© 2020 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 – 230/20 Mindestwahlalter bei Landtagswahlen Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 – 230/20 Seite 2 Mindestwahlalter bei Landtagswahlen Aktenzeichen: WD 3 - 3000 – 230/20 Abschluss der Arbeit: 8. Oktober 2020 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 – 230/20 Seite 3 1. Fragestellung Der Sachstand befasst sich mit der Frage, in welchen Bundesländern bei Wahlen für die Landesparlamente für das aktive und passive Wahlrecht ein unterschiedliches Mindestwahlalter besteht . Weiterhin wird nach der Begründung seitens des Gesetzgebers bei einem Auseinanderfallen des Mindestwahlalters hinsichtlich des aktiven und passiven Wahlrechts gefragt. 2. Wahlrecht zu den Landtagen der Bundesländern In den Bundesländern stecken die Landesverfassungen den Rahmen für die Gestaltung des Landeswahlrechts ab. Die Länder können dabei unter Einhaltung der Wahlgrundsätze (allgemeine, unmittelbare, freie, gleiche und geheime Wahl) das Wahlverfahren und das Wahlsystem durch eigene Landeswahlgesetze und Landeswahlordnungen selbst bestimmen (Art. 28 Abs. 2 S. 2 GG).1 So sind das aktive und das passive Wahlalter in den Bundesländern unterschiedlich geregelt. In den Bundesländern Brandenburg, Bremen, Hamburg und Schleswig-Holstein besteht für die Wahlen zum Landtag jeweils ein unterschiedliches Mindestwahlalter für das aktive und passive Wahlrecht. Während das aktive Wahlrecht auf 16 Jahre abgesenkt wurde, liegt das passive Wahlrecht hingegen bei 18 Jahren. In den übrigen Bundesländern liegt das Wahl- und Wählbarkeitsalter einheitlich bei 18 Jahren. 2.1. Brandenburg Wahlberechtigt sind alle Bürgerinnen und Bürger im Sinne des Art. 3 Abs. 1 S. 1 der Verfassung des Landes Brandenburg, die am Wahltage das 16. Lebensjahr vollendet haben, § 5 Abs. 1 Nr. 1 Brandenburgisches Landeswahlgesetz (BbgLWahlG). Wählbar sind alle Bürgerinnen und Bürger, die am Wahltage das 18. Lebensjahr vollendet haben, § 8 Abs. 1 Nr. 1 BbgLWahlG.2 Die Änderung des Landeswahlgesetzes trat am 3. Februar 2012 in Kraft.3 Dadurch wird den 16- und 17-Jährigen in Brandenburg das aktive Wahlrecht für die Wahlen auf der Landesebene gewährt . Zur Begründung heißt es, dass sich die Absenkung des Wahlalters positiv auf das Interesse an Politik und demokratischen Prozessen auswirken könne. Das Alter für das passive Wahlrecht bleibe hingegen bei 18 Jahren, da die Mandatsträgerinnen und Mandatsträger Verantwor- 1 Näher Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, 16. Aufl. 2020, Art. 28 Rn. 13. 2 Wahlgesetz für den Landtag Brandenburg (Brandenburgisches Landeswahlgesetz – BbgLWahlG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 28. Januar 2004 (GVBl. I, S.30), zuletzt geändert durch Gesetz vom 12. Februar 2019 (GVBl. I/19, [Nr. 1]). 3 Siehe Brandenburg GVBl. I/2012/Nr. 8. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 – 230/20 Seite 4 tung tragen und Verpflichtungen zu erfüllen hätten, die eine persönliche Haftung zur Folge haben könne. Dazu sei die volle Geschäftsfähigkeit notwendig. Der Schutz der 16- und 17-Jährigen vor den Konsequenzen sei als höherwertig einzustufen.4 2.2. Bremen Wahlberechtigt sind nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Bremisches Wahlgesetz (BremWahlG) alle Deutschen im Sinne des Art. 116 Abs. 1 des Grundgesetzes, die am Wahltage das 16. Lebensjahr vollendet haben. Wählbar ist nach § 4 Abs. 1 BremWahlG jede oder jeder Wahlberechtigte, die oder der am Wahltage das 18. Lebensjahr vollendet hat.5 Das Wahlalter wurde im Jahr 20096 gesenkt, sodass erstmals auch alle 16- und 17-Jährigen an der Bürgerschaftswahl 2011 teilnehmen durften. Hintergrund war eine umfassende Wahlrechtsreform mit dem Zweck, die Volksgesetzgebung zu erleichtern und das Wahlrecht weiterzuentwickeln . Unter anderem sollten durch die Absenkung des Wahlalters die demokratische Teilhabe ausgebaut und bestehende Partizipationshindernisse beseitigt