© 2019 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 220/19 Informationsgewinnung von Abgeordnetenmitarbeitern durch den Verfassungsschutz Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 220/19 Seite 2 Informationsgewinnung von Abgeordnetenmitarbeitern durch den Verfassungsschutz Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 220/19 Abschluss der Arbeit: 8. Oktober 2019 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 220/19 Seite 3 1. Fragestellung Zu den Aufgaben der Verfassungsschutzbehörden des Bundes und Länder gehört es gem. § 3 Abs. 1 Nr. 1 Bundesverfassungsschutzgesetz (BVerfSchG) insbesondere, Informationen über Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind, zu sammeln und auszuwerten. Der Sachstand befasst sich mit der Frage, ob der Verfassungsschutz zu diesem Zweck Mitarbeiter von Bundestags- bzw. Landtagsabgeordneten nutzen darf. Der Fokus liegt dabei auf der Informationsgewinnung durch das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV). 2. Zulässigkeit der Beobachtung von Abgeordneten1 Das Bundesverfassungsgericht hat in einer Entscheidung von 2013 die Voraussetzungen der Beobachtung von Abgeordneten durch das BfV dargelegt.2 Das Gericht hat klargestellt, dass das freie Mandat nach Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG auch die Freiheit der Abgeordneten von exekutiver Beobachtung, Beaufsichtigung und Kontrolle gewährleiste.3 In der Beobachtung von Abgeordneten durch Verfassungsschutzbehörden liege ein Eingriff in das freie Mandat, der jedoch im Einzelfall im Interesse des Schutzes der freiheitlichen demokratischen Grundordnung gerechtfertigt sein könne. Das Gericht betont dabei, dass der Eingriff einer Rechtsgrundlage bedürfe, die den Anforderungen des Gesetzesvorbehalts genüge und strengen Verhältnismäßigkeitsanforderungen unterliege.4 Die Befugnisnormen des BVerfSchG stellten, obwohl sie nicht ausdrücklich auf die Rechte der Abgeordneten aus Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG Bezug nähmen, eine dem Vorbehalt des Gesetzes genügende Rechtsgrundlage für die Beobachtung von Mitgliedern des Bundestages dar.5 In Bezug auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz führt das Gericht aus, dass ein Überwiegen des Interesses am Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung insbesondere dann in Betracht komme, wenn Anhaltspunkte dafür bestünden, dass der Abgeordnete sein Mandat zum Kampf gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung missbrauche oder diese aktiv und aggressiv bekämpfe.6 Das Gericht verweist auch auf die Indemnität der Abgeordneten aus Art. 46 Abs. 1 GG, die bei der Verhältnismäßigkeit im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen sei.7 1 Die Ausführungen dieses Abschnitts entstammen größtenteils der Ausarbeitung der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages, Zur Beobachtung der Bundesregierung oder einzelner ihrer Mitglieder durch den Verfassungsschutz, WD 3 - 3000 - 063/19, S. 7 f. 2 BVerfGE 134, 141. 3 BVerfGE 134, 141 (171). 4 BVerfGE 134, 141 (172, 179). 5 BVerfGE 134, 141 (186). 6 BVerfGE 134, 141 (181 f.). 7 BVerfGE 134, 141 (183). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 220/19 Seite 4 3. Zulässigkeit der Informationsgewinnung von Abgeordnetenmitarbeitern 3.1. Mittel der Informationsgewinnung des BfV Darf ein Abgeordneter nach den eben genannten Maßstäben beobachtet werden, so stellt sich die Frage, mit welchen Mitteln dies erfolgen kann. Grundsätzlich gelten für die Zulässigkeit von Maßnahmen zur Beobachtung von Abgeordneten die gleichen Maßstäbe wie bei anderen Beobachtungsobjekten . Die einschlägigen Rechtsgrundlagen der Beobachtung richten sich nach den beabsichtigten Maßnahmen. Soll die Beobachtung allein durch Sammlung und Auswertung allgemein zugänglicher Quellen erfolgen, ist für das BfV § 