WD 3 – 3000 – 236/12 Einsatz von privaten Sicherheitsfirmen im Hinblick auf das Gewaltmonopol Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 236/12 Seite 2 Einsatz von privaten Sicherheitsfirmen im Hinblick auf das Gewaltmonopol Verfasser: Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 236/12 Abschluss der Arbeit: 28. August 2012 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Telefon: Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 236/12 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Zusammenfassung 4 2. Einleitung: Gefahrenlage vor Somalia; Einsatz privater Sicherheitsfirmen 5 3. Das Gewaltmonopol des Staates 6 4. Grenzen des staatlichen Gewaltmonopols 6 4.1. Gefahrenabwehr durch private Sicherheitsfirmen auf privatrechtlicher Basis 7 4.2. Wahrnehmung hoheitlicher Befugnisse durch private Sicherheitsfirmen 8 4.3. Kooperation zwischen staatlichen Stellen und privaten Sicherheitsfirmen 8 4.4. Grenzen des Gewaltmonopols aus dem Grundgesetz 9 4.4.1. Grundrechtsschutz für die Tätigkeit privater Sicherheitsfirmen 9 4.4.2. Konkurrierende Verfassungswerte 9 5. Private Sicherheitsfirmen im Kampf gegen Piraterie 10 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 236/12 Seite 4 1. Zusammenfassung Das staatliche Gewaltmonopol, verstanden als Möglichkeit der physischen Gewaltanwendung des Staates, ist ein unverzichtbarer Teil der staatlichen Daseinssicherung und Zukunftsvorsorge. Es ist als staatliches Rechtsetzung- und Durchsetzungsmonopol zu verstehen. Das Gewaltmonopol des Staates dient zur Sicherung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung. Es wird verfassungsrechtlich aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3, Art. 28 Abs. 1 GG) hergeleitet. Dem Gewaltmonopol des Staates liegt die grundgesetzliche Ordnung zugrunde. Erst aus dem Zusammenspiel mit anderen Verfassungsbestimmungen lässt sich die Reichweite des Gewaltmonopols bestimmen. Eine der Aufgaben des Staates ist die Aufrechterhaltung der inneren und äußeren Sicherheit. Die Rechtsgüter Sicherheit und Gefahrenabwehr werden unter erweiterten Gesichtspunkten gesehen mit der Folge einer Arbeitsteilung in einzelnen Bereichen zwischen Staat und Privaten. Für die behutsame Reduzierung des Gewaltmonopols in bestimmten Bereichen sprechen politische, gesellschaftliche und finanzielle Überlegungen. Abgesehen von Kernbereichen, steht dem Staat für die Aufgabe der Gefahrenabwehr kein staatliches Monopol zu, sodass auch Private zur Erfüllung staatlicher Aufgaben eingebunden werden können. Bei der Einbindung von privaten Sicherheitsfirmen lassen sich drei Konstellationen unterscheiden: Gefahrenabwehr auf privatrechtlicher Basis, durch Wahrnehmung hoheitlicher Befugnisse und im Rahmen der Kooperation. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 236/12 Seite 5 2. Einleitung: Gefahrenlage vor Somalia; Einsatz privater Sicherheitsfirmen In den vergangenen Jahren hat die Anzahl von Piratenübergriffen auf Handelsschiffe weltweit stark zugenommen. Der Schwerpunkt dieser Überfälle liegt am Golf von Aden und vor der Ostküste Ostafrikas, insbesondere Somalia. Nach Angaben der Internationalen Handelskammer wurden im letzten Jahr 3863 Seeleute beschossen 1 und 968 Schiffe geentert. Marinesoldaten konnten in 413 Fällen die Schiffsbesatzungen