Musterentwurf eines Umweltschadenskostengesetzes - Ausarbeitung - © 2009 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 231/09 Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages Verfasser/in: Entwurf eines Umweltschadenskostengesetzes Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 231/09 Abschluss der Arbeit: 01. Juli 2009 Fachbereich WD 3: Verfassung und Verwaltung Telefon: Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Die Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste sind dazu bestimmt, Mitglieder des Deutschen Bundestages bei der Wahrnehmung des Mandats zu unterstützen. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W. - Zusammenfassung – Als Ergebnis der kursorischen Prüfung des Musterentwurfs eines Umweltschadenskostengesetzes ist festzuhalten, dass dieser wohl nur als Landesgesetz – gestützt auf die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz gemäß Art. 72, 74 Abs. 1 Nr. 11 Grundgesetz (GG) (Recht der Wirtschaft) - erlassen werden könnte. Für eine bundesgesetzliche Regelung dürfte es an der Erforderlichkeit gemäß Art. 72 Abs. 2 GG fehlen. Der Musterentwurf setzt – auch entsprechend dem bundesgesetzlichen Regelungsauftrag – die weiteren Vorgaben der Umwelthaftungsrichtlinie zur Kostenregelungen, Regelungen über Kostenbefreiungen und Kostenerstattungen richtlinienkonform um. Die rückwirkende Geltung des Umweltschadenskostengesetzes ist jedenfalls unter dem Gesichtspunkt des aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 2 GG) folgenden verfassungsrechtlichen Rückwirkungsverbotes unproblematisch. Inhalt 1. Einleitung 4 2. Konkurrierende Gesetzgebungskompetenz gemäß Art. 72 Abs. 1, 74 GG 6 2.1. Kompetenztitel 6 2.2. Zwischenergebnis 7 2.3. Bundesgesetzliche Regelung 7 2.3.1. Erforderlichkeit gemäß Art. 72 Abs. 2 GG 7 2.3.2. Zwischenergebnis 8 2.4. Landesgesetzliche Regelung 8 3. Richtlinienkonformität 8 3.1. Art. 8 Abs. 1 UHRL 9 3.2. Art. 8 Abs. 2 UHRL 9 3.3. Art. 8 Abs. 3 UHRL 9 3.4. Art. 8 Abs. 4 UHRL 10 3.5. Art. 10 UHRL 10 3.6. Art. 11 UHRL 10 4. Rückwirkung 10 4.1. Verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Rückwirkungen 10 4.2. Zwischenergebnis 12 5. Ergebnis 12 . - 4 - 1. Einleitung Am 14. November 2007 ist das Gesetz über die Vermeidung und Sanierung von Umweltschäden (Umweltschadensgesetz- USchG – Anlage1) in Kraft getreten. Es ist Bestandteil eines Artikelgesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2004/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über die Umwelthaftung zur Vermeidung und Sanierung von Umweltschäden (Umwelthaftungsrichtlinie – UHRL – Anlage 2).1 Im Umweltschadensgesetz werden zunächst allgemeine Grundsätze des Umweltrechts wiederholt : Umweltschäden sind zu vermeiden (vgl. § 5 USchG) und nicht vermiedene Umweltschäden sind zu sanieren (vgl. §§ 6, 8 USchG), wobei die vorrangige Verantwortlichkeit des Verursachers festgelegt wird (§ 9 USchG).2 Der Inhalt der Verantwortung und der davor liegenden Pflichten ist öffentlich-rechtlicher Natur und läuft dem privatrechtlichen Haftungsrecht voraus.3 Das Umweltschadensgesetz ist eine Ergänzung des jeweiligen Fachrechts (Naturschutz-, Wasserhaushalts- bzw. Bodenschutzrecht). Das Gesetz setzt zum einen nur einen Rahmen, der einer Konkretisierung und Ergänzung durch die fachrechtlichen Vorschriften bedarf.4 Zum anderen findet es nur subsidiär Anwendung,5 d. h. soweit andere Rechtsvorschriften des Bundes oder der Länder die Vermeidung oder Sanierung von Umweltschäden nicht näher bestimmen oder in ihren Anforderungen dem USchG nicht entsprechen (vgl. § 1 USchG). Hinsichtlich der Kosten enthält § 9 Abs. 1 USchG folgende Regelung: „§ 9 Kosten der Vermeidungs- und Sanierungsmaßnahmen (1) Der Verantwortliche trägt vorbehaltlich von Ansprüchen gegen die Behörden oder Dritte die Kosten der Vermeidungs-, Schadensbegrenzungs- und Sanierungsmaßnahmen . Für die Ausführung dieses Gesetzes durch Landesbehörden erlassen die Länder die zur Umsetzung der Richtlinie 2004/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 über Umwelthaftung zur Vermeidung und Sanierung von Umweltschäden (ABl. EU Nr. L 143 S. 56) notwendigen Kostenregelungen, Regelungen über Kostenbefreiungen und Kostenerstattungen einschließlich der Fristenregelungen ; dabei können die Länder insbesondere vorsehen, dass der Verantwortliche unter den Voraussetzungen des Artikels 8 Abs. 4 der Richtlinie 2004/35/EG die Kosten der durchgeführten Sanierungsmaßnahmen nicht zu tragen hat. Dabei berücksichtigen die 1 Becker, Bernd, Das neu Umweltschadensgesetz und das Artikelgesetz zur Umsetzung der Richtlinie über die Umwelthaftung zur Vermeidung und Sanierung von Umweltschäden, in: Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht (NVwZ) 2007, S. 1105 ff., S. 1105. 2 Becker, in: NVwZ 2007, S. 1105 ff., S. 1105. 3 Becker, in: NVwZ 2007, S. 1105 ff., S., 1109. 4 Vgl. Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Umwelthaftung zur Vermeidung und Sanierung von Umweltschäden, BT-Drs. 16/3806 vom 13. Dezember 2006, S. 19. 5 Duikers, Jan, Die Kostentragungspflicht für Vermeidungs- und Sanierungsmaßnahmen nach dem Umweltschadensgesetz, in: Umwelt- und Planungsrecht (UPR) 2008, S. 427 ff., S. 427. - 5 - Länder die besondere Situation der Landwirtschaft bei der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln .“ Diese Kostentragungsregelung beruht auf den Art. 8-10 UHRL. Nach den Vorgaben der Richtlinie trägt der Betreiber (Art. 2 Nr. 6), der im UmweltschadensG als „Verantwortlicher “ bezeichnet wird, die Kosten der gemäß der Richtlinie durchgeführten Vermeidungs - und Sanierungstätigkeiten (Art. 8 Abs. 1). Der Bundesgesetzgeber hat sich im Wesentlichen darauf beschränkt, diesen Grundsatz der Kostentragung in § 9 Abs. 1 S. 1 USchadG zu verankern. Er wird durch die Regelung zum Ausgleich unter mehreren Verantwortlichen in § 9 Abs. 2 USchadG ergänzt, die inhaltlich § 24 Abs. 2 BBodSchG entspricht.6 Die Richtlinie sieht des Weiteren vor, dass die zuständige Behörde verpflichtet ist, die entstandenen Kosten gegenüber dem Betreiber geltend zu machen (Art. 8 Abs. 2). Die Richtlinie enthält insgesamt vier Ausnahmetatbestände zur Kostentragung, die teils zwingend von den Mitgliedstaaten umzusetzen sind (Art. 8 Abs. 3 S. 1) und deren Umsetzung den Mitgliedstaaten teils freisteht (Art. 8 Abs. 4). Diese Regelungen werden von Bestimmungen über die Kostenverteilung im Falle mehrerer Verursacher (Art. 9) und über die Frist für die Kostenerstattung (Art. 10) ergänzt. Die Umsetzung der in der UHRL angelegten Detailregelungen der Kostentragung bleibt nach § 9 Abs. 1 S. 2 USchG den Ländern vorbehalten. Danach erfasst der Umsetzungsauftrag an die Länder zunächst Regelungen über die Kostenbefreiung und Kostenerstattung . Außerdem hat es der Bundesgesetzgeber den Ländern ausdrücklich freigestellt , ob sie von der in der Richtlinie vorgesehenen Option Gebrauch machen, die Ausnahmetatbestände für den sog. rechtmäßigen Normalbetrieb und das sog. Entwicklungsrisiko (Art. 8 Abs. 4 a) und b) UHRL) einzuführen.7 Nachfolgend soll ein § 9 Abs. 1 S. 2 USchG konkretisierender Mustergesetzentwurf eines Gesetzes zur Ausführung und zur Kostenregelung nach dem Umweltschadensgesetz (Umweltschadenskostengesetz – nachfolgend abgekürzt: ME USchadKostG – Anlage 3) kursorisch auf seine Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht geprüft werden . Es geht dabei im Schwerpunkt um die Aspekte der Gesetzgebungszuständigkeit, Richtlinienkonformität und Zulässigkeit rückwirkender Gesetze. 6 Duikers, in: UPR 2008, S. 427 ff., S. 428. 7 Duikers, in: UPR 2008, S. 427 ff., S.428. - 6 - 2. Konkurrierende Gesetzgebungskompetenz gemäß Art. 72 Abs. 1, 74 GG 2.1. Kompetenztitel Die Einschlägigkeit einer bestimmten Gesetzgebungskompetenz bestimmt sich im Einzelfall nach dem jeweiligen Gegenstand des Gesetzes und hier nach Hauptzweck und Kern der Regelung.8 Im Kern geht es beim Musterentwurf des Umweltschadenskostengesetzes um die im Abschnitt II geregelten Fragen der Kostentragung für die nach §§ 5 und 6 USchG erforderlichen Vermeidungs-, Schadensbegrenzungs- und Sanierungsmaßnahmen in Bezug auf Umweltschäden. Er stellt damit eine Konkretisierung des Umweltschadensgesetzes dar, wie sich auch durch den Verweis auf die wesentlichen Begrifflichkeiten dieses Gesetzes (Verantwortlicher, Kosten, Umweltschaden, berufliche Tätigkeit etc.) zeigt. Auch in seinem Anwendungsbereich ist der Musterentwurf als konkretisierende Regelung deckungsgleich mit dem Umweltschadensgesetz. Folglich bezieht er sich – wie auch in § 3 Abs. 1 USchG festgelegt – lediglich auf Schädigungen oder unmittelbare Gefahren solcher Schäden, die durch berufliche Tätigkeiten verursacht werden. Berufliche Tätigkeit ist gemäß § 2 Nr. 4 USchG jede Tätigkeit, die im Rahmen einer wirtschaftlichen Tätigkeit, einer Geschäftstätigkeit oder eines Unternehmens ausgeübt wird. Ebenso wie beim Umweltschadensgesetz kann für diesen Bereich die konkurrierende Gesetzgebungszuständigkeit gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG („Recht der Wirtschaft “) als Kompetenztitel herangezogen werden.9 Zum Recht der Wirtschaft gehören alle Normen, die das wirtschaftliche Leben und die wirtschaftliche Betätigung10 bzw. die Steuerung und Lenkung des Wirtschaftslebens insgesamt regeln.11 Dadurch, dass sich auch der Anwendungsbereich des Umweltschadenskostengesetzes auf die berufliche Tätigkeit im Sinne einer wirtschaftlichen Betätigung bezieht, gilt auch