© 2016 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 230/13 Verfassungsrechtliche Zulässigkeit einer Ausschüttungssperre für Gesellschafter oder Anteilseigner privater Krankenhäuser Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 230/13 Seite 2 Gesellschafter oder Anteilseigner privater Krankenhäuser Verfasserin: Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 230/13 Abschluss der Arbeit: 24. Februar 2014 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Telefon: Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 230/13 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Geltende Rechtslage zur Finanzierung von Krankenhäusern in privater Trägerschaft 4 3. Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes für eine Begrenzung der Gewinnausschüttung 5 4. Vereinbarkeit einer Gewinnausschüttungssperre mit den Grundrechten 6 4.1. Vereinbarkeit mit der Berufsfreiheit der Krankenhausbetreiber, Art. 12 GG 6 4.2. Vereinbarkeit mit Art. 3 Abs. 1 GG 9 4.2.1. Ungleichbehandlung hinsichtlich der Trägergruppen von Krankenhäusern 9 4.2.2. Ungleichbehandlung hinsichtlich des Betätigungsfeldes der Gesellschaften 10 5. Ergebnis 10 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 230/13 Seite 4 1. Einleitung Von den insgesamt 2017 Krankenhäusern in Deutschland wurden im Jahre 2012 34,6 % in privater Trägerschaft betrieben, 29,8 % in öffentlicher und 35,6 % in freigemeinnütziger.1 Von den öffentlichen Krankenhäusern wurden im Jahr 2012 58,9 % in privatrechtlicher Form (z. B. GmbH) geführt; der Anteil öffentlicher Krankenhäuser, die als rechtlich unselbstständige Einrichtungen (z. B. Eigenbetriebe oder Regiebetriebe) betrieben werden, lag im Jahr 2012 bei 18 %. Die größten privaten Krankenhäuser bzw. Krankenhausgruppen in Deutschland sind entweder als Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) oder als Aktiengesellschaft (AG) organisiert; genannt seien die Helios Kliniken GmbH, die RHÖN-KLINIKUM AG, die Asklepios Kliniken GmbH und die Sana Kliniken AG. Gegenstand des Gutachtens soll die Frage sein, ob und wieweit der Gesetzgeber die Ausschüttung von Gewinnen oder Dividenden an die Anteilseigner dieser Krankenhausträger einschränken oder ganz verbieten könnte (im Folgenden „Gewinnausschüttungssperre“). Im Rahmen der Krankenhausfinanzierung erzielte Gewinne müssten dann stattdessen in den Betrieb des Krankenhauses (re)investiert werden. Nach der geltenden Rechtslage gelten die allgemeinen Ausschüttungsregelungen des GmbH- Gesetzes2 oder des Aktiengesetzes3; Sonderregelungen für in dieser Rechtsform betriebene Krankenhausgesellschaften bestehen nicht.4 2. Geltende Rechtslage zur Finanzierung von Krankenhäusern in privater Trägerschaft Das bestehende Krankenhausfinanzierungssystem geht von der Gleichwertigkeit der Krankenhausversorgung durch – auch – auf Gewinnerzielung ausgerichtete private wie durch öffentliche und gemeinnützige Träger aus. § 1 Abs. 2 Krankenhausfinanzierungsgesetz KHG5 normiert die Trägervielfalt6 im Krankenhausrecht auf einfachgesetzlicher Ebene und fordert, bei der Durchführung des Gesetzes insbesondere 1 Statistisches Bundesamt, Gesundheit, Grunddaten der Krankenhäuser 2012 vom 16. Oktober 2013, korrigiert am 12. November 2013, Fachserie 12/Reihe 6.1.1. S. 8. 2 Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 4123-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, das zuletzt durch Artikel 27 des Gesetzes vom 23. Juli 2013 (BGBl. I S. 2586) geändert worden ist, GmbHG. 