© 2020 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 226/20 Rechtsfolgen von falschen Angaben bei der Einreise Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 226/20 Seite 2 Rechtsfolgen von falschen Angaben bei der Einreise Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 226/20 Abschluss der Arbeit: 21. Oktober 2020 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 226/20 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Fragestellung 4 2. Unerlaubte Einreise 4 2.1. § 14 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG : Nichtbesitz eines erforderlichen Passes oder Passersatzes 4 2.2. § 14 Abs. 1 Nr. 2a AufenthG: rechtswidrig erlangtes Visum 5 3. Rechtsfolgen der unerlaubten Einreise 6 3.1. Überprüfung, Feststellung und Sicherung der Identität, § 49 AufenthG 6 3.2. Schwerwiegendes Ausweisungsinteresse, § 54 Abs. 2 Nr. 8a AufenthG 7 3.3. Zurückschiebung, § 57 Abs. 1, 2 AufenthG 7 3.4. Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht, § 58 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG 8 3.5. Strafbarkeit bei falschen Angaben, § 95 AufenthG 8 4. Besonderheiten bei Asylbewerbern 9 4.1. Sonderregeln für die Einreise von Asylbewerbern 9 4.2. Weitere Sonderregeln 10 4.3. Rechtsfolgen falscher Angaben in Bezug auf das Asylverfahren 10 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 226/20 Seite 4 1. Fragestellung Der Sachstand befasst sich mit der Frage, welche rechtlichen Auswirkungen es hat, wenn ein „Migrant “ bei der Einreise falsche Angaben zu seiner Person macht. Die Steuerung und die Begrenzung des Zuzugs von Ausländern in die Bundesrepublik Deutschland werden durch das Aufenthaltsgesetz (AufenthG)1 geregelt (§ 1 Abs. 1 S. 1 AufenthG). Als „Migrant“ im Sinne der Fragestellung wird im Folgenden ein Ausländer verstanden, auf den das AufenthG anwendbar ist. Dies betrifft beispielsweise nicht Unionsbürger, da für diese das Freizügigkeitsgesetz/EU2 gilt und das AufenthG grundsätzlich keine Anwendung findet (§ 1 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG). Auf Asylbewerber ist das AufenthG hingegen grundsätzlich anwendbar; für sie gelten allerdings zum Teil Sonderregeln, insbesondere nach dem Asylgesetz (AsylG)3. Im Folgenden wird zunächst der Tatbestand der unerlaubten Einreise nach § 14 Abs. 1 AufenthG erläutert. Anschließend werden die Rechtsfolgen der unerlaubten Einreise dargestellt. Zum Schluss werden Besonderheiten aufgezeigt, die für Asylbewerber gelten. 2. Unerlaubte Einreise Nach § 14 Abs. 1 AufenthG ist die Einreise in das Bundesgebiet unerlaubt, wenn einer der aufgeführten Tatbestände erfüllt ist: Nichtbesitz eines erforderlichen Passes oder Passersatzes (Nr. 1), Nichtbesitz eines erforderlichen Aufenthaltstitels (Nr. 2), Einreise mittels eines rechtswidrig erlangten und aus diesem Grund zurückgenommenen oder annullierten Visums (Nr. 2a) oder Verstoß gegen ein dem Ausländer gegenüber zuvor verhängtes Einreiseverbot (Nr. 3). Im Folgenden werden die für die Fragestellung besonders relevanten Tatbestände dargestellt. Dabei handelt es sich um § 14 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2a AufenthG. 