© 2017 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 235/17 Finanzierung der Vor-Fraktionen Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 235/17 Seite 2 Finanzierung der Vor-Fraktionen Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 235/17 Abschluss der Arbeit: 30.11.2017 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 235/17 Seite 3 1. Fragestellung Die Ausarbeitung thematisiert die Zulässigkeit einer Verwendung von Fraktionsgeldern für Zwecke der sogenannten Vor-Fraktion. Insbesondere soll dabei geklärt werden, ob Fraktionsgelder für Leistungen eingesetzt werden dürfen, die bereits vor Konstituierung der Fraktion, also für die Vor-Fraktion, in Anspruch genommen wurden. 2. Konstituierung der Fraktionen Eine Fraktion ist ein freiwilliger Zusammenschluss von Abgeordneten. Üblicherweise treten die zukünftigen Abgeordneten bereits kurz nach einer Wahl und noch vor der konstituierenden Sitzung des Bundestages zusammen und führen die für eine Fraktionsbildung erforderlichen Beschlüsse und Wahlen durch.1 Trotz dieser üblichen Praxis hängt die Entstehung der Fraktionen jedoch von der Konstituierung des Bundestages ab.2 Dieser tritt nach Art. 39 Abs. 2 GG spätestens am dreißigsten Tag nach der Wahl zusammen. Mit der Konstituierung des Bundestages bilden sich dann auch die bereits als Vor-Fraktionen tätigen Zusammenschlüsse als Fraktionen des Bundestages .3 Von einem Bestehen von Fraktionen ist daher erst nach Abschluss der Konstituierung auszugehen. Bis zu dieser existieren lediglich die Vor-Fraktionen als Zusammenschluss zukünftiger Abgeordneter sowie die „alten“ Fraktionen des bis zur Konstituierung weiterhin bestehenden „alten“ Bundestages.4 3. Finanzierung der Fraktionen Fraktionen haben einen Anspruch auf Finanzierung aus öffentlichen Mitteln.5 Dieser Anspruch stützt sich auf verfassungsrechtliche Grundlagen und ist durch die Regelung in § 50 des Abgeordnetengesetzes (AbgG) einfachgesetzlich ausgestaltet worden. 3.1. Verfassungsrechtliche Grundlagen Das Bundesverfassungsgericht leitet aus der Rolle der Fraktionen auch die Zulässigkeit einer staatlichen Finanzierung ab. Demnach handele es sich bei den Fraktionen um Teile und ständige Gliederungen des Bundestags, die durch dessen Geschäftsordnung anerkannt und mit eigenen Rechten ausgestattet seien. Als Gliederungen des Bundestags seien sie zudem in die organisierte 1 Zu dieser Praxis u.a.: Klein/Krings, in: Morlok/Schliesky/Wiefelspütz [Hrsg.], 1. Aufl. 2016, § 17 Rn. 8. 2 Vgl. nur: Hölscheidt, Das Recht der Parlamentsfraktionen, 2001, S. 423 f.; Kluth, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/ Henneke, 13. Aufl. 2014, Art. 39 GG Rn. 20; Ipsen, Erwerb und Verlust des Fraktionsstatus im Deutschen Bundestag, NVwZ 2006, 176 ff. 3 Klein/Krings, in: Morlok/Schliesky/Wiefelspütz [Hrsg.], 1. Aufl. 2016, § 17 Rn. 8; exemplarisch ist auch die Regelung in § 1 Abs. 1 des Fraktionsgesetzes in Brandenburg, nachdem die Bildung einer Fraktion vor Konstituierung des Landtages schwebend unwirksam ist. Die Regelung ist abrufbar unter: https://bravors.brandenburg .de/gesetze/fraktg (Stand: 27.11.2017). 