3 Aktiengesetz vom 6. September 1965 (BGBl. I S. 1089), das durch Artikel 26 des Gesetzes vom 23. Juli 2013 (BGBl. I S. 2586) geändert worden ist (AktG). 4 Vgl. hierzu , Gewinnausschüttung im Kapitalgesellschaftsrecht – Mögliche Sonderregelungen betreffend private Krankenhäuser, Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, WD 7 – 3000 – 228/13, 2013, als Anlage anbei. 5 Krankenhausfinanzierungsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 10. April 1991 (BGBl. I S. 886), das zuletzt durch Artikel 5c des Gesetzes vom 15. Juli 2013 (BGBl. I S. 2423) geändert worden ist (KHG). 6 Hierzu im Einzelnen Quaas/Zuck, Medizinrecht, 2. Aufl. 2008, § 24 Rn. 64 ff.; , Krankenhäuser in privater Trägerschaft – Rechtsgrundlagen, verfassungsrechtliche Vorgaben und Finanzierung, Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, WD 9 – 3000 – 095/13, 2014, S. 38 f. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 230/13 Seite 5 die wirtschaftliche Sicherung freigemeinnütziger und privater Krankenhäuser zu gewährleisten. Gleichzeitig soll durch das System der Krankenhausfinanzierung ein wirtschaftlich gesundes Krankenhauswesen gesichert werden, um so eine bedarfsgerechte akutstationäre Versorgung der Bevölkerung zu sozial tragbaren Krankenhauskosten zu ermöglichen – einem nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) überaus wichtigem Gemeinwohlbelang.7 Die Mittel zur Erreichung dieser Ziele und des Gesetzeszwecks der wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser sind die staatliche Krankenhausplanung (§ 6 KHG), die Investitionskostenförderung (§§ 8, 9 KHG) unter Mitwirkung der an der Krankenhausversorgung im Land Beteiligten (§ 7 KHG) und die staatlich zu genehmigenden, von Krankenkassen und Krankenhäusern vereinbarten oder durch eine Schiedsstelle festgesetzten Pflegesätze (§§ 17, 18, 18a, 20 KHG). Investitionskosten werden nach bundes- und landesrechtlichen Vorgaben durch die Haushalte der Länder finanziert, laufende Betriebskosten tragen die Nutzer des Krankenhauses und ihre Kostenträger, d.h. die gesetzlichen Krankenkassen und privaten Krankenversicherungen.8 Das KHG regelt die gesetzlichen Rahmenbedingungen für die Finanzierung der Krankenhäuser unabhängig davon, welcher Trägergruppe sie angehören.9 Allerdings ist der erwerbswirtschaftlichen Ausrichtung privater Krankenhausträger, deren primäres Ziel die Erwirtschaftung von Gewinnen ist, durch § 5 Abs. 1 Nr. 2 KHG Grenzen gesetzt. Im Ergebnis müssen private Krankenhäuser, die von der öffentlichen Investitionskostenförderung profitieren wollen, sich in einem Mindestumfang von 40 % an der allgemeinen Versorgung vor allem sozialversicherter Patienten beteiligen.10 3. Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes für eine Begrenzung der Gewinnausschüttung Gemäß Art. 30, 70 GG liegt das Recht der Gesetzgebung bei den Ländern, soweit nicht das Grundgesetz dem Bund die Gesetzgebungsbefugnis verleiht. Die Begrenzung der Gewinnausschüttung an Anteilseigner von Krankenhäusern könnte entweder im KHG oder in den einschlägigen Spezialgesetzen des Gesellschaftsrechts, insb. AktG und GmbHG, geregelt werden. Eine Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes könnte sich aus Art. 72, 74 Abs. 1 Nr. 19a GG ergeben , der die wirtschaftliche Sicherung der Krankenhäuser in die Zuständigkeit des Bundes verweist . Art. 74 Abs. 1 Nr. 19a GG erstreckt die Kompetenz auf die Regelung der finanziellen Seite für alle Krankenhäuser unabhängig von ihrer Trägerschaft11, während gesundheitspolitische Fernziele nicht genügen, um eine Zuständigkeit zu begründen.12 Die zu prüfende Regelung könn- 7 BVerfGE 82, 209, 230; Quaas/Zuck (Fn. 6), § 25 Rn. 4 f.; (Fn. 6), S. 44 f. m.w.N. 8 Quaas/Zuck (Fn. 6), § 25 Rn. 22 f. 9 (Fn. 6), S. 12, 45 ff. 10 (Fn. 6), S. 13. 