© 2016 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 230/16 Zum Schutz von Kontakten zwischen Bundestagsabgeordneten und Privaten Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 230/16 Seite 2 Zum Schutz von Kontakten zwischen Bundestagsabgeordneten und Privaten Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 230/16 Abschluss der Arbeit: 10. Oktober 2016 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 230/16 Seite 3 1. Fragestellung Gefragt wird nach dem rechtlichen Schutz von Kontakten, die Bundestagsabgeordnete im Rahmen ihrer Mandatsausübung mit Privaten, z.B. mit Interessenvertretern (Lobbyisten) pflegen. Konkret geht es um den Schutz von Informationen über „stattgefundene Treffen“. Es soll zunächst geklärt werden, ob Bundestagsabgeordnete insoweit spezifischen Informationspflichten unterliegen und dementsprechend Kontakte mit Privaten offenlegen müssen. Ferner ist darauf einzugehen, inwieweit Bundestagsabgeordnete im Rahmen ihrer allgemeinen Zeugnispflichten in gerichtlichen und außergerichtlichen Verfahren berechtigt sind, das Zeugnis über vertrauliche Kontakte zu verweigern. 2. Spezifische Informationspflichten? 2.1. Keine Informationspflichten nach dem Presserecht Aus dem Presserecht ergeben sich keine Informationspflichten von Abgeordneten hinsichtlich ihrer Mandatsausübung. Zunächst ist dabei auf die Landespressegesetze einzugehen, die unter anderem Informationsrechte der Presse beinhalten. Losgelöst von der Frage, ob Landespressegesetze überhaupt Informationspflichten auf der Bundesebene statuieren können1, ist festzuhalten, dass die Auskunftspflichten aus den Landespressegesetzen sich ausschließlich auf Behörden beziehen. Abgeordnete werden von dem Wortlaut der entsprechenden Vorschriften nicht erfasst.2 Gleiches gilt für den verfassungsunmittelbaren Anspruch der Presse, den das Bundesverwaltungsgericht in Ermangelung eines Bundespressegesetzes in seiner Rechtsprechung aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG hergeleitet hat.3 Das Gericht spricht insoweit von „behördlichen Auskunftspflichten“ und nimmt in seinen Ausführungen zur Ausgestaltung dieses verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruchs ausschließlich Bezug auf Behörden. Auch in der rechtswissenschaftlichen Literatur wird keine Erstreckung dieses Anspruchs auf die Mandatsausübung durch Abgeordnete diskutiert. Die Rechtsprechung hat vielmehr bei Anwendung des verfassungsrechtlichen Auskunftsanspruchs auf den Bundestag im Zusammenhang mit der Erteilung von Hausausweisen an Interessenvertreter betont, dass Pressevertreter nicht über den Umweg der Bundestagsverwaltung an Informationen gelangen dürfen, deren Herausgabe sie aufgrund des Schutzes der Mandatsfreiheit durch Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG von einem Bundestagsabgeordneten nicht verlangen können.4 Die Informationsbeschaffung des Abgeordneten durch Gespräche mit Interessenvertretern von Verbänden, Organisationen oder Unternehmen sei Teil des durch Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG geschützten freien Mandats. Dazu gehöre auch, dass der Bundestagsabgeordnete selbst entscheiden könne, welche Informationen er sich auf welche Weise beschafft und ob und in welchem Umfang er Dritte hierüber informiert. Der Abgeordnete unterliege damit grundsätzlich keiner Auskunftspflicht durch die Presse. Vielmehr 1 Dies verneinend BVerwG, NVwZ 2013, S. 1006 (1007 ff.). 2 Siehe bspw. § 4 Abs. 1 Berliner Pressegesetz: „Die Behörden sind verpflichtet, den Vertretern der Presse, die sich als solche ausweisen, zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgabe Auskünfte zu erteilen.“ 3 Siehe BVerwG, NVwZ 2013, S. 1006 (1009). 4 OVG Berlin-Brandenburg, NJW 2016, S. 1751 (1752). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 230/16 Seite 4 bleibe es grundsätzlich dem einzelnen Abgeordneten überlassen, wie und auf welche Weise er seine Tätigkeit in der Öffentlichkeit präsentieren möchte. 2.2. Keine Informationspflichten nach dem Informationsfreiheitsrecht Weiter ergeben sich auch aus dem Informationsfreiheitsrecht keine Informationspflichten von Abgeordneten hinsichtlich ihrer Mandatsausübung. Dies soll am Beispiel des Informationsfreiheitsgesetzes des Bundes (IFG) dargelegt werden. Informationspflichtige Stellen im Sinne des IFG sind nach § 1 Abs. 1 IFG die Behörden des Bundes sowie sonstige Bundesorgane und -einrichtungen, soweit diese öffentlich-rechtliche Verwaltungsaufgaben wahrnehmen.5 Die Mandatsausübung des einzelnen Abgeordneten stellt keine Verwaltungstätigkeit im Sinne des IFG dar.6 Sie gehört vielmehr zum spezifischen Bereich der Wahrnehmung parlamentarischer Angelegenheiten, der nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts vom Anwendungsbereich des IFG ausgenommen ist.7 Die Beschränkung des (einfachgesetzlichen) Informationsfreiheitsrechts