Versetzung, Suspendierung und Entlassung von Polizeibeamten bei Pflichtverletzung oder bei unverschuldeter Schädigung Dritter - Ausarbeitung - © 2007 Deutscher Bundestag WD 3 - 233/07 Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages Verfasser/in: Versetzung, Suspendierung und Entlassung von Polizeibeamten bei Pflichtverletzung oder bei unverschuldeter Schädigung Dritter Ausarbeitung WD 3 – 233/07 Abschluss der Arbeit: 20. Juni 2007 Fachbereich WD 3: Verfassung und Verwaltung Telefon: Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Die Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste sind dazu bestimmt, Mitglieder des Deutschen Bundestages bei der Wahrnehmung des Mandats zu unterstützen. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Diese bedürfen der Zustimmung des Direktors beim Deutschen Bundestag. - 3 - - Zusammenfassung - Bei Fehlen einer Pflichtverletzung des Polizeibeamten bzw. bei Fehlen eines entsprechenden Verdachts gem. § 17 Bundesdisziplinargesetz kommen folgende Reaktionsmöglichkeiten des Dienstherrn in Betracht (Auflistung in der Reihenfolge zunehmend qualifizierter Tatbestandsvoraussetzungen bzw. zunehmender Beeinträchtigung des Beamten ): - Umsetzung des Beamten - Abordnung des Beamten - Versetzung des Beamten - Zwangsbeurlaubung des Beamten Im Falle einer Pflichtverletzung des Polizeibeamten kommen zusätzlich folgende Reaktionsmöglichkeiten des Dienstherrn in Betracht (Auflistung in der Reihenfolge zunehmend qualifizierter Tatbestandsvoraussetzungen bzw. zunehmender Beeinträchtigung des Beamten): - Vorläufige Dienstenthebung (auch bei bloßem Verdacht gem. § 17 Bundesdisziplinargesetz möglich) - Entfernung aus dem Beamtenverhältnis - Beendigung des Beamtenverhältnisses Für den Fall einer schweren Schädigung oder einer Tötung Dritter besteht keine gesonderte gesetzliche Regelung, wie mit dem Beamten zu verfahren ist, der die Schädigung verursacht hat. Es gelten vorgenannte allgemeine Regelungen. - 4 - 1. Einleitung In der Bundesrepublik Deutschland stehen Polizeibeamte sowohl im Dienst des Bundes als auch im Dienst der 16 Länder. Im Folgenden werden exemplarisch die bundesrechtlichen Regelungen dargestellt, denen mehr oder weniger vergleichbare Regelungen der Länder gegenüberstehen. Ganz überwiegend sind Polizisten im Beamtenverhältnis tätig .1 Daher wird die folgende Darstellung auf das Beamtenrecht, und zwar auf den Regelfall der auf Lebenszeit ernannten Beamten beschränkt (im Unterschied zu Beamten auf Probe oder auf Widerruf). Rechtsgrundlage ist das Bundespolizeibeamtengesetz2, das in § 2 für das Dienstverhältnis im Wesentlichen auf die allgemein für Bundesbeamten geltenden Vorschriften verweist. Unter diesen Vorschriften sind für Versetzungen des Beamten und andere Maßnahmen das Bundesbeamtengesetz3 und das Bundesdisziplinargesetz 4 relevant. 2. Umsetzung, Abordnung, Versetzung Ein Beamter kann einem anderen Arbeitsplatz zugewiesen werden, gleich, ob er eine Pflichtverletzung begangen hat, oder nicht. Zu unterscheiden sind: - Umsetzung (nicht gesetzlich geregelt) - Abordnung (§ 27 Bundesbeamtengesetz) - Versetzung (§ 26 Bundesbeamtengesetz) Die Umsetzung ist eine dauernde oder zeitweilige Zuweisung eines anderen Amtes innerhalb einer Behörde.5 Diese steht im Ermessen des Dienstherrn, bedarf jedoch eines sachlichen Grundes. Dieser kann z. B. darin liegen, dass angesichts des Verdachts krimineller Handlungen der „Verbleib des Beamten auf seinem Dienstposten zu einem Ansehensverlust der Dienststelle und damit der Polizei insgesamt führen kann“.6 1 Vgl. Bundesgrenzschutz-Jahresbericht des Bundesministerium des Innern, 2000/2001, S. 54, abrufbar unter: www.bundespolizei.de 2 Vom 3. Juni 1976, BGBl. I S. 1357, zuletzt geändert durch Artikel 24 des Gesetzes vom 19. Februar 2006, BGBl. I S. 334. 