aus Schutzräumen an Bord befreien. Insgesamt wurden 555 Geiselnahmen verzeichnet. Zur Beobachtung weltweiter Pirateriefälle unterhält die Internationale Handelskammer im malaysischen Kuala Lumpur ein spezielles „Reporting Center“, das im ersten Halbjahr 2012 einen Rückgang der Piratenfälle meldete. Dennoch waren am 30. Juni 2012, noch elf Schiffe und 218 Besatzungsmitglieder in der Hand somalischer Piraten.2 Es ist offensichtlich, das die Piraterie eine starke Bedrohung für Leib und Leben der Seeleute darstellt und erhebliche wirtschaftliche Schäden verursacht. Deutschland hat die drittgrößte Handelsflotte der Welt und verfügt über die größte Containerflotte. Ca. 90 Prozent des Welthandels werden auf dem Seeweg abgewickelt. Rund die Hälfte der Fahrten deutscher Handelsschiffe kreuzt das gefährdete Gebiet vor Somalia.3 Allein im Jahr 2011 beläuft sich der eingetretene Schaden durch die Piratenübergriffe auf sieben Milliarden Dollar.4 Um sich gegen die Piratenangriffe zu schützen, setzen Schifffahrtsunternehmen verstärkt bewaffnete Sicherheitsfirmen an Bord ein. Auf deutsch geflaggten Schiffen auf denen deutsches Recht gilt, ergibt sich eine rechtliche Unsicherheit: Der Einsatz bewaffneter Kräfte ist nicht eindeutig geregelt und somit weder erlaubt noch verboten.5 Der Schutz durch private Sicherheitsfirmen stellt sich als effektiv dar. Hiernach ist noch kein von privaten Sicherheitskräften bewachtes Schiff gekapert worden.6 1 Krauß, Schwarze Sheriffs für die Handelsflotte in: Stuttgarter Zeitung vom 31.07.2012. 2 Zahlen bei: Krauß, a.a.O., (Fn. 1). 3 Sigmund; Stratmann, Erlaubnis für bewaffnete Sheriffs in Handelsblatt vom 19.07.2012. 4 Bognanni, Aufrüstung am Horn von Afrika in Handelsblatt vom 03.08.2012. 5 Vgl. Läsker, Glücksritter mit Sturmgewehr in: Süddeutsche Zeitung vom 12.04.2012; Hagen, Zweifel an Piratenabwehr in: Financial Times Deutschland vom 14.06.2012. 6 Hagen, Zweifel an Piratenabwehr in: Financial Times Deutschland vom 14.06.2012. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 236/12 Seite 6 3. Das Gewaltmonopol des Staates Unter dem staatlichen Gewaltmonopol ist ein umfassendes staatliches Rechtsetzungs- und Durchsetzungsmonopol zu verstehen, das nur dem Staat die Sorge für den Rechtsfrieden u.a. durch einen Einsatz von Gesetz und Recht zuweist.7 Hiernach steht allein dem Staat die Befugnis zu, physische Gewalt auszuüben. Das Gewaltmonopol ist ein Wesensmerkmal des souveränen Staates. Es ist ein wichtiger Bestandteil der staatlichen Daseinssicherung und Zukunftssorge. Das staatliche Gewaltmonopol dient zur Sicherung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung und ist eine anerkannte Staatsaufgabe von verfassungsrechtlichem Rang.8 Das Grundgesetz hat das Gewaltmonopol des Staates nicht ausdrücklich geregelt. Verfassungsrechtlich wird es aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3, Art. 28 Abs. 1 GG) hergeleitet und als unverzichtbare Grundlage des Rechtsstaats verstanden.9 4. Grenzen des staatlichen Gewaltmonopols Grundsätzliche Aufgabe des Staates ist die Aufrechterhaltung der inneren und äußeren Sicherheit .10 Im Laufe der Jahre ist es jedoch zu einer veränderten Sicherheitsphilosophie und der Änderung von Staatsaufgaben gekommen. Das Rechtsgut Sicherheit und die korrespondierende