© 2014 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 213/14 Geheimschutzrecht des Bundes Einstufungskriterien für Verschlusssachen, Kontrolle und Rechtsschutz Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 213/14 Seite 2 Geheimschutzrecht des Bundes Einstufungskriterien für Verschlusssachen, Kontrolle und Rechtsschutz Verfasser/in: Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 213/14 Abschluss der Arbeit: 24.09.2014 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Telefon: + Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 213/14 Seite 3 1. Fragestellung Die folgende Ausarbeitung erörtert die Grundzüge des Geheimschutzrechts. Insbesondere werden die Kriterien erörtert, die der Einstufung als Verschlusssache zu Grunde liegen. Ferner geht die Ausarbeitung Aufsichts- bzw. Kontrollfragen nach sowie der Frage, inwiefern die Klassifizierung von geheimhaltungsbedürftigen Unterlagen bzw. Informationen einer gerichtlichen Überprüfung zugänglich ist. 2. Grundlagen des staatlichen Geheimschutzrechts Der Geheimschutz ist ein Teilbereich des Informationsrechts.1 Der staatliche Geheimschutz umfasst alle Maßnahmen zur Geheimhaltung von Tatsachen, Gegenständen oder Erkenntnissen, die von einer staatlichen Stelle als Verschlusssache eingestuft worden sind. Eine Vielzahl von Vorschriften des Bundes- und des Landesrechts reguliert den staatlichen Geheimschutz .2 Rechtsgrundlagen für den staatlichen Geheimschutz des Bundes bilden das Sicherheitsüberprüfungsgesetz 3 (SÜG) und ergänzende Verwaltungsvorschriften. 2.1. Differenzierung zwischen personellem und materiellem Geheimschutz In diesem Zusammenhang ist der staatliche Geheimschutz in einen personellen und materiellen Teil zu unterteilen.4 Der personelle Geheimschutz5 beschäftigt sich mit der Überprüfung von Personen , die mit sensiblen Daten und Dokumenten in Berührung kommen. Nur sicherheitsüberprüfte Personen sollen Zugang zu geheimhaltungsbedürftigem Material erhalten.6 Das Sicherheitsüberprüfungsgesetz beinhaltet überwiegend Vorschriften zum personellen Geheimschutz. 1 Sydow, Verw 2005, 35 (35). 2 Die Geheimschutzordnung des Bundestages regelt den Zugang von Abgeordneten und Mitarbeitern zu Verschlusssachen und die organisatorischen Vorkehrungen zur Einsichtnahme. Sie ist daher nicht Gegenstand des vorliegenden Beitrages. 3 Sicherheitsüberprüfungsgesetz vom 20. April 1994 (BGBl. I S. 867), das zuletzt durch Artikel 4 des Gesetzes vom 7. Dezember 2011 (BGBl. I S. 2576) geändert worden ist. 4 Bundesministerium des Innern, Staatlicher Geheimschutz, abrufbar unter http://www.bmi.bund.de/DE/Themen /Sicherheit/Verfassungsschutz/Staatlicher-Geheimschutz/staatlicher-geheimschutz_node.html, [Stand:17. September 2014]. 5 Auf eine weitergehende Darstellung des personellen Geheimschutzes und deren Rechtsgrundlagen namentlich des Sicherheitsüberprüfungsgesetzes und der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift des Bundesministeriums des Innern zur Ausführung des Gesetzes über die Voraussetzungen und das Verfahren von Sicherheitsüberprüfungen des Bundes wurde im Hinblick auf die Fragestellung verzichtet. 6 Ebert/Tiller, LKV 2001, 255 (256). