Einwirkungsmöglichkeiten des Bundes auf die Durchführung des Ausgleichsleistungsgesetzes durch die neuen Länder - Ausarbeitung - © 2008 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 233/08 Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages Verfasser/in: Einwirkungsmöglichkeiten des Bundes auf die Durchführung des Ausgleichsleistungsgesetzes durch die neuen Länder Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 233/08 Abschluss der Arbeit: 17. Juni 2008 Fachbereich WD 3: Verfassung und Verwaltung Telefon: Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Die Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste sind dazu bestimmt, Mitglieder des Deutschen Bundestages bei der Wahrnehmung des Mandats zu unterstützen. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W. - Zusammenfassung - Das Ausgleichsleistungsgesetz sieht Leistungen zur Wiedergutmachung von Enteignungen in der sowjetischen Besatzungszone vor, die in den Jahren 1945 bis 1949 auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage erfolgten. Eine nicht unerhebliche Zahl von Anträgen nach dem Ausgleichsleistungsgesetz ist von den zuständigen Landesbehörden, den Ämtern und Landesämtern zur Regelung offener Vermögensfragen , bislang nicht beschieden worden. Die neuen Länder und Berlin führen das Ausgleichsleistungsgesetz im Auftrag des Bundes aus. Die Einwirkungsbefugnisse des Bundes im Rahmen der Bundesauftragsverwaltung nach Art. 85 des Grundgesetzes eröffnen dem Bund nicht die Möglichkeit, die ausstehenden Bescheide im Wege eines Selbsteintritts selbst zu erlassen. Allerdings unterliegen die zuständigen Landesbehörden der Rechts- und Fachaufsicht des Bundes. Dem Bundesministerium der Finanzen steht ein umfassendes Weisungsrecht gegenüber den Landesbehörden zu. Weisungen, die Einzelfälle betreffen und zum Inhalt haben, die zuständige Landesbehörde zu einer zügigeren Erledigung eines noch anhängigen Antragsverfahrens anzuhalten , können grundsätzlich zulässig sein. Die Finanzministerien der betroffenen Länder als oberste Landesbehörden hätten den Vollzug solcher Einzelweisungen durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen. Nötigenfalls könnte zur Durchsetzung entsprechender Weisungen als ultima ratio die in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland bislang noch nicht praktizierte Anwendung des Bundeszwangs nach Art. 37 Grundgesetz erwogen werden. Die Anordnung und Durchführung des Bundeszwangs durch die Bundesregierung wäre allerdings an die Zustimmung des Bundesrates gebunden. Zudem wäre darüber hinaus eine vorherige Anrufung des Bundesverfassungsgerichts zwar nicht rechtlich geboten, aber doch als politisch zweckmäßig anzusehen. Inhalt 1. Einleitung 4 2. Die Wiedergutmachung nach dem Ausgleichsleistungsgesetz 4 3. Die Durchführung des Ausgleichsleistungsgesetzes durch die Länder als Verwaltung im Auftrag des Bundes 6 3.1. Bundesaufsicht und Weisungsrechte des Bundes im Rahmen der Bundesauftragsverwaltung 7 3.2. Die Anwendung von Bundeszwang nach Art. 37 GG als ultima ratio 9 - 4 - 1. Einleitung Die Regierungen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik gaben am 15. Juni 1990 eine Gemeinsame Erklärung zur Regelung offener Vermögensfragen ab, wonach die zwischen 1945 und 1949 in der sowjetischen Besatzungszone auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage erfolgten