2.1. § 14 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG : Nichtbesitz eines erforderlichen Passes oder Passersatzes Ausländer dürfen nach § 3 Abs. 1 AufenthG nur in das Bundesgebiet einreisen oder sich darin aufhalten , wenn sie einen anerkannten und gültigen Pass oder Passersatz besitzen, sofern sie von der Passpflicht nicht durch Rechtsverordnung befreit sind. Im Besitz eines erforderlichen Passes oder Passersatzes ist ein Ausländer, wenn er einen nach § 71 Abs. 6 AufenthG anerkannten gültigen Pass mit sich führt oder nach § 2 Aufenthaltsverordnung (AufenthV)4 in den anerkannten Pass eines 1 Gesetz über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet (Aufenthaltsgesetz – AufenthG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl. I S. 162), zuletzt geändert durch Artikel 169 der Verordnung vom 19. Juni 2020 (BGBl. I S. 1328). 2 Gesetz über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (Freizügigkeitsgesetz/EU – FreizügG/EU) vom 30. Juli 2004 (BGBl. I S. 1950, 1986), zuletzt geändert durch Artikel 172 der Verordnung vom 19. Juni 2020 (BGBl. I S. 1328). 3 Asylgesetz (AsylG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. September 2008 (BGBl. I S. 1798), zuletzt geändert durch Artikel 3 Absatz 1 des Gesetzes vom 9. Oktober 2020 (BGBl. I S. 2075). 4 Aufenthaltsverordnung (AufenthV) vom 25. November 2004 (BGBl. I S. 2945), zuletzt geändert durch Artikel 170 der Verordnung vom 19. Juni 2020 (BGBl. I S. 1328). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 226/20 Seite 5 gesetzlichen Vertreters eingetragen ist.5 Nach den §§ 3, 4 AufenthV sind andere amtliche Ausweise (Reiseausweis, Notreiseausweis u.a.) als Passersatz zugelassen. Wird ein Pass mit falschen Personalien vorgelegt, dann fehlt es an einem gültigen Pass. Dies ergibt sich aus der primären Funktion eines Passes als Identitäts- und Grenzübertrittsdokument.6 Der Pass muss diejenigen Angaben enthalten, die eine einwandfreie Identifizierung des Passinhabers erlauben und muss dem Passinhaber ein Recht zum Grenzübertritt und zur Rückkehr in den Heimatstaat bescheinigen.7 Enthält der Pass falsche Personalien, so scheidet eine Identifizierung aus. Zudem besteht der Sinn und Zweck der Regelung in § 14 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG unter anderem darin, anhand der Identifizierung prüfen zu können, ob der Aufenthalt des Ausländers eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung darstellt.8 Fehlt die Identifizierungsmöglichkeit, so ist diese Prüfung nicht durchführbar. 2.2. § 14 Abs. 1 Nr. 2a AufenthG: rechtswidrig erlangtes Visum Ausländer benötigen für die Einreise in die Bundesrepublik grundsätzlich ein Visum gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 1, § 6 AufenthG. Das Visum ist ein spezieller Aufenthaltstitel, der nur dem Zweck der Einreise dient. Je nach Länge des angestrebten Aufenthalts wird das Visum in zwei verschiedenen Varianten erteilt: Für einen Aufenthalt von bis zu 90 Tagen gibt es das Schengenvisum, § 6 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG, das zu einem Aufenthalt im gesamten Schengenraum berechtigt. Für längerfristige Aufenthalte ist ein nationales Visum nach § 6 Abs. 3 AufenthG erforderlich. Die Erteilung des Schengenvisums richtet sich nach dem Unionsrecht. Die Voraussetzungen sind im Visakodex9 festgelegt. Die Erteilung eines nationalen Visums richtet sich nach dem deutschen Aufenthaltsrecht. Gemäß § 6 Abs. 3 S. 2 AufenthG gelten für das nationale Visum dieselben Anforderungen wie für den Aufenthaltstitel, auf den der Ausländer seinen Aufenthalt stützen will. Nach § 5 Abs. 1 Nr. 1a AufenthG setzt die Erteilung eines Visums