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 213/14 Seite 4 Der materielle Geheimschutz schafft dagegen die organisatorischen und technischen Vorkehrungen zum Schutz von geheimhaltungsbedürftigen Informationen vor Entwendung oder Kenntnisnahme durch Unbefugte. Insbesondere die Einstufung und der Umgang mit geheimhaltungsbedürftigen Tatsachen ist eine Frage des materiellen Geheimschutzrechts.7 Regelungen zum materiellen Geheimschutz des Bundes befinden sich in der nach § 35 SÜG erlassenen Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum materiellen und organisatorischen Schutz von Verschlusssachen (VS-Anweisung – VSA)8. Diese Verwaltungsvorschrift soll den Schutz von geheimhaltungsbedürftigem Material durch einen einheitlichen Umgang mit Verschlusssachen sicherstellen.9 2.2. Verschlusssachen § 4 Abs. 1 SÜG stellt trotzt seines Standortes im Sicherheitsüberprüfungsgesetz eine wichtige Vorschrift des materiellen Geheimnisschutzes dar. Er definiert, welche Gegenstände dem staatlichen Geheimnisschutz unterfallen. Das Gesetz spricht von Verschlusssachen (VS) und definiert diese als „im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftige Tatsachen, Gegenstände oder Erkenntnisse, unabhängig von ihrer Darstellungsform “, § 4 Abs. 1 S. 1 SÜG. Insofern können z. B. Schriftstücke, Zeichnungen, Karten, elektronische Datenträger oder das gesprochene Wort eine Verschlusssache darstellen, vgl. § 2 Abs. 1 VS-Anweisung. Die Einstufung als Verschlusssache ist zudem der zentrale Ausgangspunkt für die Sicherheitsüberprüfung nach dem SÜG.10 Die VS-Anweisung nimmt mit § 2 bzw. § 3 VS-Anweisung ausdrücklich auf den Verschlusssachenbegriff von § 4 SÜG Bezug. Insofern liegt beiden Regelungswerken der gleiche Verschlusssachenbegriff zu Grunde. 3. Einstufung als Verschlusssache 3.1. Zuständigkeit Zuständig für die Einstufung als Verschlusssache ist die aktenführende Stelle, § 8 Abs. 1 VS-Anweisung . Aus § 4 Abs. 1 S. 2 SÜG bzw. § 2 Abs. 1 S. 2 VS-Anweisung geht hervor, dass die Klassifizierung durch eine amtliche Stelle oder auf deren Veranlassung vorgenommen werden 7 Rudisile, in: Schoch/Schneider/Bier, Verwaltungsgerichtsordnung, Kommentar, 26. Ergänzungslieferung 2014 (Kommentierung 15. Ergänzungslieferung 2007), § 99 VwGO Rn. 39. 8 Allgemeine Verwaltungsvorschrift des Bundesministeriums des Innern zum materiellen und organisatorischen Schutz von Verschlusssachen (VS-Anweisung – VSA) vom 31. März 2006 in der Fassung vom 26. April 2010 (GMBl. 2010, S. 846). 9 Rudisile, in: Schoch/Schneider/Bier, Verwaltungsgerichtsordnung, Kommentar, 26. Ergänzungslieferung 2014 (Kommentierung 15. Ergänzungslieferung 2007), § 99 VwGO Rn. 39. 10 Denneborg, Sicherheitsüberprüfungsgesetz, Kommentar, 35. Ergänzungslieferung 2014 (Kommentierung 15. Ergänzungslieferung 2004), § 4 SÜG Rn. 1. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 213/14 Seite 5 muss.11 Dies ist für eine wirksame Einstufung eine unverzichtbare Voraussetzung.12 Der Begriff der amtlichen Stelle ist ähnlich weit zu verstehen wie der funktionelle Behördenbegriff des § 1 Abs. 4 VwVfG.13 3.2. Grundsätze Ein maßgeblicher Grundsatz im Geheimschutzrecht ergibt sich aus 8 Abs. 1 VS-Anweisung. Informationen und Dokumente sollen nur als Verschlusssachen klassifiziert werden, soweit die Einstufung notwendig ist, § 8 Abs. 1 VS-Anweisung. Maßgeblich ist dabei eine im öffentlichen Interesse bestehende Geheimhaltungsbedürftigkeit. Das Merkmal des öffentlichen Interesses orientiert sich dabei an den Schutzgütern, die in den Geheimhaltungsgraden in § 4 Abs. 2 SÜG bzw. § 3 VS-Anweisung aufgezählt werden.14 Das öffentliche Interesse ist gegeben, wenn die Informationen sich auf die äußere Sicherheit, auf auswärtige Beziehungen, auf die innere Sicherheit oder auf durch die Bundesrepublik zu schützende Belange Dritter beziehen. Nach Maßgabe der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift des Bundesministeriums des Innern zum materiellen und organisatorischen Schutz von Verschlusssachen (VS-Anweisung – VSA) muss schlüssig dargelegt werden können, welche Gefahren, Schäden