Aufgabe der Gefahrenabwehr wird auch unter Markt-, Wettbewerbs- und Qualitätsgesichtspunkten gesehen. Dies hat zur Folge, dass das klassische, staatliche Gewaltmonopol durch eine Arbeitsteilung zwischen Staat und Privaten ergänzt wird.11 Für eine maßvolle Reduzierung des Gewaltmonopols des Staates durch eine Beteiligung Privater sprechen politische, gesellschaftliche und finanzielle Überlegungen.12 Nimmt z.B. die Polizei ihren Verfassungsauftrag ernst, so muss sie auch künftig drohenden Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung energisch begegnen. Die Aufgaben des Objekt- und Personenschutzes kann sie jedoch aus eigener Kraft kaum noch leisten, so dass die Nachfrage nach privaten Sicherheitsleistungen steigen wird. So liegt es auch im Eigeninteresse der Polizei, wenn sie durch eine 7 Schoch, Privatisierung polizeilicher Aufgaben? in: FS für Rolf Stober, Wirtschaft, Verwaltung, Recht, Köln 2008, S. 559, (567). 8 Stober, Staatliches Gewaltmonopol und privates Sicherheitsgewerbe – Plädoyer für ein Police-Private-Partnership, NJW 1997, S. 889 ff. 9 Schulte, Gefahrenabwehr durch private Sicherheitskräfte im Lichte des staatlichen Gewaltmonopols, DVBl 1995, S. 130 (132). 10 BT-Drs. 17/6780, S. 4. 11 Stober, a.a.O., (Fn. 8). 12 Stober, a.a.O., (Fn. 8). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 236/12 Seite 7 Zusammenarbeit mit privaten Sicherheitsfirmen in weniger zentralen Aufgabenbereichen entlastet wird.13 Wie dargestellt, besteht bei der Aufgabe des Staates, für die Gefahrenabwehr zu sorgen – abgesehen von Kernbereichen – kein staatliches Monopol. Vielmehr unterliegt diese Aufgabe einem Wandel der Staatsaufgaben und dem politischen Gestaltungsspielraum des Parlaments.14 Der Staat ist nicht gehalten, alle erforderlichen Maßnahmen durch eigene Dienstkräfte zu erledigen. Er kann sich – soweit dies angemessen ist und eine effektive staatliche Einflussnahme und Kontrolle gewährleistet bleibt – zur Erfüllung seiner Aufgaben auch privater Personen bedienen.15 4.1. Gefahrenabwehr durch private Sicherheitsfirmen auf privatrechtlicher Basis In der Vergangenheit wurde zunehmend die Gefahrenabwehr durch gewerbliche Sicherheitsfirmen durchgeführt, die zum Schutz individueller Rechtsgüter wie Eigentum oder Leben des betroffenen Rechtsinhabers eingesetzt wurden. Nach herrschender Meinung stellt sich diese Fallgruppe als rechtlich unproblematisch dar.16 Der Zulässigkeit einer gewerblichen Gefahrenabwehr im privaten Bereich steht das staatliche Gewaltmonopol nicht entgegen. Entscheidend für die Rechtmäßigkeit der Gefahrenabwehr durch private Sicherheitsfirmen ist in diesem Zusammenhang , dass die eingesetzten Personen über keinerlei Polizeibefugnisse verfügen, so dass ein hoheitliches Handeln ausgeschlossen ist. Personal der privaten Sicherheitsfirmen ist beim Schutz von Individualrechtsgütern auf die Rechte beschränkt, die dem Einzelnen zum Schutz seiner Rechtsgüter zustehen. Somit stehen den privaten Sicherheitsdiensten lediglich die privaten Notrechte der Notwehr, des Notstands, der Selbsthilfe und ähnliche Rechte zu (§§ 32, 34 StGB, §§ 227 ff., 859 f., 904 BGB). Das Strafrecht trifft keine Unterscheidung zwischen professioneller und sonstiger Nothilfe, so dass bei der Anwendung der sog. Jedermannrechte die allgemeinen