WD 3 - 3000 - 224/19 (23. September 2019) © 2019 Deutscher Bundestag Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Es stellt sich die Frage, ob die Verwaltung eine Rechtsverordnung im Wege eines „Erlasses“ abändern kann. „Erlass“ ist eine andere Bezeichnung für „Verwaltungsvorschrift“.1 „Verwaltungsvorschrift“ ist kein gesetzlich definierter Terminus, sondern der im öffentlichen Recht gebräuchliche Begriff. „Verwaltungsvorschriften“ sind abstrakt-generelle Regelungen des verwaltungsinternen Bereichs.2 Sie dienen der Einheitlichkeit des Verwaltungshandelns. Rechtlich beruhen sie auf der Leitungsund Weisungskompetenz der übergeordneten Verwaltungsinstanz.3 In der Normenhierarchie stehen Verwaltungsvorschriften unterhalb von formellen Gesetzen und Rechtsverordnungen. Die Verwaltung kann daher nur Verwaltungsvorschriften erlassen, soweit diese mit Gesetzen und Rechtsverordnungen übereinstimmen (Bindung der Exekutive an Recht und Gesetz, Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz – GG). Verwaltungsvorschriften sind daher gerichtlich auf ihre Vereinbarkeit mit Gesetzen und Rechtsverordnungen grundsätzlich überprüfbar.4 Soweit eine Rechtsverordnung unbestimmte Rechtsbegriffe enthält, kann eine Verwaltungsvorschrift für eine einheitliche Auslegung der Rechtsverordnung sorgen (normeninterpretierende Verwaltungsvorschrift). Entsprechendes gilt für die Nutzung von Ermessensspielräumen auf der Rechtsfolgenseite (ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften). Die normeninterpretierende oder ermessenslenkende Verwaltungsvorschrift darf eine Rechtsverordnung weder ändern, noch einer abschließenden Rechtsverordnung weitere Regelungen hinzufügen (Art. 20 Abs. 3 GG). 1 Maurer/Waldhoff, Allgemeines Verwaltungsrecht, 19. Auflage 2017, § 24 Rn. 1. 2 Maurer/Waldhoff, Allgemeines Verwaltungsrecht, 19. Auflage 2017, § 24 Rn. 1. 3 BVerwGE 67, 292 (296). 4 Maurer/Waldhoff, Allgemeines Verwaltungsrecht, 19. Auflage 2017, § 24 Rn. 11-12, 31. Wissenschaftliche Dienste Kurzinformation Änderung von Rechtsverordnungen durch Verwaltungsvorschrift? Kurzinformation Änderung von Rechtsverordnungen durch Verwaltungsvorschrift? Fachbereich WD 3 (Verfassung und Verwaltung) Wissenschaftliche Dienste Seite 2 Eine Verwaltungsvorschrift kann nur dann rechtssatzmäßige Wirkung haben, wenn eine gesetzliche Ermächtigung besteht (normkonkretisierende Verwaltungsvorschrift). 5 Normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften „füllen aufgrund einer gesetzlichen Ermächtigung […] unbestimmte Rechtsbegriffe“ aus.6 Von einer Rechtsverordnung abweichen oder dieser eine neue Regelung hinzufügen können sie nicht (Art. 20 Abs. 3 GG). Ein Beispiel ist § 48 Abs. 1 Bundes-Immissionsschutzgesetz,7 der ausdrücklich vorsieht: „Die Bundesregierung erlässt […] mit Zustimmung des Bundesrates zur Durchführung dieses Gesetzes und der auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen des Bundes allgemeine Verwaltungsvorschriften, insbesondere über Immissionswerte […].“ Ein weiteres Beispiel ist wohl § 32 Abs. 6 Luftverkehrsgesetz (Hervorhebung durch Autor): „Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur erlässt die zur Durchführung dieses Gesetzes und der dazu ergangenen Rechtsverordnungen notwendigen allgemeinen Verwaltungsvorschriften. Allgemeine Verwaltungsvorschriften zur Durchführung der in § 31 Abs. 2 bezeichneten Aufgaben bedürfen der Zustimmung des Bundesrates. Soweit die allgemeinen Verwaltungsvorschriften dem Schutz vor Fluglärm oder dem Schutz vor Luftverunreinigungen durch Luftfahrzeuge dienen, werden sie vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur und vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit mit Zustimmung des Bundesrates erlassen.“ Normenkonkretisierende Verwaltungsvorschriften sind zu veröffentlichen.8 *** 5 Maurer/Waldhoff, Allgemeines Verwaltungsrecht, 19. Auflage 2017, § 24 Rn. 12. 6 Maurer/Waldhoff, Allgemeines Verwaltungsrecht, 19. Auflage 2017, § 24 Rn. 12. 7 Beispiel nach Maurer/Waldhoff, Allgemeines Verwaltungsrecht, 19. Auflage 2017, § 24 Rn. 12. 8 Maurer/Waldhoff, Allgemeines Verwaltungsrecht, 19. Auflage 2017, § 24 Rn. 31.