© 2014 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 219/14 Überlegungen zur Schaffung eines „Finanz-TÜV“ Haftungsfragen und Rückholung nicht-zulassungsfähiger Finanzinstrumente Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 219/14 Seite 2 Überlegungen zur Schaffung eines „Finanz-TÜV“ Haftungsfragen und Rückholung nicht-zulassungsfähiger Finanzinstrumente Verfasser/in: Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 219/14 Abschluss der Arbeit: 28.10.2014 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Telefon: Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 219/14 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Haftung eines staatlichen „Finanz-TÜV“ 4 2.1. Grundsätze der Amtshaftung 4 2.2. Denkbare Haftungskonstellationen 6 2.3. Rechtliche Beurteilung der Haftungskonstellationen 6 2.3.1. Legislatives bzw. normatives Unrecht 7 2.3.2. Fehlerhafte Rechtsanwendung 7 2.4. Sondergesetzliche Haftungsausschlüsse und -beschränkungen 8 3. Rückholung nicht-zulassungsfähiger Finanzinstrumente 9 3.1. Berufsfreiheit der Finanzinstitute 9 3.2. Eigentumsfreiheit der Anleger 10 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 219/14 Seite 4 1. Einleitung Im Zusammenhang mit Überlegungen zur Schaffung eines „Finanz-TÜV“, der die Zulassung von Finanzinstrumenten und deren Bewertung anhand von Risikogruppen zur Aufgabe haben soll, wird gefragt, in welchen Konstellationen ein Haftungsrisiko für einen solchen „Finanz-TÜV“ entstehen und wie diesem begegnet werden kann. Ferner wird gefragt, ob bzw. unter welchen Voraussetzungen eine Rückholung von solchen Finanzinstrumenten möglich ist, die sich im Umlauf befinden, die nach den Kriterien des „Finanz-TÜV“ jedoch nicht zulassungsfähig sind. Angesichts der Vielfältigkeit von Finanzinstrumenten1 und des Umstandes, dass derzeit noch kein entsprechender Gesetzentwurf existiert, können im Folgenden lediglich die rechtlichen Rahmenbedingungen dargestellt werden. 2. Haftung eines staatlichen „Finanz-TÜV“ 2.1. Grundsätze der Amtshaftung Die Haftung eines staatlichen „Finanz-TÜV“ für Fehler bei der Zulassung bzw. Einstufung von Finanzinstrumenten bestimmt sich nach dem Staatshaftungsrecht. Das Staatshaftungsrecht setzt sich zusammen aus unterschiedlichen gesetzesrechtlichen, gewohnheitsrechtlichen und richterrechtlichen Grundsätzen und Regeln.2 Einen Schwerpunkt bildet dabei der Amtshaftungsanspruch bei rechtswidrigem schuldhaftem Verhalten eines Beamten oder eines sonstigen öffentlichen Bediensteten im hoheitlichen Bereich. Die Amtshaftung ist in § 839 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) geregelt und in Art. 34 Grundgesetz (GG) verfassungsrechtlich verankert. Beide Normen bilden eine einheitliche Anspruchsgrundlage. Die Haftung trifft zunächst den Beamten selbst, wird aber vom Staat übernommen. Aufgrund dieser Haftungsübernahme hat der Staat an der Stelle des Beamten den Schaden zu ersetzen. Zentrale Anspruchsvoraussetzung der Amtshaftung stellt die „Ausübung eines öffentlichen Amtes“ i.S.v. Art. 34 GG dar. Maßgeblich hierfür ist nicht der Rechtsstatus der handelnden Person, sondern die von ihr wahrgenommene Aufgabe.3 Umstritten ist, ob ein öffentliches Amt auch dann wahrgenommen wird, wenn staatliche Aufgaben in privatrechtlichen Handlungsformen wahrgenommen werden.4 Die Rechtsprechung und die herrschende Lehre