3 In der Fassung der Bekanntmachung vom 31. März 1999, BGBl. I S. 675, zuletzt geändert durch Artikel 2 Abs. 2 des Gesetzes vom 5. Dezember 2006, BGBl. I S. 2748. 4 Vom 9. Juli 2001, BGBl. I S. 1510. 5 Battis, Bundesbeamtengesetz, 3. Aufl., 2004, § 26 Rn. 6. 6 OVG Koblenz, NZwZ 2001, 1316 (1317). - 5 - Die Abordnung ist die vorübergehende Zuweisung einer dem Amt des betroffenen Beamten entsprechenden Tätigkeit bei einer anderen Dienststelle desselben oder eines anderen Dienstherrn bei fortdauernder Zugehörigkeit zur bisherigen Amtsstelle.7 Bei der Versetzung erfolgt die Übertragung des anderen Amtes im Unterschied zur Abordnung dauerhaft. Für eine Abordnung oder Versetzung des Beamten ist nach § 26 Abs. 1 bzw. § 27 Abs. 1 Bundesbeamtengesetz ein „dienstliches Bedürfnis“ erforderlich. Ein „dienstliches Bedürfnis“ für eine Abordnung kann sich z. B. aus dem Verdacht einer Straftat ergeben.8 Für eine Versetzung hingegen genügt der Verdacht einer Straftat regelmäßig nicht, vielmehr muss das Fehlverhalten feststehen, da andernfalls eine Abordnung als milderes Mittel vorginge.9 Gleichwohl kommt eine Versetzung (wie auch eine Umsetzung oder Abordnung) grundsätzlich auch ohne ein Verschulden des betroffenen Beamten in Betracht10 und wäre z. B. denkbar, wenn nach einem schweren Schadensfall der konkrete Verursacher unter zwei in Betracht kommenden Beamten nicht ermittelt werden kann und das Vertrauen der Allgemeinheit in die Führung der Dienstgeschäfte nicht anders wiederhergestellt werden kann, als durch eine Versetzung beider für ein Verschulden in Betracht kommenden Beamten. 3. Suspendierung/Zwangsbeurlaubung Nach § 60 Abs. 1 Bundesbeamtengesetz ist die Zwangsbeurlaubung eines Beamten aus zwingenden dienstlichen Gründen möglich: Die oberste Dienstbehörde oder die von ihr bestimmte Behörde kann einem Beamten aus zwingenden dienstlichen Gründen die Führung seiner Dienstgeschäfte verbieten. Das Verbot erlischt, sofern nicht bis zum Ablauf von drei Monaten gegen den Beamten ein Disziplinarverfahren oder ein sonstiges auf Rücknahme der Ernennung oder auf Beendigung des Beamtenverhältnisses gerichtetes Verfahren eingeleitet worden ist. 7 Battis, Bundesbeamtengesetz, 3. Aufl., 2004, § 26 Rn. 5. 8 Schnellenbach, Beamtenrecht in der Praxis, 6. Aufl., 2005, S. 77, Rn. 101. 9 Vgl. Schnellenbach, Beamtenrecht in der Praxis, 6. Aufl., 2005, S. 77, Rn. 101; Kathke, Versetzung, Umsetzung, Abordnung und Zuweisung, Zeitschrift für Beamtenrecht 1999, 325 (329). 10 So bei Spannungslagen innerhalb einer Behörde, Schnellenbach, Beamtenrecht in der Praxis, 6. Aufl., 2005, S. 80, Rn. 105. - 6 - Ein zwingendes dienstliches Bedürfnis kann gegeben sein, wenn der Beamte unter dem Verdacht steht, eine Pflichtverletzung begangen zu haben.11 Es kann auch unabhängig von einem Verschulden des Beamten vorliegen, z. B. wenn unberechtigte Presseangriffe eine Zwangsbeurlaubung im Einzelfall erfordern.12 4. Vorläufige Dienstenthebung Für die Sanktionierung von Dienstvergehen verweist § 77 Abs. 1 S. 1 und Abs. 3 Bundesbeamtengesetz auf das Bundesdisziplinargesetz: Der Beamte begeht ein Dienstvergehen, wenn er schuldhaft die ihm obliegenden Pflichten verletzt. […] Das Nähere regelt das Bundesdisziplinargesetz. Nach § 38 Abs. 1 Bundesdisziplinargesetz kann der Beamte vorläufig des Dienstes enthoben werden, wenn ein Disziplinarverfahren mit der voraussichtlichen Folge der Entfernung aus dem Dienstverhältnis eingeleitet wird: Die für die Erhebung der Disziplinarklage zuständige Behörde kann einen Beamten gleichzeitig mit oder nach der Einleitung des Disziplinarverfahrens vorläufig des Dienstes entheben, wenn im