WD 3 - 3000 - 225/20 (6. Oktober 2020) © 2020 Deutscher Bundestag Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Gefragt wurde, unter welchen Voraussetzungen der Erwerb der russischen Staatsangehörigkeit zusätzlich zur deutschen Staatsangehörigkeit möglich ist. Der Erwerb der russischen Staatsangehörigkeit richtet sich nach russischem Recht.1 Dagegen ist der Verlust bzw. die Beibehaltung der deutschen Staatsangehörigkeit beim Erwerb einer ausländischen Staatsangehörigkeit nach deutschem Recht zu beurteilen. Gem. § 25 Abs. 1 S. 1 Staatsangehörigkeitsgesetz (StAG)2 verliert ein deutscher Staatsangehöriger grundsätzlich kraft Gesetzes, d.h. automatisch3, mit dem freiwilligen und tatsächlichen Erwerb einer ausländischen Staatsangehörigkeit die deutsche Staatsangehörigkeit.4 Dies gilt gem. § 25 Abs. 1 S. 2 StAG nicht für den Erwerb der Staatsangehörigkeit von Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder der Schweiz. Die ebenfalls nach § 25 Abs. 1 S. 2 StAG vorgesehene Ausnahme für den Erwerb der Staatsangehörigkeit eines Staates, mit dem die Bundesrepublik Deutschland einen völkerrechtlichen Vertrag nach § 12 Abs. 3 StAG abgeschlossen hat, kennt bisher keinen Anwendungsfall: Einen solchen Vertrag hat die Bundesrepublik Deutschland noch nicht abgeschlossen.5 1 Siehe Art. 13, 14 des Gesetzes über die Staatsangehörigkeit der Russischen Föderation (Федеральный Закон О гражданстве Российской Федерации“ Nr. 62-ФЗ), vom 31. Mai 2002, zuletzt geändert durch das Gesetz Nr. 134-ФЗ vom 24. April 2020, in Russisch abrufbar unter: http://www.consultant.ru/document/cons_doc_LAW_36927/; nichtamtliche englische Übersetzung des UNHCR (Stand: 29. Juli 2017) abrufbar unter: https://www.refworld.org/docid/50768e422.html (letzter Abruf jeweils am 6. Oktober 2020). 2 Staatsangehörigkeitsgesetz in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 102-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, das zuletzt durch Artikel 4 der Verordnung vom 19. Juni 2020 (BGBl. I S. 1328) geändert worden ist. 3 Hailbronner, in: ders./Maaßen/Hecker/Kau, Staatsangehörigkeitsrecht, 6. Aufl. 2017, § 25 StAG Rn. 10. 4 Mehr zu den Voraussetzungen des § 25 Abs. 1 S. 1 StAG siehe Hailbronner, in: ders./Maaßen/Hecker/Kau (Fn. 3), § 25 Rn. 10 ff. 5 Hailbronner/Hecker, in: Hailbronner/Maaßen/Hecker/Kau (Fn. 3), § 12 StAG Rn. 52. Wissenschaftliche Dienste Kurzinformation Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit beim Erwerb einer ausländischen Staatsangehörigkeit Kurzinformation Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit beim Erwerb einer ausländischen Staatsangehörigkeit Fachbereich WD 3 (Verfassung und Verwaltung) Wissenschaftliche Dienste Seite 2 Schließlich tritt der Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit gem. § 25 Abs. 2 S. 1 StAG nicht ein, wenn durch die zuständige Behörde vor Erwerb der ausländischen Staatsangehörigkeit die Beibehaltung der deutschen Staatsangehörigkeit schriftlich genehmigt wurde (sog. Beibehaltungsgenehmigung ). Bei der Entscheidung über die Erteilung der Beibehaltungsgenehmigung ist eine Abwägung zwischen öffentlichen und privaten Belangen anzustellen, § 25 Abs. 2 S. 3 StAG. Dem öffentlichen Interesse an der Vermeidung von Mehrstaatigkeit sind die privaten Interessen des Einzelnen an der Begründung oder Beibehaltung einer doppelten oder mehrfachen Staatsangehörigkeit gegenüberzustellen, wobei die privaten Interessen prinzipiell gleichrangig sind.6 Besonderheiten ergeben sich, wenn der Antragsteller seinen dauerhaften Aufenthalt im Ausland hat. Es ist dann insbesondere zu berücksichtigen, ob der Antragsteller fortbestehende Bindungen an Deutschland glaubhaft machen kann (§ 25 Abs. 2 S. 4 StAG). Zudem ist die deutsche Auslandsvertretung anzuhören (§ 25 Abs. 2 S. 2 StAG). Einen gewöhnlichen Aufenthalt hat eine Person in der Regel in demjenigen Staat, in dem sie den Schwerpunkt der Lebensverhältnisse nicht nur vorübergehend, sondern auf lange Sicht begründet und beibehält.7 Der Erwerb der Staatsangehörigkeit der Russischen Föderation fällt zum derzeitigen Zeitpunkt nicht unter die Ausnahmen von § 25 Abs. 1 S. 2 StAG. Der zusätzliche Erwerb der russischen Staatsangehörigkeit bei Beibehaltung der deutschen ist somit nur durch die vorherige Erteilung einer Beibehaltungsgenehmigung nach § 25 Abs. 2 S. 1 StAG möglich. Die Genehmigung wird erteilt, wenn die privaten Belange gegenüber den öffentlichen Belangen überwiegen. Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn der Antragsteller dauerhaften Aufenthalt in der Russischen Föderation hat und fortbestehende Bindungen an Deutschland glaubhaft machen kann. *** 6 Weber, in: BeckOK Ausländerrecht, 26. Edition, Stand: 1. Juli 2020, § 25 StAG, Rn. 32; Hailbronner, in: ders./ Maaßen/Hecker/Kau (Fn. 3), § 25 StAG Rn. 37a m.w.N. 7 Hailbronner, in: ders./Maaßen/Hecker/Kau (Fn. 3), § 25 StAG Rn. 37b m.w.N.