Die Pflicht des Verfassungsschutzes zur Information der Staatsanwaltschaft am Beispiel des Sächsischen Verfassungsschutzgesetzes - Ausarbeitung - © 2007 Deutscher Bundestag WD 3 - 215/07 Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages Verfasser/in: Die Pflicht des Verfassungsschutzes zur Information der Staatsanwaltschaft am Beispiel des Sächsischen Verfassungsschutzgesetzes Ausarbeitung WD 3 – 215/07 Abschluss der Arbeit: 13. Juni 2007 Fachbereich WD 3: Verfassung und Verwaltung Telefon: Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Die Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste sind dazu bestimmt, Mitglieder des Deutschen Bundestages bei der Wahrnehmung des Mandats zu unterstützen. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Diese bedürfen der Zustimmung des Direktors beim Deutschen Bundestag. - 3 - Nach § 12 Abs. 2 Sächsisches Verfassungsschutzgesetz (SächsVSG)1 hat „das Landesamt für Verfassungsschutz […] der Staatsanwaltschaft die ihm bekannt gewordenen personenbezogenen Daten […] zu übermitteln, wenn im Rahmen seiner Aufgabenerfüllung […] zureichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass dies zur Verhinderung oder Verfolgung“ von folgenden „Straftaten erforderlich ist“: - Staatsschutzdelikte (z. B. Bildung terroristischer Vereinigungen gem. § 129a Strafgesetzbuch (StGB), Friedensverrat gem. § 80 StGB) nach §§ 74a und 120 Gerichtsverfassungsgesetz 2 oder Delikte gegen die Schutzgüter des Art. 73 Nr. 10 lit. b und c Grundgesetz - Delikte, die gerichtet sind - gegen das Leben - in erheblichem Maße gegen die körperliche Unversehrtheit - gegen Sach- und Vermögenswerte von erheblicher Bedeutung Die Rechtsprechung hat im Hinblick auf die gleiche Formulierung in § 152 Abs. 2 Strafprozessordnung (StPO) definiert, dass „zureichende tatsächliche Anhaltspunkte“ vorliegen, „wenn ein auf Tatsachen beruhender Anfangsverdacht gegeben ist […]; die Möglichkeit, dass nach kriminalistischer Erfahrung eine verfolgbare Straftat gegeben ist, genügt für den Anfangsverdacht.“3 Diese Rechtsprechung zu § 152 Abs. 2 StPO dürfte auf § 12 Abs. 2 SächsVSG übertragbar sein. § 12 Abs. 2 SächsVSG nimmt auf die Strafverfolgungsbehörden ausdrücklich Bezug und dient der Ermöglichung der Anklageerhebung gem. § 152 StPO. Daten, die mittels verdecktem Einsatz technischer Mittel gewonnen wurden, dürfen der Staatsanwaltschaft nur übermittelt werden, wenn für die Straftat eine Höchststrafe von mehr als fünf Jahren Freiheitsstrafe angedroht wird und wenn die strengen Voraussetzungen für den verdeckten Einsatz technischer Mittel gem. § 100c StPO erfüllt sind, § 12a Abs. 2 SächsVSG. Nach § 13 SächsVSG besteht ein Übermittlungsverbot, insbesondere wenn nach Abwägung „die schutzwürdigen Interessen von Betroffenen das Allgemeininteresse an der Übermittlung überwiegen“, wenn „überwiegende Sicherheitsinteressen“ dies erfordern oder wenn „gesonderte gesetzliche Übermittlungsregelungen entgegenstehen“. 1 Vom 16. Oktober 1992, Sächsisches Gesetzes- und Verordnungsblatt S. 459. 2 In der Fassung der Bekanntmachung vom 9. Mai 1975, BGBl. I S. 1077. 3 Schoreit in: Karlsruher Kommentar zur StPO, 5. Aufl., 2003, § 152 Rn. 28 mit weiteren Nachweisen . - 4 - Eine Übermittlungspflicht der Mitarbeiter des Landesamtes für Verfassungsschutz ergibt sich ferner durch die Vorschrift über die Strafbarkeit der Nichtanzeige geplanter Straftaten, § 138 StGB. Neben einzelnen Staatsschutzdelikten gehören zu den anzuzeigenden Straftaten z. B. auch Geld- und Wertpapierfälschungsdelikte, Geiselnahme, Raub und Mord. Von der Strafbarkeit sind nach der abschließenden4 Regelung des § 139 StGB bestimmte Berufsgruppen ausgenommen, zu denen Mitarbeiter des Verfassungsschutzes nicht zählen. Schon aufgrund des Vorrangs von Bundesrecht steht § 13 SächsVSG der Anwendbarkeit des § 138 StGB nicht entgegen. Anlagen - Auszug SächsVSG: §§ 12, 12a, 13, 5a, 2 - Auszug Gerichtsverfassungsgesetz (GVG): §§ 74a, 120 - Auszug Strafprozessordnung: § 100c - Auszug Strafgesetzbuch: § 138 4 Tröndle/Fischer, Strafgesetzbuch, 51. Aufl., 2003, § 139 Rn. 7.