar allein auf das Fragerecht des Bundestages, das aus dem freien Mandat des Art. 38 Abs. 1 S. 2 Grundgesetz (GG) und dem Demokratieprinzip des Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG hergeleitet wird, beziehen. Das Fragerecht kommunaler Mandatsträger richtet sich dagegen zuallererst nach den entsprechenden Vorschriften der Kommunalverfassungen bzw. Gemeindeordnungen und Landkreisordnungen der einzelnen Bundesländer. Im Folgenden soll daher beispielhaft ein Überblick über die Regelungen zu den Frage- und Informationsrechten von Gemeinderatsmitgliedern gegeben werden. Abschließend wird auf die Frage der Übertragbarkeit der Rechtsprechung zum parlamentarischen Fragerecht auf die kommunale Ebene eingegangen. 2. Überblick über die Frage- und Informationsrechte von Gemeinderatsmitgliedern Abgesehen von Bayern verfügen alle Flächenländer in der Bundesrepublik über Kommunalgesetze mit ausdrücklichen Regelungen zu den Frage- und Informationsrechten von Gemeinderatsmitgliedern . Die Regelungen sind jeweils unterschiedlich ausgestaltet.2 Unterschiede lassen sich unter anderem in Hinblick auf den Kreis der Anspruchsinhaber3, den Anspruchsgegenstand4 oder das 1 Die unmittelbar folgenden Ausführungen beruhen auf dem Aktuellen Begriff der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages Nr. 28/17 „Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum parlamentarischen Fragerecht“ vom 22. November 2017. 2 Siehe hierzu auch Hebeler, Grundstrukturen des Informationsrechts in den Kommunen – insbesondere im Verhältnis zwischen Gemeinderat und Gemeindespitze, in: Dix u.a. (Hrsg.), Informationsfreiheit und Informationsrecht, Jahrbuch 2010, 2011, S. 143 (153 f.); sowie Pahlke, Gibt es einen „ungeschriebenen verfassungsunmittelbaren Informationsanspruch “ eines jeden Gemeinderatsmitglieds gegenüber dem Bürgermeister?, BayVBl. 2011, 686 (690). 3 Z.B. ein Viertel, Fünftel oder Sechstel der Gemeinderatsmitglieder. 4 Z.B. in allen Angelegenheiten der Gemeinde und ihrer Verwaltung; in allen Angelegenheiten, in denen die Verbandskompetenz der Gemeinde gegeben ist, oder in allen wichtigen Angelegenheiten der Gemeindeverwaltung. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 238/17 Seite 5 Verfahren der Akteneinsicht5 feststellen. Im Folgenden werden die entsprechenden Regelungen aus den Flächenländern dargestellt. 2.1. § 24 Abs. 3-5 Gemeindeordnung für Baden-Württemberg „(3) Eine Fraktion oder ein Sechstel der Gemeinderäte kann in allen Angelegenheiten der Gemeinde und ihrer Verwaltung verlangen, dass der Bürgermeister den Gemeinderat unterrichtet. Ein Viertel der Gemeinderäte kann in Angelegenheiten im Sinne von Satz 1 verlangen, dass dem Gemeinderat oder einem von ihm bestellten Ausschuss Akteneinsicht gewährt wird. In dem Ausschuss müssen die Antragsteller vertreten sein. (4) Jeder Gemeinderat kann an den Bürgermeister schriftliche, elektronische oder in einer Sitzung des Gemeinderats mündliche Anfragen über einzelne Angelegenheiten im Sinne von Absatz 3 Satz 1 richten, die binnen angemessener Frist zu beantworten sind. Das Nähere ist in der Geschäftsordnung des Gemeinderats zu regeln. (5) Absätze 3 und 4 gelten nicht bei den nach § 44 Abs. 3 Satz 3 geheim zu haltenden Angelegenheiten .