8 Abs. 1 BVerfSchG maßgeblich. Andere Befugnisnormen regeln etwa die heimliche Informationsbeschaffung (§ 8 Abs. 2 BVerfSchG) oder den Einsatz von verdeckten Mitarbeitern (§ 9a BVerfSchG) und Vertrauensleuten (§ 9b BVerfSchG). Gemäß § 8 Abs. 5 BVerfSchG hat das BfV von mehreren geeigneten Maßnahmen diejenige zu wählen, die den Betroffenen voraussichtlich am wenigsten beeinträchtigt. Eine Maßnahme darf zudem keinen Nachteil herbeiführen, der erkennbar außer Verhältnis zum beabsichtigten Erfolg steht. Bezüglich einer Informationsgewinnung mittels Personenbefragung ist zudem zu beachten, dass keine Auskunftsverpflichtung der befragten Personen gegenüber dem Verfassungsschutz besteht.8 3.2. Offene Informationsbeschaffung Nach § 8 Abs. 1 S. 1 BVerfSchG darf das Bundesamt die „zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlichen Informationen einschließlich personenbezogener Daten erheben, verarbeiten und nutzen, soweit nicht besondere Bestimmungen des Bundesdatenschutzgesetzes oder besondere Regelungen in diesem Gesetz entgegenstehen“. Die Vorschrift normiert die Informationsbeschaffung aus offen zugänglichen Quellen, die in der Praxis den Großteil der Informationserhebung des BfV ausmacht.9 Zu den Maßnahmen nach § 8 Abs. 1 S. 1 BVerfSchG gehört die offene Befragung von Personen, die Auskunft über Bestrebungen des Beobachtungsobjektes geben können.10 Die offene Befragung zeichnet sich dadurch aus, dass sich der Befragende als Mitarbeiter des Verfassungsschutzes zu erkennen gibt11 und keine Geheimhaltungsmaßnahmen hinsichtlich der Quelle angestellt werden.12 Eine offene Befragung von Abgeordnetenmitarbeitern ist grundsätzlich zulässig. Die offene Befragung Dritter kommt allerdings aus Gründen der Verhältnismäßigkeit in der Regel nicht in Betracht, 8 Vgl. BVerfGE 130, 151 (203 f.); Roth, in: Schenke/Graulich/Ruthig (Hrsg.), Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, § 8 BVerfSchG Rn. 14. Eine Ausnahme sind die besonderen Auskunftsverlangen nach § 8a ff. BVerfSchG, die an Telekommunikationsdienste oder bestimmte Unternehmen gerichtet werden. 9 Roth, in: Schenke/Graulich/Ruthig (Hrsg.), Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, § 8 BVerfSchG Rn. 9. 10 Roth, in: Schenke/Graulich/Ruthig (Hrsg.), Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, § 8 BVerfSchG Rn. 13. 11 Vgl. Roth, in: Schenke/Graulich/Ruthig (Hrsg.), Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, § 8 BVerfSchG Rn. 33. 12 Vgl. Roth, in: Schenke/Graulich/Ruthig (Hrsg.), Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, § 8 BVerfSchG Rn. 25. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 220/19 Seite 5 wenn eine offene Befragung des Beobachtungsobjekts selbst möglich und erfolgversprechend ist.13 Auch eine verdeckte Informationsbeschaffung ohne Personenbefragung kann für die Zielperson im Einzelfall weniger belastend sein als eine offene Befragung Dritter, etwa wenn bei der Befragung nachteilige Informationen über die Zielperson offenbart werden müssten.14 3.3. Heimliche Informationsbeschaffung mit nachrichtendienstlichen Mitteln § 8 Abs. 2 BVerfSchG bildet i.V.m. § 9 BVerfSchG die Rechtsgrundlage für die verdeckte Informationsbeschaffung mit nachrichtendienstlichen Mitteln. Nach § 8 Abs. 2 BVerfSchG darf das BfV „Methoden, Gegenstände und Instrumente zur heimlichen Informationsbeschaffung, wie den Einsatz von Vertrauensleuten und Gewährspersonen, Observationen, Bild- und Tonaufzeichnungen, Tarnpapiere und Tarnkennzeichen anwenden“. Nachrichtendienstliche Mittel sind solche, die während des Einsatzes geheim bleiben und auch nachträglich nur in Ausnahmefällen offengelegt werden.15 Erfasst sind alle Methoden, „mit denen getarnt werden soll, dass das BfV eine Information gewinnen will“.16 Die alleinige Tatsache, dass der Betroffene nicht erfährt, dass Informationen über