voraus, dass die Identität und, falls er nicht zur Rückkehr in einen anderen Staat berechtigt ist, die Staatsangehörigkeit des Ausländers geklärt ist. Der Tatbestand von § 14 Abs. 1 Nr. 2a AufenthG ist unter anderem verwirklicht, wenn der Ausländer sein Visum durch unrichtige oder unvollständige Angaben erschlichen hat. Ein „Erschleichen“ liegt nur bei vorsätzlichem Handeln vor.10 Zudem liegt eine unerlaubte Einreise nach § 14 Abs. 1 Nr. 2a AufenthG nur dann vor, wenn das Visum mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen oder annulliert wurde. 5 Fränkel, in: Hofmann (Hrsg.), Ausländerrecht, 2. Aufl. 2016, § 14 AufenthG Rn. 5. 6 Winkelmann/Kolber, in: Bergmann/Dienelt (Hrsg.), Ausländerrecht, 13. Aufl. 2020, § 3 AufenthG Rn. 2. 7 Maor, in: Kluth/Heusch (Hrsg.), BeckOK Ausländerrecht, 26. Edition Stand: 1.7.2020, § 3 AufenthG Rn. 3 ff. 8 Vgl. Dollinger, in: Kluth/Heusch (Hrsg.), BeckOK Ausländerrecht, 26. Edition Stand: 1.7.2020, § 14 AufenthG vor Rn. 1. 9 Verordnung (EG) Nr. 810/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über einen Visakodex der Gemeinschaft (ABl. L 243 vom 15. September 2009, S. 1). 10 Fränkel, in: Hofmann (Hrsg.), Ausländerrecht, 2. Aufl. 2016, § 14 AufenthG Rn. 8. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 226/20 Seite 6 3. Rechtsfolgen der unerlaubten Einreise Im Zuge der Einreise prüfen die Grenzbehörden den Besitz des Passes und das Mitführen der erforderlichen Einreisepapiere.11 Ein Ausländer, der unerlaubt einreisen will, ist nach § 15 Abs. 1 AufenthG an der Grenze zurückzuweisen. Die Zurückweisung ist die Verweigerung der Einreise.12 Sie ist nur so lange möglich, wie der Grenzübertritt noch nicht beendet ist.13 Ist ein Ausländer unerlaubt eingereist, so ergeben sich daraus vielfältige Rechtsfolgen.14 Im Folgenden werden insbesondere diejenigen Rechtsfolgen dargestellt, die relevant sind, wenn die Unerlaubtheit der Einreise auf falschen Angaben beruht. 3.1. Überprüfung, Feststellung und Sicherung der Identität, § 49 AufenthG Bestehen Zweifel über die Person, das Lebensalter oder die Staatsangehörigkeit eines Ausländers , so sind nach § 49 Abs. 3 AufenthG die zur Feststellung dieser Merkmale erforderlichen Maßnahmen zu treffen, wenn dem Ausländer die Einreise erlaubt, ein Aufenthaltstitel erteilt oder die Abschiebung ausgesetzt werden soll oder es zur Durchführung anderer Maßnahmen nach dem AufenthG erforderlich ist. Außerdem sollen nach § 49 Abs. 5 AufenthG die zur Feststellung und Sicherung der Identität erforderlichen Maßnahmen unter anderem dann durchgeführt werden, wenn der Ausländer mit einem gefälschten oder verfälschten Pass oder Passersatz eingereist ist. Die zulässigen Maßnahmen ergeben sich aus § 49 Abs. 6 S. 1 AufenthG, es handelt sich um „das Aufnehmen von Lichtbildern, das Abnehmen von Fingerabdrücken sowie Messungen und ähnliche Maßnahmen, einschließlich körperlicher Eingriffe, die von einem Arzt nach den Regeln der ärztlichen Kunst zum Zweck der Feststellung des Alters vorgenommen werden, wenn kein Nachteil für die Gesundheit des Ausländers zu befürchten ist“. Die Maßnahmen sind nach § 49 Abs. 6 S. 2 AufenthG zulässig, wenn der Ausländer das 14. Lebensjahr vollendet hat. Zur Feststellung der Identität sind die Maßnahmen gemäß § 49 Abs. 6 S. 3 AufenthG nur zulässig, wenn die Identität in anderer Weise, insbesondere durch Anfragen bei anderen Behörden, nicht oder