“ 2.2. § 29 Kommunalverfassung des Landes Brandenburg „(1) Jeder Gemeindevertreter kann im Rahmen seiner Aufgabenerfüllung vom Hauptverwaltungsbeamten Auskunft und Akteneinsicht verlangen. Zur Kontrolle der Verwaltung besteht der Auskunfts- und Akteneinsichtsanspruch in allen Angelegenheiten, in denen die Verbandskompetenz der Gemeinde gegeben ist. Das Verlangen auf Auskunft und Akteneinsicht soll unter Darlegung des konkreten Anlasses begründet werden. Auskunft und Akteneinsicht sind zu verweigern, wenn und soweit schutzwürdige Belange Betroffener oder Dritter oder ein dringendes öffentliches Interesse entgegenstehen. Die Verweigerung ist schriftlich zu begründen. Satz 1 gilt nicht für einen befangenen Gemeindevertreter. (2) Auf Verlangen der Gemeindevertretung sind der Amtsdirektor und in Angelegenheiten ihres Geschäftsbereiches auch die Beigeordneten verpflichtet, an den Sitzungen der Gemeindevertretung teilzunehmen. Auf Verlangen eines Gemeindevertreters sind der Hauptverwaltungsbeamte und die Beigeordneten verpflichtet, zu einem Punkt der Tagesordnung vor der Gemeindevertretung Stellung zu nehmen, soweit sie anwesend sind.“ 2.3. § 50 Abs. 2 Hessische Gemeindeordnung „(2) Die Gemeindevertretung überwacht die gesamte Verwaltung der Gemeinde, mit Ausnahme der Erfüllung der Auftragsangelegenheiten im Sinne des § 4 Abs. 2, und die Geschäftsführung des Gemeindevorstands, insbesondere die Verwendung der Gemeindeeinnahmen. Sie kann zu diesem Zweck in bestimmten Angelegenheiten vom Gemeindevorstand in dessen Amtsräumen Einsicht in die Akten durch einen von ihr gebildeten oder bestimmten Ausschuss fordern; der Ausschuss ist zu bilden oder zu bestimmen, wenn es ein Viertel der Gemeindevertreter oder 5 Z.B. Akteneinsicht durch einen hierfür gebildeten Ausschuss oder durch den Gemeinderat selbst. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 238/17 Seite 6 eine Fraktion verlangt. Gemeindevertreter, die von der Beratung oder Entscheidung einer Angelegenheit ausgeschlossen sind (§ 25), haben kein Akteneinsichtsrecht. Die Überwachung erfolgt unbeschadet von Satz 2 durch Ausübung des Fragerechts zu den Tagesordnungspunkten in den Sitzungen der Gemeindevertretung, durch schriftliche Anfragen und auf Grund eines Beschlusses der Gemeindevertretung durch Übersendung von Ergebnisniederschriften der Sitzungen des Gemeindevorstands an den Vorsitzenden der Gemeindevertretung und die Vorsitzenden der Fraktionen. Der Gemeindevorstand ist verpflichtet, Anfragen der Gemeindevertreter und der Fraktionen zu beantworten.“ 2.4. § 34 Abs. 2-4 Kommunalverfassung für das Land Mecklenburg-Vorpommern „(2) Der Bürgermeister und die Beigeordneten sind verpflichtet, der Gemeindevertretung auf Antrag eines Viertels aller Mitglieder der Gemeindevertretung oder einer Fraktion Auskunft zu erteilen. (3) Jedes Mitglied der Gemeindevertretung kann an den Bürgermeister schriftliche oder in einer Sitzung der Gemeindevertretung mündliche Anfragen stellen, die in angemessener Frist zu beantworten sind. Das Nähere regelt die Hauptsatzung. (4) In Einzelfällen ist auf Antrag jedem Mitglied der Gemeindevertretung Akteneinsicht zu gewähren , soweit dem nicht schutzwürdige Belange Betroffener oder Dritter oder zu schützende Interessen des Landes oder Bundes entgegenstehen. Entsprechendes gilt für Vorsitzende eines Ausschusses.“ 2.5. § 58 Abs. 4 Niedersächsisches Kommunalverfassungsgesetz „(4) Die Vertretung überwacht die Durchführung ihrer Beschlüsse sowie den sonstigen Ablauf der Verwaltungsangelegenheiten. Sie kann zu diesem Zweck vom Hauptausschuss und von der Hauptverwaltungsbeamtin oder dem Hauptverwaltungsbeamten die erforderlichen Auskünfte verlangen. Wenn ein Viertel der Mitglieder der Vertretung oder eine Fraktion oder Gruppe dies verlangt, ist einzelnen Abgeordneten Einsicht in die Akten zu gewähren. Diese Rechte gelten nicht für Angelegenheiten, die der Geheimhaltung unterliegen (§ 6 Abs. 3 Satz 1).