ihn erhoben werden, macht die Informationsbeschaffung nicht zu einer heimlichen Maßnahme im Sinne von § 8 Abs. 2 BVerfSchG.17 Vielmehr müssen Verdeckungsmaßnahmen hinzukommen. Hinsichtlich des Einsatzes Dritter zur Informationsgewinnung ist vor allem der Quellenschutz von besonderer Wichtigkeit.18 Die heimliche Informationsbeschaffung umfasst auch den verdeckten Einsatz bzw. die verdeckte Befragung von Personen. Neben den – hier nicht behandelten – verdeckten Mitarbeitern nach § 9a BVerfSchG kommen insbesondere Vertrauensleute, Informanten und Gewährsleute in Betracht. 3.3.1. Vertrauensleute Die Voraussetzungen und Einzelheiten des Einsatzes von Vertrauensleuten durch das BfV wurden 2015 durch den neu eingefügten § 9b BVerfSchG näher bestimmt.19 Vertrauensleute sind nach der Legaldefinition in § 9b Abs. 1 BVerfSchG „Privatpersonen, deren planmäßige, dauerhafte 13 Vgl. BVerwG NJW 1998, 919 (920); Roth, in: Schenke/Graulich/Ruthig (Hrsg.), Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, § 8 BVerfSchG Rn. 19. 14 Vgl. BVerwG NJW 1998, 919 (920); Roth, in: Schenke/Graulich/Ruthig (Hrsg.), Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, § 8 BVerfSchG Rn. 19. 15 Roth, in: Schenke/Graulich/Ruthig (Hrsg.), Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, § 8 BVerfSchG Rn. 22. 16 Roth, in: Schenke/Graulich/Ruthig (Hrsg.), Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, § 8 BVerfSchG Rn. 25. 17 Roth, in: Schenke/Graulich/Ruthig (Hrsg.), Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, § 8 BVerfSchG Rn. 25. 18 Roth, in: Schenke/Graulich/Ruthig (Hrsg.), Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, § 8 BVerfSchG Rn. 22; siehe dazu vertiefend Droste, Handbuch des Verfassungsschutzrechts, 2007, S. 280 f. 19 Gesetz zur Verbesserung der Zusammenarbeit im Bereich des Verfassungsschutzes (BVerSchZusG) vom 17. November 2015 (BGBl. I S. 1938). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 220/19 Seite 6 Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Verfassungsschutz Dritten nicht bekannt ist“. Sie sind freie Mitarbeiter, die nicht dem Verfassungsschutz angehören, sondern „wegen ihrer Zugehörigkeit oder Nähe zu dem Beobachtungsobjekt über geheim gehaltene Interna desselben mit verfassungsschutzrechtlicher Relevanz berichten können und auf längere Zeit insgeheim, d. h. ohne Kenntnis der beobachteten Organisation oder Person, mit der Verfassungsschutzbehörde zusammenarbeiten “20. Vertrauensleute werden in der Regel nach dem Verpflichtungsgesetz21 zur Mitarbeit und Geheimhaltung verpflichtet.22 Sie unterstehen der Führung und Kontrolle durch den Verfassungsschutz . § 9b Abs. 2 S. 2 BVerfSchG enthält eine Reihe von Ausschlussgründen für die Anwerbung und den Einsatz von Personen als Vertrauensperson. Ausgeschlossen sind nach § 9b Abs. 2 S. 2 Nr. 4 BVerfSchG unter anderem Personen, die „Mitglied des Europäischen Parlaments, des Deutschen Bundestages, eines Landesparlaments oder Mitarbeiter eines solchen Mitglieds sind“. Abgeordnete auf kommunaler Ebene und ihre Mitarbeiter sind nicht erfasst.23 Die Ausschlussregelung für Bundestags- und Landtagsabgeordnete sowie ihre Mitarbeiter findet sich auch in den Landesverfassungsschutzgesetzen vieler Bundesländer, etwa in Baden-Württemberg24, Bayern25 und Nordrhein-Westfalen26. In anderen Ländern, etwa Berlin27 und Thüringen28, bezieht sich das Verbot des Einsatzes als Vertrauensperson auf alle Personen, denen ein Zeugnisverweigerungsrecht nach den §§ 53 und 53a der Strafprozessordnung (StPO) zusteht. Das Zeugnisverweigerungsrecht nach § 53 StPO 20 Roth, in: Schenke/Graulich/Ruthig (Hrsg.), Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, § 8 BVerfSchG Rn. 26 m.w.N. 21 Gesetz über die förmliche Verpflichtung nichtbeamteter Personen (Verpflichtungsgesetz) vom 2. März 1974, (BGBl. I S. 469, 547), zuletzt geändert durch § 1 Nummer 4 des Gesetzes vom 15. August 1974 (BGBl. I S. 1942). 