durch die (verfassungsrechtliche ) Garantie des freien Mandats aus Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG zeigt sich darüber hinaus auch deutlich im Zusammenhang mit Informationsbegehren nach dem IFG, deren Adressat die Bundestagsverwaltung ist. So prüft die Rechtsprechung in diesem Zusammenhang stets, ob die Schutzgarantien des freien Mandats aus Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG bei einer Informationszugangsgewährung durch die Bundestagsverwaltung beeinträchtigt würden.8 3. Zeugnisverweigerungsrecht nach Art. 47 S. 1 GG Der (vertrauliche) Kontakt zu Privaten im Rahmen der Mandatsausübung wird ferner durch das in Art. 47 S. 1 GG verankerte Zeugnisverweigerungsrecht geschützt. Nach Art. 47 S. 1 GG sind die Abgeordneten des Bundestages berechtigt, „über Personen, die ihnen in ihrer Eigenschaft als Abgeordnete oder denen sie in dieser Eigenschaft Tatsachen anvertraut haben, sowie über diese Tatsachen selbst das Zeugnis zu verweigern“. Schutzgut des Zeugnisverweigerungsrechts ist dabei nicht der Dritte oder die anvertraute Information, sondern das „Vertrauensverhältnis, das im Einzelfall zwischen dem Abgeordneten und einem Dritten in Rücksicht auf die Mandatsausübung zustande gekommen ist“.9 Das Zeugnisverweigerungsrecht des Art. 47 S. 1 GG dient damit dem freien Mandat des Bundestagsabgeordneten aus Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG.10 5 Siehe hierzu Schoch, IFG, Kommentar, 2. Aufl. 2016, § 1 Rn. 89 ff. 6 So auch Schoch, Informationszugang im parlamentarischen Bereich, NVwZ 2015, S. 1 (4). 7 Siehe Schoch, IFG, Kommentar, 2. Aufl. 2016, § 1 Rn. 194, sowie BVerwG, NVwZ 2015, S. 3258 (3259). 8 Siehe etwa BVerwG, NVwZ 2015, S. 3258 (3259). 9 BVerfGE 108, S. 251 (269), Hervorhebung nicht im Original. 10 Vgl. BVerfG, NVwZ 2013, S. 1468 (1470). Siehe dazu auch Klein, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Kommentar, Stand: Mai 2008, Art. 47 Rn. 14: „Die Vertraulichkeit der amtsbezogenen Kommunikation zwischen Abgeordneten und Bürgern ist eine Voraussetzung dafür, dass dem Abgeordneten Informationen zufließen, die er für eine effektive Wahrnehmung seines Mandats benötigt: (…).“ Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 230/16 Seite 5 Das Zeugnisverweigerungsrecht des Art. 47 S. 1 GG umfasst nicht nur die anvertraute Information, sondern auch die Identität der Person, mit der eine vertrauliche Kommunikation im Rahmen der Mandatsausübung stattgefunden hat. Maßgeblich für den Schutz der Kommunikation durch das Zeugnisverweigerungsrecht aus Art. 47 S. 1 GG ist dabei der Bezug zur Mandatsausübung: Die Tatsachen, die dem Abgeordneten anvertraut werden oder die er einer anderen Person anvertraut, begründen nur dann ein von Art. 47 S. 1 GG geschütztes Vertrauensverhältnis, wenn sie in „einem unmittelbaren Zusammenhang mit der parlamentarischen Tätigkeit“ stehen.11 Zur Anwendung kommen kann das Zeugnisverweigerungsrecht aus Art. 47 S. 1 GG in allen gerichtlichen und außergerichtlichen Verfahren, in denen eine gesetzliche Zeugnispflicht besteht. In diesem Sinne sehen zahlreiche prozessrechtliche und verfahrensrechtliche Vorschriften Zeugnisverweigerungsrechte vor. Zu erwähnen sind insofern § 53 Abs. 1 Nr. 4 Strafprozessordnung, § 383 Abs. 1 Nr. 6 Zivilprozessordnung, § 98 Verwaltungsgerichtsordnung, § 102 Abs. 1 Nr. 2 Abgabenordnung, § 118 Sozialgerichtsgesetz, § 26 Abs. 3 und § 65 Verwaltungsverfahrensgesetz des Bundes, § 21 Abs. 3 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch sowie § 22 Untersuchungsausschussgesetz. Da das Zeugnisverweigerungsrecht aus Art. 47 S. 1 GG verfassungsunmittelbar gilt, haben ihre einfachgesetzlichen Ausgestaltungen für Bundestagsabgeordnete allerdings lediglich deklaratorischen Charakter.12 Fehlt es an der Zeugenstellung des Abgeordneten, da er selbst Betroffener des Verfahrens ist (z.B. als Beschuldigter eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens), greift das Zeugnisverweigerungsrecht aus Art. 47 S. 1 GG nicht.13 In diesen Fällen gelten jedoch die allgemeinen Aussageverweigerungsrechte. Ferner ist zu berücksichtigen, dass das Zeugnisverweigerungsrecht aus Art. 47 S. 1 GG zur Disposition des Bundestagsabgeordneten steht: Er ist zwar zur Zeugnisverweigerung berechtigt, aber nicht verpflichtet.14 Ende der Bearbeitung 11 Vgl. Butzer, in: Epping/Hillgruber, Beck‘scher Online-Kommentar, Grundgesetz, Stand: September 2016, Art. 47 Rn. 3; Müller-Terpitz, in: Bonner Kommentar, Grundgesetz, Stand: April 2016, Art. 47 Rn. 26 f. m.w.N. 12 Klein, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Kommentar, Stand: Mai 2008, Art. 47 Rn. 9. 13 Vgl. Müller-Terpitz, in: Bonner Kommentar, Grundgesetz, Stand: April 2016, Art. 47 Rn. 37 f. m.w.N. 14 Klein, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Kommentar, Stand: Mai 2008, Art. 47 Rn. 14, 20.