Frage zur Novelle des Gesetzes über die elektromagnetische Verträglichkeit von Geräten - Ausarbeitung - © 2006 Deutscher Bundestag WD 3 - 214/06 Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages Verfasser/in: Frage zur Novelle des Gesetzes über die elektromagnetische Verträglichkeit von Geräten Ausarbeitung WD 3 - 214/06 Abschluss der Arbeit: 15.06.2006 Fachbereich WD 3: Verfassung und Verwaltung Telefon: Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Die Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste sind dazu bestimmt, Mitglieder des Deutschen Bundestages bei der Wahrnehmung des Mandats zu unterstützen. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Diese bedürfen der Zustimmung des Direktors beim Deutschen Bundestag. - 3 - 1. Einleitung In der geplanten Novelle des Gesetzes über die elektromagnetische Verträglichkeit von Geräten (EMVG), die sich noch in vorparlamentarischer Planung befindet, sollen in § 13 Abs. 7 EMVG auch bestimmte Abhörmöglichkeiten geregelt werden. § 13 Abs. 7 EMVG n. F. soll folgenden Wortlaut erhalten: „Ist durch eine elektromagnetische Störung 1. die Gefährdung von Leib oder Leben Dritter oder von fremden Sachen von bedeutendem Wert zu befürchten, 2. die Nutzung eines öffentlichen Telekommunikationsnetzes beeinträchtigt oder 3. ein zu Sicherheitszwecken verwendetes Empfangs- oder Sendefunkgerät beeinträchtigt und ist die Ursache der Störung nicht auf anderem Wege zu ermitteln, sind die Bediensteten der Bundesnetzagentur befugt, den Inhalt von Aussendungen, auch soweit sie zu Telekommunikationszwecken dienen, abzuhören und sich Kenntnis von den näheren Umständen des Telekommunikationsvorganges zu verschaffen. Die durch die Maßnahmen nach Satz 1 erlangten Informationen dürfen nur zur Unterbindung der elektromagnetischen Störung verwendet werden. Abweichend von Satz 2 dürfen Informationen an die Bundesnetzagentur übermittelt werden, soweit dies für die Verfolgung einer in § 100a Strafprozeßordnung genannten Straftat erforderlich ist. Das Grundrecht des Fernmeldegeheimnisses nach Artikel 10 des Grundgesetzes wird nach Maßgabe der Sätze 1 und 3 eingeschränkt.“ Hierzu stellt der Auftraggeber folgende Frage: „Ist so eine Regelung verfassungskonform vor dem Hintergrund, dass man unter dem Gesetzestitel so etwas nicht erwartet (Etikettenschwindel)?“ - 4 - 2. Bewertung Gesetzesvorlagen im Sinne von Art. 76 Abs. 1 GG müssen bestimmten formellen und materiellen Anforderungen genügen.1 Erforderlich ist ein verständlicher, schriftlich niedergelegter , als Stammgesetz oder Änderungsgesetz gefasster und endgültig gemeinter beschlussreifer Textvorschlag.2 Die Notwendigkeit dieser Anforderungen ergibt sich aus dem rechtsstaatlichen Grundsatz der Normenklarheit.3 Zu den formellen Grundpflichten gehört u. a., dass der Initiant seine Gesetzesvorlage soweit begründen muss, als dies notwendig ist, um sich und anderen Rechenschaft über die Verfassungsmäßigkeit der Entwürfe abzulegen.4 Die materiellen Grundpflichten verlangen insbesondere, dass es sich um dauerhafte, verständliche, präzise, rechtslogische und auch sonst rechtlich stimmige Gesetze handeln muss.5 Im vorliegenden Fall könnten Zweifel im Hinblick darauf bestehen, ob es rechtslogisch vertretbar ist, bestimmte Abhörmaßnahmen und die Weitergabe von auf diesem Wege erhaltenen Informationen im Rahmen eines Gesetzes über die elektromagnetische Verträglichkeit von Geräten zu regeln. Konkreter Anknüpfungspunkt für die Regelungen in § 13 Abs. 7 EMVG n. F. ist die Behebung von gravierenden elektromagentischen Störungen im Sinne von § 13 Abs. 7 Satz 1 EMVG n. F. Ferner bestimmt § 13 Abs. 7 Satz 2 EMVG n. F., dass die auf diesem Wege erlangten Informationen grundsätzlich nur zur Unterbindung von elektromagnetischen