werden, damit das wachsende Interesse der Bürgerinnen und Bürger an der Teilhabe an politischen Entscheidungen unterstützt und gefördert werde. Eine Absenkung des passiven Wahlalters sei hingegen wegen der Probleme, die sich aus dem Spannungsfeld der Wahrnehmung des freien Mandats durch einen Minderjährigen mit dem sich aus Art. 6 Abs. 2 GG ergebenden Elternrecht ergäben, nicht vorgesehen.7 2.3. Hamburg Wahlberechtigt ist nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes über die Wahl zur Hamburgischen Bürgerschaft (BüWG HH), wer am Wahltag das 16. Lebensjahr vollendet hat. Wählbar sind nach § 10 Abs. 1 BüWG HH alle Wahlberechtigten, die am Wahltag das 18. Lebensjahr vollendet haben.8 Die Änderung des Wahlgesetzes trat am 6. März 2013 in Kraft.9 Den 16- und 17-jährigen Hamburgerinnen und Hamburgern wird mit dieser Änderung das Recht zugesprochen, an den Wahlen zur Hamburgischen Bürgerschaft und an den Bezirksversammlungswahlen teilzunehmen. Eine Herabsenkung des aktiven Wahlrechts auf das vollendete 16. Lebensjahr fördere das politische Engagement Jugendlicher und gebe ihnen die Möglichkeit, über die politische Lösung von Problemen , die sie direkt beträfen, mitzuentscheiden. Ferner wird darin ein Beitrag zur Generationen- 4 Vgl. Landtag Brandenburg, Drucksache 5/4373. 5 Bremisches Wahlgesetz (BremWahlG) vom 23. Mai 1990 (Brem.GBl. S. 321), zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 4. September 2018 (Brem.GBl. S. 411). 6 Siehe Bremen GVBl. Nr 57/2009 S. 443-446. 7 Vgl. Bremische Bürgerschaft Landtag, Drucksache 17/934. 8 Gesetz über die Wahl zur Hamburgischen Bürgerschaft in der Fassung vom 22. Juli 1986 (HmbGVBl. 1986, S. 223), zuletzt geändert durch Gesetz vom 13. September 2019 (HmbGVBl. S. 280). 9 Siehe HmbGVBl. Nr. 7/2013. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 – 230/20 Seite 5 gerechtigkeit gesehen, da die Interessen und Bedürfnisse junger Menschen als potenzielle Wählerinnen und Wähler dadurch noch stärker als bisher in den Fokus politischer Parteien rücken würden.10 2.4. Schleswig-Holstein Bei den Wahlen für den Landtag Schleswig Holstein ist nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 Landeswahlgesetz SH (LWahlG SH) wahlberechtigt, wer das 16. Lebensjahr vollendet hat. Wählbar ist nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 LWahlG SH, wer am Wahltag das 18. Lebensjahr vollendet hat.11 Die Einführung des Wahlrechts ab dem 16. Lebensjahr bei Landtagswahlen trat am 31. Mai 2013 in Kraft.12 In der Begründung wurde angeführt, dass eine Herabsetzung des Wahlalters auf 16 Jahre und der dadurch resultierenden Möglichkeit, sich früher an der politischen Gestaltung des Landes zu beteiligen, Jugendliche motivieren würde, ihre eigenen Anliegen früher in das politische Geschehen einzubringen. Gleichzeitig führe es dazu, dass die Regierenden in die Pflicht genommen würden, sich stärker um die Bedürfnisse und Interessen Jugendlicher zu kümmern und sich einzusetzen.13 3. Kommunalwahlrecht in den Bundesländern In den Ländern Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen , Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein, Thüringen besteht für die Kommunalwahlen jeweils ein unterschiedliches Mindestwahlalter für das aktive und passive Wahlrecht. Während das aktive kommunale Wahlrecht auf 16 Jahre abgesenkt wurde, liegt das passive kommunale Wahlrecht hingegen bei 18 Jahren. In den übrigen Ländern besteht für das aktive und passive kommunale Wahlrecht kein unterschiedliches Mindestwahlalter. Das Wahlalter liegt bei 18 Jahren. *** 10 Vgl. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg, Drucksache 20/474. 11 Wahlgesetz für den Landtag von Schleswig-Holstein (Landeswahlgesetz – LWahlG) in der Fassung vom 7. Oktober 1991 (GVOBl. 1991, 442), letzte berücksichtigte Änderung: § 58 geändert (Ges. v. 1. Oktober 2019, GVOBl. S. 405). 12 Siehe GVBl. 2013 Nr. 7 S. 168. 13 Vgl. Schleswig-Holsteinischer Landtag, Drucksache 18/101.