Datenschutz bei Nebentätigkeiten von Mitarbeitern der Bundesbehörden - Ausarbeitung - © 2008 Deutscher Bundestag WD 3 – 3000 - 219/08 Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages Verfasser/in: Datenschutz bei Nebentätigkeiten von Mitarbeitern der Bundesbehörden Ausarbeitung WD 3 - 3000 – 219/08 Abschluss der Arbeit: 5. Juni 2008 Fachbereich WD 3: Verfassung und Verwaltung Telefon: Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagesverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Die Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste sind dazu bestimmt, Mitglieder des Deutschen Bundestages bei der Wahrnehmung des Mandats zu unterstützen. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W. - 3 - 1. Fragestellung Einzelne Mitarbeiter von Bundesbehörden gehen einer Nebentätigkeit nach. Über ihre Nebentätigkeit haben sie ihren Dienstherrn bzw. Arbeitgeber zu informieren oder um Erlaubnis zu bitten (§§ 64 f. Bundesbeamtengesetz, § 3 Abs. 3 des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst). Haben Bundestagesabgeordnete oder Bürger einen Anspruch auf Informationen zu Nebentätigkeiten von Mitarbeitern des öffentlichen Dienstes? 2. Recht auf informationelle Selbstbestimmung Die Weitergabe von Informationen zu Nebentätigkeiten an Bundestagsabgeordnete oder Bürger könnte in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der Mitarbeiter eingreifen . 2.1. Schutzbereich Das Recht auf informationelle Selbststimmung ist Teil des durch Art. 2 Abs. 1 i. V. m Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG) geschützten allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Den Schutzbereich hat das Bundesverfassungsgericht im Volkszählungsurteil vom 15. Dezember 1983 wie folgt beschrieben: „[Das allgemeine Persönlichkeitsrecht] umfasst […] auch die aus dem Gedanken der Selbstbestimmung folgende Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden.“ 1 Das Gericht konkretisiert den Begriff der persönlichen Lebenssachverhalte unter Bezugnahme auf die Legaldefinition der personenbezogenen Daten im Bundesdatenschutzgesetz (BDSG)2: „[…] Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren Person (personenbezogene Daten) […].“3 Informationen über Nebentätigkeiten sind Angaben über persönliche Verhältnisse.4 Diese Angaben sind personenbezogen, wenn sie auf eine bestimmte oder bestimmbare natürliche Person bezogen sind.5 1 BVerfGE 65, Seite 1 (41 f.). 2 Die Entscheidung nimmt auf § 2 Abs. 1 BDSG alte Fassung Bezug; heute § 3 Abs. 1 BDSG. 3 BVerfGE 65, Seite 1 (42); vgl. BVerfGE 78, Seite 77 (84). 4 Vgl. Gola/Schomerus, § 3 Rn. 5. 5 Vgl. Gola/Schomerus, § 3 Rn. 9. - 4 - 2.2. Beeinträchtigung Übermittelt die Bundesbehörde diese personenbezogenen Daten, ist der Schutzbereich der informationellen Selbstbestimmung – unmittelbar oder mittelbar6 – beeinträchtigt. 2.3. Rechtfertigung Beschränkungen der informationellen Selbstbestimmung bedürfen nach Art. 2 Abs. 1 GG einer verfassungsgemäßen gesetzlichen Grundlage, aus der sich die Voraussetzungen und der Umfang der Beschränkung für den Bürger erkennbar ergeben .7 2.3.1. Übermittlung an Bürger Eine Übermittlung von Informationen im Bereich des Bundes an Bürger kommt nur nach dem „Gesetz zur Regelung des Zugangs zu Informationen des Bundes“ (Informationsfreiheitsgesetz - IFG)8 in Betracht. § 5 IFG regelt den Schutz personenbezogener Daten. Nach Abs. 2 gilt: „Das Informationsinteresse des Antragstellers überwiegt nicht bei Informationen aus Unterlagen, soweit sie mit dem Dienst- oder Amtsverhältnis […] des Dritten in Zusammenhang stehen […].