Einschränkungen anerkannt sind, die auch das Verhältnis zu einem polizeilichen Einschreiten betreffen. Hierbei kommt der Grundsatz der Subsidiarität der privaten Unrechtsabwehr zur Anwendung.17 Hiernach dürfen sich private Sicherheitsfirmen nicht auf Nothilferechte (§§ 32, 34 StGB, 227 BGB) berufen, wenn auch die Polizei tatsächlich in der Lage gewesen wäre, die zur Unrechtsabwehr erforderlichen Maßnahmen durchzuführen. Ähnliches gilt in den Situationen, in denen die Polizei tatsächlich nicht in der Lage ist, Maßnahmen zur Gefahrenabwehr zu ergreifen, die Notwehrsituation jedoch 13 Hammer, Private Sicherheitsdienste, staatliches Gewaltmonopol, Rechtsstaatsprinzip und „schlanker Staat“, DÖV 2000, S. 613. 14 Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage der Abgeordneten Katja Keul, Tom Koenigs, Omid Nouripour, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 17/4573 – BT-Drs.17/6780, S. 21. 15 BVerwGE 95, 188, 197; BVerfGE 68, 272, 282 ff.; 73, 301, 316 ff. 16 Peilert, Police-Private-Partnership, DVBl 1999, 282 ff., 284. 17 Saipa/Wahlers/Germer, Gewaltmonopol, Gefahrenabwehrauftrag und private Sicherheitsdienste, NdsVBl 2000, 285 ff., (289). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 236/12 Seite 8 vorhersehbar und die Notwehrhandlung unter der Annahme frühzeitiger Benachrichtigung der Polizei vermeidbar war.18 4.2. Wahrnehmung hoheitlicher Befugnisse durch private Sicherheitsfirmen Eine weitere Ausprägung der Gefahrenabwehr durch private Sicherheitsfirmen ist die Übertragung von originären hoheitlichen Sicherheitsaufgaben an Private. Diese hoheitlichen Aufgaben können nur im Wege der Beleihung an private Personen übertragen werden.19 Es handelt sich hierbei um enumerierte, spezielle Zuständigkeiten; nach Art. 33 Abs. 4 GG ist eine Übertragung von Regelzuständigkeiten ausgeschlossen. Die Beleihung muss durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes hoheitliche Befugnisse übertragen.20 Der Beliehene untersteht jedoch staatlicher Aufsicht , d.h. es muss eine staatliche Einfluss- und Kontrollmöglichkeit gewährleistet werden. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass der Kernbereich des staatlichen Gewaltmonopols, also die Gewährleistung der Sicherheit als Ausprägung des Staatszwecks nicht disponibel ist und in der Hand des Staates bleiben muss. In seiner Kernsubstanz ist der Staatszweck Sicherheit unantastbar und wegen seiner Friedenssicherungsfunktion einer Privatisierung nicht zugänglich.21 4.3. Kooperation zwischen staatlichen Stellen und privaten Sicherheitsfirmen Bei der Kooperation zwischen staatlichen Stellen und privaten Sicherheitsfirmen im Sinne einer Sicherheitspartnerschaft sind unzählige Beispiele denkbar. Alle diese „Police-Privat-Partnership- Modelle“ sind grundsätzlich als zulässig einzustufen, wenn den privaten Sicherheitsfirmen nur solche Rechte übertragen werden, die ihnen auch von jeder Privatperson zum Selbstschutz übertragen werden können.22 Zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit wird eine differenzierende Bewertung nach den Kriterien des öffentlichen Sachenrechts vorgenommen. Hiernach wird unterschieden zwischen dem Einsatz privater Sicherheitsfirmen zum Schutz von Sachen im Verwaltungsund Gemeingebrauch. Während der Schutz von Sachen im Verwaltungsgebrauch (Ausübung des Hausrechts in Anstalten z.B. Museen) durch private Sicherheitsdienste zulässig ist, können für Sachen im Gemeingebrauch (z.B. Fußgängerzonen) keine Rechte übertragen werden, da es sich hierbei um eine nicht übertragbare polizeiliche Kernaufgabe handelt.23 Die Beauftragung einer privaten Sicherheitsfirma scheitert in diesem Bereich an der absoluten Privatisierungsschranke. 