oder Nachteile für die Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder konkret drohen können.15 Beide Vorrausetzungen müssen vorliegen, um die Notwendigkeit einer Einstufung als Verschlusssache zu bejahen. Den Behörden verbleiben bei der Einstufung als Verschlusssache Einschätzungsspielräume, ob die Voraussetzungen für eine Klassifizierung vorliegen.16 Nach welchen Kriterien die staatlichen Institutionen die Klassifizierung vornehmen, ist in der Anlage 1 der VS-Anweisung festgelegt. Diese Anlage bezweckt eine umsichtige und sachgerechte 11 Denneborg, Sicherheitsüberprüfungsgesetz, Kommentar, 35. Ergänzungslieferung 2014 (Kommentierung 15. Ergänzungslieferung 2004), § 4 SÜG Rn. 7. 12 Prieß/Hölzl, NZBau 2011, 65 (67). 13 Prieß/Hölzl, NZBau 2011, 65 (67). 14 Denneborg, Sicherheitsüberprüfungsgesetz, Kommentar, 35. Ergänzungslieferung 2014 (Kommentierung 15. Ergänzungslieferung 2004), § 4 SÜG Rn. 5. 15 Anlage 1 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift des Bundesministeriums des Innern zum materiellen und organisatorischen Schutz von Verschlusssachen (VS-Anweisung – VSA) vom 31. März 2006 in der Fassung vom 26. April 2010 (GMBl. 2010, S. 846) Punkt 1. Nach Stimmen der Literatur soll schon die Möglichkeit der Gefährdung ausreichend sein, um eine Klassifizierung zu rechtfertigen. Insofern wird ein abstrakt-genereller Maßstab für die Beurteilung herangezogen, Denneborg, Sicherheitsüberprüfungsgesetz, Kommentar, 35. Ergänzungslieferung 2014 (Kommentierung 15. Ergänzungslieferung 2004), § 4 SÜG Rn. 11. 16 Schoch, Informationsfreiheitsgesetz, Kommentar, 1. Auflage 2009, § 3 Rn. 143. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 213/14 Seite 6 Klassifizierung17 und gibt den Mitarbeitern der staatlichen Stelle Beispiele für jeden Geheimhaltungsgrad vor. Der zuständige und sicherheitsüberprüfte Bearbeiter kann sich bei der Klassifizierung als Verschlusssache an diesen Beispielen orientieren. Ein zweiter wichtiger Grundsatz im Geheimschutzrecht ist: „Kenntnis nur, wenn nötig“, § 4 Abs. 1 VS-Anweisung. Die Einstufung als Verschlusssache darf nur von sicherheitsgeprüften Personen vorgenommen werden. Unabhängig von ihrer Berechtigung darf ihnen aber Kenntnis von Verschlusssachen nur insoweit gestattet werden, wie dies zur Ausübung ihrer auftragsbezogenen Tätigkeit notwendig ist.18 3.3. Einstufung in Geheimhaltungsgrade Aus § 4 Abs. 2 SÜG bzw. § 3 VS-Anweisung folgt, dass es verschiedene Kategorien bzw. Abstufungen von Verschlusssachen im materiellen Geheimschutzrecht gibt. Sie werden entsprechend ihrer Schutzbedürftigkeit von einer amtlichen Stelle oder auf deren Veranlassung eingestuft, § 4 Abs. 2 S. 2 SÜG. Der Geheimhaltungsgrad richtet sich nach der Höhe des möglichen Schadens, der bei der Offenlegung eintreten könnte. Er richtet sich nach dem Inhalt einer Verschlusssache und nicht nach dem Vorgang, zu dem die Verschlusssache gehört oder auf den sie sich bezieht.19 Verschlusssachen werden in folgende Geheimhaltungsgrade unterteilt: – Niedrigster Geheimhaltungsgrad ist VS-NUR FÜR DEN DIENSTGEBRAUCH (VS-NfD), § 3 Nr. 1 VS-Anweisung. Diese Einstufung ist vorzunehmen, wenn die Kenntnisnahme durch Unbefugte für die Interessen der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder nachteilig sein kann. Diese Stufe kommt z.B. bei besonderen Dienstanweisungen und Dienstplänen oder bei Fahndungsunterlagen aus dem Bereich Terrorismus oder Extremismus in Betracht.20 17 Anlage 1 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift des Bundesministeriums des Innern zum materiellen und organisatorischen Schutz von Verschlusssachen (VS-Anweisung – VSA) vom 31. März 2006 in der Fassung vom 26. April 2010 (GMBl. 2010, S. 846) Punkt 1 – Anlage. 