Enteignungen nicht mehr rückgängig zu machen seien.1 Eine abschließende Entscheidung über etwaige staatliche Ausgleichsleistungen sollte nach Auffassung der Regierung der Bundesrepublik Deutschland dem künftigen gesamtdeutschen Gesetzgeber überlassen bleiben.2 2. Die Wiedergutmachung nach dem Ausgleichsleistungsgesetz Die Regelung von entsprechenden Wiedergutmachungsleistungen erfolgte durch Erlass des Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetzes3 (EALG) vom 27. September 1994. Das EALG, ein sog. Artikelgesetz, enthält in seinem Art. 2 das Ausgleichsleistungsgesetz 4, welches am 1. Dezember 1994 in Kraft getreten ist. Nach § 1 Abs. 1 Ausgleichsleistungsgesetz erhalten natürliche Personen nach Maßgabe des Gesetzes eine Ausgleichsleistung für entschädigungslose Enteignungen im Beitrittsgebiet, die auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage erfolgt sind. Die Ausgleichsleistungen werden in Form von Schuldverschreibungen aus dem sog. Entschädigungsfonds , einem nicht rechtsfähigen Sondervermögen des Bundes, welches vom Bundesamt für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen (BADV) verwaltet wird, erbracht .5 1 Nr. 1 Satz 1 der Gemeinsamen Erklärung der Regierungen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik zur Regelung offener Vermögensfragen vom 15.06.1990 (BGBl. 1990 II S. 889, 1237). Die Gemeinsame Erklärung wurde nach dessen Art. 41 Abs. 1 Bestandteil des Vertrags zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands (Einigungsvertrag) vom 31.08.1990 (BGBl. 1990 II S. 889). Art. 41 Abs. 1 Einigungsvertrag wiederum wurde in Art. 143 Abs. 3 GG verfassungsrechtlich verankert. 2 Siehe Nr. 1 Satz 4 der Gemeinsamen Erklärung (Fn. 1). 3 Gesetz über die Entschädigung nach dem Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen und über staatliche Ausgleichsleistungen für Enteignungen auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage vom 27.09.1994 (BGBl. I S. 2624). 4 Gesetz über staatliche Ausgleichsleistungen für Enteignungen auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage, die nicht mehr rückgängig gemacht werden können (Ausgleichsleistungsgesetz ) in der Fassung der Bekanntmachung vom 13.07.2004 (BGBl. I S. 1665), geändert durch Art. 4 Abs. 41 des Gesetzes vom 22.09.2005 (BGBl. I S. 2809). Das Ausgleichsleistungsgesetz wurde als Art. 2 des Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetzes (EALG) vom 27.09.1994 (BGBl. I S. 2624, (1995, 110), zuletzt geändert durch Art. 4 Abs. 38 des Gesetzes vom 22.09.2005 (BGBl. I S. 2809), vom Bundestag mit Zustimmung des Bundesrates beschlossen. 5 Vgl. dazu im Einzelnen Hermann-Josef Rodenbach, Die Entschädigung nach dem Ausgleichsleistungsgesetz , in: VIZ 1998, S. 417-423 (423). Der Erlass des Bundesministeriums der Finanzen über die Errichtung des Entschädigungsfonds vom 22.12.1994 (GMBl. 1995, S. 140) ist durch Erlass vom 31.03.2004 m.W.v. 01.04.2004 neugefasst worden (GMBl. 2004, S. 645). - 5 - Daneben ermöglicht § 3 Ausgleichsleistungsgesetz für bestimmte berechtigte Personengruppen den begünstigten Erwerb von land- oder forstwirtschaftlich genutzten Flächen . Vorrangig wird den sog. Wiedereinrichtern und Neueinrichtern sowie den Rechtsnachfolgern der ehemaligen LPG die Möglichkeit eingeräumt, einen Teil des von ihnen bewirtschafteten Bodens vergünstigt zu erwerben (vgl. § 3 Abs. 1-4 