Disziplinarverfahren voraussichtlich auf Entfernung aus dem Beamtenverhältnis […] erfolgen wird. Sie kann den Beamten außerdem vorläufig des Dienstes entheben, wenn durch sein Verbleiben im Dienst der Dienstbetrieb oder die Ermittlungen wesentlich beeinträchtigt würden und die vorläufige Dienstenthebung zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Disziplinarmaßnahme nicht außer Verhältnis steht. Für die Einleitung eines Disziplinarverfahrens ist gem. § 17 Bundesdisziplinargesetz der Verdacht eines Dienstvergehens erforderlich, d. h. zureichende tatsächliche Anhaltspunkte einer schuldhaften Pflichtverletzung. 11 Battis, Bundesbeamtengesetz, 3. Aufl., 2004, § 60 Rn. 3, unter Verweis auf Günther, Zwangsurlaub und vorläufige Dienstenthebung, ZBR 1992, 321 (328). 12 Battis, Bundesbeamtengesetz, 3. Aufl., 2004, § 60 Rn. 3, unter Verweis auf Günther, Zwangsurlaub und vorläufige Dienstenthebung, ZBR 1992, 321 (328). - 7 - 5. Entfernung aus dem Beamtenverhältnis Nach § 5 Bundesdisziplinargesetz sind bei Dienstvergehen des Beamten folgende Disziplinarmaßnahmen möglich: 1. Verweis (§ 6) 2. Geldbuße (§ 7) 3. Kürzung der Dienstbezüge (§ 8) 4. Zurückstufung (§ 9) und 5. Entfernung aus dem Beamtenverhältnis (§ 10). Welche dieser Disziplinarmaßnahmen anzuwenden ist, bestimmt sich nach § 13 Bundesdisziplinargesetz: (1) Die Entscheidung über eine Disziplinarmaßnahme ergeht nach pflichtgemäßem Ermessen. Die Disziplinarmaßnahme ist nach der Schwere des Dienstvergehens zu bemessen. Das Persönlichkeitsbild des Beamten ist angemessen zu berücksichtigen. Ferner soll berücksichtigt werden, in welchem Umfang der Beamte das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit beeinträchtigt hat. (2) Ein Beamter, der durch ein schweres Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren hat, ist aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen. Dem Ruhestandsbeamten wird das Ruhegehalt aberkannt, wenn er als noch im Dienst befindlicher Beamter aus dem Beamtenverhältnis hätte entfernt werden müssen. Die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis ist auch möglich in Fällen, die zu keiner oder zu einer geringeren Verurteilung als nach § 48 Bundesbeamtengesetz (siehe hierzu unten Nr. 6) erforderlich geführt haben, so kann z. B. auch das bloße Fernbleiben vom Dienst u. U. ein schweres Dienstvergehen darstellen.13 6. Beendigung des Beamtenverhältnisses Die Beendigung des Beamtenverhältnisses aufgrund einer vorsätzlichen Straftat regelt das Bundesbeamtengesetz in § 48 wie folgt: 13 Gansen, Disziplinarrecht in Bund und Ländern, Kommentar, Stand: Januar 2007, § 13 BDG Rn. 25k. - 8 - Das Beamtenverhältnis eines Beamten, der im ordentlichen Strafverfahren durch das Urteil eines deutschen Gerichts im Geltungsbereich dieses Gesetzes 1. wegen einer vorsätzlichen Tat zu Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr oder 2. wegen einer vorsätzlichen Tat, die nach den Vorschriften über Friedensverrat , Hochverrat, Gefährdung des demokratischen Rechtsstaates oder Landesverrat und Gefährdung der äußeren Sicherheit strafbar ist, zu Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt wird, endet mit der Rechtskraft des Urteils. Entsprechendes gilt, wenn dem Beamten die Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter aberkannt wird oder wenn der Beamte auf Grund einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gemäß Artikel 18 des Grundgesetzes ein Grundrecht verwirkt hat. 7. Schwere Schädigung Dritter Für den Fall einer schweren Schädigung oder einer Tötung Dritter besteht keine gesonderte gesetzliche Regelung, wie mit dem Beamten zu verfahren ist, der die Schädigung verursacht hat. Es finden die oben unter Nr. 2-6 genannten Regelungen Anwendung.