22 Roth, in: Schenke/Graulich/Ruthig (Hrsg.), Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, § 8 BVerfSchG Rn. 29 m.w.N. 23 Blome/Sellmeier, Die neuen Regeln für den Einsatz von Vertrauensleuten durch das Bundesamt für Verfassungsschutz , DÖV 2016, 881 (885). 24 § 6a Abs. 2 S. 2 Nr. 4 Gesetz über den Verfassungsschutz in Baden-Württemberg (Landesverfassungsschutzgesetz – LVSG) in der Fassung vom 5. Dezember 2005, zuletzt geändert durch Gesetz vom 18. Dezember 2018 (GBl. S. 1552, ber. 2019 S. 33). 25 § 19 Abs. 2 S. 2 Nr. 4 Bayerisches Verfassungsschutzgesetz (BayVSG) vom 12. Juli 2016 (GVBl. S. 145, BayRS 12-1-I), zuletzt geändert durch § 1 Abs. 14 der Verordnung vom 26. März 2019 (GVBl. S. 98). 26 § 7 Abs. 1 Nr. 7 Verfassungsschutzgesetz Nordrhein-Westfalen (VSG NRW) vom 20. Dezember 1994 (GV. 1995 S. 28), zuletzt geändert durch Artikel 9 des Gesetzes vom 17. Mai 2018 (GV. S. 244). 27 § 8 Abs. 2 S. 2 Gesetz über den Verfassungsschutz in Berlin (Verfassungsschutzgesetz Berlin - VSG Bln) in der Fassung vom 25. Juni 2001 (GVBl. S. 235), zuletzt geändert durch Artikel 2 des Gesetzes vom 13.06.2018 (GVBl. S. 418). 28 § 12 Abs. 2 Nr. 2 Thüringer Gesetz zum Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung und zur Vorbeugung vor Gefahren für die freiheitliche demokratische Grundordnung (Thüringer Verfassungsschutzgesetz – ThürVerfSchG) vom 8. August 2014 (GVBl. S. 529), zuletzt geändert durch Artikel 15 des Gesetzes vom 6. Juni 2018 (GVBl. S. 229). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 220/19 Seite 7 gilt nach Abs. 1 Nr. 4 unter anderem für Mitglieder des Deutschen Bundestages oder eines Landtages , jedoch nur über die Identität von „Personen, die ihnen in ihrer Eigenschaft als Mitglieder dieser Organe oder denen sie in dieser Eigenschaft Tatsachen anvertraut haben, sowie über diese Tatsachen selbst“. Nach § 53a StPO gilt dieses Zeugnisverweigerungsrecht auch für Personen, die an der beruflichen Tätigkeit der in § 53 StPO Genannten mitwirken. Dies betrifft auch Mitarbeiter von Abgeordneten.29 3.3.2. Informanten und Gewährspersonen Informanten sind „Personen, die, möglicherweise auch rein zufällig, Kontakt zu einem Beobachtungsobjekt haben und im Einzelfall oder gelegentlich in vertraulicher Weise einen konkreten Hinweis geben“.30 Im Gegensatz zu Vertrauensleuten unterliegen sie allerdings keiner Führung durch den Verfassungsschutz und können daher nicht zur gezielten Informationsgewinnung eingesetzt werden.31 Die Definition der Gewährsperson ist nicht einheitlich. Zum Teil wird angenommen, dass auch Gewährspersonen zur Informationsgewinnung herangezogen werden.32 Der Unterschied zur Vertrauensperson liege darin, dass die Gewährsperson nicht „im Beobachtungsobjekt“ tätig werde, sondern die Informationen aufgrund eines anderen – privaten oder beruflichen – Zugangs beisteuern könne. Die Tätigkeit erfolge daher nicht dauerhaft, sondern nur gelegentlich. Die Unterscheidung zwischen Gewährspersonen und Informanten wird für die Anhänger dieser Ansicht vereinzelt darin gesehen, dass die Gewährsperson wisse, dass sie einem Nachrichtendienst Auskunft gebe, der Informant hingegen nicht.33 29 Bader, in: Karlsruher Kommentar zur StPO, 8. Auflage 2019, § 53a Rn. 5. 30 Roth, in: Schenke/Graulich/Ruthig (Hrsg.), Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, § 8 BVerfSchG Rn. 3 m.w.N. 31 Blome/Sellmeier, Die neuen Regeln für den Einsatz von Vertrauensleuten durch das Bundesamt für Verfassungsschutz , in: DÖV 2016, 881 (882). 32 Vgl. Rose-Stahl, Recht der Nachrichtendienste, 2. Aufl. 2006, S. 72; Droste, Handbuch des Verfassungsschutzrechts, 2007, S. 275; Roewer, Nachrichtendienstrecht der Bundesrepublik Deutschland, 1987, S. 122; Roth, in: Schenke/ Graulich/Ruthig (Hrsg.), Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, § 8 BVerfSchG Rn. 30, siehe dort auch zum Folgenden. 