Zum Schutz des Aramäischen als Minderheitensprache - Ausarbeitung - © 2007 Deutscher Bundestag WD 3 - 237/07 Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages Verfasser/in: Zum Schutz des Aramäischen als Minderheitensprache Ausarbeitung WD 3 – 237/07 Abschluss der Arbeit: 21. Juni 2007 Fachbereich WD 3: Verfassung und Verwaltung Telefon: Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Die Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste sind dazu bestimmt, Mitglieder des Deutschen Bundestages bei der Wahrnehmung des Mandats zu unterstützen. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Diese bedürfen der Zustimmung des Direktors beim Deutschen Bundestag. - 3 - 1. Ergebnis Durch ein Ergänzungsgesetz könnte das Aramäische – was die innerstaatliche Geltung anbelangt – in den Anwendungsbereich der Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitensprachen des Europarats vom 5. November 1992 einbezogen werden. Das Bundesministerium des Innern könnte als verantwortliches Ressort einen entsprechenden Gesetzesentwurf für die Regelungssachverhalte im Bereich der Bundeskompetenz erarbeiten, den die Bundesregierung beim Bundestag gem. Art. 76 einbringen könnte. Für die Regelungssachverhalte im Bereich ihrer Kompetenz müssten die Länder jeweils ein Ergänzungsgesetz erlassen. 2. Derzeitiger Regelungsstand Einige allgemeine Abkommen zum Schutz von Minderheiten haben auf Bundesebene Gültigkeit und sprechen in vereinzelten Regelungen auch den Schutz der Sprache an: - Art. 9 und 10 Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler Minderheiten vom 1. Februar 19951 - Art. 14 und 27 Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte vom 19. Dezember 19662 - Art. 17, 30 und 40 Übereinkommen über die Rechte des Kindes vom 20. November 19893. Daneben bestehen auf Landesebene Regelungen zum Schutz einzelner nationaler Minderheiten einschließlich deren Sprache: - Art. 25 Verfassung des Landes Brandenburg4, Gesetz zur Ausgestaltung der Rechte der Sorben (Wenden) im Land Brandenburg5 - Art. 5 Verfassung des Freistaates Sachsen6, Gesetz über die Rechte der Sorben im Freistaat Sachsen7 - Art. 5 Verfassung des Landes Schleswig-Holstein8, Gesetz zur Förderung des Friesischen im öffentlichen Raum9. 1 Gesetz zum europäischen Minderheitenübereinkommen vom 22. Juli 1997, BGBl. II S. 1406. 2 Gesetz vom 15. November 1973 zu dem Internationalen Pakt vom 19. Deze mber 1966 über bürgerliche und politische Rechte, BGBl. 1973 II S. 1553. 3 Gesetz vom 17. Februar 1992, BGBl. II S. 121. 4 20. August 1992, GVBl. I S. 298. 5 Vom 7. Juli 1994, GVBl. Brandenburg I S. 294. 6 Vom 27. Mai 1992, GVBl. S. 234. 7 Vom 31. März 1999, GVBl. Sachsen S. 161. 8 In der Fassung vom 13. Juni 1990, GVOBl. 1990 S. 391. - 4 - Was den spezifischen Schutz der Minderheitensprachen anbelangt, garantiert zum einen § 184 S. 2 Gerichtsverfassungsgesetz10 den Schutz der sorbischen Sprache vor Gericht. Zum anderen besteht aber vor allem die von der Bundesrepublik ratifizierte Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen des Europarats vom 5. November 1992.11 3. Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen 3.1. Schutzumfang Die Charta enthält ausführliche und detaillierte Regelungen zum Schutz der Minderhe itensprache in folgenden Lebensbereichen: - Artikel 8 – Bildung - Artikel 9 – Justizbehörden - Artikel 10 – Verwaltungsbehörden und öffentliche Dienstleistungsbetriebe; Gebrauch oder die Annahme von Familiennamen in den Regional- oder Minderhe itensprachen - Artikel 11 – Medien - Artikel 12 – Kulturelle Tätigkeiten und Einrichtungen - Artikel 13 – Wirtschaftliches und soziales Leben - Artikel 14 – Grenzüberschreitender Austausch. Die Charta der Regional- oder Minderheitensprachen geht damit weit über den Regelungs - und Schutzumfang hinaus, den die oben unter Nr. 1 bezeichneten Abkommen neben vielen anderen Themen auch im Hinblick auf die Sprache beinhalten. Entsprechend der Verpflichtung in Art. 3 der Charta hat die Bundesrepublik erklärt, dass Minderheitensprachen im Sinne der Charta folgende Sprachen sind: „[D]as Dänische , das Obersorbische, das Niedersorbische, das Nordfriesische, das Saterfriesische und das Romanes der deutschen Sinti und Roma; Regionalsprache ist das Niederdeutsche “.12 Diese Erklärung macht sich Art. 1 des Zustimmungsgesetzes13 zu Eigen. 9 Vom 13. Dezember 2004, GVBl. Schleswig-Holstein S. 481. 10 In der Fassung der Bekanntmachung vom 9. Mai 1975, BGBl. I S. 1077, zuletzt geändert durch Gesetz vom 22. Dezember 2006, BGBl. I S. 3416. 11 Gesetz vom 9. Juli 1998 zu der Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitensprachen des Europarats vom 5. November 1992, BGBl. II 1998 S. 1314. 12 Erklärung der Bundesrepublik Deutschland zur Vorbereitung der Ratifizierung der Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitensprachen vom 23. Januar 1998, BGBl. II S. 1334. 13 Gesetz vom 9. Juli 1998 zu der Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitensprachen des Europarats vom 5. November 1992, BGBl. II 1998 S. 1314. - 5 - 3.2. Gesetzliche Erweiterung auf das Aramäische Bei der Erweiterung des Anwendungsbereichs der Charta auf das Aramäische sind zwei Ebenen zu unterscheiden: - die völkerrechtliche bzw. völkervertragsrechtliche Ebene - die innerstaatliche Ebene. Auf völkerrechtlicher Ebene ist die Charta eine vertragliche Verpflichtung im Außenverhältnis gegenüber den Vertragsstaaten. Auf innerstaatlicher Ebene hat die Charta durch das Zustimmungsgesetz den Rang eines einfachen Gesetzes und verpflichtet den Staat gegenüber den Bürgern. Auf der völkerrechtlichen Ebene ergibt sich keine Verpflichtung der BRD, das Aramäische zu schützen. Das Aramäische wird wohl auch in Deutschland gesprochen14, wird aber wohl nicht im Sinne von Art. 1 der Charta „herkömmlicherweise in einem bestimmten Gebiet des Staates [BRD] von Angehörigen dieses Staates [BRD] gebraucht “. 15 Art. 3 Abs. 2 der Charta eröffnet jedoch die Möglichkeit, den Generalsekretär des Europarats zu notifizieren, dass die BRD künftig für ihr Hoheitsgebiet das Aramäische als Minderheitensprache im Sinne der Charta festlege. Vom Tag der Notifikation an, ist die BRD im Außenverhältnis völkerrechtlich verpflichtet, das Aramäische zu schützen. Zu ihrer innerstaatlichen Wirksamkeit bedürfte diese Notifizierung gem. Art. 59 Abs. 2 GG der Zustimmung durch die Legislative in Form eines Gesetzes. 