Ausgleichsleistungsgesetz ). Nachrangig können nach § 3 Abs. 5 Ausgleichsleistungsgesetz die zwischen 1945 und 1949 enteigneten früheren Eigentümer solche landwirtschaftlichen Flächen vergünstigt erwerben, die nicht von den zuvor genannten Berechtigten erworben werden. Will der sog. Alteigentümer seine Erwerbsmöglichkeit wahrnehmen, so hat er dies der für die Privatisierung zuständigen Stelle innerhalb einer Ausschlussfrist von sechs Monaten nach Bestandskraft des Ausgleichsleistungs- oder Entschädigungsbescheids zu erklären (§ 3 Abs. 5 Satz 6 Ausgleichsleistungsgesetz). Die weiteren Einzelheiten des Erwerbs und des Verfahrens sind in der Flächenerwerbsverordnung6 geregelt.7 Nach § 10 Abs. 1 Satz 2 Flächenerwerbsverordnung ist für den Abschluss des Kaufvertrages mit der Privatisierungsstelle, der Bodenverwertungs- und -verwaltungsgesellschaft GmbH (BVVG), die Vorlage eines Entschädigungs- oder Ausgleichsleistungsbescheides durch den früheren Eigentümer erforderlich. Solange dem Alteigentümer noch kein Entschädigungs- oder Ausgleichsleistungsbescheid erteilt worden ist, kann er demnach von der Möglichkeit eines begünstigten Flächenerwerbs nach § 3 Abs. 5 Ausgleichsleistungsgesetz keinen Gebrauch machen. Bis heute haben etliche Alteigentümer noch keinen derartigen Bescheid erhalten, obwohl sie ihren Antrag auf Ausgleichsleistung bzw. Entschädigung (nach dem Entschädigungsgesetz 8) bis spätestens 31. Mai 1995 bei den zuständigen Behörden zu stellen hatten.9 Es stellt sich daher die Frage, wie eine Beschleunigung in der Bearbeitung der noch anhängigen Antragsverfahren erreicht werden kann. Für die Durchführung des Ausgleichsleistungsgesetzes sind die Länder im Beitrittsgebiet zuständig, die das Gesetz im Auftrag des Bundes ausführen. Im Rahmen dieser sog. Bundesauftragsverwaltung stehen dem Bundesministerium der Finanzen umfassende 6 Verordnung über den Erwerb land- und forstwirtschaftlicher Flächen, das Verfahren sowie den Beirat nach dem Ausgleichsleistungsgesetz vom 20.12.1995 (BGBl. I S. 2072), zuletzt geändert durch Art. 538 der Verordnung vom 31.10.2006 (BGBl. I S. 2407). Diese mit Zustimmung des Bundesrates erlassene Rechtsverordnung der Bundesregierung stützt sich auf die Verordnungsermächtigung in § 4 Abs. 3 Ausgleichsleistungsgesetz. 7 Vgl. zu den Einzelheiten Rodenbach (Fn. 5). 8 Gesetz zur Entschädigung nach dem Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. Juli 2004 (BGBl. I S. 1658), zuletzt geändert durch Artikel 3 Abs. 14 des Gesetzes vom 12. Juli 2006 (BGBl. I S. 1466). Das Entschädigungsgesetz trat als Art. 1 des EALG (Fn. 3) zum 01.12.1994 in Kraft, vgl. Art. 13 Satz 2 EALG. 9 § 6 Abs. 1 Satz 3 Ausgleichsleistungsgesetz bzw. § 12 Abs. 1 Sätze 4 und 5 Entschädigungsgesetz. - 6 - Weisungsrechte gegenüber den zuständigen Landesbehörden zu (dazu unter 3.1.). Lediglich als ultima ratio und unter engen Voraussetzungen käme die – bislang in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland nicht praktizierte – Anwendung des Bundeszwangs nach Art. 37 Grundgesetz (GG) in Betracht (dazu unter 3.2.). 