4 Vgl. zur Rolle des Alt-Bundestages: Klein, in: Maunz/Dürig, 80. EL Juni 2017, Art. 39 GG Rn. 47a. 5 Klein/Krings, in: Morlok/Schliesky/Wiefelspütz [Hrsg.], 1. Aufl. 2016, § 17 Rn. 72. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 235/17 Seite 4 Staatlichkeit eingefügt.6 In seiner Rechtsprechung geht das Bundesverfassungsgericht daher von der grundsätzlichen Zulässigkeit einer staatlichen Finanzierung der Fraktionen aus. Als gesetzliche Anspruchsgrundlage stellt es auf § 50 Abs. 1 i.V.m. § 47 AbgG ab.7 3.2. Einfachgesetzlicher Anspruch - § 50 Abs. 1 i.V.m. § 47 AbgG Den Anspruch auf Geld- und Sachleistungen der Fraktionen beinhaltet § 50 AbgG. Fraktionen haben demnach gem. § 50 Abs. 1 AbgG zur Erfüllung ihrer Aufgaben einen Anspruch auf Geld- und Sachleistungen aus dem Bundeshaushalt. § 50 Abs. 4 AbgG enthält zudem eine strenge Zweckbindung der Mittel. Danach dürfen die Fraktionen die Mittel nur für Aufgaben verwenden, die ihnen nach dem Grundgesetz, dem Abgeordnetengesetz oder der Geschäftsordnung obliegen. Eine Verwendung für Parteiaufgaben wird ausdrücklich ausgeschlossen. Die Verwendung der Geldmittel knüpft daher unmittelbar an die Fraktionsaufgaben an, die in § 47 AbgG definiert werden.8 Nach § 47 Abs. 1 AbgG wirken Fraktionen insbesondere an der Erfüllung der Aufgaben des Deutschen Bundestages mit. Die Fraktionsaufgaben korrespondieren dabei mit dem laufenden Parlamentsbetrieb.9 Sie begründen damit den Anspruch nach § 50 Abs. 1 AbgG und bilden gleichzeitig dessen Grenze.10 Die Ausgestaltung des Anspruches auf Fraktionsfinanzierung knüpft daher an den laufenden Parlamentsbetrieb und damit auch an bereits gebildete Fraktionen an. Vor der Konstituierung des Bundestages und damit auch der Fraktionen können diese naturgemäß noch nicht ihre Aufgaben nach § 47 AbgG wahrnehmen. Ohne eine solche Aufgabenwahrnehmung fehlt es jedoch an einer entsprechenden Grundlage für einen Finanzierungsanspruch. Dabei macht es auch keinen Unterschied, ob diese Finanzierung der Vor-Fraktionen unmittelbar aus dem Bundeshaushalt oder durch spätere Zahlungen der gebildeten Fraktion erfolgen soll. Zahlungen an die Vor-Fraktionen sieht § 50 AbgG nicht vor. Aufgrund der strengen Zweckbindung der Geldmittel können diese dann auch nicht durch Zahlungen der später gebildeten Fraktionen auf bestehende Verbindlichkeiten einer Vor-Fraktion ersetzt werden. Hierbei könnte es sich um eine mittelbare staatliche Finanzierung der Vor-Fraktionen handeln. Gesetzessystematisch spricht gegen einen Einsatz von Finanzmitteln der Fraktionen für Zwecke, die vor ihrer eigentlichen Konstituierung verfolgt wurden, auch die Regelung des § 32 Abs. 1 AbgG. Gewählte zukünftige Abgeordnete erhalten bereits mit dem Tag der Feststellung des Bundeswahlausschusses nach § 42 Abs. 2 S. 1 des Bundeswahlgesetzes (BWahlG) bestimmte Ansprüche, die ihnen nach dem Abgeordnetengesetz zustehen. Der eigentliche Mandatsbeginn ist jedoch, wie auch der Zeitpunkt der Faktionsbildung, an die Konstituierung des Bundestages geknüpft. Die bereits vor Mandatsbeginn einem zukünftigen Abgeordneten zustehenden Ansprüche dienen vor allem der Vorbereitung seiner künftigen Tätigkeit.11 Der Gesetzgeber hat damit für die Abgeordneten ausdrücklich einen Finanzierungsanspruch für den Zeitraum zwischen der Bundestagswahl und 6 BVerfG, Urteil vom 19. Juli 1966 – 2 BvF 1/65 –, juris Rn. 29. 