“ 2.6. § 55 Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen „(1) Der Rat ist durch den Bürgermeister über alle wichtigen Angelegenheiten der Gemeindeverwaltung zu unterrichten. Der Bürgermeister ist verpflichtet, einem Ratsmitglied auf Verlangen Auskunft zu erteilen oder zu einem Tagesordnungspunkt Stellung zu nehmen. In Angelegenheiten einer Bezirksvertretung ist dessen Mitglied in gleicher Weise berechtigt und der Bürgermeister verpflichtet. (2) Bezirksvorsteher und Ausschußvorsitzende können vom Bürgermeister jederzeit Auskunft und Akteneinsicht über Angelegenheiten verlangen, die zum Aufgabenbereich ihrer Bezirksvertretung bzw. ihres Ausschusses gehören. (3) Der Rat überwacht die Durchführung seiner Beschlüsse und der Beschlüsse der Bezirksvertretungen und Ausschüsse sowie den Ablauf der Verwaltungsangelegenheiten. Zu diesem Zweck kann der Rat mit der Mehrheit der Ratsmitglieder vom Bürgermeister Einsicht in die Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 238/17 Seite 7 Akten durch einen von ihm bestimmten Ausschuss oder einzelne von ihm beauftragte Mitglieder verlangen. (4) In Einzelfällen muss auf Beschluss des Rates mit der Mehrheit der Ratsmitglieder oder auf Verlangen eines Fünftels der Ratsmitglieder oder einer Fraktion auch einem einzelnen, von den Antragstellern jeweils zu benennenden Ratsmitglied Akteneinsicht gewährt werden. Einem einzelnen , von den Antragstellern zu benennenden Mitglied einer Bezirksvertretung oder eines Ausschusses steht ein Akteneinsichtsrecht nur aufgrund eines Beschlusses der Bezirksvertretung beziehungsweise des Ausschusses zu. Dritte sind von der Teilnahme an der Akteneinsicht ausgeschlossen . Akteneinsicht darf einem Ratsmitglied oder einem Mitglied der Bezirksvertretung nicht gewährt werden, das wegen Interessenwiderstreits von der Beratung und Entscheidung der Angelegenheit ausgeschlossen ist. (5) Jedem Ratsmitglied oder jedem Mitglied einer Bezirksvertretung ist vom Bürgermeister auf Verlangen Akteneinsicht zu gewähren, soweit die Akten der Vorbereitung oder der Kontrolle von Beschlüssen des Rates, des Ausschusses oder der Bezirksvertretung dienen, der es angehört . Dritte sind von der Teilnahme an der Akteneinsicht ausgeschlossen. Die Akteneinsicht darf nur verweigert werden, soweit ihr schutzwürdige Belange Betroffener oder Dritter entgegenstehen . Die ablehnende Entscheidung ist schriftlich zu begründen. Akteneinsicht darf einem Ratsmitglied oder einem Mitglied der Bezirksvertretung nicht gewährt werden, das wegen Interessenwiderstreits von der Beratung und Entscheidung der Angelegenheit ausgeschlossen ist.“ 2.7. § 33 Abs. 3-5 Gemeindeordnung Rheinland-Pfalz „(3) Ein Viertel der gesetzlichen Zahl der Ratsmitglieder oder eine Fraktion kann in allen Angelegenheiten der Gemeinde und ihrer Verwaltung verlangen, daß der Bürgermeister den Gemeinderat unterrichtet. Sie können auch verlangen, daß einem Ausschuß oder einzelnen vom Gemeinderat beauftragten Ratsmitgliedern Einsicht in die Akten gewährt wird, wenn hierfür ein berechtigtes Interesse des Gemeinderats vorliegt. Das Verlangen auf Akteneinsicht ist zu begründen. Die Akteneinsicht ist zu gewähren, wenn und soweit die Einsichtnahme zur Erfüllung des berechtigten Interesses erforderlich ist. Dem Ausschuß und den beauftragten Ratsmitgliedern muß ein Vertreter der Antragsteller angehören. Unter den gleichen Voraussetzungen kann der Bürgermeister einzelnen Ratsmitgliedern Akteneinsicht gewähren. § 22 gilt sinngemäß. (4) Jedes Ratsmitglied kann schriftliche oder in einer Sitzung des Gemeinderats mündliche Anfragen über einzelne Angelegenheiten im Sinne des Absatzes 3 Satz 1 an den Bürgermeister richten, die binnen angemessener Frist zu beantworten sind. Das Nähere ist in der Geschäftsordnung zu regeln. (5) Absatz 1 Satz 2 sowie die Absätze 3 und 4 gelten nicht, wenn und soweit für die Vorgänge eine Geheimhaltung besonders vorgeschrieben ist oder überwiegende schutzwürdige Interessen Betroffener entgegenstehen.