3. Die Durchführung des Ausgleichsleistungsgesetzes durch die Länder als Verwaltung im Auftrag des Bundes Die Durchführung des Ausgleichsleistungsgesetzes erfolgt nach § 6 Abs. 2 Ausgleichsleistungsgesetz i.V.m. § 22 Satz 1 Vermögensgesetz10 (VermG) durch die Länder Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Berlin, soweit nicht gemäß § 29 Abs. 2 VermG das BADV zuständig ist (im Fall des sog. Partei- und Organisationsvermögens). Zum Vollzug des Gesetzes haben die Länder nach § 23 Abs. 1 VermG Ämter und Landesämter zur Regelung offener Vermögensfragen eingerichtet. Örtlich zuständig ist nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Ausgleichsleistungsgesetz i.V.m. § 35 Abs. 2 VermG das Amt, in dessen Bereich die Fläche, für deren Verlust ein Ausgleich beantragt wird, belegen ist. Wie § 22 Satz 2 Nr. 1 VermG feststellt, handeln die zuständigen Landesbehörden bei Entscheidungen über „die Entschädigung“ im Auftrag des Bundes. Unter den Begriff der „Entschädigung“ fallen auch die Entscheidungen über die Gewährung einer Ausgleichsleistung nach dem Ausgleichsleistungsgesetz .11 Im Fall des Ausgleichsleistungsgesetzes kann die Zulässigkeit der Bundesauftragsverwaltung auf Art. 104 a Abs. 3 GG gestützt werden, wonach Bundesgesetze, die Geldleistungen gewähren und von den Ländern ausgeführt werden, im Auftrag des Bundes durchgeführt werden, wenn der Bund die Hälfte der Ausgaben oder mehr trägt. Da die Ausgleichsleistungen nach § 9 Entschädigungsgesetz i.V.m. §§ 1 und 2 Ausgleichsleistungsgesetz aus dem Entschädigungsfonds geleistet werden, der überwiegend aus mittelbaren oder unmittelbaren Bundesmitteln finanziert wird, ist die in § 22 Satz 2 Nr. 1 VermG gesetzlich festgestellte Auftragsverwaltung damit nach Art. 104 a Abs. 3 GG zulässig.12 10 Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen (Vermögensgesetz) in der Fassung der Bekanntmachung vom 09.02.2005 (BGBl. I S. 205), zuletzt geändert durch Art. 78 Abs. 14 des Gesetzes vom 23.11.2007 (BGBl. I S. 2614 m.W.v. 30.11.2007). 11 Andrea Schulte, in: Motsch/Rodenbach u.a. (Hrsg.), Kommentar zum Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz , Bd. 1, Berlin 1995, § 6 AusglLeistG, Rn. 16. Ebenso Rodenbach (Fn. 5), S. 423. 12 Thomas Gneipelt, in: Kimme (Hrsg.), Offene Vermögensfragen, Kommentar, Bd. 2, Köln, Loseblatt (Stand: Nov. 2007), § 22 VermG, Rn. 4; Antje Niebur, in: VermG, Kommentar, Bd. 1, München, Loseblatt (Stand: Sept. 2007), § 22 VermG, Rn. 15. - 7 - Es steht zu vermuten, dass die schleppende Bearbeitung der Anträge nach dem Ausgleichsleistungsgesetz unter anderem in einer unzureichenden personellen Ausstattung der für die Entscheidung zuständigen Ämter und Landesämter zur Regelung offener Vermögensfragen begründet liegt.13 Eine Beschleunigung der Antragsbearbeitung durch die zuständigen Landesbehörden wäre daher wohl durch eine – allerdings aufgrund der fehlenden Finanzierungsverantwortung des Bundes allein durch die Länder zu finanzierende – Aufstockung des Personalbestands zu erreichen.14 Auch Entlastungen der Landesbehörden durch eine weitere Verlagerung von Zuständigkeiten auf das BADV wären denkbar, etwa wie dies in einem Bereich des NS- Entschädigungsrechts durch Änderung des § 29 VermG im Jahre 2003 geschehen ist: Mit dem Erlass des Entschädigungsrechtsänderungsgesetzes15 verband sich ausweislich der Begründung des Gesetzentwurfs die Hoffnung auf Seiten des Bundes, die Länder würden freiwerdende Personalressourcen zur schnelleren Erledigung von Anträgen im Ausgleichsleistungs- und Entschädigungsrecht nutzen.16 3.1. Bundesaufsicht und Weisungsrechte des Bundes im Rahmen der Bundesauftragsverwaltung Die