18 Anlage 7 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift des Bundesministeriums des Innern zum materiellen und organisatorischen Schutz von Verschlusssachen (VS-Anweisung – VSA) vom 31. März 2006 in der Fassung vom 26. April 2010 (GMBl. 2010, S. 846), Merkblatt zur Behandlung von Verschlusssachen (VS) des Geheimhaltungsgrades VS-NUR FÜR DEN DIENSTGEBRAUCH (VS-NfD-Merkblatt), Punkt 1.1. 19 Anlage 1 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift des Bundesministeriums des Innern zum materiellen und organisatorischen Schutz von Verschlusssachen (VS-Anweisung – VSA) vom 31. März 2006 in der Fassung vom 26. April 2010 (GMBl. 2010, S. 846), Punkt 1. 20 Anlage 1 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift des Bundesministeriums des Innern zum materiellen und organisatorischen Schutz von Verschlusssachen (VS-Anweisung – VSA) vom 31. März 2006 in der Fassung vom 26. April 2010 (GMBl. 2010, S. 846), Punkt 2.4. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 213/14 Seite 7 – Die nächste Stufe ist VS-VERTRAULICH, § 3 Nr. 2 VS-Anweisung. Diese Einstufung erfolgt, wenn die Kenntnisnahme durch Unbefugte für die Interessen der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder schädlich sein kann (z.B. Ermittlungsberichte in Fällen von Spionageverdacht, außenpolitische Verhandlungspositionen oder wichtige Erfindungen, Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse, deren Kenntnis durch Unbefugte der Bundesrepublik Deutschland Schaden zufügen kann.21 – Eine Information oder ein Dokument ist mit dem Geheimhaltungsgrad GEHEIM einzustufen (§ 3 Nr. 3 VS-Anweisung), wenn die Kenntnisnahme durch Unbefugte die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder gefährden oder ihren Interessen schweren Schaden zufügen kann. Sicherheit der Bundesrepublik meint die äußere und innere Sicherheit des Staates, wobei die Sicherheit des Staates als Fähigkeit bestimmt wird, sich nach innen und außen gegen Angriffe und Störungen zur Wehr zu setzen.22 Dazu zählt insbesondere die Abwehrfähigkeit der Sicherheitsbehörden gegenüber demokratiefeindlichen Organisationen und Gruppen.23 Als Beispiel werden in der Anlage 1 zur VS-Anweisung Daten zur „elektronischen Kampfführung“ der Bundeswehr oder Staats- und andere bedeutende Verträge der Bundesrepublik Deutschland genannt.24 Es ist die zweithöchste Geheimhaltungsstufe im Geheimschutzrecht, deren Voraussetzungen für eine Klassifizierung selten vorliegen werden.25 – Der höchste Geheimhaltungsgrad ist STRENG GEHEIM, § 3 Nr. 4 VS-Anweisung. Dokumente und Informationen sind in diese Geheimhaltungsstufe einzustufen, wenn deren Kenntnisnahme durch Unbefugte den Bestand oder lebenswichtige Interessen der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder gefährden kann. Die Schutzgüter Bestand 21 Anlage 1 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift des Bundesministeriums des Innern zum materiellen und organisatorischen Schutz von Verschlusssachen (VS-Anweisung – VSA) vom 31. März 2006 in der Fassung vom 26. April 2010 (GMBl. 2010, S. 846), Punkt 2.3. 22 Denneborg, Sicherheitsüberprüfungsgesetz, Kommentar, 35. Ergänzungslieferung 2014 (Kommentierung 15. Ergänzungslieferung 2004), § 4 SÜG Rn. 12. 23 Denneborg, Sicherheitsüberprüfungsgesetz, Kommentar, 35. Ergänzungslieferung 2014 (Kommentierung 15. Ergänzungslieferung 2004), § 4 SÜG Rn. 12. 24 Anlage 1 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift des Bundesministeriums des Innern zum materiellen und organisatorischen Schutz von Verschlusssachen (VS-Anweisung – VSA) vom 31. März 2006 in der Fassung vom 26. April 2010 (GMBl. 2010, S. 846), Punkt 2.2. 