Störungen verwendet werden dürfen. Nur in eng beschränkten Ausnahmefällen (unter Anknüpfung an die in § 100a Strafprozessordnung genannten schweren Straftaten) ermöglicht § 13 Abs. 7 Satz 3 EMVG n. F. auch eine Weitergabe der Informationen. Aufgrund des inhaltlichen Zusammenhangs der getroffenen Regelungen mit der allgemeinen Gesetzesthematik – der elektromagnetischen Verträglichkeit von Geräten und den damit verbundenen Handlungsmöglichkeiten – erscheint die rechtstechnische 1 Lücke in Sachs, Michael, Grundgesetz-Kommentar, 3. Auflage, München 2003 (zit.: Bearbeiter in Sachs), Art. 76 Rn. 6. 2 Lücke in Sachs, Art. 76 Rn. 4. 3 Lücke in Sachs, Art. 76 Rn. 4 m. w. Nachw. 4 Lücke in Sachs, Art. 76 Rn. 7. 5 Lücke in Sachs, Art. 76 Rn. 6. - 5 - Einbindung der genannten Bestimmungen des § 13 Abs. 7 EMVG n. F. in das Gesetz über die elektromagnetische Verträglichkeit von Geräten sachgerecht. Darüber hinaus ergibt sich aus der Gesetzesbegründung zu § 13 Abs. 7 EMVG n. F., dass es sich hierbei um die bereits im geltenden Gesetz bestehende Regelung des § 8 Abs. 7 EMVG6 handelt, die mit der Novelle inhaltlich nicht verändert wird.7 In der Begründung des Gesetzentwurfs8 zum bisherigen § 8 Abs. 7 EMVG wird zur Notwendigkeit der Regelung u. a. Folgendes angeführt:9 „Zur Störungsaufklärung ist es unter den im Gesetz genannten Voraussetzungen unverzichtbar, ein zunächst unbekanntes vermutliches Störsignal durch Demodulation und Abhören zu identifizieren und ggf. bei Feststellung von Nachrichteninhalten aus diesem Inhalt Schlüsse auf die Herkunft zu ziehen. Dies ist insbesondere bei Störungen, die nicht fortdauernd auftreten, der einzige Weg, mit angemessenem Aufwand in angemessener Zeit zu einem Ergebnis zu kommen. Damit wird unvermeidlich der Schutzbereich des Fernmeldegeheimnisses nach Artikel 10 GG berührt. Im Telekommunikationsgesetz von 1996 wird in § 86 der Schutz des Fernmeldegeheimnisses durch das dort erneut beschriebene Abhörverbot deutlich unterstrichen . Hiernach bedarf es einer besonderen gesetzlichen Ermächtigung, selbst wenn nur kurzzeitig für Identifizierungszwecke Funkaussendungen abgehört werden, die nicht für die Allgemeinheit oder einen unbestimmten Personenkreis bestimmt sind.“ Aus dieser Begründung wird im Hinblick auf Artikel 10 GG die Notwendigkeit deutlich , im Rahmen des EMVG die Möglichkeiten des Abhörens regeln zu müssen, um die Ursache von elektromagnetischen Störungen in bestimmten Fällen überhaupt aufklären zu dürfen. Da sich damit zugleich das Problem der Weitergabe der auf diesem Wege erlangten Informationen stellt, erscheint es gesetzestechnisch sachgerecht, die diesbezüglichen Bestimmungen gleichfalls mit in die Regelungen des § 8 Abs. 7 EMVG (und dementsprechend in § 13 Abs. 7 EMVG n. F.) aufzunehmen. 6 Gesetz über die elektromagnetische Verträglichkeit von Geräten vom 18. September 1998 (BGBl. I S. 2882); zuletzt geändert durch Art. 3 Abs. 5 Zweites G zur Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts vom 7. Juli 2005 (BGBl. I S. 1970). 7 § 13 Abs. 7 EMVG n. F. enthält allerdings redaktionelle Anpassungen, da anstelle der bisherigen Regulierungsbehörde deren Nachfolgebehörde Bundesnetzagentur zuständig sein soll. – Zu der seit 1998 bestehenden Regelung im bisherigen § 8 Abs. 7 EMVG existiert – soweit ersichtlich – keine einschlägige Rechtsprechung oder Literatur. 8 Gesetzentwurf der Bundesregierung „Entwurf eines Gesetzes über die elektromagnetische Verträglichkeit von Geräten (EMVG)“ vom 20. Mai 1998, BT-Drs. 13/10742. 9 BT-Drs. 13/10742, Seite 26. - 6 - Im Ergebnis bestehen daher verfassungsrechtlich keine Bedenken, die Regelungen von Abhörmaßnahmen und der Weitergabe der dabei gefundenen Informationen gesetzestechnisch im Rahmen des § 13 Abs. 7 EMVG n. F. zu treffen.