nicht rechtzeitig oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten festgestellt werden kann. Nach § 49 Abs. 8 S. 1 AufenthG ist die Identität eines Ausländers, der in Verbindung mit einer unerlaubten Einreise aufgegriffen und nicht zurückgewiesen wurde, durch erkennungsdienstliche Maßnahmen zu sichern. Dabei dürfen nur Lichtbilder und Fingerabdrücke aufgenommen werden. Bei Ausländern, die das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, dürfen nach § 49 Abs. 8 S. 2 AufenthG nur Lichtbilder angefertigt werden. 11 Dollinger, in: Kluth/Heusch (Hrsg.), BeckOK Ausländerrecht, 26. Edition Stand: 1.7.2020, § 15 AufenthG Rn. 12. 12 Dollinger, in: Kluth/Heusch (Hrsg.), BeckOK Ausländerrecht, 26. Edition Stand: 1.7.2020, § 15 AufenthG Rn. 4. 13 Kluth, in: Kluth/Heusch (Hrsg.), BeckOK Ausländerrecht, 26. Edition Stand: 1.7.2020, § 57 AufenthG Rn. 3. 14 Siehe die Übersicht bei Winkelmann/Kolber, in: Bergmann/Dienelt (Hrsg.), Ausländerrecht, 13. Aufl. 2020, § 14 AufenthG Rn. 3. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 226/20 Seite 7 3.2. Schwerwiegendes Ausweisungsinteresse, § 54 Abs. 2 Nr. 8a AufenthG Nach § 53 Abs. 1 AufenthG wird ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, ausgewiesen, wenn die Abwägung des Interesses an der Ausreise mit dem Interesse an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt. Die Ausweisung ist ein ausländerrechtlicher Verwaltungsakt, der die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts beendet, eine ggf. vorhandene Aufenthaltserlaubnis zum Erlöschen bringt (§ 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG) und somit zur Ausreisepflicht führt (§ 50 Abs. 1 AufenthG).15 Nach § 54 Abs. 2 Nr. 8a AufenthG liegt ein schwerwiegendes Ausweisungsinteresse unter anderem vor, wenn der Ausländer in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums oder eines Passersatzes gemacht hat. 3.3. Zurückschiebung, § 57 Abs. 1, 2 AufenthG § 57 Abs. 1 AufenthG ermöglicht die Zurückschiebung eines Ausländers, „der in Verbindung mit der unerlaubten Einreise über eine Grenze im Sinne des Artikels 2 Nummer 2 der Verordnung (EU) 2016/399 (Außengrenze)16 aufgegriffen wird.“ Die Zurückschiebung ergänzt das Instrument der Zurückweisung gemäß § 15 AufenthG nach erfolgter Einreise.17 Gegenüber der Abschiebung stellt die Zurückschiebung die speziellere und verfahrenstechnisch einfachere Maßnahme dar.18 Sie bedarf nämlich keiner vorherigen Androhung und Fristsetzung.19 Voraussetzung für die Zurückschiebung ist, dass eine unmittelbare zeitliche und örtliche Nähe zwischen der unerlaubten Einreise und dem Aufgreifen des Ausländers besteht.20 Die Zurückschiebung erfolgt in erster Linie in den Herkunftsstaat, ansonsten in andere aufnahmebereite oder durch Rückübernahmevereinbarungen zur Aufnahme verpflichtete Staaten.21 15 Cziersky-Reis, in: Hofmann (Hrsg.), Ausländerrecht, 2. Aufl. 2016, § 53 AufenthG Rn. 1. 16 Die Außengrenze wird in Art. 2 Nr. 2 der Verordnung (EU) 2016/399 (Schengener Grenzkodex) wie folgt definiert: „die Landgrenzen der Mitgliedstaaten, einschließlich der Fluss- und Binnenseegrenzen, der Seegrenzen und der Flughäfen sowie der Flussschifffahrts-, See- und Binnenseehäfen, soweit sie nicht Binnengrenzen sind.“ 17 Hailbronner, in: derselbe, Ausländerrecht, 113. Aktualisierung Januar 2020, § 57 AufenthG Rn. 3. 18 Hailbronner, in: derselbe, Ausländerrecht, 113. Aktualisierung Januar 2020, § 57 AufenthG Rn. 4. 