“ 2.8. § 37 Kommunalselbstverwaltungsgesetz Saarland „(1) Der Gemeinderat ist berechtigt, sich von der Durchführung der von ihm, seinen Ausschüssen oder einem Bezirksrat oder Ortsrat gefassten Beschlüsse zu überzeugen. Die Mitglieder des Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 238/17 Seite 8 Gemeinderats können sich von der Bürgermeisterin oder vom Bürgermeister über alle Angelegenheiten , die der Beschlussfassung des Gemeinderats, seiner Ausschüsse oder eines Bezirksrats oder Ortsrats unterliegen, unterrichten lassen. Auf Beschluss des Gemeinderats oder auf Verlangen von mindestens einem Viertel der gesetzlichen Zahl der Mitglieder des Gemeinderats hat die Bürgermeisterin oder der Bürgermeister dem Gemeinderat oder einem vom Gemeinderat bestimmten Ausschuss oder einzelnen von ihm beauftragten Mitgliedern des Gemeinderats Einsicht in die Akten zu gewähren. (2) Zur Wahrnehmung seiner Rechte nach Absatz 1 dürfen personenbezogene Daten nur im jeweils erforderlichen Umfang an den Gemeinderat übermittelt werden. (3) Einsicht in die Akten darf den Mitgliedern des Gemeinderats nicht gewährt werden, die wegen Interessenwiderstreits von der Beratung und der Entscheidung der Angelegenheit ausgeschlossen sind.“ 2.9. § 28 Abs. 5-7 Sächsische Gemeindeordnung „(5) Ein Fünftel der Gemeinderäte kann in allen Angelegenheiten der Gemeinde verlangen, dass der Bürgermeister den Gemeinderat informiert und diesem oder einem von ihm bestellten Ausschuss Akteneinsicht gewährt. In dem Ausschuss müssen die Antragsteller vertreten sein. Für den gemäß Satz 1 bestellten Ausschuss gilt § 43 entsprechend. (6) Jeder Gemeinderat kann an den Bürgermeister schriftliche oder in einer Sitzung des Gemeinderats mündliche Anfragen über einzelne Angelegenheiten der Gemeinde richten, die binnen angemessener Frist, die grundsätzlich vier Wochen beträgt, zu beantworten sind. Das Nähere ist in der Geschäftsordnung zu regeln. (7) Die Absätze 5 und 6 gelten nicht für die nach § 53 Abs. 3 Satz 3 geheim zu haltenden Angelegenheiten.“ 2.10. § 45 Abs. 6-8 Kommunalverfassungsgesetz des Landes Sachsen-Anhalt „(6) Ein Zehntel der ehrenamtlichen Mitglieder der Vertretung, in Gemeinden und Verbandsgemeinden mindestens jedoch zwei ehrenamtliche Mitglieder der Vertretung oder eine Fraktion kann in allen Angelegenheiten der Kommune und ihrer Verwaltung verlangen, dass der Hauptverwaltungsbeamte die Vertretung unterrichtet. Auf Antrag der in Satz 1 bezeichneten Mehrheiten ist der Vertretung oder einem von ihr bestellten Ausschuss Akteneinsicht zu gewähren . Die Antragsteller müssen in dem Ausschuss vertreten sein. (7) Jedes ehrenamtliche Mitglied der Vertretung kann an den Hauptverwaltungsbeamten schriftliche oder in einer Sitzung der Vertretung mündliche Anfragen über einzelne Angelegenheiten der Kommune und ihrer Verwaltung richten, die innerhalb einer angemessenen Frist zu beantworten sind. Das Nähere regelt die Geschäftsordnung. (8) Die Absätze 6 und 7 gelten nicht bei den nach § 6 Abs. 6 geheim zu haltenden Angelegenheiten .“ Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 238/17 Seite 9 2.11. § 30 Gemeindeordnung für Schleswig-Holstein „(1) Einzelnen Gemeindevertreterinnen oder -vertretern hat die Bürgermeisterin oder der Bürgermeister in allen Selbstverwaltungsangelegenheiten und zu allen Aufgaben zur Erfüllung nach Weisung auf Verlangen Auskunft zu erteilen und Akteneinsicht zu gewähren. Gleiches gilt für die nicht der Gemeindevertretung angehörenden Mitglieder von Ausschüssen für den Aufgabenbereich ihres Ausschusses, sowie Mitglieder von Ortsbeiräten und sonstigen Beiräten für die Angelegenheiten ihres Beirates. (2) Auskunft und Akteneinsicht dürfen nicht gewährt werden, wenn die Vorgänge nach einem Gesetz geheim zu halten sind oder das Bekanntwerden des Inhalts die berechtigten Interessen Einzelner beeinträchtigen kann. Soweit Auskunft und Akteneinsicht zulässig sind, dürfen diese Rechte bei Personalakten nur den Mitgliedern eines Personalausschusses und den Mitgliedern des Hauptausschusses bei der Wahrnehmung personalrechtlicher Befugnisse gewährt werden. Gleiches gilt für Mitglieder anderer Ausschüsse für Akten, deren Inhalt spezialgesetzlich geschützt ist. (3) Gemeindevertreterinnen und -vertretern, die von der Beratung und der Entscheidung in der Angelegenheit ausgeschlossen sind (§ 32 Abs. 3 i. V. m. § 22), darf Auskunft und Akteneinsicht nicht gewährt werden. (4) Bei amtsangehörigen Gemeinden tritt an die Stelle der Bürgermeisterin oder des Bürgermeisters die Amtsdirektorin oder der Amtsdirektor, in ehrenamtlich verwalteten Ämtern die Amtsvorsteherin oder der Amtsvorsteher, beziehungsweise die Bürgermeisterin oder der Bürgermeister der Gemeinde, die die Geschäfte des Amtes führt. (5) Akten im Sinne dieser Vorschrift sind auch Dateien, Karteien, Tonbänder und andere Informationsträger .“ 2.12. § 22 Abs. 3 Thüringer Kommunalordnung „(3) Der Gemeinderat beschließt über die Aufgaben des eigenen Wirkungskreises der Gemeinde, soweit er nicht die Beschlussfassung einem beschließenden Ausschuss übertragen hat (§ 26 Abs. 1) oder der Bürgermeister zuständig ist. Der Gemeinderat überwacht die Ausführung seiner Beschlüsse. Über den Vollzug der Beschlüsse hat der Bürgermeister dem Gemeinderat und den Ausschüssen regelmäßig zu berichten. Der Gemeinderat hat das Recht und auf Verlangen eines Viertels seiner Mitglieder die Pflicht, vom Bürgermeister in diesen Angelegenheiten Auskunft zu fordern und Akteneinsicht durch von ihm damit beauftragte Ausschüsse oder bestimmte Gemeinderatsmitglieder zu nehmen.“ 3. Übertragbarkeit der Rechtsprechung zum parlamentarischen Fragerecht auf die kommunale Ebene Die Frage, ob die Rechtsprechung zum parlamentarischen Fragerecht – also auch die zum Fragerecht des Bundestages – auf die kommunale Ebene übertragen werden kann, ist umstritten und nicht abschließend geklärt. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 238/17 Seite 10 So hat etwa das Oberverwaltungsgericht von Niedersachsen in einem Urteil vom 3. Juni 2009 zum Informationsanspruch von Ratsfrauen und -männern gegenüber dem Bürgermeister aus der damals geltenden Niedersächsischen Gemeindeordnung ohne Weiteres Grundsätze zum Informationsanspruch des Landtags gegenüber der Landesregierung herangezogen. Hierzu führt das Gericht aus: „Das Auskunftsrecht der Ratsfrauen und Ratsherren zum Zwecke der Unterrichtung ist – wie der Informationsanspruch von Abgeordneten gegenüber der Landesregierung (vgl. dazu: Saarl- VerfGH, Urt. v. 31.10.2002 – Lv 1/02 – NVwZ-RR 2003, 81; BayVerfGH, Entscheid. v. 17.7.2001 – Vf. 56-IVa-00 – NVwZ 2002, 715 = BayVBl 