7 BVerfG, Beschluss vom 15. Juli 2015 – 2 BvE 4/12 –, juris Rn. 71. 8 Vgl. Waldhoff, in: Austermann/Schmahl [Hrsg.], 1. Aufl. 2016, § 50 AbgG Rn. 24. 9 Lontzek, in: Austermann/Schmahl [Hrsg.], 1. Aufl. 2016, § 47 AbgG Rn. 4. 10 Lontzek, in: Austermann/Schmahl [Hrsg.], 1. Aufl. 2016, § 47 AbgG Rn. 3. 11 Austermann, in: Austermann/Schmahl [Hrsg.], 1. Aufl. 2016, § 32 AbgG Rn. 2. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 235/17 Seite 5 der Konstituierung des Bundestages geschaffen. Für die Fraktionsfinanzierung besteht eine solche Regelung nicht. Systematisch kann daraus geschlossen werden, dass § 50 AbgG den Einsatz von Fraktionsgeldern für die Vor-Fraktionen nicht vorsieht. Für diesen Ansatz spricht auch, dass Fraktionen nach § 45 Abs. 1 AbgG als Zusammenschluss von Abgeordneten entstehen. Bis zu ihrer Konstituierung handelt es sich bei sämtlichen Tätigkeiten daher um solche von Abgeordneten bzw. von zukünftigen Abgeordneten. Etwaige finanzielle Aufwendungen, die für deren Zusammenkünfte entstehen, fallen daher auch in die Abgeordnetensphäre . Wie bereits dargestellt wurde, trägt der Gesetzgeber mit § 32 Abs. 1 AbgG dem Umstand Rechnung, dass bereits vor Konstituierung des Bundestages den zukünftigen Abgeordneten entsprechende Aufwendungen entstehen. 3.3. Mögliche Regelungslücke im Abgeordnetengesetz? Im Gegensatz zum Abgeordnetengesetz auf Bundesebene gewähren einzelne Landesgesetze bereits in dem Zeitraum nach der Wahl und vor der Konstituierung des Parlaments ausdrücklich einen Anspruch auf Finanzierung der Fraktionstätigkeit. So sieht etwa § 4 Abs. 2 Satz 2 des „Gesetzes über die Rechtsstellung der Fraktionen im Landtag von Nordrhein-Westfalen“ vor, dass eine neu hinzukommende Fraktion die Geldleistung ab dem auf die Wahl folgenden Tag erhält, wenn sie sich innerhalb eines Monats bildet. Es ist unbestritten, dass Vor-Fraktionen zur Vorbereitung der konstituierenden Sitzung des neuen Bundestages sowie im Hinblick auf den Zeitraum unmittelbar danach nicht unerhebliche inhaltliche und organisatorische Vorarbeiten zu leisten haben, die auch das Eingehen finanzieller Verpflichtungen erforderlich machen könnten. Angesichts dessen könnte von einer Regelungslücke ausgegangen werden, die allerdings nur durch den Gesetzgeber selbst geschlossen werden könnte (wie er es auch in § 32 Abs. 1 AbgG getan hat). Bis zu einer möglichen gesetzlichen Regelung liegt es daher im Verantwortungsbereich jeder Fraktion zu entscheiden, ob Verpflichtungen bereits vor der Konstituierung eingegangen werden. Jede Fraktion müsste entsprechende Ausgaben im Rahmen der Rechnungsprüfung nach § 53 AbgG gegenüber dem Bundesrechnungshof vertreten. 4. Fazit Fraktionen bilden sich frühestens ab der Konstituierung des Bundestages. Die Regelungen über die Fraktionsfinanzierung knüpfen unmittelbar an bestehende Fraktionen und deren parlamentarische Arbeit an. Einen Finanzierungsanspruch auch für die Betätigung der Vor-Fraktionen sehen die bestehenden Regelungen nicht vor. ***