© 2015 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 216/14 Nachfragen zur Dokumentation über den Diskussionsstand zur verfassungsrechtlichen Bewertung von Investitionsschutzabkommen Sachstand Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 216/14 Seite 2 Nachfragen zur Dokumentation über den Diskussionsstand zur verfassungsrechtlichen Bewertung von Investitionsschutzabkommen Verfasser/in: Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 216/14 Abschluss der Arbeit: 24.09.2014 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Telefon: + Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 216/14 Seite 3 1. Fragestellungen Im Zusammenhang mit der Dokumentation „Diskussionsstand zur verfassungsrechtlichen Bewertung von Investitionsschutzabkommen mit Schiedsgerichtsklauseln“1 wurden die folgenden Fragen zum Aufsatz von Flessner2 gestellt: 1. Wären andere ISDS-Vereinbarungen dann ebenfalls nicht verfassungskonform? 2. Hätte die Bundesregierung die Vattenfall-Klage abweisen können? 2. Frage 1 Flessner ist der Auffassung, dass Investitionsschutzabkommen, die eine „Verpflichtung der Staawerfung des Staates unter Schiedsgerichte, die von den Investoren selbst angerufen werden und den Staat zu Entschädigungen verurteilen können“, mehrfach dem deutschen Grundgesetz widersprechen . Die Gründe für seine Auffassung führt Flessner in seinem Aufsatz im Einzelnen auf. Zwar bezieht er dies auf das sogenannte TTIP3, da er jedoch nicht auf einzelne Regelungen im TTIP eingeht, was auch gar nicht möglich ist, da weiterhin keine ausverhandelten Vertragstexte vorliegen,4 können seine Argumente auf alle Investitionsschutzabkommen bezogen werden, die die zitierten Regelungen vorsehen. Folgt man demnach der Auffassung von Flesser, so würden die von ihm dargestellten verfassungsrechtlichen Bedenken auch für andere Investitionsschutzabkommen (ISDS-Vereinbarungen) mit entsprechenden Vertragsbestimmungen gelten. Dabei ist allerdings noch einmal darauf hinzuweisen, dass die Auffassung von Flessner nicht unbestritten ist.5 Aufgrund der kontroversen verfassungsrechtlichen Diskussion zu diesem Thema kann zudem nicht darauf geschlossen werden, dass das Bundesverfassungsgericht, wenn es mit diesen Fragen befasst würde und ein solches Verfahren zulassen würde, zwingend den Argumenten von Flesser folgenden würde. 1 Dokumentation der Wissenschaftlichen Dienste vom 29.08.2014, WD 3, Az.: WD 3 – 3000 – 189/14. 2 Flessner, TTIP und Verfassungsrecht, Verfassungsblog, 13.05.2014 (Anlage 1 zur vorgenannten Dokumentation), im Internet aufrufbar unter: http://www.verfassungsblog.de/ttip-und-das-verfassungsrecht/#.VCJ7aKPwDGh. 3 Bei dem Abkommen mit dem Namen „Transatlantic Trade and Investment Partnership“ (TTIP) handelt es sich um ein Freihandelsabkommen, das derzeit zwischen der EU und den USA verhandelt wird. Vgl. dazu die EU- Sachstände des Referates PE 2 vom 06.05.2014 (EuDoX Nr. PE–Dok 144/2014; http://eudoxap01.bundestag .btg:8080/eudox/dokumentInhalt?id=93401) und 22.09.2014 (EuDoX Nr. PE–Dok 211/214; http://eudoxap 01.bundestag.btg:8080/eudox/dokumentInhalt?id=101153). 4 Vgl. den EU-Sachstand des Referates PE 2 vom 22.09.2014 (EuDoX Nr. PE–Dok 211/214). 5 Siehe die Dokumentation der Wissenschaftlichen Dienste vom 29.08.2014, WD 3, Az.: WD 3 – 3000 – 189/14, Ziff. 2.2., S. 8 ff. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 216/14 Seite 4 3. Frage 2 Die Klagen des Unternehmens Vattenfall beruhen auf den Investitionsschutzklauseln des „Vertrags über die Energiecharta“, dem auch Deutschland und Schweden beigetreten sind.6 Die Kritik von Flesser7 geht nach hiesigem Verständnis dahin, dass der Abschluss bzw. Beitritt zu einem solchen Abkommen, das die Möglichkeit eines Schiedsgerichtsverfahrens vorsieht, bereits die Souveränität der betroffenen Staaten verletzt. Wird der Staat auf dieser Basis später tatsächlich vor einem Schiedsgericht verklagt, wird diese Souveränitätsverletzung „nur“ in der Praxis relevant . Daher ist Flessner der Auffassung, dass Deutschland dem TTIP nicht zustimmen dürfe.8 Flesser macht jedoch keine Aussage dazu, ob Deutschland die Beteiligung an den Schiedsgerichtsverfahren von Vattenfall aus verfassungsrechtlichen Gründen hätte zurückweisen dürfen. Über die Ausführungen von Flessner hinaus ist allerdings darauf hinzuweisen, dass Deutschland den Vertrag über die Energiecharta ratifiziert hat. Der Bundestag hat dem Vertrag gemäß Art. 59 Abs. 2 GG zugestimmt.9 Dieses Zustimmungsgesetz transformiert die normativen Regelungen des völkerrechtlichen Vertrages in innerstaatliches Recht auf die Ebene eines Bundesgesetzes und erteilt den innerstaatlichen Rechtsanwendungsbefehl für das vereinbarte Vertragsrecht.10 Darüber hinaus gilt der völkerrechtliche Grundsatz „pacta sunt servanda“. Er ist in Art. 26 der Wiener Vertragsrechtskonvention festgelegt, gilt aber auch völkergewohnheitsrechtlich. Der Grundsatz ist daher eine allgemeine Regel des Völkerrechts im Sinne von Art 25 Satz 1 GG und ist somit ebenfalls Bestandteil des Bundesrechts.11 Die Bundesregierung ist nach Art. 20 Abs. 3 GG an Recht und Gesetz gebunden. Vor diesem verfassungsrechtlichen und völkerrechtlichen Hintergrund wäre die Bundesregierung sowie die Bundesrepublik Deutschland insgesamt wohl nicht berechtigt gewesen, die Beteiligung an dem Schiedsgerichtsverfahren von Vattenfall zurückzuweisen oder das Verfahren insgesamt nicht anzuerkennen. 6 Siehe zu diesen Schiedsgerichtsverfahren ausführlich: Buntenbroich/Kaul, Transparenz in Investitionsschiedsverfahren – Der Fall Vattenfall und die UNCITRAL-Transparenzregeln, SchiedsVZ 2014, 1. 7 Seite 5 der Anlage 1 der Dokumentation der Wissenschaftlichen Dienste vom 29.08.2014, WD 3, Az.: WD 3 – 3000 – 189/14. 8 Ebenda. 9 BGBl. II 1997, S. 4 ff. 10 Ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts: BVerfGE 1, 396, 410 f; BVerfGE 42, 263, 284; BVerfGE 63, 343, 354. 11 Vgl. zum Ganzen die Erläuterungen bei Pieper, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), Beck'scher Online-Kommentar GG, Edition 21 (Stand: 01.06.2014), Art. 59 Rdnr. 38 ff.