© 2016 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 216/16 Gleichzeitige Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag und einem ausländischen Parlament Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 216/16 Seite 2 Gleichzeitige Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag und einem ausländischen Parlament Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 216/16 Abschluss der Arbeit: 21. September 2016 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 216/16 Seite 3 1. Fragestellung Gefragt wird, ob es zulässig wäre, wenn eine Person (mit doppelter Staatsangehörigkeit) Mitglied des Deutschen Bundestages und zeitgleich Mitglied eines ausländischen (beispielsweise des türkischen) Parlaments wäre. Der folgende Sachstand untersucht, inwieweit diese Frage in Deutschland im nationalen Recht geregelt ist.1 2. Voraussetzungen des passiven Wahlrechts zum Deutschen Bundestag Zu prüfen ist, ob die Mitgliedschaft in einem ausländischen Parlament zur Folge hat, dass die betroffene Person nicht mehr die Voraussetzungen des passiven Wahlrechts zum Deutschen Bundestag erfüllt. Dies ist nicht der Fall. Das passive Wahlrecht zum Deutschen Bundestag ist in Art. 38 Abs. 2 und Art. 48 Abs. 2 Grundgesetz (GG) verfassungsrechtlich gewährleistet und in § 15 Bundeswahlgesetz (BWahlG) konkretisiert . Nach § 15 Abs. 1 BWahlG ist wählbar, wer am Wahltag Deutscher im Sinne des Art. 116 Abs. 1 GG ist und das 18. Lebensjahr vollendet hat. Nicht wählbar ist nach § 15 Abs. 2 BWahlG, wer nach § 13 BWahlG vom Wahlrecht ausgeschlossen ist oder wer infolge Richterspruchs die Wählbarkeit oder die Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter nicht besitzt. Die Mitgliedschaft in einem ausländischen Parlament hat nicht den Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit zur Folge. Gemäß § 17 Abs. 1 Nr. 5 Staatsangehörigkeitsgesetz geht die deutsche Staatsangehörigkeit verloren durch Eintritt in die Streitkräfte oder einen vergleichbaren bewaffneten Verband eines ausländischen Staates2. Eine entsprechende Regelung für die Mitgliedschaft in ausländischen Parlamenten existiert hingegen nicht. Weiter sieht auch das Bundeswahlgesetz in seinen Regelungen nicht den Verlust der Wählbarkeit bei einer Mitgliedschaft in einem ausländischen Parlament vor. 3. Regelungen zu Inkompatibilitäten mit dem Bundestagsmandat Parlamentarische Inkompatibilitäten können ausdrücklich durch das Grundgesetz oder einfaches Gesetz angeordnet sein oder sich durch Auslegung aus dem freien Mandat, der Gewaltenteilung, dem Bundesstaatsprinzip oder anderen Verfassungsnormen ergeben.3 Ausdrückliche Regelungen der Inkompatibilität finden sich im Grundgesetz etwa in Bezug auf das Amt des Bundespräsidenten (Art. 55 Abs. 1 GG) oder das Amt eines Bundesverfassungsrichters 1 Laut Auskunft des Fachbereiches WD 2 (Auswärtiges, Völkerrecht, Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung , Verteidigung, Menschenrechte und humanitäre Hilfe) bestehen insoweit keine völkerrechtlichen Vorgaben. 2 Die ursprüngliche Fassung der Regelung wertete nicht nur den Militärdienst, sondern allgemein den Dienst in einem fremden Staatsdienst als grundsätzlich mit der deutschen Staatsangehörigkeit objektiv unvereinbar, siehe hierzu Renner/Maaßen, in: Hailbronner/Renner/Maaßen, Staatsangehörigkeitsrecht, Kommentar, 5. Aufl. 2010, § 28 Rn. 4. 3 Badura, in: Schneider/Zeh (Hrsg.), Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, 1989, § 15 Rn. 80; Achterberg/Schulte, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Grundgesetz, Kommentar, 6. Aufl. 2010, Art. 38 Abs. 1 Rn. 74 ff. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 216/16 Seite 4 (Art. 94 Abs. 1 S. 3 GG).4 Weitere Regelungen zur Inkompatibilität finden sich beispielsweise für die Mitgliedschaft im Bundesrat (§ 2 Geschäftsordnung Bundesrat), das Amt des Wehrbeauftragten (§ 14 Abs. 3 Wehrbeauftragtengesetz) oder das Amt des Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (§ 23 Abs. 2 Bundesdatenschutzgesetz). Ausdrücklich unzulässig ist ferner nach Art. 7 Abs. 2 Direktwahlakt die gleichzeitige Mitgliedschaft im Europäischen Parlament und einem nationalen Parlament. Die Frage der Zulässigkeit einer gleichzeitigen Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag und einem ausländischen Parlament ist nicht explizit geregelt5 und sie wird auch nicht von der rechtswissenschaftlichen Fachliteratur problematisiert.6 Dies dürfte in erster Linie an der mangelnden praktischen Relevanz dieser Frage liegen. Bereits in Bezug auf die gleichzeitige Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag und einem Landtag wird auf die zeitlich-praktischen Schwierigkeiten und die Doppelbelastung, der ein Abgeordneter nicht wirklich entsprechen und genügen kann, hingewiesen.7 Dabei wird auch auf das Bundesverfassungsgericht verwiesen, das in seiner Rechtsprechung davon ausgeht, dass bereits ein Mandat den Abgeordneten in der Regel voll in Anspruch nimmt und dass deshalb die Wahrnehmung von zwei Mandaten im Zweifel zu einer Vernachlässigung der mit dem Mandat verbundenen Aufgaben führt.8 Ende der Bearbeitung 4 Siehe die Auflistungen bei Achterberg/Schulte, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Grundgesetz, Kommentar, 6. Aufl. 2010, Art. 38 Abs. 1 Rn. 82; Hahlen, in: Schreiber (Hrsg.), Bundeswahlgesetz, Kommentar, 9. Aufl. 2013, § 46 Rn. 1 ff.; Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band I, 2. Aufl. 1984, S. 1054 ff.; Schindler, Datenhandbuch zur Geschichte des Deutschen Bundestages 1949 bis 1999, Band I, 1999, S. 434 ff. 5 Vgl. Tsatsos, in: Schneider/Zeh (Hrsg.), Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, 1989, § 23 Rn. 62. 6 Siehe zur allgemeinen Diskussion bezüglich der Frage der Loyalität von Personen mit doppelter Staatsbürgerschaft etwa Naujoks, Die doppelte Staatsbürgerschaft, Kurzdossier Nr. 14 (November 2009) des HWWI, abrufbar unter http://focus-migration.hwwi.de/typo3_upload/groups/3/focus_Migration_Publikationen/Kurzdossiers/KD_14_Doppelte _Staats.pdf (zuletzt abgerufen am 21. September 2016). 7 Klein, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, 3. Aufl. 2005, § 51 Rn. 28; Wiefelspütz, in: Morlok/ Schliesky/Wiefelspütz (Hrsg.), Parlamentsrecht, 2015, § 12 Rn. 12; Hahlen, in: Schreiber (Hrsg.), Bundeswahlgesetz, Kommentar, 9. Aufl. 2013, § 46 Rn. 11; im Ergebnis auch Magiera, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, Kommentar, 7. Aufl. 2014, Art. 38 Rn. 57. 8 BVerfGE 42, 312 (327).