Durchführung des Ausgleichsleistungsgesetzes im Auftrag des Bundes ist durch gesteigerte Einflussmöglichkeiten des Bundes gekennzeichnet.17 Bei der Durchführung des Ausgleichsleistungsgesetzes unterliegen die Ämter und Landesämter zur Regelung offener Vermögensfragen gemäß Art. 85 Abs. 4 GG der Rechts- und Fachaufsicht des Bundes. Die Bundesaufsicht erstreckt sich sowohl auf die Gesetzmäßigkeit als auch auf die Zweckmäßigkeit der Gesetzesausführung durch die Landesbehörden.18 Gemäß Art. 85 Abs. 3 unterliegen die Landesbehörden, hier also die Ämter und Landesämter zur Regelung offener Vermögensfragen, der umfassenden Weisungsbefugnis des Bundesministeriums der Finanzen als der zuständigen obersten Bundesbehörde. 13 Vgl. Rodenbach (Fn. 5), S. 423, der auf den zumindest im Jahre 1998 geplanten weiteren Personalabbau in den zuständigen Landesbehörden hinweist. 14 Die Kosten für eine angemessene Ausstattung der Landesbehörden mit Personal- und Sachmitteln sind als sog. Verwaltungsausgaben von den Ländern selbst zu tragen, vgl. Art. 104 a Abs. 5 GG. Die aus dem Entschädigungsfonds zu leistenden Ausgleichsleistungen stellen sog. Zweckausgaben gemäß Art. 104 a Abs. 2 GG dar, die vom Bund getragen werden. Vgl. Johannes Hellermann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), GG, Bd. 3, 5. Aufl., München 2005, Art. 104a, Rn. 175 ff. 15 Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Entschädigungsgesetzes und anderer Vorschriften vom 10.12.2003 (BGBl. 2003 I, S. 2471), in Kraft getreten am 17.12.2003. 16 BT-Drs. 15/1180, S. 4. 17 Vgl. dazu Hans-Heinrich Trute, in: v. Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), GG, Bd. 3, 5. Aufl., München 2005, Art. 85, Rn. 5. 18 In der Praxis wird die Bundesaufsicht nach Art. 85 Abs. 4 GG über die genannten Landesbehörden vom Bundesministerium der Finanzen wahrgenommen, vgl. Rodenbach (Fn. 5), S. 423. Diese Kompetenz der obersten Bundesbehörde (statt der Bundesregierung als Kollegialorgan, wie es der Wortlaut des Art. 85 Abs. 4 GG nahelegt) bezweifelnd Trute (Fn. 17), Art. 85, Rn. 42. - 8 - Das Weisungsrecht nach Art. 85 Abs. 3 GG verschafft der obersten Bundesbehörde keine Befugnis, Entscheidungen mit Außenwirkung zu treffen. Sie hat daher kein Selbsteintrittsrecht .19 Ein Erlass der ausstehenden Bescheide durch das Bundesministerium der Finanzen selbst käme daher als Mittel zu einer Beschleunigung der Verfahrenserledigung nicht in Betracht. Jedoch könnte durch den Erlass von Weisungen nach Art. 85 Abs. 3 GG versucht werden , die Landesbehörden zu einer zügigeren Erledigung der noch anhängigen Antragsverfahren anzuhalten. Eine entsprechende Weisung des Bundesministeriums der Finanzen müsste dem Gebot der Weisungsklarheit entsprechen. Zudem wäre dem betroffenen Land aufgrund des Grundsatzes bundesfreundlichen Verhaltens vor Erlass der Weisung grundsätzlich Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.20 Unzulässig wäre allerdings wohl eine Weisung des Bundesministeriums der Finanzen mit einer pauschalen Aufforderung derart, dass die noch anhängigen Verfahren möglichst zügig oder gar bis zum Ablauf einer bestimmten Frist zu erledigen seien. Eine solche Weisung beträfe grundsätzlich die Zweckmäßigkeit und (wohl auch die Rechtmäßigkeit ) des Handelns der Landesbehörden in einer Vielzahl von Fällen und hätte einen abstrakt-generellen Inhalt. Solche Weisungen, die