2001, 657) – Ausfluss der Mitgliedschaft im (Kommunal-) Parlament, dem im demokratischen Rechtsstaat vor allem die Aufgabe zukommt, an der Gesetzgebung mitzuwirken und die Kontrolle über die Exekutive auszuüben; einer ausdrücklichen Regelung des Informationsanspruchs in § 39a Satz 2 NGO hätte es daher nicht zwingend bedurft (vgl. auch Wefelmeier in: KVR-NGO, Stand: Dezember 2008, § 39a NGO, RdNr. 19, m.w.N.). Dem Ratsmitglied kommen – ebenso wie dem Abgeordneten im Landtag – aufgrund seines Mandats das Recht und die Pflicht zu, eigenverantwortlich an den Aufgaben mitzuwirken, die der Rat – bzw. das Parlament – zu erfüllen hat. Zu einer effektiven Wahrnehmung der Aufgaben, mit denen Ratsmitglieder und Parlamentarier vom Wähler beauftragt sind, in Gemeinderat bzw. Landtag sowie in deren Ausschüssen sind Ratsmitglieder ebenso wie Parlamentarier auf Landesebene angesichts der Vielzahl und Komplexität der dort zu beurteilenden Gegenstände auf Informationen aus dem Bereich der Verwaltung angewiesen.“6 Das Oberverwaltungsgericht von Sachsen-Anhalt hat sich in seiner Rechtsprechung an dem zitierten Urteil aus Niedersachsen orientiert und führt in einer Entscheidung vom 31. Juli 2009 zum Informationsanspruch eines Gemeinderats gegenüber dem Bürgermeister nach der damals geltenden Gemeindeordnung von Sachsen-Anhalt entsprechend aus: „Das Auskunftsrecht des Gemeinderates zum Zwecke der Unterrichtung ist – wie der Informationsanspruch von Abgeordneten gegenüber der Landesregierung (vgl. dazu: Verfassungsgerichtshof des Saarlandes, Urt. v. 31.10.2002 - Lv 1/02 -, NVwZ-RR 2003, 81; Bayerischer Verfassungsgerichtshof, Entscheidung. v. 17.07.2001 - Vf. 56-IVa-00 -, NVwZ 2002, 715) – Ausfluss der Mitgliedschaft im (Kommunal-)Parlament, dem im demokratischen Rechtsstaat vor allem die Aufgabe zukommt, an der Gesetzgebung mitzuwirken und die Kontrolle über die Exekutive auszuüben. Dem Ratsmitglied kommen aufgrund seines Mandats das Recht und die Pflicht zu, eigenverantwortlich an den Aufgaben mitzuwirken, die der Gemeinderat zu erfüllen hat. Zu einer effektiven Wahrnehmung der Aufgaben im Gemeinderat sowie in dessen Ausschüssen , mit denen Gemeinderäte vom Wähler beauftragt sind, sind Ratsmitglieder auf kommunaler Ebene angesichts der Vielzahl und Komplexität der dort zu beurteilenden Gegenstände auf Informationen aus dem Bereich der Verwaltung angewiesen (vgl. dazu ausführlich OVG Niedersachsen , Urt. v. 03.06.2009 - 10 LC 217/07 -, zit. nach JURIS).“7 Auch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat in einer Entscheidung zum Informationsanspruch von Kreisräten aus der Bayerischen Landkreisordnung vom 14. August 2008 sich ohne Weiteres auf 6 OVG Niedersachsen, Urteil vom 3. Juni 2009 – 10 LC 217/07, Rn. 61 (zitiert nach juris). 7 OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 31. Juli 2009 – 4 O 127/09, Rn. 24 (zitiert nach juris). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 238/17 Seite 11 die Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs zum parlamentarischen Informationsrecht bezogen: „Der Auskunftsanspruch des Art. 23 Abs. 2 Satz 2 LKrO besteht – unabhängig davon ob dessen Kontroll- oder Informationszweck in den Vordergrund gestellt wird – nicht um seiner selbst willen. Damit die Auskunft nicht zum Selbstzweck wird, muss ein nachvollziehbarer Zusammenhang zwischen dem Informations- oder Kontrollwunsch und der aus einer wahrheitsgemäßen und im gebotenen Umfang gegebenen Auskunft resultierenden politischen Reaktionsmöglichkeit bestehen (vgl. BayVerfGH vom 17.7.2001 NVwZ 