hier, dass dieses Gesetz wirtschaftsregelnde Bestimmungen enthält. Zu §§ 5 und 6 USchadG (Gefahrenabwehr - bzw. Sanierungspflicht) heißt es in der Gesetzesbegründung, dass sie die Folgen der wirtschaftlichen Tätigkeit sanktionieren und daher unter den Anwendungsbereich des Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG fallen. Hieran anknüpfend lässt sich für die Kostentragungs - und Kostenerstattungsregelungen (Abschnitt II des Musterentwurfs) argumentieren , dass diese die weiteren Folgen der ergriffenen Maßnahmen der Vermeidung, 8 Pieroth, in: Jarass, Hans/Pieroth, Bodo, GG, 10. Aufl. 2009, Art. 70 Rn. 7. 9 Vgl. BT-Drs. 16/3806, S. 15. Für die bodenschutzrechtlichen Aspekte wurde darüber hinaus beim Umweltschadensgesetz Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG, für Regelungen bestreffend eine Schädigung oder unmittelbare Gefahr einer solchen Schädigung der Gewässer wurde Art. 74 Abs. 1 Nr. 32 GG und von Arten und natürlichen Lebensräumen Art. 74 Abs. 1 Nr. 29 GG herangezogen (BT-Drs. 16/3806, S. 14 f.). 10 BVerfGE 8, 143(148 f.); 55, 274 (308), 68, 310 (330). 11 BVerfGE 11, 105 (110 ff.; 67, 256 (275). - 7 - Schadensbegrenzung und Sanierung konkretisieren und damit ebenfalls die Konsequenzen bestimmter - umweltschädigender - wirtschaftlicher Betätigung erfassen. Soweit im Abschnitt I die Möglichkeit behördlicher Anordnungen geregelt wird (§ 4 des Musterentwurfs ), handelt es sich um eine Norm zur Ordnungsgewalt der Behörden als Annex des zu regelnden Sachgebietes und ist ebenfalls von Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG erfasst.12 Vergleichbar lässt sich im Sinne einer Annexkompetenz auch für § 3 des Musterentwurfs (Pflichten der Behörden) argumentieren. 2.2. Zwischenergebnis Als Zwischenergebnis lässt sich festhalten, dass der Kompetenztitel des Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG (Recht der Wirtschaft) einschlägig ist. 2.3. Bundesgesetzliche Regelung 2.3.1. Erforderlichkeit gemäß Art. 72 Abs. 2 GG Will der Bund von seiner konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz Gebrauch machen, ist für bestimmte Kompetenztitel die Erforderlichkeitsklausel des Art. 72 Abs. 2 GG zu beachten. Dies gilt - auch nach der Föderalismusreform I - für Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG unverändert. Der Bund darf hier nur dann tätig werden, wenn und soweit dies zur Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet oder zur Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit erforderlich ist. Der Bundesgesetzgeber hat im Umweltschadensgesetz bewusst davon abgesehen, in § 9 Abs. 1 die Kostentragung und –erstattung detailliert zu regeln, sondern hat – wie unter 1. bereits dargestellt – die weitere Umsetzung der Umwelthaftungsrichtlinie den Ländern überlassen (§ 9 Abs. 1 S. 2 USchG). In Bezug auf die den Ländern übertragene Umsetzung von Art. 8 Abs. 2 UHRL (Kostenerstattungsanspruch für behördliche Maßnahmen) und den Ausnahmetatbeständen der Kostenerstattung gegenüber dem Betreiber gemäß Art. 8 Abs. 3 a) und b) UHRL ist der Begründung zu § 9 USchG13 folgend zu argumentieren, dass es wegen der Relevanz der Regelungen für