18 Peilert, a.a.O. (Fn. 16). 19 Walter, Bekämpfung der Seepiraterie in: Die Polizei, 2012, S. 1 (6); BT-Drs. 15/5824, S. 6. 20 So z.B. bei der Kontrolle von Fluggästen nach § 5 LuftSiG. 21 Saipa/Wahlers/Germer, a.a.O., (Fn 17), 285 ff., (290); Stober, a.a.O., (Fn. 8). 22 Saipa/Wahlers/Germer, a.a.O., (Fn 17), 285 ff., (290). 23 Saipa/Wahlers/Germer, a.a.O., (Fn 17), 285 ff., (290). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 236/12 Seite 9 4.4. Grenzen des Gewaltmonopols aus dem Grundgesetz Dem Gewaltmonopol des Staates liegt die grundgesetzliche Ordnung der Bundesrepublik Deutschland zugrunde. Die Reichweite des Gewaltmonopols lässt sich erst aus dem Zusammenspiel mit anderen Verfassungsbestimmungen ermitteln, die konkurrierende Werte und Interessen schützen. Hieraus ergibt sich, dass einerseits die Grundrechte der durch Sicherheitsfirmen Geschützten andererseits die Grundrechte der Sicherheitsfirmen selbst als verfassungsunmittelbare Werte geeignet sind, dem staatlichen Gewaltmonopol Grenzen zu setzen.24 4.4.1. Grundrechtsschutz für die Tätigkeit privater Sicherheitsfirmen Das Thema der privaten Sicherheitsfirmen bekommt unter der Wirkung der Grundrechtsordnung, wie sie durch Art. 1 Abs. 3 GG und durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts25 geprägt wird, grundrechtliche Bedeutung. Die privaten Sicherheitsfirmen und ihre Beschäftigten sind durch Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG in ihrer beruflichen Tätigkeit geschützt.26 Aber auch die Auftraggeber der Sicherheitsfirmen können sich auf den Schutz der Grundrechte berufen. Hierfür müssen die Schutzpflichten des Staates nicht aus Art. 2 Abs. 2 GG und aus Art. 14 Abs.1 S. 1 GG hergeleitet werden. Bei den Grundrechten aus Art. 2 Abs. 2, 14 Abs. 1 S. 1 und 13 GG handelt es sich um Freiheits- und Abwehrrechte; hieraus ergibt sich die Befugnis, die in ihnen genannten Werte zu verteidigen und nicht durch den Staat hierin behindert zu werden. Um seine Rechte wirksam wahrnehmen zu können, kann sich der Grundrechtsträger auch der Hilfe Dritter bedienen .27 Außerdem gewährt Art. 2 Abs. 1 GG das Recht, Vorsorge für die eigene Sicherheit zu treffen für den Fall, dass nicht schon die speziellen Grundrechtsgarantien eingreifen.28 4.4.2. Konkurrierende Verfassungswerte Die genannten Rechte werden jedoch nicht unbeschränkt gewährt. Für die privaten Sicherheitsfirmen liegen die Schranken in Art. 12 Abs.1 S. 2 GG und für die Auftraggeber in Art. 2 Abs. 2 S. 3, 14 Abs. 1 S. 2, Abs. 2, 13 Abs. 3, 2 Abs. 1 GG. Grundsätzlich ergeben sich die Schranken aus dem konkurrierenden Verfassungswert der Funktionsfähigkeit des Staates und der Verpflichtung zur Aufrechterhaltung der inneren und äußeren Sicherheit. Dieses Spannungsverhältnis lässt sich nur so auflösen, dass einerseits zwar das Recht besteht, Leben und Eigentum mit Hilfe privater Sicherheitsfirmen schützen