“ Damit scheidet eine Übermittlung von Daten aus, die sich einem individuellen Mitarbeiter zuordnen lassen. Allerdings kommt eine anonymisierte Übermittlung nach § 7 Abs. 2 IFG in Betracht, z. B. in Form einer Statistik mit Durchschnittswerten. Dabei ist zu beachten, dass ein mittelbarer Rückschluss aus der Statistik auf individuelle Personen hinreichend ausgeschlossen sein muss. Ist eine solche Statistik bei der Behörde nicht vorhanden, kommt eine Herausgabe geschwärzter Unterlagen in Betracht. Dabei ist zu beachten, dass im Einzelfall die Kosten der Schwärzung dem Bürger nach § 10 IFG belastet werden können. Verursacht die Schwärzung insgesamt einen unverhältnismäßigen Aufwand, kann dies die Ablehnung des Auskunftsbegehrens rechtfertigen. Im Übrigen kommt aber eine Übermittlung von Personaldaten an Bürger in Betracht, wenn der betroffene Mitarbeiter einwilligt (§ 5 Abs. 1 IFG). 6 Vgl. hierzu Jarass in: Jarass/Pieroth, Art. 2 Rn. 53 ff. 7 BVerfGE 65, Seite 1 (44). 8 Vom 5. September 2005 (BGBl. I S. 2722). - 5 - 2.3.2. Übermittlung an Abgeordnete Die Übermittlung personenbezogener Daten infolge parlamentarischer Anfragen ist auf Bundesebene – anders als z. T. auf Landesebene9 – nicht speziell geregelt. Als Rechtsgrundlage kommen damit die allgemeinen Vorschriften für die Datenübermittlung an öffentliche Stellen in Betracht. 2.3.2.1. Datenübermittlung bei „Aufsicht und Kontrolle“ § 15 Abs. 1 i. V. m § 14 Abs. 3 BDSB ermöglicht die Übermittlung personenbezogener Daten, wenn der auskunftbegehrenden Stelle „Aufsichts- und Kontrollbefugnisse“ zustehen. Als solche Kontrollbefugnisse könnte das Recht der Abgeordneten (bzw. des Parlamentes) anzusehen sein, Fragen an die Regierung zu richten, um sie zu kontrollieren . Dieses Fragerecht ist in der Verfassung nicht ausdrücklich erwähnt. Seine Existenz ist aber allgemein anerkannt.10 Allerdings dürfte das Fragerecht des Parlaments keine „Aufsicht und Kontrolle“ im Sinne des Datenschutzrechts sein. Im Datenschutzrecht gilt der Grundsatz der unmittelbaren Zweckbindung.11 Hiernach dürfen personenbezogene Daten lediglich für festgelegte, eindeutige und rechtmäßige Zwecke erhoben und weiterverarbeitet werden .12 Ausnahmen von diesem Grundsatz sind nur in begrenztem Umfang im Interesse eines wirksamen Datenschutzes möglich. So muss die Nutzung zur Aufsichts- und Kontrollzwecken zumindest in einem entfernten Zusammenhang mit den Zwecken stehen, für die die Daten ursprünglich erhoben worden sind. Ein solcher Zusammenhang ist gegeben, wenn die Wahrnehmung der Kontrollaufgabe dazu dient, die Recht- und Zweckmäßigkeit des Verwaltungshandelns zu überprüfen (Rechts- und Fachaufsicht durch Aufsichtbehörde), für das die ursprüngliche Datenerhebung erforderlich war. Denn dadurch ist zumindest mittelbar auch dem die Datenerhebung rechtfertigenden Zweck gedient.13 Die Kontrolltätigkeit des Parlamentes folgt hingegen anderen Maßstäben als die lediglich an Recht- und Zweckmäßigkeit orientierte Kontrolle innerhalb der behördlichen Hierarchie. Sie ist politische Kontrolle und steht dementsprechend nicht unmittelbar in 9 Vgl. § 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 8 Hamburger Datenschutzgesetz, wonach Datenverarbeitung außerhalb der Zweckbindung zulässig ist, wenn dies für die Beantwortung Kleiner oder Großer Anfragen notwendig ist und überwiegende schutzwürdige Interessen der Betroffenen nicht entgegenstehen; kritisch zur Verfassungsmäßigkeit dieser Regelung: Burkholz, VerwArch 1993, Seite 203 (229) bestritten wird. 10 Zu den unterschiedlichen Herleitungen siehe Hölscheidt, Seite 18 ff. 11 Burkholz, VerwArch 1993, Seite 203 (209). 12 Vgl. Gola/Schomerus, § 14 Rn. 9. 13 Burkholz, VerwArch 1993, Seite 203 (209). - 6 - einem Zusammenhang mit den Zwecken, die die ursprüngliche Datenerhebung gerechtfertigt haben.14 § 15 Abs. 1 i. V. m § 14 Abs. 3 BDSB dürfte deshalb als Rechtsgrundlage eher nicht in Betracht kommen. 2.3.2.2. Datenübermittlung bei Einwilligung Denkbare Rechtsgrundlage aus dem Bereich der allgemeinen Regelungen bezüglich der Übermittlung personenbezogener Daten ist aber § 15 Abs. 1 i. V. m. § 14 Abs. 2 Nr. 2 BDSG. Dies setzt jedoch voraus, dass die Betroffenen in die Datenübermittlung einwilligen . 