nicht einen Einzelfall regeln, sondern eine abstrakt-generelle Regelung z.B. für die Behandlung einer bestimmten Sachverhaltsgestaltung oder zur Auslegung einer gesetzlichen Vorschrift treffen, werden im Rahmen der Bundesauftragsverwaltung ganz überwiegend für unzulässig gehalten .21 Denn durch den Erlass derartiger allgemeiner Weisungen wird das für den Fall eines Erlasses von allgemeinen Verwaltungsvorschriften nach Art. 85 Abs. 2 Satz 1 GG bestehende Erfordernis einer Zustimmung durch den Bundesrat unterlaufen.22 Grundsätzlich denkbar wäre jedoch der Erlass derartiger allgemeiner Verwaltungsvorschriften , die durch Verfahrensregelungen einer Beschleunigung der anhängigen Verfahren dienen könnten. Ihr Erlass bedürfte, wie erwähnt, allerdings nach Art. 85 Abs. 2 Satz 1 GG der Zustimmung des Bundesrates. Eine Einzelweisung des Bundesministeriums der Finanzen, durch die die zuständige Landesbehörde zu einer zügigeren Erledigung eines bestimmten Verfahrens aufgefordert würde, wäre demgegenüber wohl grundsätzlich zulässig. Die Weisung wäre, außer bei Eilbedürftigkeit, an die betreffende oberste Landesbehörde, hier also an das Fi- 19 Vgl. nur Fritz Ossenbühl, Weisungen des Bundes in der Bundesauftragsverwaltung, in: Der Staat 28 (1989), S. 31-48 (35. 20 Vgl. zu den Einzelheiten BVerfGE 81, 310 (Kalkar II). 21 Trute (Fn. 17), Art. 85, Rn. 23. 22 Karl-Peter Sommermann, Grundfragen der Bundesauftragsverwaltung, in: DVBl. 2001, S. 1549- 1556 (1554); Niebur (Fn. 12), § 22 VermG, Rn. 17 a; jeweils m.w.N. auch zur (älteren) Gegenmeinung . - 9 - nanzministerium des Landes, zu richten (Art. 85 Abs. 3 Satz 2 GG). Dieses hätte den Vollzug der Weisung sicherzustellen (Art. 85 Abs. 3 Satz 3). 3.2. Die Anwendung von Bundeszwang nach Art. 37 GG als ultima ratio Sollte eine Weisung mit dem genannten Inhalt an die betreffende oberste Landesbehörden gerichtet werden, so stellt sich die Frage, wie sie nötigenfalls auch zwangsweise durchgesetzt werden könnte. Eine Möglichkeit könnte allenfalls der in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland bislang nicht praktizierte Bundeszwang nach Art. 37 GG bieten. Der in Art. 37 GG23 geregelte Bundeszwang stellt das „schneidigste Schwert dar, um gegen ein renitentes Bundesland vorzugehen“24. Die Anwendung von Bundeszwang kommt nach allgemeiner Auffassung nur als ultima ratio in Betracht.25 Obgleich rechtlich nicht gefordert26, wird daher in der Literatur eine vorherige Anrufung des Bundesverfassungsgerichts nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 3 GG (Bund-Länder-Streit) für zumindest „politisch zweckmäßig“ gehalten.27 Vor der Anwendung des Bundeszwangs ist jedenfalls die Zustimmung des Bundesrates notwendig. Aus Art. 37 GG folgen keine besonderen Aufsichtsbefugnisse der Bundesregierung. Die Vorschrift erlaubt vielmehr die Durchführung von Zwangsmaßnahmen, falls das betreffende Land die im Rahmen der Rechts- und Fachaufsicht des Bundes gemäß Art. 85 Abs. 4 GG festgestellten Mängel, die eine Verletzung von Bundespflichten im Sinne des Art. 37 Abs. 1 GG darstellen28 und zu deren Behebung Weisungen erlassen wurden, nicht abstellt.29 Bundesaufsicht und Bundeszwang verhalten sich insoweit wie „Tatbestandsfeststellung und Vollstreckung“30. 