25 Vgl. die Erläuterungen zu § 3 VS-Anweisung des Bundesministeriums des Innern: Allgemeine Verwaltungsvorschrift des Bundesministeriums des Innern zum materiellen und organisatorischen Schutz von Verschlusssachen (VS-Anweisung – VSA) vom 31. März 2006 in der Fassung vom 26. April 2010 mit Erläuterungen, abrufbar unter https://www.bsi.bund.de/DE/Themen/Sicherheitsberatung/VorschriftenStandards/vorschriftenstandards _node.html [Stand: 18. September 2014]. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 213/14 Seite 8 und lebenswichtige Interessen beziehen sich auf die Existenz und die Stellung der Bundesrepublik Deutschland und ihre Länder.26 Der höchste Geheimhaltungsgrad wird nur in Ausnahmefällen in Betracht kommen und betrifft insbesondere Fragen der Außenpolitik und das Informationsaufkommen des Bundesnachrichtendienstes.27 4. Aufsicht über die Klassifizierungspraxis Grundsätzlich ist die Dienststellenleitung für die ordnungsgemäße Arbeit mit Verschlusssachen und die Durchführung der VS-Anweisung – insbesondere die Einstufung – verantwortlich, § 5 Abs. 1 VS-Anweisung. Nach § 5 Abs. 3 VS-Anweisung muss bei den obersten Bundesbehörden, den größeren Bundesober-, -mittelbehörden und den entsprechenden bundesunmittelbaren öffentlich -rechtlichen Einrichtungen ein Geheimschutzbeauftragter und ein Stellvertreter bestellt werden. Gem. § 5 Abs. 4 VS-Anweisung beaufsichtigt der Geheimschutzbeauftragte in den Dienststellen die Durchführung der VS-Anweisung. Zudem kommt ihm auch eine Beraterfunktion zu. Bei den anderen mit Verschlusssachen betrauten Behörden nimmt die Dienststellenleitung die Aufgaben des Geheimschutzbeauftragten wahr, § 5 Abs. 3 S. 3 VS-Anweisung. § 42 Abs. 1 VS- Anweisung sieht interne Kontrollen für die Einstufung als Verschlusssache vor. Danach sollen stichprobenartig in angemessenen Zeitabständen unangekündigte Kontrollen durchgeführt werden, § 42 Abs. 1 S. 1 VS-Anweisung. Zuständig für diese Kontrolle sind nach § 42 Abs. 1 S. 2 VS-Anweisung der Geheimschutzbeauftragte oder ein besonders beauftragter Mitarbeiter (Geheimschutzbeamter). Hält der Geheimschutzbeauftragte eine Verschlusssache für offensichtlich ungerechtfertigt oder unrichtig eingestuft, ist die aktenführende Stelle zu hören. Sie hat dann Gelegenheit, ihre Entscheidung schriftlich zu begründen, § 42 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Hs. 2 VS-Anweisung. Die Kontrollen sollen hauptsächlich dort erfolgen, wo der Schutzbedarf nach Anzahl und Höhe der Geheimhaltungsgrade besonders hoch ist oder der Möglichkeit der Preisgabe von Verschlusssachen besonders vorgebeugt werden muss.28 Nach § 42 Abs. 6 VS-Anweisung ist ein Nachweis über entsprechende Kontrollen zu führen. Dieser Nachweis muss 5 Jahre aufbewahrt werden. 26 Denneborg, Sicherheitsüberprüfungsgesetz, Kommentar, 35. Ergänzungslieferung 2014 (Kommentierung 15. Ergänzungslieferung 2004), § 4 SÜG Rn. 10. 27 Erläuterungen zu § 3 VS-Anweisung (Fn. 25): Allgemeine Verwaltungsvorschrift des Bundesministeriums des Innern zum materiellen und organisatorischen Schutz von Verschlusssachen (VS-Anweisung – VSA) vom 31. März 2006 in der Fassung vom 26. April 2010 mit Erläuterungen. 