die Länderfinanzen gerade keiner bundeseinheitlichen Regelung bedarf, sondern eine landesrechtliche Anpassung an die jeweilige Haushaltssituation sachgerechter erscheint. Ebenso lässt sich auch für die Umsetzung des Art. 8 Abs. 4 UHRL argumentieren, der es den Mitgliedstaaten gestattet, dass die Betreiber die Kosten der Sanierungstätigkeiten 12 BVerfGE 11, 105 (110 ff.); 67, 256 (275) 13 Siehe BT-Drs. 16/3806, S. 26. - 8 - nicht tragen, wenn sie nicht vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt haben und der Umweltschaden durch eine Emission verursacht wurde und durch - a) eine Emission oder ein Ereignis, die aufgrund einer Zulassung, die nach den zum Zeitpunkt der Emission oder des Ereignisses geltenden nationalen Rechts- und Verwaltungsvorschriften zur Umsetzung der in Anhang III aufgeführten gesetzlichen Maßnahmen der Gemeinschaft zuerkannt oder erteilt wurde, ausdrücklich erlaubt sind und deren Bedingungen in vollem Umfang entsprechen (sog. rechtmäßiger Normalbetrieb, siehe oben 1.) - b) eine Emission oder eine Tätigkeit oder jede Art der Verwendung eines Produkts im Verlauf einer Tätigkeit, bei denen der Betreiber nachweist, dass sie nach dem Stand der wissenschaftlichen und technischen Erkenntnisse zum Zeitpunkt, an dem die Emission freigesetzt oder die Tätigkeit ausgeübt wurde, nicht als wahrscheinliche Ursache von Umweltschäden angesehen wurden (sog. Entwicklungsrisiko, siehe oben 1.). Auch hier sind die Länderfinanzen berührt. Darüber hinaus kann die Erforderlichkeit einer bundesgesetzlichen Regelung auch mit dem Hinweis abgelehnt werden, dass wegen der engen tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Option nur in Ausnahmefällen eine Kostenerstattung überhaupt in Betracht kommt,14 so dass auch unter diesem Gesichtspunkt die Notwendigkeit, den Sachverhalt durch Bundesgesetz zu regeln, etwa unter Hinweis auf die Rechtseinheit, abzulehnen wäre. 2.3.2. Zwischenergebnis Für eine bundesgesetzliche Regelung entsprechend dem Musterentwurf fehlt es an der für die Inanspruchnahme der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz nach Art. 72 Abs. 1, 74 Abs. 1 Nr. 11 GG notwendigen Erforderlichkeit gemäß Art. 72 Abs. 2 GG. 2.4. Landesgesetzliche Regelung Nach Art. 72 Abs. 1 GG besitzen die Länder die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz , solange und soweit der Bund von seiner Gesetzgebungszuständigkeit nicht durch Gesetz Gebrauch gemacht hat. Hier besteht für die Länder ausdrücklich die Möglichkeit , im Rahmen des vom Bundesgesetzgeber in § 9 Abs. 1 S. 2 USchG eingeräumten Regelungsauftrag gesetzgeberisch tätig zu werden. Die Länder sind danach grundsätzlich befugt, Regelungen im Sinne des Umweltschadenskostengesetzes zu erlassen. 3. Richtlinienkonformität Allerdings müsste der Landesgesetzgeber – auch dem bundesgesetzlichen Regelungsauftrag entsprechend - die weiteren Vorgaben der Umwelthaftungsrichtlinie zur Kosten- 14 Vgl. BT-Drs. 16/3806, S. 26; Duikers, in: UPR 2008, S. 427 ff., S. 433. - 9 - regelungen, Regelungen über Kostenbefreiungen und Kostenerstattungen richtlinienkonform umsetzen. 