zu dürfen, dass andererseits die grundsätzliche Herstellung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausschließlich in den Verantwortungsbereich des Staates 24 Hammer, Private Sicherheitsdienste, staatliches Gewaltmonopol, Rechtsstaatsprinzip und „schlanker Staat“, DÖV 2000, 613 ff. 25 St. Rspr. des BVerfG, das bei schrankenlos garantierten Grundrechten Schranken aus konkurrierenden Verfassungswerten ableitet; BVerfGE 30, 173, (193); 81, 278 (292 f.); zur objektiven Wertordnung: BVerfGE 7, 198 (205); 35, 202 (225 f.). 26 Tettinger, Verfassungsrecht und Wirtschaftsordnung: Gedanken zur Freiheitsentfaltung am Wirtschaftsstandort Deutschland, DVBl 1999, S. 679 (684 f.). 27 Hammer, a.a.O., (Fn. 24). 28 Hammer, a.a.O., (Fn. 24). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 236/12 Seite 10 fällt.29 Die in Art. 1 und 20 GG zum Ausdruck kommenden Prinzipien erlauben hinsichtlich ihrer Geltung und Durchsetzung keine Novellierung; liegt keine Beeinträchtigung vor, kann selbst der Staat private Sicherheitsfirmen beauftragen.30 5. Private Sicherheitsfirmen im Kampf gegen Piraterie31 Anwendung der gefundenen Regeln in Bezug auf das Gewaltmonopol auf den zugrundliegenden Sachverhalt Das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie hat den Entwurf eines Gesetzes zur Einführung eines Zulassungsverfahrens für Bewachungsunternehmen auf Seeschiffen vorgelegt. Hiernach soll es zu einer Änderung der Gewerbeordnung und des Waffengesetzes kommen. Die Bundesregierung plant zum Schutz deutscher Seeschiffe vor Piratenüberfällen, den Einsatz bewaffneter Sicherheitsleute. Der Gesetzentwurf führt ein Zulassungsverfahren (Zertifizierung) für in- und ausländische private Sicherheitsunternehmen ein. Hiernach müssen die Antragsteller nachweisen, dass sie nur qualifiziertes Personal einsetzen. Die Mitarbeiter der privaten Sicherheitsfirmen sollen persönlich geeignet und zuverlässig sein, maritime und technische Kenntnisse aufweisen, Gefahrensituationen einschätzen können, mit Deeskalationstechniken und Maßnahmen zur Brandbekämpfung vertraut sein.32 Die Zulassungen sollen vom Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) in Zusammenhang mit der Bundespolizei erteilt werden. Gleichzeitig wird die Zulassung zeitlich befristet. Grundsätzlich weist § 6 S. 1 BPolG33 der Bundespolizei die Ausübung hoheitlicher Gewalt im Bereich der Gefahrenabwehr zu. Hiernach stellt die Bekämpfung von Piraten eine hoheitliche Aufgabe dar. Wie oben dargestellt, besteht jedoch bei der Aufgabe der Gefahrenabwehr kein staatliches Monopol. Unter der Voraussetzung der staatlichen Kontrolle und Einflussnahme, kann der Staat seine Aufgaben auch durch Private erfüllen lassen. Die Größe des Gebiets gefährdeter Seewege steht in keinem Verhältnis zu der Zahl der zur Verfügung stehenden Schutzkräfte, so dass ein flächendeckender Schutz von deutsch beflaggten Han- 29 Hammer, a.a.O., (Fn. 24). 30 Hammer, a.a.O., (Fn. 24). 