verneinen dies und nehmen nur dann die Wahrnehmung eines öffentlichen Amtes an, wenn öffentlich-rechtlich gehandelt wird.5 Allgemein anerkannt ist hingegen, dass im Falle einer Beleihung ein öffentliches 1 Das Kreditwesengesetz (KWG) fasst unter den Begriff der Finanzinstrumente beispielsweise Wertpapiere, Geldmarktinstrumente , Devisen oder Rechnungseinheiten sowie Derivate, siehe § 1 Abs. 11 KWG. 2 Vgl. hierzu den Überblick bei Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 18. Aufl. 2011, § 25 Rn. 1 ff. 3 Siehe hierzu von Danwitz, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, 6. Aufl. 2010, Art. 34 Rn. 57 ff. 4 Wolff/Bachof/Stober/Kluth, Verwaltungsrecht II, 7. Aufl. 2010, § 67 Rn. 19 ff. 5 BGH, NJW 1990, 2675 (2675); Papier, in: Säcker/Rixecker (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 6. Aufl. 2013, § 839 Rn. 144 f. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 219/14 Seite 5 Amt ausgeübt wird.6 Dies betrifft unter anderem auch die Aufgabenwahrnehmung von TÜV und DEKRA.7 Ausgelöst wird die Haftung durch die Verletzung einer Amtspflicht, d.h. durch ein amtspflichtwidriges Verhalten. Die Rechtsprechung hat verschiedene zu beachtende Amtspflichten herausgearbeitet , beispielsweise die Amtspflicht zu rechtmäßigem Handeln, zu zuständigkeits- und verfahrensgemäßem Handeln und zu verhältnismäßigem Verhalten.8 Erforderlich ist weiter, dass die Amtspflicht gegenüber dem Geschädigten bestand.9 Nach der Rechtsprechung liegt eine solche Drittbezogenheit vor, wenn sich aus den Bestimmungen, welche die Amtspflicht begründen, sowie aus der besonderen Natur des Amtsgeschäfts ergibt, dass der Geschädigte zu dem Personenkreis zählt, dessen Belange nach dem Zweck und der rechtlichen Bestimmung des Amtsgeschäfts geschützt und gefördert werden sollen.10 Die Feststellung der Drittbezogenheit einer Amtspflicht im Einzelfall ist schwierig. Eine Systematisierung der Drittbezogenheit von Amtspflichten ist aufgrund der vielfältigen Kasuistik der Rechtsprechung nicht möglich.11 Die Amtshaftung nach § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG ist verschuldensabhängig. Eine Haftung setzt danach eine vorsätzliche oder fahrlässige Amtspflichtverletzung voraus, wobei sich die Fahrlässigkeit nach § 276 Abs. 2 BGB bestimmt. Von besonderer Bedeutung ist der Verschuldensmaßstab in dem Fall der unrichtigen Rechtsanwendung durch die Verwaltung. Nach der Rechtsprechung entfällt dabei das Verschulden, wenn die falsche Rechtsauffassung noch als rechtlich vertretbar angesehen werden kann und auf einer sorgfältigen rechtlichen und tatsächlichen Prüfung beruht.12 Weiter muss die Amtspflichtverletzung ursächlich für den Schaden sein. Entscheidend ist dabei, welchen Verlauf das Geschehen bei amtspflichtgemäßen Handeln genommen hätte und wie sich die Vermögenslage des Betroffenen unter diesen Umständen darstellen würde.13 Die Darlegungsund Beweislast trägt grundsätzlich der Geschädigte.14 6 Wolff/Bachof/Stober/Kluth, Verwaltungsrecht II, 7. Aufl. 2010, § 67 Rn. 21. 7 BGH, NVwZ-RR 2003, 543 (543) unter Verweis auf BGH, NJW 1968, 443 (444 ff.). 8 Siehe hierzu den Überblick bei von Danwitz, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz , 6. Aufl. 2010, Art. 34 Rn. 77 mit entsprechenden Nachweisen. 