3.3. Landes- und Bundeskompetenz Die Charta regelt Sachverhalte, die sowohl in die Gesetzgebungskompetenz des Bundes als auch der Länder fallen. Für die Regelungssachverhalte im Bereich der Bundeskompetenz müsste der Bund ein Ergänzungsgesetz zur Charta erlassen, für die Regelungssachverhalte im Bereich ihrer Kompetenz müssten die Länder16 jeweils ein Ergänzungsgesetz erlassen. Ihre Gesetzgebungskompetenz könnten die Länder nicht auf den Bund übertragen.17 14 http://www.stiftung-aramaeisches -kulturerbe.de/aramaeisches_kulturerbe.htm 15 http://www.brockhaus-enzyklopaedie.de/be21_article.php: Das Aramäische ist „eine semitische Sprache. […] Vereinzelte westaramäische Sprachinseln haben sich im Antilibanon (z. B. Malula bei Damaskus), ostaramäische (neusyrische) in Kurdistan (z. B. Tur Abdin) bis in die Gegenwart erhalten .“ 16 Vgl. z. B. § 4a Schulgesetz für den Freistaat Sachsen in der Fassung der Bekanntmachung vom 16. Juli 2004, SächsGVBl. S. 298 (Klassengrößen zum Schutz der Minderheitensprachen), oder § 27 Niedersächsisches Mediengesetz vom 1. November 2001, GVBl. 2001 S. 680 (Minderheitensprachen als zwingender Bestandteil des Bürgerrundfunks). 17 Sannwald in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 70 Rn. 16. - 6 - 3.4. Gebietsbezogene Bestimmungen Gem. Art. 2 der Charta haben die Vertragsstaaten die Möglichkeit, aus den Art. 8-13 der Charta mindestens 35 Absätze oder Buchstaben auszuwählen, die in ihrem Hoheitsgebiet gelten sollen. 18 Da aramäisch sprechende Einwohner nicht in einem bestimmten Gebiet der BRD konzentriert sein dürften, könnten Bestimmungen problematisch sein, deren Tatbestand an bestimmte Sprachgebiete anknüpft, wie z. B. Art. 8 der Charta die Bildungspolitik an bestimmte Gebiete. Für das Romanes der Sinti und Roma hat das Zustimmungsgesetz zur Charta schon eine Auswahl19 an Regelungen getroffen , die nicht an bestimmte Sprachgebiete anknüpft, wie z. B. das Recht nach Art. 10 Abs. 5 der Charta, den Familiennamen in der Minderheitensprache zu gebrauchen . An diese Auswahl gebietsunabhängiger Regelungen könnte sich ein Ergänzungsgesetz für das Aramäische erforderlichenfalls anlehnen. 4. Zuständige Behörde Auf Bundesebene dürfte das Bundesministerium des Innern, Unterabteilung M II für Minderheitensprachen zuständig sein.20 Beim Bundesministerium des Innern ist ferner ein Beauftragter der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten angesiedelt. Das Bundesministerium des Innern könnte als verantwortliches Ressort einen Gesetzesentwurf erarbeiten, den die Bundesregierung beim Bundestag gem. Art. 76 einbringen könnte. Auf Länderebene sind jeweils unterschiedliche Behörden für Minderheitenschutz zuständig. Eine Übersicht hierzu findet sich in der Veröffentlichung des Bundesministeriums des Innern „Nationale Minderheiten in Deutschland“. 21 18 Vgl. die Erklärung der Bundesrepublik Deutschland zur Vorbereitung der Ratifizierung der Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitensprachen vom 23. Januar 1998, BGBl. II S. 1334. und die Erklärung der Bundesrepublik Deutschland zur Vorbereitung der Ratifizierung der Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitensprachen vom 26. Januar 1998, BGBl. II S. 1336. 19 Erklärung der Bundesrepublik Deutschland zur Vorbereitung der Ratifizierung der Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitensprachen vom 26. Januar 1998, BGBl. II S. 1336. 20 http://www.bmi.bund.de/Internet/Content/Ministerium/Organigramm__Neu/Referate/abteilung __m.html 21 2. Aufl., 2006, http://www.bmi.bund.de/Internet/Content/Common/Anlagen/Broschueren/2006/ Nationalen__Minderheiten__in__Deutschland__Id__25495__de,templateId=raw,property=publica tionFile.pdf/Nationalen_Minderheiten_in_Deutschland_Id_25495_de.pdf