2002, 715/717 zur Antwort- und Informationspflicht der Staatsregierung gegenüber Abgeordneten). Auf eine allgemeine „Ausforschung“ hinsichtlich eines Problemkreises gerichtete Fragen und Anfragen „ins Blaue hinein“ sind missbräuchlich. Das Landratsamt genügt seiner Verpflichtung, solange und soweit es bei seiner Antwort den wesentlichen Inhalt der Frage aufgreift und den Kern des Informationsverlangens befriedigt. Für die Art und Weise der Beantwortung besteht mithin eine gewisse Einschätzungsprärogative (vgl. BayVerfGH a.a.O. sowie vom 26.7.2006 NVwZ 2007, 204/207), die der Fragende nicht durch die Art seiner Fragestellung ausschließen kann.“8 In der rechtswissenschaftlichen Literatur wird diese Übertragung von Überlegungen zum Parlamentsrecht auf die kommunale Ebene zum Teil deutlich kritisiert:9 „Die unzweifelhaft bestehenden gewichtigen Unterschiede zwischen Parlamenten und kommunalen Vertretungsorganen erlauben […] aber keine pauschale Gleichsetzung der Rechte von Parlamentariern mit denen von Mitgliedern kommunaler Vertretungsorgane.“10 Verwiesen wird dabei unter anderem auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur damaligen Niedersächsischen Landkreisordnung. In diesem Zusammenhang führt das Gericht aus: „Die Kommunalvertretung ist, auch wenn sie aus Wahlen im Sinne des Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG hervorgeht, Organ einer Selbstverwaltungskörperschaft und kein Parlament.“11 8 BayVGH, Beschluss vom 14. August 2008 – 4 ZB 07.1148, Rn. 12 (zitiert nach juris). 9 Siehe beispielsweise Pahlke, Gibt es einen „ungeschriebenen verfassungsunmittelbaren Informationsanspruch“ eines jeden Gemeinderatsmitglieds gegenüber dem Bürgermeister?, BayVBl. 2011, 686 (691 f.), m.w.N. Für eine weitgehende Annäherung der Rechtsstellung von Ratsmitgliedern und Parlamentariern hingegen Dolderer, Wie viel Parlament ist der Gemeinderat?, DÖV 2009, 146 ff. 10 Pahlke, Gibt es einen „ungeschriebenen verfassungsunmittelbaren Informationsanspruch“ eines jeden Gemeinderatsmitglieds gegenüber dem Bürgermeister?, BayVBl. 2011, 686 (692), mit zahlreichen weiteren Nachweisen. 11 BVerfGE 78, 344 (348). Siehe aber auch BVerfGE 32, 346 (361): „Auch wenn es sich bei dem Gemeinderat nicht um ein echtes Parlament handelt […], ist er doch als demokratisch gewähltes Beschlußorgan insoweit dem Bereich der Legislative zuzuordnen.“ Anders dann jedoch wieder BVerfGE 65, 283 (289): „[…]; denn die Rechtsetzungstätigkeit der Gemeinden ist ungeachtet dessen, daß sie in mancher Hinsicht legislatorischen Charakter aufweist […], im System der staatlichen Gewaltenteilung (Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung) dem Bereich der Verwaltung zuzuordnen.“ Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 238/17 Seite 12 Hinsichtlich der Frage, ob ein Gemeinderat der Legislative zugeordnet werden kann, werden auch die Formulierungen der Kommunalgesetze herangezogen. So spricht beispielsweise Art. 29 Bayerische Gemeindeordnung davon, dass „die Gemeinde […] durch den Gemeinderat verwaltet [wird]“. Neben der Argumentation, dass der Gemeinderat nicht Teil der Legislative sei und daher die Rechtsstellung des einzelnen Gemeinderatsmitglieds nur bedingt mit der eines Parlamentsabgeordneten vergleichbar sei, könnte gegen eine Übertragung der Rechtsprechung schließlich auch die Auffassung aus der Literatur sprechen, nach der der mitgliedschaftsrechtliche Status der Gemeinderatsmitglieder lediglich aus dem einfachen Recht abzuleiten sei.12 *** 12 Vgl. Burgi, Kommunalrecht, 5. Aufl. 2015, § 12 Rn. 32 ff.