19 Winkelmann/Kolber, in: Bergmann/Dienelt (Hrsg.), Ausländerrecht, 13. Aufl. 2020, § 57 AufenthG Rn. 4. 20 Fränkel, in: Hofmann (Hrsg.), Ausländerrecht, 2. Aufl. 2016, § 57 AufenthG Rn. 7. 21 Kluth, in: Kluth/Heusch (Hrsg.), BeckOK Ausländerrecht, 26. Edition Stand: 1.7.2020, § 57 AufenthG Rn. 17. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 226/20 Seite 8 3.4. Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht, § 58 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG Die Abschiebung gemäß § 58 AufenthG ist die zwangsweise Durchsetzung der Ausreisepflicht eines Ausländers durch dessen Entfernung aus dem Bundesgebiet.22 Die Ausreisepflicht besteht nach § 50 Abs. 1 AufenthG dann, wenn der Ausländer einen erforderlichen Aufenthaltstitel nicht oder nicht mehr besitzt und ein Aufenthaltsrecht nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei nicht oder nicht mehr besteht. Nach § 58 Abs. 1 S. 1 AufenthG ist der Ausländer abzuschieben, wenn die Ausreisepflicht vollziehbar ist, eine Ausreisefrist nicht gewährt wurde oder diese abgelaufen ist, und die freiwillige Erfüllung der Ausreisepflicht nicht gesichert ist oder aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung eine Überwachung der Ausreise erforderlich erscheint. Zudem dürfen der Abschiebung keine Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 1 bis 5, Abs. 7 AufenthG entgegenstehen .23 Die Ausreisepflicht ist nach § 58 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG unter anderem dann vollziehbar, wenn der Ausländer unerlaubt eingereist ist. 3.5. Strafbarkeit bei falschen Angaben, § 95 AufenthG § 95 AufenthG sieht verschiedene Straftatbestände vor. Unter anderem wird nach § 95 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft, wer entgegen § 14 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 AufenthG in das Bundesgebiet einreist. Der Tatbestand ist beispielsweise erfüllt, wenn gefälschte Einreisedokumente vorlegt werden.24 Nach § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG wird mit einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder einer Geldstrafe bestraft, wer unrichtige oder unvollständige Angaben macht oder benutzt, um für sich oder einen anderen einen Aufenthaltstitel oder eine Duldung zu beschaffen oder das Erlöschen oder die nachträgliche Beschränkung des Aufenthaltstitels oder der Duldung abzuwenden oder eine so beschaffte Urkunde wissentlich zur Täuschung im Rechtsverkehr gebraucht. Hierunter fallen verschiedene Fallkonstellationen. Oftmals geht es um die Vortäuschung der Absicht zur Aufnahme einer ehelichen Lebensgemeinschaft, um einem Ausländer so zu einem Aufenthaltstitel zu verhelfen .25 Denkbar sind aber auch Fälle, in denen unrichtige Angaben gemacht werden, die zur Erteilung eines Touristen-Visums führen, während in Wirklichkeit eine Erwerbstätigkeit angestrebt wird.26 Nach § 95 Abs. 6 AufenthG ist es einem Handeln ohne erforderlichen Aufenthaltstitel, der zu einer Strafbarkeit nach § 95 Abs. 1 Nr. 2 oder 3 AufenthG führt, gleichgestellt, wenn der Aufenthaltstitel durch Drohung, Bestechung oder Kollusion erwirkt oder durch unrichtige oder unvollständige Angaben erschlichen wurde. 22 Gericke, in: Münchener Kommentar zum Strafgesetzbuch, 3. Aufl. 2018, § 58 AufenthG Rn. 1. 23 Hocks, in: Hofmann (Hrsg.), Ausländerrecht, 2. Aufl. 2016, § 58 AufenthG Rn. 25. 