31 Die rechtliche Stellung privater Sicherheitsdienste bei der Pirateriebekämpfung wird in der Ausarbeitung von , Einsatz der Bundespolizei und privater Sicherheitsdienste zur Pirateriebekämpfung, Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, WD 3-3000-013/12 erörtert. Allgemein zur Bekämpfung der Piraterie siehe die Ausarbeitungen Zur Bekämpfung der Piraterie - Völkerrecht, Staatsrecht, Strafrecht, Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, WD 3-3000-182/09, WD 2-3000-056/09, WD 7-3000-098/09 ; , Verfassungsrechtliche Rahmenbedingungen für den Einsatz von Bundespolizei und Bundeswehr bei der Pirateriebekämpfung , Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, WD 3-3000-035/11. 32 Krauß, a.a.O., (Fn. 1). 33 Bundespolizeigesetz vom 19.10.1994 (BGBl. I S. 2978, 2979), das zuletzt durch Artikel 4 des Gesetzes vom 21.07.2012 (BGBl. I S. 1566) geändert worden ist. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 236/12 Seite 11 delsschiffen durch den Einsatz hoheitlicher Kräfte angesichts der hohen Anzahl von Schiffspassagen weder personell, logistisch noch finanziell möglich ist.34 Dies führt dazu, dass der Angegriffene – anders als in Deutschland – nicht auf schnelle Hilfe der staatlichen Sicherheitsorgane hoffen darf. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass obrigkeitliche Hilfe nicht rechtzeitig zur Verfügung steht. Gegen den Einsatz privater Sicherheitsfirmen wird die Gefahr einer möglichen Eskalation durch die Bewaffnung angeführt. Kritiker35 befürchten, dass eine Spirale der Gewalt drohe, da die Piraten ebenfalls aufrüsten könnten.36 Hiergegen spricht jedoch, dass andere Staaten schon seit längerem bewaffnete Kräfte an Bord gestatteten, eine Eskalation nicht zu beobachten war und bislang keins dieser Schiffe entführt wurde. Die Bundesregierung plant den Einsatz von Sicherheitskräften auf privatrechtlicher Basis, die keine Befugnisse haben, Piraten anzugreifen oder diese zu verfolgen. Somit bleibt es bei den sogenannten Jedermannsrechten. Die Mitarbeiter privater Sicherheitsfirmen verfügen lediglich über die privaten Notrechte wie z.B. Notwehr und Notstand. Die eingesetzten Personen besitzen keinerlei Polizeibefugnisse; ein hoheitliches Handeln ist nicht vorgesehen. Die privaten Sicherheitsdienste werden keine Kriegswaffen mit sich führen. Schwere Waffen, die unter das Kriegswaffen -Kontrollgesetz fallen, sind auch weiterhin ausgeschlossen. Ferner bleibt § 106 Seemannsgesetz unangetastet. Hiernach steht dem Kapitän auch gegenüber einer Sicherheitsfirma die oberste Anordnungsbefugnis zu. Durch die Einführung eines speziellen Zulassungsverfahrens, das sich an den Leitlinien der Internationalen Seeschifffahrtsorganisation (IMO) orientiert und die Zulassung durch das BAFA und die Bundespolizei erfährt, erhält der Staat hinreichende Kontroll- und Einflussmöglichkeiten . Die zeitliche Befristung der Zertifizierung stellt einen Ansporn für die Sicherheitsunternehmen dar, einen hohen Standard beim Personal dauerhaft zu erzielen. Durch die regelmäßige, staatliche Überprüfung soll gewährleistet werden, dass nur geeignetes Personal rekrutiert wird. Bei Anwendung der oben dargestellten Voraussetzungen ergibt sich, dass das staatliche Gewaltmonopol dem Einsatz bewaffneter Sicherheitskräfte an Bord deutscher Schiffe nicht entgegen steht. 34 BT-Drs. 17/9403, S. 2. 35 Rückversicherer Munich Re sieht den Einsatz bewaffneter Sicherheitsleute auf Schiffen skeptisch. Vgl. Hagen, Zweifel an Piratenabwehr in: Financial Times Deutschland vom 14.06.2012. 36 Vgl. Unger, Auf der Suche nach mehr Sicherheit in: Hamburger Abendblatt vom 02.03.2012.