9 Ausführlich zum Tatbestandsmerkmal der Drittbezogenheit der Amtspflicht Ossenbühl/Cornils, Staatshaftungsrecht , 6. Aufl. 2013, S. 59 ff. 10 Siehe statt vieler nur BGH, NJW 1994, 3012 (3014). 11 Ossenbühl/Cornils, Staatshaftungsrecht, 6. Aufl. 2013, S. 61. 12 BGH, NJW 2005, 748 (749); BGH, NVwZ 2000, 1206 (1208). 13 Wolff/Bachof/Stober/Kluth, Verwaltungsrecht II, 7. Aufl. 2010, § 67 Rn. 87. 14 BGH, NJW 1995, 2344 (2345). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 219/14 Seite 6 Ein Anspruch aus Amtshaftung besteht jedoch nur, soweit kein Haftungsausschluss bzw. keine Haftungsbeschränkung eingreift.15 Diese Haftungsausschlüsse und -beschränkungen können spezialgesetzlich geregelt sein16, teilweise ergeben sie sich auch direkt aus § 839 BGB. Zu nennen ist dabei insbesondere der Haftungsausschluss in § 839 Abs. 3 BGB, der eingreift, wenn der Geschädigte es vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Einlegung eines Rechtsmittels abzuwenden. Dieser Ausschluss bringt den grundsätzlichen Vorrang des Primärrechtsschutzes (Abwehr von Rechtsverletzungen) gegenüber dem Sekundärrechtsschutz (finanzieller Ausgleich für die gleichwohl erfolgte Rechtsverletzung) zum Ausdruck.17 Der Amtshaftungsanspruch ist auf Geldersatz gerichtet, umfasst dabei jedoch auch Hilfs- und Nebenansprüche, die der Durchsetzung des Schadensersatzanspruchs dienen.18 2.2. Denkbare Haftungskonstellationen Denkbar sind zunächst Fehler bei der Zulassung eines Finanzinstruments. Verweigert der „Finanz- TÜV“ einem Finanzinstrument fälschlicherweise die Zulassung, so kommt eine Haftung gegenüber dem Finanzinstitut in Betracht, welches das Finanzinstrument anbieten möchte. Darüber hinaus sind Fehler auch bei der Einstufung eines Finanzinstruments in die vorgesehenen Risikogruppen möglich. Dabei sind zwei Konstellationen zu unterscheiden: Einerseits kann ein Finanzinstrument fälschlicherweise in eine zu niedrige Risikogruppe eingeordnet werden. Dies könnte Haftungsansprüche von Anlegern zur Folge haben, die größere Verluste zu beklagen haben, als sie eigentlich nach der deklarierten Risikogruppe erwarten mussten. Andererseits kann ein Finanzinstrument auch fälschlicherweise in eine zu hohe Risikogruppe eingeordnet werden. Dies könnte eine Haftung gegenüber dem Finanzinstitut auslösen, welche das betroffene Finanzinstrument anbietet und geltend macht, dass durch die zu hohe Einstufung Anleger von einer Investition abgehalten worden seien. Der Vollständigkeit halber ist anzumerken, dass – sofern der „Finanz-TÜV“ auch der Finanzmarktstabilität dienen soll19 – auch eine Haftung gegenüber anderen markteilnehmenden Finanzinstituten in Betracht kommen kann.20 2.3. Rechtliche Beurteilung der Haftungskonstellationen Bei der rechtlichen Beurteilung der Haftungskonstellationen ist eine Differenzierung anhand der Ursachen für den Fehler vorzunehmen. Die Fehler bei der Zulassung bzw. Einstufung eines 15 Vertiefend zum Ausschluss bzw. der Beschränkung der Amtshaftung von Danwitz, in: von Mangoldt/Klein/ Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, 6. Aufl. 2010, Art. 34 Rn. 98 ff. 16 Hierzu unten unter 2.4. 17 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 18. Aufl. 2011, § 26 Rn. 32. 18 Wolff/Bachof/Stober/Kluth, Verwaltungsrecht II, 7. Aufl. 2010, § 67 Rn. 128. 19 Vgl. den Antrag der Fraktion DIE LINKE zur Regulierung des Grauen Kapitalmarkts, BT-Drs. 18/769, S. 5. 