2.3.2.3. Parlamentarisches Fragerecht Schließlich kommt das aus dem Grundgesetz abgeleitete Fragerecht der Abgeordneten15 als Rechtgrundlage in Betracht, das dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung der Mitarbeiter der Ministerien als Wert mit Verfassungsrang gegenüber steht. Grundsätzlich sind widerstreitende Verfassungsrechte nach dem Prinzip praktischer Konkordanz im Konfliktfall zu einem schonenden Ausgleich zu bringen.16 Dabei sollen beide Rechte in möglichst optimaler Weise verwirklicht werden. Gegen einen Vorrang des Fragerechts gegenüber dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung dürfte folgende Überlegung sprechen:17 Trotz ihrer verfassungsrechtlichen Bedeutung unterscheidet sich die parlamentarische Fragebefugnis von anderen Kontrollinstituten des Parlamentes, die die Verfassung mit Exekutivbefugnissen ausgestattet hat. So kann sich ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss gemäß Art. 44 Abs. 2 GG zum Zwecke der Beweiserhebung des Instrumentariums der Strafprozessordnung bedienen. Dies dürfte aber im Umkehrschluss auch bedeuten, dass parlamentarische Kontrollrechte nur in Grundrechte eingreifen dürfen, wenn die Verfassung selbst oder eine verfassungsgemäße einfachgesetzliche Grundlage dies zulässt.18 Im Übrigen dürfte das Fragerecht keine hinreichend bestimmte19 und der Zweckbindung20 Genüge tragende Rechtsvorschrift sein, die als Grundlage für einen Eingriff in das informationelle Selbstbestimmungsrecht geeignet wäre. 14 Vgl. Burkholz, VerwArch 1993, Seite 203 (210.) 15 Vgl. Fn. 10. 16 Vgl. Jarass, in: Jarass/Pieroth, Vorb. vor Art. 1 Rn. 49. 17 Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Art. 38 Rn. 24. 18 Burkholz, VerwArch 1993, Seite 203 (222 ff., 229). 19 Siehe oben bei Fn. 7. 20 Siehe oben bei Fn. 11. - 7 - Unter den parlamentarischen Auskunftsanspruch gegenüber der Regierung fällt aber eine Übermittlung von Daten in Form einer anonymisierten Statistik mit Durchschnittswerten . Dabei ist zu beachten, dass ein mittelbarer Rückschluss aus der Statistik auf individuelle Personen hinreichend ausgeschlossen sein muss. 3. Ergebnis Bundesbehörden können Informationen über Nebentätigkeiten ihrer Mitarbeiter nur in Form einer anonymisierten Statistik an Bürger oder Bundestagsabgeordnete weitergeben und nur unter folgenden Voraussetzungen: - Die anonymisierte Veröffentlichung ermöglicht keinen individuellen Rückschluss auf personenbezogene Daten, z. B. weil der Kreis der in einer Statistik ausgewiesenen Mitarbeiter ausreichend groß ist bzw. weil personenbezogene Daten geschwärzt sind, oder - die Mitarbeiter willigen in die Veröffentlichung ein. Unter den vorgenannten Voraussetzungen dürften Bürger nach dem Informationsfreiheitsgesetz grundsätzlich einen Anspruch auf Informationen zu Nebentätigkeiten von Mitarbeitern der Bundesbehörden haben, es sei denn, der Aufwand zur Anonymisierung der Akten ist im Einzelfall unverhältnismäßig groß. Für Bundestagsabgeordnete ergibt sich dieser Anspruch aus dem parlamentarischen Fragerecht. Zu einer parlamentarischen Anfrage betreffend Nebentätigkeiten siehe BT-Drs. 16/6253 – Anlage 1 –. - 8 - Literaturverzeichnis - Burkholz, Bernhard, Müssen Abgeordnete alles wissen dürfen? Parlamentarische Fragebefugnisse und informationelle Selbstbestimmung, in: Verwaltungsarchiv 1993, Seite 203 ff. (zitiert: Burkholz, in: VerwArch 1993). - Gola, Peter / Schomerus, Rudolf, in: Gola, Peter / Schomerus, Rudolf, Bundesdatenschutzgesetz, Kommentar, 8. Auflage, München, 2005 (zitiert: Gola/Schomerus). - Hölscheidt, Sven, Frage und Antwort im Parlament, Rheinbreitbach, 1992 (zitiert: Hölscheidt). - Jarass, Hans D. / Pieroth, Bodo, Grundgesetz, 9. Aufl. 2007 (zitiert: Jarass /Pieroth).