3.1. Art. 8 Abs. 1 UHRL Das in Art. 8 Abs. 1 UHRL festgelegte Verursacherprinzip, das auch schon in § 9 Abs. 1 S. 1 USchadG niedergelegt ist, wird in § 5 Abs. 1 ME USchKostG noch einmal präzisiert . 3.2. Art. 8 Abs. 2 UHRL Die Kostenregel des § 5 Abs. 2 S. 1 ME USchKostG entspricht den Vorgaben des Art. 8 Abs. 2 UHRL. 3.3. Art. 8 Abs. 3 UHRL Nach Art. 8 Abs. 3 S. 1 UHRL hat der Betreiber bzw. Verantwortliche die Kosten der durchgeführten Vermeidungs- oder Sanierungstätigkeiten nicht zu tragen, wenn der Umweltschaden oder die unmittelbare Gefahr eines solchen Schadens - a) trotz geeigneter Sicherheitsvorkehrungen durch das Eingreifen eines Dritten verursacht wurde oder - b) auf die Befolgung von Verfügungen oder Anweisungen einer Behörde zurückzuführen ist, die nicht durch die Tätigkeit des Verantwortlichen ausgelöst wurden. Diese Vorgaben wurden in § 6 Abs. 1 ME USchadKostG 1:1 umgesetzt. Gem. Art. 8 Abs. 3 S. 2 UHRL haben die Mitgliedstaaten einen Kostenerstattungsanspruch vorzusehen, der es dem Verantwortlichen ermöglicht, in den Fällen des Art. 8 Abs. 3 S. 1 UHRL die Kosten der von ihm durchgeführten Vermeidungs- bzw. Sanierungsmaßnahmen ersetzt zu verlangen. Diese gemeinschaftsrechtliche Vorgabe wurde mit § 6 Abs. 3 ME USchdKostG erfüllt. Unproblematisch ist insoweit auch, dass von der Kostenerstattung durch das jeweilige Land der Fall einer Verursachung durch Dritte (§ 6 Abs. 1 Nr. 3 ME USchKostG) ausgenommen worden. Es bedarf insoweit keiner Kostenerstattungsregel im Umweltschadenskostengesetz , denn der Verantwortliche kann den Dritten auf der Grundlage zivilrechtlicher Haftungstatbestände, insbesondere des Deliktsrechts, in Anspruch nehmen .15 15 vgl. BT-Drs. 16/3806, S. 26; Duikers, in: UPR 2008, S, 427 ff., S. 431. - 10 - 3.4. Art. 8 Abs. 4 UHRL Der unter 2.3.1 bereits in seinem Wortlaut zitierte Art. 8 Abs. 4 UHRL mit seinen optionalen Ausnahmetatbeständen „rechtmäßiger Normalbetrieb“ (a) und „Entwicklungsrisiko “ (b) wurde durch § 6 Abs. 2 ME USchKostG 1: 1 umgesetzt. § 6 Abs. 3 ME USchKostG enthält einen Kostenerstattungsanspruch auch in diesen Fällen.16 3.5. Art. 10 UHRL Mit § 7 Abs. 1 ME USchKostG wird die Fristenregelung des Art. 10 UHRL 1:1 umgesetzt . 3.6. Art. 11 UHRL § 2 sowie § 7 Abs. 2 und § 7 Abs. 3 S. 1 ME USchadKostG setzen die Vorgabe des Art. 11 Abs. 1 UHRL richtlinienkonform um. Von der in Art. 11 Abs. 2 S. 2 UHRL formulierten Befugnis, von den betreffenden Betreibern u. a. die Bereitstellung alle erforderlichen Informationen und Daten zu verlangen, dürfte auch die in § 7 Abs. 3 S. 3 ME USchKostG enthaltene Berechtigung der Sachverständigen gedeckt sein, von den Betroffenen die erforderlichen Auskünfte und die Einsicht in die erforderlichen Unterlagen zu verlangen. 4. Rückwirkung Gemäß § 8 ME USchadKostG soll das Gesetz mit Wirkung vom 14. November 2007, d. h. rückwirkend, in Kraft treten. Aus dem in Art. 20 und i. V. m. mit dem Homogenitätsprinzip des Art. 28 GG auch für den Landesgesetzgeber verbindlichen Rechtsstaatsprinzip lässt sich jedoch unter dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes das grundsätzliche Verbot herleiten, Gesetze rückwirkend zu erlassen. 