11 Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, Grundgesetz Kommentar, 12. Aufl. 2011, Art. 74 Rn. 254. 12 BVerfGE 82, 209, 232 = NJW 1990, 2306, 2309; Seiler, in: Epping/Hillgruber, Beck'scher Online-Kommentar zum Grundgesetz (Beck OK GG), 19. Ausgabe, Stand: 1. November 2013, Art. 74 Abs. 1 Nr. 19a Rn. 73. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 230/13 Seite 6 te als Sondernorm im KHG verortet werden und führte wohl jedenfalls auch zu einer Änderung einschlägiger Bestimmungen des KHG. Da damit Fragen der Krankenhausfinanzierung berührt sind, könnte sich der Bundesgesetzgeber auf Art. 74 Abs. 1 Nr. 19a GG stützen. Eine bundeseinheitliche Regelung wäre auch im Sinne des Art. 72 Abs. 2 GG erforderlich. Würden nur einige Länder eine Gewinnausschüttungssperre einführen, würde dies zu einer Verzerrung im Wettbewerb um die Krankenhausbetreiber auch zulasten der Versicherten führen und auch die Krankenhausfinanzierung innerhalb des Bundesgebietes unterschiedlich gestalten.13 Dies könnte zu einer erheblichen Veränderung der Lebensverhältnisse zwischen den verschiedenen Ländern führen, so dass eine bundeseinheitliche Gesetzgebung wohl gerechtfertigt wäre. In Betracht kommt ferner Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG, der dem Bund die konkurrierende Zuständigkeit bei der Gesetzgebung für das Recht der Wirtschaft zuweist. Hierunter fallen Gesetze mit einem Schwerpunkt im wirtschaftsregulierenden oder -lenkenden Bereich, wie es auch bei dem Gesellschaftsrecht der Fall ist.14 Änderungen des Aktiengesetzes oder des GmbH-Gesetzes, in denen Modalitäten für die Ausschüttung von Gewinnen eingeführt werden, können unter dieser Kompetenzvorschrift erlassen werden. 4. Vereinbarkeit einer Gewinnausschüttungssperre mit den Grundrechten Bestimmungen, die die Ausschüttung von Gewinnen an die Anteilseigner von Aktiengesellschaften oder die Gesellschafter einer GmbH (im Folgenden verkürzt „Anteilseigner“) begrenzen, müssten mit deren Grundrechten vereinbar sein. 4.1. Vereinbarkeit mit der Berufsfreiheit der Krankenhausbetreiber, Art. 12 GG Der wirtschaftliche Betrieb eines Krankenhauses ist als eine auf Dauer angelegte und auf Erwerb gerichtete Beschäftigung15 grundsätzlich von der Berufsfreiheit umfasst.16 Auch juristische inländische Personen des Privatrechts können gemäß Art. 19 Abs. 3 GG Träger der Berufsfreiheit sein, soweit diese „dem Wesen nach“ auf juristische Personen anwendbar ist. Dies ist der Fall, soweit ein Beruf – wie der Betrieb eines Krankenhauses – gleichermaßen von juristischen wie natürlichen Personen ausgeübt werden kann.17 Eine Gewinnausschüttungssperre greift in diese Freiheit ein. Zwar würde eine entsprechende Norm nicht primär die Ausübung des Berufs regeln, allerdings fallen auch mittelbare Eingriffe in den Schutzbereich, wenn sie schwerwiegende Auswirkungen auf die Berufsausübung haben, in 13 Zu einem ähnlichen Fall (Preisbindung von mit Plankrankenhäusern verbundenen Privatkliniken) BVerfG, Beschl. v. 20. August 2013 – 1 BvR 2402/12, 1 BvR 2684/12, NVwZ-RR 2013, 985 (986). 