WD 3 - 3000 - 237/19 (21.10.2019) © 2019 Deutscher Bundestag Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Der rechtliche Rahmen für „Voters‘ tracking“ – hier verstanden als Möglichkeit der Nutzung von Wählerdaten – insbesondere von politischen Parteien wird im Folgenden skizziert. In Deutschland bestehen keine ausdrücklichen Regelungen im Zusammenhang mit „Voters‘ tracking“. Jedoch werden zahlreiche Normen durch den Umgang mit Wählerdaten berührt. Eine Unterscheidung, ob die Daten von politischen Parteien oder anderen Akteuren genutzt werden, erfolgt insofern nicht. Art. 38 Abs. 1 S. 1 Grundgesetz (GG)1 stellt die Grundsätze für die Wahlen von Abgeordneten für den Deutschen Bundestag auf. Danach werden diese in „allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt.“ Entsprechende Regelungen bestehen z. B. auch für die durch Landesgesetze geregelten Wahlen zu Landesparlamenten. Eine bestimmte Nutzung von persönlichen Daten von Wählern, insbesondere der Wahlpräferenz oder der Wahlentscheidung kann den Grundsätzen der freien und der geheimen Wahl widersprechen. Der Grundsatz der Freiheit der Wahl schützt das Recht des Bürgers, die Wahlentscheidung ohne unzulässige ernsthafte Beeinflussung treffen zu können. Der Bürger muss die Wahlentscheidung in einem freien, offenen Prozess der Meinungsbildung gewinnen und fällen können. Das Wahlgeheimnis schützt die Wahlfreiheit. Es verhindert, dass während oder nach der Wahl eine Kontrolle des Stimmverhaltens stattfinden darf. Die Information über das Abstimmungsverhalten wird geschützt. Ein Verstoß gegen diese Wahlgrundsätze und das weitere Wahlrecht kann auch mittels einer Wahlanfechtung geltend gemacht werden und zum Beispiel zu Mandatsverlusten für Abgeordnete führen, Art. 41 Abs. 1 GG. 1 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland vom 23. Mai 1949, zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 28. März 2019 (BGBl. I S. 404); abrufbar in Englisch unter: https://www.gesetze-im-internet.de/englisch _gg/englisch_gg.html#p0188. Wissenschaftliche Dienste Kurzinformation Voters‘ tracking – Rechtsrahmen für die Nutzung von Wählerdaten Kurzinformation Voters‘ tracking – Rechtsrahmen für die Nutzung von Wählerdaten Fachbereich WD 3 (Verfassung und Verwaltung) Wissenschaftliche Dienste Seite 2 Verletzungen der Freiheit der Wahl und des Wahlgeheimnisses können auch strafrechtlich relevantes Verhalten darstellen: §§ 107 Strafgesetzbuch (StGB) Wahlbehinderung2, § 108 StGB Wählernötigung, § 108a Wählertäuschung und § 108b StGB Wählerbestechung sowie § 107c StGB Verletzung des Wahlgeheimnisses. Die zur Erfüllung der Tatbestände notwendigen Handlungen könnten gegebenenfalls auch Ausprägungen des „Voters‘ tracking“ umfassen. Zudem dürfen am Tag der Wahl selbst erst nach dem Schließen der Wahllokale erste Prognosen aus anonymen Nachwahlbefragungen veröffentlicht werden, § 32 Abs. 2 Bundeswahlgesetz3. Für die politischen Parteien bzw. Wahlbewerber ist das Recht auf die Durchführung eines Wahlkampfes als Teil der Meinungsfreiheit und des Parteienrechts nach Art. 5 Abs. 1, Abs. 3 und Art. 21 GG grundgesetzliche geschützt. Das sogenannte Microtargeting, also eine gezielte Ansprache im Internet auf der Basis von vorher frei zugänglichen Informationen über eine Person, unterliegt in Deutschland keinen speziellen Regulierungen . Das Gleiche gilt für die gezielte persönliche oder postalische Ansprache von Personen, die zuvor als Bewohner für die jeweilige Partei vielversprechenden Regionen identifiziert wurden. Es besteht jedoch ein Unterlassungsanspruch von Bürgern gegenüber politischer Werbung im Briefkasten , wenn diese ausdrücklich zu erkennen gegeben haben, dass sie keine Werbung wünschen.4 Allgemein gilt zudem das Datenschutzrecht, das die personenbezogen Daten und deren Nutzung in unterschiedlichen Ausformungen schützt. Anonymisierte Daten sind nicht vom Datenschutzrecht umfasst. Daten, aus denen die politische Meinung einer bestimmten Person hervorgeht, gehören nach § 46 Nr. 14 a) Bundesdatenschutzgesetz5 sowie Art. 9 Datenschutzgrundverordnung in eine „besondere Kategorien personenbezogener Daten“. Diese unterliegen grundsätzlich einem Verarbeitungsverbot , soweit nicht Ausnahmetatbestände geregelt sind. In Deutschland gab es im Vorfeld der Bundestagswahl 2017 eine Absprache der größeren Parteien, dass keine Social Bots eingesetzt werden sollen, welche wohl auch eingehalten wurde. *** 2 Strafgesetzbuch vom 15. Mai 1871, in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. November 1998 (BGBl. I S. 3322), zuletzt geändert durch Artikel 2 des Gesetzes vom 19. Juni 2019 (BGBl. I S. 844); abrufbar in Englisch unter: http://www.gesetze-im-internet.de/englisch_stgb/englisch_stgb.html#p1087. 3 Bundeswahlgesetz vom 7. Mai 1956, in der Fassung der Bekanntmachung vom 23. Juli 1993 (BGBl. I S. 1288, 1594), zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 18. Juni 2019 (BGBl. I S. 834); https://www.gesetze-im-internet .de/bwahlg/BJNR003830956.html. 4 §§ 903, 862, 823 Abs. 1, 1004 Bürgerliches Gesetzbuch, vom 18. August 1896, in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Januar 2002 (BGBl. I S. 42, 2909; 2003 I S. 738), das zuletzt durch Artikel 7 des Gesetzes vom 31. Januar 2019 (BGBl. I S. 54); abrufbar in Englisch unter: https://www.gesetze-im-internet.de/englisch_bgb/index.html. 5 Bundesdatenschutzgesetz vom 30. Juni 2017 (BGBl. I S. 2097); abrufbar in Englisch unter: https://www.gesetze-iminternet .de/englisch_bdsg/index.html.