24 Gericke, in: Münchener Kommentar zum Strafgesetzbuch, 3. Aufl. 2018, § 95 AufenthG Rn. 52. 25 Siehe etwa BayObLG, Beschluss vom 21.12.2000, 4 St RR 166/00, NStZ-RR 2001, 219. 26 Siehe etwa BGH, Urteil vom 11.2.2000, 3 StR 308/99, juris Rn. 21 ff. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 226/20 Seite 9 4. Besonderheiten bei Asylbewerbern 4.1. Sonderregeln für die Einreise von Asylbewerbern Die Anforderungen, die § 14 Abs. 1 AufenthG an die Einreise stellt, gelten grundsätzlich auch für Asylbewerber.27 Unter bestimmten Umständen gilt aber die Einreise eines Asylbewerbers im Nachhinein als erlaubt, auch wenn sie entgegen der Anforderungen des § 14 Abs. 1 AufenthG erfolgte. Ein Asylsuchender, der ohne erforderlichen Pass oder Aufenthaltstitel einreist, muss nach § 13 Abs. 3 S. 1 AsylG das Asylersuchen direkt an der Grenze zum Bundesgebiet vorbringen.28 Die Grenzbehörden leiten den Asylsuchenden anschließend gemäß § 18 Abs. 1 AsylG an eine zuständige Aufnahmeeinrichtung weiter.29 Der Asylsuchende erhält zum Zweck der Durchführung eines Asylverfahrens gemäß § 55 Abs. 1 S. 1 AsylG eine Aufenthaltsgestattung. Mit der Erteilung gilt die Einreise des Asylsuchenden im Sinne des § 14 Abs. 1 AufenthG als erlaubt.30 Diese Privilegierung von Asylbewerbern entfällt allerdings dann, wenn ein Fall offensichtlich missbräuchlicher Inanspruchnahme des Asylrechts vorliegt.31 Ein solcher Fall liegt unter anderem dann vor, wenn der Ausländer nach der Einreise bei Stellung eines Asylantrags durch Vortäuschung einer anderen Identität zu verschleiern versucht, dass es sich um einen Asylfolgeantrag nach § 71 AsylG handelt .32 Ist der Asylsuchende bereits unerlaubt eingereist, weil er keinen gültigen Pass oder Aufenthaltstitel besitzt und nicht an der Grenze sein Asylersuchen vorgebracht hat, so hat er sich gemäß § 13 Abs. 3 S. 2 AsylG unverzüglich bei einer Aufnahmeeinrichtung zu melden oder bei der Ausländerbehörde oder der Polizei um Asyl nachzusuchen. Ob dies „unverzüglich“ geschehen ist, richtet sich gemäß § 121 Bürgerliches Gesetzbuch danach, ob die Handlung ohne schuldhaftes Zögern erfolgte.33 Dabei ist auf die Umstände des Einzelfalls abzustellen, wobei eine Frist von vierzehn Tagen nach der Einreise als äußerste Grenze angesehen wird.34 Die unverzügliche Meldung bei einer Aufnahmeeinrichtung oder das unverzügliche Asylersuchen lässt die Einreise nicht im Nachhinein 27 Hailbronner, in: derselbe, Ausländerrecht, 93. Aktualisierung November 2020, § 14 AufenthG Rn. 25. 28 Ein Asylsuchender, der mit Pass und Aufenthaltstitel eingereist ist, kann hingegen den Asylantrag jederzeit während seines Aufenthalts stellen. 29 Dies ist nicht der Fall, wenn dem Asylsuchenden gemäß § 18 Abs. 2 AsylG die Einreise zu verweigern ist, etwa wenn er aus einem sicheren Drittstaat einreist. Reist ein Asylsuchender ohne Pass oder Passersatz über einen Flughafen ein, wird das sog. Flughafenverfahren nach § 18a Abs. 2 S. 2 AsylG durchgeführt, bei dem für die Dauer des Asylverfahrens keine Einreise erfolgt. 30 Hailbronner, in: derselbe, Ausländerrecht, 93. Aktualisierung November 2015, § 14 AufenthG Rn. 29. 31 Vgl. OVG Hamburg, Beschluss vom 23.8.1991, Bs V 100/91, juris Rn 7. 32 Vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 24.2.1995, 11 S 2257/94, juris Rn. 8. 33 Houben, in: Kluth/Heusch (Hrsg.), BeckOK Ausländerrecht, 26. Edition Stand: 1.7.2020, § 13 AsylG Rn. 25. 