23 Art. 37 GG hat folgenden Wortlaut: „(1) Wenn ein Land die ihm nach dem Grundgesetze oder einem anderen Bundesgesetze obliegenden Bundespflichten nicht erfüllt, kann die Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates die notwendigen Maßnahmen treffen, um das Land im Wege des Bundeszwanges zur Erfüllung seiner Pflichten anzuhalten. (2) Zur Durchführung des Bundeszwanges hat die Bundesregierung oder ihr Beauftragter das Weisungsrecht gegenüber allen Ländern und ihren Behörden.“ 24 Wilfried Erbguth, in: Sachs (Hrsg.), GG, 4. Aufl., München 2007, Art. 73, Rn. 2. 25 Erbguth (Fn. 24), Rn. 2; Manfred Gubelt, in: v. Münch/Kunig (Hrsg.), GG, Bd. 2, 5. Aufl., München 2001, Art. 37, Rn. 1, jeweils m.w.N. 26 Siehe nur Thomas v. Danwitz, in: v. Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), GG, Bd. 2, 5. Aufl., München 2005, Art. 37, Rn. 39 f. 27 Dazu Erbguth (Fn. 24), Rn. 4; Gubelt (Fn. 25), Rn. 1. 28 Zum Begriff der Bundespflichten siehe Erbguth (Fn. 24), Rn. 8; v. Danwitz (Fn. 26), Rn. 15 ff. 29 Vgl. Erbguth (Fn. 24), Rn. 4 m.w.N. 30 Gubelt (Fn. 25), Rn. 2 m.w.N. - 10 - Die Durchführung des Bundeszwangs nach Art. 37 GG setzt die ordnungsgemäße Durchführung eines Verfahrens voraus, welches sich in fünf Schritten vollzieht31: - Feststellung der Voraussetzungen für die Anordnung und Durchführung des Bundeszwangs (Vorliegen einer einem Land zurechenbaren Verletzung von Bundespflichten) durch die Bundesregierung; - Entscheidung der Bundesregierung darüber, ob ein Verfahren nach Art. 37 GG durchgeführt werden soll; - Entscheidung der Bundesregierung darüber, wie gegen das Land vorzugehen ist; - Einholung der Zustimmung des Bundesrates; - Durchführung der angeordneten Maßnahmen durch die Bundesregierung. In der Weigerung eines Landes, die im Rahmen der Bundesauftragsverwaltung ergangene Weisung zu vollziehen, kann grundsätzlich eine Verletzung von Bundespflichten liegen. Sollte der Bundesrat der Anwendung des Bundeszwangs zustimmen, so könnten die von der Bundesregierung angeordneten Maßnahmen durchgeführt werden. An zulässigen Maßnahmen des Bundeszwangs werden in der Literatur solche finanzieller oder wirtschaftlicher Art erwähnt (z.B. die Einstellung der Finanzzuweisungen), die einstweilige Weigerung der Erfüllung sonstiger Bundesaufgaben gegenüber dem Land, die Ersatzvornahme der unterlassenen Handlung durch Bundesorgane oder durch Dritte, die Einsetzung eines mit entsprechenden Vollmachten ausgestatteten Bundesbeauftragten sowie die zeitweilige treuhänderische Übernahme der Legislative und Exekutive (wegen der in Art. 97 Abs. 1 GG garantierten richterlichen Unabhängigkeit nicht der Judikative ).32 Die Maßnahmen müssen, wie Art. 37 Abs. 1 ausdrücklich bestimmt, „notwendig “ sein, um das Land zur Erfüllung seiner Pflichten anzuhalten. Unzulässig sind daher insbesondere alle Maßnahmen mit reinem Strafcharakter.33 Hervorzuheben ist für die Fälle, in dem der Bund im Wege der Ersatzvornahme etwa selbst in die vor den Landesbehörden anhängigen Verfahren einträte, dass die Pflicht zur Kostentragung hinsichtlich der Verwaltungsausgaben grundsätzlich den Bund träfe .34 Dem Bund könnte dann jedoch ein Schadensersatzanspruch nach Art. 104 a Abs. 5 31 Dazu nur Erbguth (Fn. 24), Rn. 14. 32 Gubelt (Fn. 25), Rn. 13. 33 Gubelt (Fn. 25), Rn. 14 m.w.N. 34 Erbguth (Fn. 24), Rn. 20 m.w.N. - 11 - Satz 1, Teilsatz 2 GG zustehen, wonach der Bund und die Länder untereinander für eine ordnungsgemäße Verwaltung haften.35 35 v. Danwitz (Fn. 26), Rn. 36.