33 Droste, Handbuch des Verfassungsschutzrechts, 2007, S. 275; Roewer, Nachrichtendienstrecht der Bundesrepublik Deutschland, 1987, S. 122. Nach wohl überwiegender Ansicht handelt es sich hingegen, wenn der Befragende seine Tätigkeit für den Verfassungsschutz nicht preisgibt, um eine sog. verdeckte Befragung, siehe dazu unter 3.3.3. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 220/19 Seite 8 Nach anderer Ansicht steuern Gewährspersonen keine Informationen über verfassungsfeindliche Bestrebungen bei,34 sondern unterstützen den Verfassungsschutz auf andere Weise, etwa logistisch.35 In jedem Fall unterscheiden sich sowohl Informanten als auch Gewährspersonen von Vertrauensleuten darin, dass sie nicht der Führung des Verfassungsschutzes unterliegen.36 Die Ausschlussregelung des § 9b Abs. 2 S. 2 Nr. 4 BVerfSchG, die das Anwerben und Einsetzen von Bundestags- und Landtagsabgeordneten sowie ihren Mitarbeitern als Vertrauensleute verbietet, gilt nicht für Gewährsleute und Informanten.37 Eine Heranziehung von Abgeordnetenmitarbeitern für diese Tätigkeiten ist daher für das BfV grundsätzlich möglich. In einigen Verfassungsschutzgesetzen der Länder ist die Ausschlussregelung allerdings weitergehender als im BVerfSchG: So dürfen etwa in Bremen38, Niedersachsen39 und Nordrhein-Westfalen40 Bundes- und Landtagsabgeordnete sowie ihre Mitarbeiter weder als Vertrauenspersonen noch als geheime Informanten oder Gewährspersonen genutzt werden. Auch die bereits erwähnten in Berlin41 und Thüringen42 geltenden Verbote, Personen, die nach den §§ 53 und 53a StPO das Zeugnis verweigern dürfen, als Vertrauenspersonen einzusetzen, beziehen sich ebenso auf Informanten und Gewährspersonen. 34 Vgl. etwa Blome/Sellmeier, Die neuen Regeln für den Einsatz von Vertrauensleuten durch das Bundesamt für Verfassungsschutz , in: DÖV 2016, 881 (883). 35 Vgl. etwa BT-Drs. 18/4654, S. 26; Abschlussbericht der Bund-Länder-Kommission Rechtsterrorismus vom 30. April 2013, Rn. 191; Blome/Sellmeier, Die neuen Regeln für den Einsatz von Vertrauensleuten durch das Bundesamt für Verfassungsschutz, in: DÖV 2016, 881 (883). Vgl. auch die entsprechende Definition der Gewährsperson im Thüringer Verfassungsschutzgesetz, § 12 Abs. 1 Nr. 3 ThürVerfSchG. 36 Vgl. BT-Drs. 18/4654, S. 26. 37 BT-Drs. 18/4654, S. 26; Lampe, Die Schwierigkeiten mit der Rechtfertigung nachrichtendienstlicher Tätigkeit, in: NStZ 2015, 361 (367). 38 § 8b Abs. 1 Nr. 8 Gesetz über den Verfassungsschutz im Lande Bremen (Bremisches Verfassungsschutzgesetz – BremVerfSchG) vom 17. Dezember 2013 (GBl. S. 769, 2014 S. 228), zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 2. April 2019 (GBl. S. 169). 39 § 16 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 Niedersächsisches Verfassungsschutzgesetz (NVerfSchG) vom 15. September 2016 (GVBl. S. 194), zuletzt geändert durch Gesetz vom 20. Mai 2019 (Nds. GVBl. S. 88). 40 § 7 Abs. 1 Nr. 7 Verfassungsschutzgesetz Nordrhein-Westfalen (VSG NRW) vom 20. Dezember 1994 (GV. 1995 S. 28), zuletzt geändert durch Artikel 9 des Gesetzes vom 17. Mai 2018 (GV. S. 244). 41 § 8 Abs. 2 S. 2 VSG Bln. 42 § 12 Abs. 2 Nr. 2 ThürVerfSchG. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 220/19 Seite 9 3.3.3. Verdeckte Befragung Dritter Zur heimlichen Informationsbeschaffung gemäß § 8 Abs. 2 BVerfSchG gehört auch die verdeckte Befragung der Zielperson oder Dritter, bei der sich der Befragende nicht als Mitarbeiter des Verfassungsschutzes zu erkennen gibt.43 Mangels entsprechenden Ausschlusses im BVerfSchG ist die verdeckte Befragung von Abgeordnetenmitarbeitern grundsätzlich zulässig. *** 43 Roth, in: Schenke/Graulich/Ruthig (Hrsg.), Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, § 8 BVerfSchG Rn. 33 m.w.N.