4.1. Verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Rückwirkungen Es ist zwischen echter und unechter Rückwirkung zu differenzieren. Eine echte Rückwirkung ist nach Auffassung des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts 17 dann gegeben, wenn ein Gesetz ändernd oder erstmals regelnd in bereits abge- 16 Weiterführend siehe Duikers, in: UPR 2008, S. 427 ff., S. 432 f., zu folgenden Problemen: - Legalisierungswirkung der Genehmigung und Ausschluss der Inanspruchnahme nach anderen Vorschriften des öffentlichen Rechts, insbesondere der Gefahrenabwehr, und Vereinbarkeit mit der Ausnahme des rechtmäßigen Normalbetriebes, - Einwand der Systemwidrigkeit dieses Ausnahmetatbestands im Rahmen der Gefährdungshaftung und - Einwand Unbilligkeit, Sanierungskosten der Allgemeinheit aufzubürden. 17 Grdl. BVerfGE 11, 139 (145 f.). - 11 - schlossene, der Vergangenheit angehörende Sachverhalte eingreift. Eine unechte Rückwirkung liege dagegen vor, wenn auf noch nicht abgeschlossene Sachverhalte eingewirkt wird und Rechtspositionen nachträglich entwertet würden. Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts18 hält eine echte Rückwirkung dann für gegeben, wenn die Rechtsfolgen einer Norm für einen Zeitraum eintreten sollten, der vor der Verkündung der Norm liege, wenn also eine sogenannte „Rückbewirkung von Rechtsfolgen“ vorliege und nicht nur tatbestandlich an Umstände angeknüpft werde, die vor Verkündung der Norm lägen, die Rechtsfolgen aber erst für die Zukunft gelten sollten („tatbestandliche Rückanknüpfung“). Dem terminologischen Unterschied scheint regelmäßig kein sachlicher zu entsprechen.19 An einen abgeschlossenen Sachverhalt wird mit § 7 Abs. 1 ME USchadKostG angeknüpft , denn ein Verfahren zur Kostenerstattung wird hiernach u. a. in Bezug auf alle nach dem Umweltschadensgesetz ergriffenen Maßnahmen binnen fünf Jahren ab dem Zeitpunkt des Abschlusses der Maßnahme eingeleitet. Auf diese abgeschlossenen Sachverhalte wird durch die Geltung des Gesetzes ab 14. November 2007 durch die Bestimmung einer Kostenerstattungspflicht regelnd eingegriffen, so dass es sich hier nach der Definition des Ersten Senats des BVerfG grundsätzlich um einen Fall der echten Rückwirkung handeln dürfte. Als Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens ist gemäß § 8 ME USchKostG der 14. November 2007 vorgesehen. Die Kostenerstattungspflicht gemäß § 7 Abs. 1 ME USchKostG als Rechtsfolge soll damit also auch für einen Zeitraum eintreten, der vor Verkündung der Norm liegt, so dass auch von einer Rückbewirkung von Rechtsfolgen zu sprechen ist. Eine echte Rückwirkung bzw. Rückbewirkung von Rechtsfolgen ist im Interesse des Vertrauensschutzes nachteilig Betroffener grundsätzlich unzulässig.20 Es sind jedoch Ausnahmefälle anerkannt. So wird eine echte Rückwirkung dann als zulässig erachtet, wenn der Bürger ausnahmsweise keinen Vertrauensschutz genießt. Ein derartiges Vertrauen ist etwa dann ausgeschlossen, wenn die alte Rechtslage unklar und verworren war, eine nichtige Bestimmung ohne inhaltliche Veränderung durch eine wirksame Bestimmung ersetzt wird, mit einer Veränderung zu rechnen war oder zwingende Gründe des Gemeinwohls die Rückwirkung erfordern.21 18 Grdl. BVerfGE 72, 200 (242). 