14 Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, Grundgesetz Kommentar, 12. Aufl. 2011, Art. 74 Rn. 104 und 107 m.w.N. 15 Zur Definition der Berufsfreiheit bei juristischen Personen BVerfGE 97, 228 (253). 16 BVerfGE 82, 209, 223. 17 BVerfGE 50, 290 (363). Ausführlich Wieland, in: Dreier, Grundgesetz Kommentar, 3. Aufl. 2013, Art. 12 Rn. 56. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 230/13 Seite 7 engem Zusammenhang mit dem Beruf stehen und objektiv eine berufsregelnde Tendenz deutlich erkennen lassen.18 Dies ist vorliegend der Fall: Die Sperre würde die Gewinnerzielungsmöglichkeiten und folgend auch die Erwerbsaussichten des Trägers erheblich einschränken oder gar komplett entziehen. Da sie unmittelbar an die Ausübung des Berufes – Krankenhausbetreiber – anknüpft und eine berufsregelende Tendenz erkennen lässt, greift sie mittelbar in den Schutzbereich der Berufsfreiheit ein. Dieser Eingriff könnte aber verfassungsrechtlich gerechtfertigt sein. Zunächst müsste er durch oder aufgrund eines Gesetzes erfolgen (Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG); diesem Erfordernis würde durch eine entsprechende gesetzliche Regelung genügt. Desweiteren müsste er mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar sein, das heißt der Eingriff müsste zur Erreichung eines legitimen Zwecks geeignet, erforderlich und angemessen sein. Je intensiver sich die Reglementierung darstellt , desto gewichtiger müssen nach der Rechtsprechung des BVerfG die Gründe des Gemeinwohls wiegen, die diese rechtfertigen sollen.19 Das Gericht unterscheidet im Sinne einer sog. Drei-Stufen-Lehre innerhalb des einheitlichen Grundrechts der Berufsfreiheit zwischen Berufsausübungsregeln und subjektiven wie objektiven Berufswahlregelungen. Berufsausübungsbeschränkungen sind dabei gerechtfertigt, wenn sie vernünftigen Zwecken des Allgemeinwohls dienen und den Berufstätigen nicht übermäßig oder unzumutbar treffen.20 Die Anforderungen an Berufswahleinschränkungen liegen höher. Regelungen zur Berufsausübung können so einschneidend sein, dass sie in ihrer wirtschaftlichen Auswirkung einer Zulassungsbeschränkung nahekommen.21 Dies hat das BVerfG in Bezug auf die Krankenhausfinanzierung angenommen , wobei es im entschiedenen Fall um die Aufnahme eines Krankenhauses in den die staatliche Ko-Finanzierung begründenden Krankenhausplan ging.22 In diesem Falle können nur Gemeinwohlbelange von hoher Bedeutung den Eingriff legitimieren.23 Mit der Gewinnausschüttungssperre würde zunächst nur die Berufsausübung reglementiert werden . Je nach Ausgestaltung, insbesondere wenn die Gewinnausschüttung gänzlich untersagt würde, wären die wirtschaftlichen Auswirkungen auf die Krankenhausbetreiber allerdings so weitgehend, dass sie gewinnorientierte Unternehmen zur vollständigen Aufgabe des Betreibens von Krankenhäusern bewegen könnte. In diesem Fall würde es sich um eine einer Zulassungsbeschränkung nahe kommende Regelung handeln. Bei der Festlegung der Regelungsziele und der Beurteilung, was zur Verwirklichung dieser Ziele für geeignet und erforderlich gehalten werden darf, steht dem Gesetzgeber ein weiter Einschät- 18 BVerfGE 70, 191 (214); Wieland (Fn. 17), Art. 12 Rn. 71. 19 Vgl. BVerfGE 7, 377 (403). 20 BVerfG, NJW 1992, 2341 (2342). 21 BVerfGE 82, 209, 229 m.w.N. 22 BVerfGE 82, 209, 229. 23 BVerfGE 82, 209, 230. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 230/13 Seite 8 zungs- und Prognosespielraum zu.24 Dabei besteht kein numerus clausus vorgegebener Gemeinschaftsgüter .25 Vielmehr sind auch Gemeinschaftsinteressen umfasst, die sich erst aus besonderen wirtschafts-, sozial- und gesellschaftspolitischen Vorstellungen und Zielen des Gesetzgebers ergeben , die er also selbst auf den Rang wichtiger Gemeinschaftsinteressen hebt. Den Anschauungen des Gesetzgebers hierüber darf die Anerkennung nur versagt werden, wenn sie offensichtlich verfehlt oder mit der Werteordnung des Grundgesetzes unvereinbar sind.26 Als legitimes Ziel für eine entsprechende Regelung käme eine Verbesserung der Leistungen für die Versicherten in den Krankenhäusern bei stabilen Gesundheitskosten in Betracht. Würden erzielte Gewinne teilweise oder ganz in das Krankenhaus reinvestiert, könnte dies zu besseren Leistungen – bspw. einem besserem Personalschlüssel bei der ärztlichen oder pflegerischen Versorgung , besseren baulichen Bedingungen oder höher bezahltem und qualifiziertem Personal – führen. Sozial tragbare Gesundheitskosten bei bedarfsgerechter Gesundheitsversorgung sind ein besonders bedeutsamer Gemeinwohlbelang, der nach der Rechtsprechung des BVerfG selbst eine Beschränkung der Berufswahl rechtfertigen könnte.27 Im Rahmen des weiten Einschätzungs- und Prognosespielraums des Gesetzgebers könnte diese Gewinnaussteuerung für die Erhöhung des Versorgungsstandards wohl nur geeignet sein, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Qualität der Versorgung in Krankenhäusern in privater Trägerschaft erheblich hinter derjenigen in anderen Trägerschaften zurücksteht und erhebliche Missstände in den privaten Krankenhäusern bestehen. Missstände in einzelnen Krankenhäusern könnten dabei eine generelle Belastung sämtlicher privater Krankenhausträger nicht rechtfertigen . Die Beurteilung dieser Frage erfordert umfassende Faktenkenntnis, die von dieser Seite nicht erbracht werden kann. Zu prüfen wäre ferner, ob diese Maßnahme erforderlich ist, um die Leistungen in den Krankenhäusern zu verbessern, ob es sich also um das mildeste Mittel handelt.28 Soweit die Gewinnausschüttung gänzlich verboten würde, entfiele für private Investoren jeglicher Anreiz, weiterhin Krankenhäuser ohne Aussicht auf Gewinnerzielung zu betreiben. Zur Verbesserung könnte aber bereits nur eine Einschränkung der Gewinnentnahmen ausreichend sein. Aber auch hier stellt sich die Frage, ob nicht gleich geeignete, die Grundrechte der Krankenhausträger aber weniger einschränkende Maßnahmen ebenso zum Ziel führten. So könnten beispielsweise eine bessere Kontrolle der gemäß § 137 SGB V29 vom Gemeinsamen Bundesausschuss beschlossenen Richtli- 24 BVerfGE 110, 141 (168); 117, 163 (189); 121, 317 (354). 25 Scholz, in: Maunz/Dürig Kommentar zum Grundgesetz, 65. Ergänzungslieferung 2012, Art. 12 Rn. 353; BVerfGE 13, 97 (107). 26 BVerfGE 13, 97 (107). 27 BVerfGE 82, 209 (230); zuletzt BVerfG, Beschl. v. 20. August 2013 – 1 BvR 2402/12, 1 BvR 2684/12, NVwZ-RR 2013, 985 (986). 28 BVerfGE 80, 1 (30). 29 Das Fünfte Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung – (Artikel 1 des Gesetzes vom 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477, 2482), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 22. Dezember 2013 (BGBl. I S. 4382) geändert worden ist. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 230/13 Seite 9 nien und Beschlüsse zur Qualitätssicherung und eine konsequente Umsetzung der möglichen Sanktionen, wie etwa eine gemäß § 137 Abs. 1 S. 2 SGB V grundsätzlich mögliche Kürzung der Leistungen oder die Kündigung eines Versorgungsvertrages nach einem negativen Prüfverfahren gemäß § 113 SGB V, zur Einhaltung der Qualitätsvorgaben ausreichen. Hierbei ist auch zu beachten , dass die strengere Überwachung der Einhaltung der Qualitätsvorgaben sowie deren Sanktionierung nur das jeweilige mangelhafte Krankenhaus betreffen, das letztlich auch aus der staatlichen Krankenhausfinanzierung entlassen werden könnte. Eine Begrenzung der Ausschüttung der Gewinne würde hingegen ausnahmslos alle Krankenhäuser in privater Trägerschaft treffen unabhängig davon, ob jedes einzelne Krankenhaus der Trägergesellschaft die Qualitätsmaßstäbe einhalten oder sogar übertreffen und ob nicht vielleicht nur Krankenhäuser anderer privater Trägergesellschafter die Qualitätsstandards verfehlten. Es erscheint äußerst fraglich, ob der Gesetzgeber trotz seines ihm eingeräumten weiten Einschätzungs - und Beurteilungsspielraums in der Lage sein wird, angesichts anderer zur Verfügung stehender Mittel die Notwendigkeit gerade der Einschränkung der Gewinnausschüttung überzeugend darzulegen. Nur ergänzend sei daher noch darauf hinzuweisen, dass eine generelle Gewinnausschüttungssperre wohl kaum für den einzelnen Krankenhausträger zumutbar und daher auch wohl nicht angemessen sein wird. Im Ergebnis bestehen erhebliche Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit einer Gewinnausschüttungsbegrenzung mit der Berufsfreiheit der Krankenhausträger. 4.2. Vereinbarkeit mit Art. 3 Abs. 1 GG Ferner stellt sich die Frage, ob eine Gewinnausschüttungssperre nicht zugleich gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG verstößt. Zum einen soll die Gewinnausschüttungssperre nur an der jeweiligen Ausgestaltung der Trägerschaft angeknüpft werden: Auf Krankenhäuser in öffentlicher oder freigemeinnütziger Trägerschaft soll sie keine Anwendung finden (hierzu unter 4.2.1). Zum anderen stellt sich die Frage, warum eine Gewinnausschüttungssperre nur Aktien- oder GmbH-Gesellschaften treffen soll, die Träger von Krankenhäusern sind, nicht jedoch auch auf Gesellschaften mit anderen Betätigungsfeldern angewendet werden soll (hierzu unter 4.2.2). 4.2.1. Ungleichbehandlung hinsichtlich der Trägergruppen von Krankenhäusern Der allgemeine Gleichheitssatz gebietet, wesentlich gleiche Sachverhalte gleich sowie wesentlich ungleiche Sachverhalte ungleich zu behandeln.30 Eine Gewinnausschüttungssperre würde lediglich an die Trägerschaft des Krankenhauses anknüpfen, so dass zwei Vergleichsgruppen – Krankenhäuser in öffentlicher oder freigemeinnütziger Trägerschaft einerseits, in privater Trägerschaft andererseits – unterschiedlich behandelt würden. Somit liegt eine verfassungsrechtlich relevante Ungleichbehandlung vor. Diese Ungleichbehandlung müsste verfassungsrechtlich gerechtfertigt werden. Nach der jüngeren Rechtsprechung des BVerfG ist für die Prüfstrenge ausschlaggebend, ob sich die Merkmale, an die die gesetzliche Differenzierung anknüpft, denen des Art. 3 Abs. 3 GG annähern, inwiefern die 30 BVerfGE 3, 58 (135f.); Heun, in: Dreier (Fn. 17), Art. 3 Rn. 20 m.w.N. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 230/13 Seite 10 Ungleichbehandlung Freiheitsrechte betrifft und inwieweit die Betroffenen in der Lage sind, die Verwirklichung der Merkmale zu beeinflussen, nach denen unterschieden wird.31 Die Anwendung einer Gewinnausschüttungssperre würde zwar nicht an Merkmale, die in Art. 3 Abs. 3 GG genannt sind, anknüpfen. Allerdings würde sie, wie unter 4.1 gesehen, erhebliche Auswirkungen auf die Berufsfreiheit haben. Wenn auch nicht jede Beeinträchtigung von Freiheitsrechten einen strengeren Prüfungsmaßstab rechtfertigt32, scheint hier der Sonderfall vorzuliegen, dass durch die ungleiche Behandlung von Krankenhäusern in privater Trägerschaft mit solchen in anderer Trägerschaft die Beeinträchtigung der Berufsfreiheit erheblich intensiviert wird, so dass die Ungleichbehandlung nach einem strengen Kontrollmaßstab zu erfolgen hat, der einer Verhältnismäßigkeitsprüfung entspricht. Allerdings würde wohl auch eine Prüfung am reinen Willkürverbot keinen sachlichen Grund erkennen lassen, der die Ungleichbehandlung rechtfertigen könnte. So müsste der Gesetzgeber nachweisen können, dass es in allen Krankenhäusern in privater Trägerschaft wegen der mangelnden Reinvestition der Gewinne zu einer schlechteren Krankenversorgung als in den Krankenhäusern in öffentlicher oder gemeinnütziger Trägerschaft komme und zugleich prognostizieren, dass ein Entzug der Gewinne durch die anderen Träger nicht zu einem Nachlassen der Qualität der Krankenversorgung führe. 4.2.2. Ungleichbehandlung hinsichtlich des Betätigungsfeldes der Gesellschaften Ferner müsste die Ungleichbehandlung zwischen solchen Gesellschaften, deren Zweck der Betrieb eines Krankenhauses ist, mit anderen Gesellschaften, die andere, ähnlich gelagerte Zwecke wie bspw. die Altenpflege verfolgen, gerechtfertigt werden. Auch hierfür lässt sich angesichts einer ähnlichen Finanzierungsstruktur (teils aus den Mitteln der Pflegebedürftigen und ihren Kostenträgern, teils aus den Mitteln der Landeshaushalte) kein sachlicher Grund erkennen. Dem Gesetzgeber würde es in einem Gesetzgebungsverfahren obliegen, entscheidende Unterschiede zwischen beiden Gruppen oder aber einen sachlichen Grund für die Ungleichbehandlung darzulegen . Im Übrigen wäre wohl auch hinsichtlich dieser Ungleichbehandlung ein strengerer Prüfungsmaßstab als das reine Willkürverbot anzulegen, da es sich um eine Einschränkung der Berufsfreiheit der Krankenhausbetreiber handelt. Die Erwägungen zur Verhältnismäßigkeit, die unter 4.1 angestellt wurden, würden wohl ergänzend greifen. 5. Ergebnis Die Einführung einer Gewinnausschüttungssperre läge wohl im Kompetenzbereich des Bundesgesetzgebers . Allerdings stößt sie auf erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken. So stellt sich im Rahmen des Eingriffs in die Berufsfreiheit bereits die Frage, ob eine (vollständige) Gewinnausschüttungssperre ein geeignetes Mittel wäre, um eine bessere Versorgung im Krankenhaus zu erzielen. Jedenfalls scheinen mildere Mittel vorzuliegen, um die Einhaltung von Qualitätsstandards durch Krankenhäuser zu überprüfen und sicherzustellen, die auch nur diejenigen Krankenhäuser (und deren Träger) belasten, die den Qualitätsstandards nicht genügen. Ferner lässt sich eine Ungleichbehandlung zwischen den verschiedenen Trägern der Krankenhäuser wohl 31 Britz, Der allgemeine Gleichheitssatz in der Rechtsprechung des BVerfG, NJW 2014, 346 (349) m.w.N. 32 Britz (Fn. 31), 349. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 230/13 Seite 11 nicht rechtfertigen, solange nicht ausreichende Tatsachen dafür dargelegt werden können, dass in allen privat geführten Krankenhäusern die Qualitätsstandards zugunsten des Gewinns vernachlässigt werden. Ferner müsste wohl eine Ungleichbehandlung darin gesehen werden, dass andere Gesellschaften mit einem ähnlichen Gesellschaftszweck – nämlich dem Betreiben von Pflegeheimen – nicht unter den Anwendungsbereich der Gewinnausschüttungssperre fielen.