34 Hailbronner, in: derselbe, Ausländerrecht, 87. Aktualisierung September 2014, § 13 AsylG Rn. 40. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 226/20 Seite 10 erlaubt werden.35 Ist der Asylsuchende daher etwa mit gefälschten Dokumenten oder mittels anderer unerlaubter Methoden in das Bundesgebiet eingereist, so wird die Einreise durch die Stellung des Asylantrags nicht rechtmäßig.36 Hat das Asylverfahren ein negatives Ergebnis, so steht der Asylbewerber im Wesentlichen jedem anderen unerlaubt eingereisten Ausländer gleich. Eine Privilegierung besteht allerdings darin, dass gemäß § 95 Abs. 5 AufenthG bei Asylbewerbern die Strafbarkeit der unerlaubten Einreise aufgehoben ist.37 4.2. Weitere Sonderregeln Für Asylbewerber gelten weitere Sonderregeln in Bezug auf die Maßnahmen, die im Zusammenhang mit der Einreise angewandt werden können. Dies gilt beispielsweise für die Zurückweisung nach § 15 Abs. 1 AufenthG (siehe oben unter 3.). Ein Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, darf nach § 15 Abs. 4 S. 2 AufenthG nicht zurückgewiesen werden, solange ihm der Aufenthalt im Bundesgebiet nach den Vorschriften des Asylgesetzes gestattet ist. Die Einreise ist allerdings nach § 18 Abs. 2 AsylG unter anderem dann zu verweigern, wenn der Asylbewerber aus einem sicheren Drittstaat einreist38 oder wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass ein anderer Staat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist und ein Auf- oder Wiederaufnahmeverfahren eingeleitet wird. Liegt eine dieser Voraussetzungen vor und der Asylbewerber ist bereits unerlaubt eingereist, so ist er nach § 18 Abs. 3 AsylG zurückzuschieben, wenn er von der Grenzbehörde im grenznahen Raum in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang mit der unerlaubten Einreise angetroffen wird. 4.3. Rechtsfolgen falscher Angaben in Bezug auf das Asylverfahren Asylbewerber müssen im Zuge des Asylverfahrens bestimmte Mitwirkungspflichten erfüllen. Nach § 15 Abs. 1 AsylG trifft die Asylbewerber eine allgemeine Pflicht, an der Sachverhaltsaufklärung mitzuwirken. Diese Pflicht ist persönlich zu erfüllen und bezieht sich auch auf die Identität der Asylbewerber. Konkrete Mitwirkungspflichten in Bezug auf die Identitätsfeststellung sind darüber hinaus in § 15 Abs. 2 AsylG geregelt. Ein Verstoß gegen die Mitwirkungspflichten zur Identitätsfeststellung kann sich auf verschiedene Weise auswirken. Es besteht etwa die Möglichkeit der Durchführung des beschleunigten Verfahrens nach § 30a Abs. 1 Nr. 2 AsylG, wenn der Asylbewerber die Behörden durch falsche Angaben oder Dokumente oder durch Verschweigen wichtiger Informationen oder durch Zurückhalten von Dokumenten über seine Identität oder Staatsangehörigkeit offensichtlich getäuscht hat. Zu weiteren Rechtsfolgen im Asylverfahren siehe den Sachstand der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages, Mitwirkungspflichten bei der Identitätsfeststellung im Asylverfahren, WD 3 - 3000 - 158/16, Anlage. *** 35 Hailbronner, in: derselbe, Ausländerrecht, 93. Aktualisierung November 2015, § 14 AufenthG Rn. 30. 36 Hailbronner, in: derselbe, Ausländerrecht, 93. Aktualisierung November 2015, § 14 AufenthG Rn. 30, siehe dort auch zum Folgenden. 37 Winkelmann/Stephan, in: Bergmann/Dienelt (Hrsg.), Ausländerrecht, 13. Aufl. 2020, § 95 AufenthG Rn. 115. 38 Ausnahmen dazu sind in § 18 Abs. 4 AsylG geregelt.