19 Schulz-Fielitz, Helmuth, in: Dreier, Horst, GG, Kommentar, 2. Aufl., Bd. II, Tübingen 2006, Art. 20 Rn. 156. 20 Sachs, Michael, in: Sachs, Michael, GG, Kommentar, 5. Auflage, München 2009, Art. 20 Rn. 133. 21 Kadelbach, Stefan/Sobotta, Christoph, Umsetzung von EG-Richtlinien durch rückwirkendes Gesetz ?; in: EWS 1996, S. 11 ff., S. 12; Sachs, in: Sachs, Art. 20 Rn. 134a. - 12 - Es ist zu berücksichtigen, dass die im Musterentwurf eines Umweltschadenskostengesetzes zum Ausdruck kommenden Grundsätze einschließlich der in Rede stehenden Kostenerstattungspflicht zuvor bereits in der Umwelthaftungsrichtlinie festgelegt waren. Die Umsetzungsfrist endete gemäß Art. 19 Abs. 1 UHRL am 30. April 2007. Mit dem rückwirkenden Inkrafttreten des Umweltschadenskostengesetzes kommt der nationale Gesetzgeber – hier der jeweilige Landesgesetzgeber – letztlich nur seiner europarechtlichen Verpflichtung zur Richtlinienumsetzung nach. Eine solche bloße Bestätigung einer europarechtlich bereits bestehenden Rechtslage durch deutsche Rechtsvorschriften dürfte bereits den Tatbestand der Rückwirkung nicht erfüllen,22 zumindest aber den Vertrauensschutz des Betroffenen entfallen lassen, da mit einer solchen Regelung zu rechnen war. Hinzu kommt, dass das Erfordernis der Erfüllung gemeinschaftsrechtlicher Pflichten Gemeinwohlbezüge aufweist. Nach deutschem Verfassungsrecht ist das Rückwirkungsverbot in Bezug auf das Umweltschadenskostengesetz nicht einschlägig . Inwieweit schon die Existenz einer (hier: in Teilen) noch umsetzungsbedürftigen EG- Richtlinie den Anforderungen eines auch auf gemeinschaftsrechtlicher Ebene bestehenden Rückwirkungsverbots, dessen maßgebliches Kriterien Rechtssicherheit und insbesondere Vertrauensschutz sind,23 genügt, die Grundlage des Vertrauens in den Bestand der bisherigen nationalen Rechtslage zu beseitigen und damit dem Umsetzungsgesetzgeber Raum für rückwirkende Regelungen schafft, ist nicht abschließend geklärt .24 Zum Teil wird hier die Auffassung vertreten, dass der Zustand der Rechtsunsicherheit erst mit der vollständigen Umsetzung der Richtlinie beendet sei.25 4.2. Zwischenergebnis § 8 ME USchadKostG verstößt jedenfalls nicht gegen das aus Art. 20 Abs. 2 GG abzuleitende Rückwirkungsverbot. 5. Ergebnis Als Ergebnis der kursorischen Prüfung des Musterentwurfs eines Umweltschadenskostengesetzes ist festzuhalten, dass dieser – mangels Gesetzgebungskompetenz des Bundes - wohl nur als Landesgesetz erlassen werden könnte. Er setzt – auch entsprechend dem bundesgesetzlichen Regelungsauftrag – die weiteren Vorgaben der Umwelthaftungsrichtlinie zu Kostenregelungen, Regelungen über Kostenbefreiungen und Kostenerstattungen richtlinienkonform um. Die rückwirkende Geltung des Umweltscha- 22 So auch Sachs, in: Sachs, Art. 20 Rn. 134. 23 Vgl. Kadelbach/Sobotta, in: EWS 1996, S. 11 ff., S. 13; Sachs, in: Sachs, Art. 20 Rn. 134a. 24 Sachs, in: Sachs, Art. 20 Rn. 134a 25 Kadelbach/Sobotta, in: EWS 1996, S. 11 ff., S. 13. - 13 - desnkostengesetzes ist jedenfalls unter dem Gesichtspunkt des verfassungrechtlichen Rückwirkungsverbotes unproblematisch.