20 Vgl. hierzu Lenz, NVwZ 2010, 29 (30 f.). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 219/14 Seite 7 Finanzinstruments können nämlich zum einen darauf zurückzuführen sein, dass bereits die Norm, nach der sich die Zulassung bzw. Einstufung richtet, verfassungs- bzw. rechtswidrig ist (hierzu 2.3.1.). Zum anderen kann der Fehler aber auch in der falschen Anwendung verfassungsgemäßer bzw. rechtmäßiger Normen liegen (hierzu 2.3.2.). 2.3.1. Legislatives bzw. normatives Unrecht Es ist davon auszugehen, dass die Kriterien für die Zulassung bzw. Einstufung der Finanzinstrumente normativ geregelt sein werden. Die entsprechenden Regelungen müssen dabei verfassungskonform ausgestaltet sein. Grenzen für die gesetzgeberische Gestaltungsfreiheit ergeben sich dabei insbesondere aus dem Bestimmtheitsgebot, dem Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG sowie dem Verhältnismäßigkeitsprinzip. Sofern die Kriterien für die Zulassung bzw. Einstufung der Finanzinstrumente nicht auf Gesetzesebene, sondern im Rahmen einer Rechtsverordnung oder Verwaltungsvorschrift geregelt werden, müssen sie nicht nur mit der Verfassung, sondern mit sämtlichem höherrangigem Recht vereinbar sein. Entspricht eine Regelung diesen Vorgaben nicht, so löst dies in der Regel keine Amtshaftung aus. Die Rechtsprechung verneint nämlich grundsätzlich eine Haftung für legislatives bzw. normatives Unrecht.21 Danach üben sowohl das Parlament als auch der Verordnungsgeber ihre Amtspflichten nur gegenüber der Allgemeinheit und nicht gegenüber Einzelnen oder individualisierbaren Personengruppen aus. Dementsprechend fehlt es diesen Amtspflichten an der für die Bejahung eines Amtshaftungsanspruches erforderlichen Drittbezogenheit. Gleiches gilt für den Erlass von Verwaltungsvorschriften, die gegen höherrangiges Recht verstoßen.22 2.3.2. Fehlerhafte Rechtsanwendung Gemäß dem Verfassungsgrundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung aus Art. 20 Abs. 3 GG sowie den korrespondierenden Amtspflichten müssen die Regelungen, welche die Zulassung bzw. Einstufung eines Finanzinstruments zum Gegenstand haben, ordnungsgemäß angewendet werden. Wird eine entsprechende Regelung fehlerhaft angewendet, so können die betroffenen Finanzinstitute bzw. Anleger nur dann einen Amtshaftungsanspruch geltend machen, wenn die dabei verletzte Amtspflicht drittschützende Wirkung besitzt, die Finanzinstitute bzw. Anleger zu dem geschützten Personenkreis gehören und das betroffene Interesse oder Rechtsgut von der drittschützenden Wirkung erfasst wird. Die Drittbezogenheit von Amtspflichten im Bereich staatlicher Wirtschaftsaufsicht ist jedoch umstritten und die entsprechende Rechtsprechung von Wandel geprägt.23 Unproblematisch erscheint die Konstellation, in der Finanzinstitute Amtshaftungsansprüche gegenüber dem „Finanz-TÜV“ geltend machen, weil das von ihr angebotene Finanzinstrument fälschlicherweise nicht zugelassen oder fälschlicherweise in eine zu hohe Risikogruppe einge- 21 Vgl. Ossenbühl/Cornils, Staatshaftungsrecht, 6. Aufl. 2013, S. 105 und 108 mit entsprechenden Nachweisen. 22 BGH, NJW 1971, 1699 (1700); OLG München, NVwZ 1986, 691 (693); OLG Köln, NJW 1986, 589 (591). In der Literatur ist die Auffassung der Rechtsprechung umstritten, vgl. Leisner-Egensperger, DÖV 2004, 65 ff. 23 Siehe Ossenbühl/Cornils, Staatshaftungsrecht, 6. Aufl. 2013, S. 65 ff. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 219/14 Seite 8 stuft wurde. Unabhängig von der Ausgestaltung der gesetzlichen Regeln über die Aufgabenwahrnehmung des „Finanz-TÜV“ ist davon auszugehen, dass durch das Zulassungsverfahren eine individualisierte Sonderverbindung zwischen „Finanz-TÜV“ und Finanzinstitut begründet wird, aus der sich drittschützende Amtspflichten ergeben können.24 Weniger eindeutig stellt sich die Beurteilung der Konstellation dar, in der Anleger Amtshaftungsansprüche gegenüber dem „Finanz-TÜV“ geltend machen, weil dieser ein Finanzinstrument fälschlicherweise in eine zu niedrige Risikogruppe eingestuft hat. Nach der früheren Rechtsprechung dient die staatliche Aufsicht über Wirtschaftseinheiten nur dem allgemeinen Interesse und begründet regelmäßig keine Amtspflichten gegenüber bestimmten Personen.25 Von dieser Rechtsprechung ist der Bundesgerichtshof in Bezug auf den Bereich der Bankenaufsicht abgerückt.26 Danach bezweckt die allgemeine Bankenaufsicht nicht nur die Gewährleistung der Funktionsfähigkeit des Kreditgewerbes im Interesse der gesamten Volkswirtschaft, sondern auch den Schutz des Bankkunden vor Vermögensverlusten. Die Annahme eines solchen Drittschutzes stützt der Bundesgerichtshof dabei auf die Entwicklungs- und Entstehungsgeschichte des Kreditwesens sowie die Qualifikation der Bankenaufsicht als gewerbepolizeirechtliche Spezialaufgabe.27 Der Gesetzgeber hat auf diesen Rechtsprechungswandel reagiert, indem er gesetzlich ausdrücklich festgelegt hat, dass die Bankenaufsicht „nur im öffentlichen Interesse“ wahrgenommen wird.28 2.4. Sondergesetzliche Haftungsausschlüsse und -beschränkungen Aus der Formulierung des Art. 34 S. 1 GG, wonach die Verantwortlichkeit für Amtspflichtverletzungen „grundsätzlich“ den Staat bzw. die entsprechende Körperschaft trifft, schlussfolgert die Rechtsprechung die Zulässigkeit sondergesetzlicher Haftungsausschlüsse und -beschränkungen.29 Das Bundesverfassungsgericht hat diese Auffassung bestätigt.30 Nach der Rechtsprechung sind Regelungen, die die Staatshaftung einschränken oder ausschließen, als Ausnahme von dem Verfassungsgrundsatz des Art. 34 GG eng auszulegen und nur insoweit zulässig, wie sie von der Sache her gerechtfertigt werden können.31 Die Regelungen dürfen dabei nicht willkürlich getroffen werden, müssen auf sachgerechten Erwägungen beruhen und sich an der Grundentscheidung der Verfassung – wie sie in Art. 34 GG deutlich wird – ausrichten. Auch die Literatur geht davon aus, dass die Amtshaftung grundsätzlich gesetzlich beschränkt bzw. ausgeschlossen werden kann.32 24 Vgl. Wolff/Bachof/Stober/Kluth, Verwaltungsrecht II, 7. Aufl. 2010, § 67 Rn. 76. 25 BGH, NJW 1972, 577 (578), m.w.N. 26 Siehe BGH, NJW 1979, 1354 (1354 ff.); BGH, NJW 1979, 1879 (1879 ff.); BGH, NVwZ 1982, 269 (269). 27 Siehe Ossenbühl/Cornils, Staatshaftungsrecht, 6. Aufl. 2013, S. 65 f. 28 Siehe hierzu unter 2.4. 29 BGH, NJW 1953, 941; BGH, NJW 1957, 1925 (1926); BGH, NJW 1973, 1741 (1743); BGH, NJW 1980, 2457 (2457). 30 BVerfGE 61, 149 (199 f.). 31 BGH, NJW 2005, 742 (745), m.w.N. 32 Papier, in: Säcker/Rixecker (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Band 5, 6. Aufl. 2013, § 839 Rn. 255. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 219/14 Seite 9 Dies dürfe aber nur in Ausnahmefällen erfolgen und müsse durch überwiegende Gründe des öffentlichen Wohls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes legitimiert sein. Eine Möglichkeit der sondergesetzlichen Haftungsbeschränkung stellt der Ausschluss der Drittbezogenheit einer Amtspflicht dar. Eine entsprechende Regelung hat der Gesetzgeber beispielsweise für die Aufgabenwahrnehmung der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) geschaffen. So bestimmt § 4 Abs. 4 Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetz, dass die BaFin ihre Aufgaben und Befugnisse nur im öffentlichen Interesse wahrnimmt. Diese Regelung hat zur Folge, dass mangels Drittbezogenheit der Amtspflicht Anleger keine Amtshaftungsansprüche gegenüber der BaFin geltend machen können. Der Bundesgerichtshof hat diesen Haftungsausschluss als verfassungskonform angesehen33, der Europäische Gerichtshof als europarechtskonform.34 In der Literatur wird dieser Haftungsausschluss jedoch teilweise kritisiert, unter anderem mit dem Argument, dass es für einen derart umfassenden und undifferenzierten Haftungsausschluss an entsprechenden Rechtfertigungsgründen fehle.35 Vom gesetzlichen Ausschluss der Drittbezogenheit unberührt bleibt allerdings die Haftung der Aufsichtsanstalt gegenüber den beaufsichtigten Instituten und den sonstigen Unternehmen und Privatpersonen, denen gegenüber Eingriffsbefugnisse bestehen.36 3. Rückholung nicht-zulassungsfähiger Finanzinstrumente Inwieweit eine Rückholung von im Umlauf befindlichen nicht-zulassungsfähigen Finanzinstrumenten rechtlich möglich ist, hängt insbesondere davon ab, inwieweit hierdurch grundrechtlich geschützte Positionen der Finanzinstitute bzw. der Anleger berührt werden. 3.1. Berufsfreiheit der Finanzinstitute Das Verbot, bestimmte Finanzinstrumente anzubieten, berührt die Finanzinstitute in ihrer Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG. Dabei ist zu differenzieren: Sind von dem Verbot nur einzelne Produkte betroffen, so ist davon auszugehen, dass es sich bei dem Verbot um eine Berufsausübungsregelung handelt, welche lediglich die Art und Weise der Berufsausübung betrifft. Eine solche Berufsausübungsregelung ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zulässig, wenn sie durch hinreichende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt wird, wenn das gewählte Mittel zur Erreichung des verfolgten Zwecks geeignet und auch erforderlich ist und wenn bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit noch gewahrt ist.37 Ist das Verbot von bestimmten Finanzinstrumenten jedoch so weitreichend, dass es zur Berufsaufgabe zwingt und tritt diese 33 BGH, NJW 2005, 742 (744 ff.). 34 EuGH, NJW 2004, 3479. 35 Siehe Papier, in: Maunz/Dürig (Begr.), Grundgesetz, Kommentar, Stand: 71. EL 2014, Stand der Kommentierung: 54. EL 2009, Art. 34 Rn. 190 m.w.N. 36 Vgl. BGH, NJW 2005, 742 (744). 37 BVerfGE 7, 377 (405 f.); 65, 116 (125 f.); 93, 362 (369). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 219/14 Seite 10 Wirkung nicht nur in Einzelfällen auf, so kann nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts der Eingriff nur mit wichtigen Gründen des gemeinen Wohls gerechtfertigt werden.38 3.2. Eigentumsfreiheit der Anleger In Bezug auf die Anleger ist insbesondere die Konstellation von Bedeutung, bei der unbefristet laufende Finanzinstrumente nach Ablauf einer bestimmten Frist vom Markt genommen werden sollen. Eine entsprechende Regelung könnte die Anleger in ihrer Eigentumsfreiheit aus Art. 14 Abs. 1 GG einschränken. Die Rechtsprechung hat sich bislang mit dem eigentumsrechtlichen Schutz von Finanzinstrumenten nur in Bezug auf Wertpapiere befasst und auch in der Literatur spielt diese Thematik bislang eine untergeordnete Rolle. Grundsätzlich kann jedoch folgendes festgehalten werden: Die Eigentumsgarantie aus Art. 14 Abs. 1 GG umfasst das Recht, Sach- und Geldeigentum zu besitzen, zu nutzen, es zu verwalten und darüber zu verfügen.39 Zum geschützten Eigentumsbegriff zählen dabei unter anderem das in einer Aktie verkörperte Anteilseigentum, welches im Rahmen seiner gesellschaftsrechtlichen Ausgestaltung durch Privatnützigkeit und Verfügungsbefugnis gekennzeichnet ist40, sowie festverzinsliche Wertpapiere.41 Eine allgemeine Wertgarantie vermögenswerter Rechtspositionen kann aus der Eigentumsgarantie jedoch nicht abgeleitet werden.42 Der Tauschwert vermögenswerter Rechte unterfällt für sich gesehen nicht dem Schutzbereich der Eigentumsfreiheit43, so dass hoheitlich bewirkte Minderungen des Tausch- oder Marktwertes einer Eigentumsposition in der Regel keinen Eingriff in Art. 14 Abs. 1 GG darstellen.44 Daher ist grundsätzlich auch nicht der Marktwert von Wertpapieren, sondern nur seine Grundlage in Gestalt des Wertpapiers und der darin verbrieften Forderung von der Eigentumsgarantie geschützt.45 In Bezug auf Aktien führt das Bundesverfassungsgericht weiter aus, dass zwar die besondere Verkehrsfähigkeit der Aktie als eine Eigenschaft des Aktieneigentums anerkannt sei46, aber nur die rechtliche Verkehrsfähigkeit als solche zum erworbenen und von Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Bestand 38 BVerfGE 17, 269 (276); 30, 292 (313); 61, 291 (311); 68, 155 (170 f.). 39 BVerfGE 97, 350 (370). 40 BVerfGE 100, 289 (301); BVerfG (Kammer), NJW 2011, 2497 (2498); siehe hierzu auch Schmidt-Aßmann, Der Schutz des Aktieneigentums durch Art. 14 GG, in: Brenner/Huber/Möstl (Hrsg.), Der Staat des Grundgesetzes – Kontinuität und Wandel, Festschrift Badura, 2004, S. 1009 ff. 41 BVerfGE 105, 17 (30). 42 BVerfGE 105, 17 (30). 43 Wieland, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Band I, 3. Aufl. 2013, Art. 14 Rn. 69; Bryde, in: von Münch/ Kunig (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, 6. Aufl. 2012, Art. 14 Rn. 24. 44 Papier, in: Maunz/Dürig (Begr.), Grundgesetz-Kommentar, Stand: 71. EL 2014, Stand der Kommentierung: 59. EL 2010, Art. 14 Rn. 164. 45 BVerfGE 105, 17 (30). 46 BVerfGE 100, 289 (305). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 219/14 Seite 11 gehört.47 Der Begriff der rechtlichen Verkehrsfähigkeit beschreibt dabei die rechtliche Befugnis zur jederzeitigen Veräußerung der Aktie in einem Markt. Die rechtliche Beurteilung der Rückholung von unbefristet laufenden Finanzinstrumenten hängt maßgeblich davon ab, um was für ein Finanzinstrument es sich handelt und wie die Rückholung konkret ausgestaltet ist. Bei der Ausgestaltung der Regelungen über die Rückholung ist jedenfalls zu berücksichtigen, dass der durch gesetzliche Regelungen bewirkte reine Wertverlust keinen Eingriff in die Eigentumsgarantie darstellt, soweit aber die Verfügungsbefugnis beschränkt oder ausgeschlossen wird, dies an Art. 14 Abs. 1 GG zu messen ist. 47 BVerfGE 132, 99 (121).