28 Erläuterungen zu § 42 VS-Anweisung (Fn. 25): Allgemeine Verwaltungsvorschrift des Bundesministeriums des Innern zum materiellen und organisatorischen Schutz von Verschlusssachen (VS-Anweisung – VSA) vom 31. März 2006 in der Fassung vom 26. April 2010 mit Erläuterungen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 213/14 Seite 9 5. Rechtsschutzmöglichkeiten Abschließend stellt sich die Frage, inwiefern die Klassifizierung von geheimhaltungsbedürftigen Unterlagen bzw. Informationen einer gerichtlichen Überprüfung zugänglich ist. Grundsätzlich besteht bei der Einstufung ein Ermessensspielraum der aktenführenden Behörde, weswegen Streitigkeiten über die Klassifizierung als solche oder den Geheimhaltungsgrad entstehen können . 5.1. Unmittelbarer Rechtsschutz gegen die Einstufung Die Entscheidung über die Einstufung als Verschlusssache ist ein innerbehördlicher Vorgang ohne Außenwirkung.29 Unmittelbarer Rechtsschutz gegen die Einstufung besteht daher nicht. Eine dem § 18 Abs. 3 PUAG vergleichbare Vorschrift, wonach der Ermittlungsrichter beim Bundesgerichtshof über die Rechtmäßigkeit der Einstufung als Verschlusssache im Verfahren vor dem Untersuchungsausschuss entscheidet, befindet sich weder im Sicherheitsüberprüfungsgesetz noch in der VS-Anweisung. Somit fehlt im materiellen Geheimschutzrecht eine Regelung, die es ermöglicht, Einstufungsentscheidungen unmittelbar anzugreifen. 5.2. Mittelbarer Rechtsschutz Bestehen hingegen spezialgesetzliche Informationszugangsansprüche, ist die Möglichkeit einer inzidenten gerichtlichen Überprüfung der Einstufung als Verschlusssache eröffnet.30 Ein subjektives öffentliches Recht auf Informationszugang vermittelt insbesondere § 1 Abs. 1 S. 1 Informationsfreiheitsgesetz 31 (IFG). Es handelt sich hierbei um einen gesetzlich verankerten Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen des Bundes, der vor den Verwaltungsgerichten gerichtlich geltend werden kann. Nach § 3 Nr. 4 IFG besteht dieser Anspruch jedoch nicht, wenn die Information einer durch Rechtsvorschrift oder durch die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum materiellen und organisatorischen Schutz von Verschlusssachen geregelten Geheimhaltungs- oder Vertraulichkeitspflicht oder einem Berufs- oder besonderen Amtsgeheimnis unterliegt. Damit wird auf die VS-Anweisung des Bundesministeriums des Innern Bezug genommen. Demnach sind Informationen, die materiell-rechtlich die Voraussetzungen einer Verschlusssache erfüllen, dem Informationsanspruch nach § 1 IFG entzogen.32 Das Bundesverwaltungsgericht hat in diesem Rahmen wiederholt betont, dass eine formelle Einstufung als Verschlusssache für den Ausschlusstatbestand des § 3 Nr. 4 IFG nicht ausreichend 29 Bundesbeauftragter für Datenschutz und die Informationsfreiheit, Tätigkeitsbericht zur Informationsfreiheit für die Jahre 2006 und 2007, S. 16. 30 Im „Fall Eichmann“ war z. B. ein Anspruch nach dem Bundesarchivgesetz (§ 5 Abs. 1, Abs. 8 Bundesarchivgesetz ) Gegenstand des Rechtsstreits, BVerwGE 136, 345 ff. 31 Informationsfreiheitsgesetz vom 5. September 2005 (BGBl. I S. 2722), das durch Artikel 2 Absatz 6 des Gesetzes vom 7. August 2013 (BGBl. I S. 3154) geändert worden ist. 32 Scherzberg, in: Fluck/Theuer Informationsfreiheitsrecht mit Umweltinformations- und Verbraucherinformationsrecht , Kommentar, 30. Ergänzungslieferung 2013 (Kommentierung 29. Ergänzungslieferung 2012), § 3 IFG Bund Rn. 133. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 213/14 Seite 10 ist.33 Entscheidend ist, ob die Information geheimhaltungsbedürftig im Sinne der VS-Anweisung ist. In der gerichtlichen Überprüfung einer Versagung des Informationszugangs werden die materiellen Voraussetzungen für eine Einstufung als Verschlusssache daher überprüft.34 5.3. Prozessuale Besonderheiten Wenn eine Behörde den Zugang zu einer Information im Hinblick auf die gesetzlichen Geheimhaltungsvorschriften verweigert, dann kann die Rechtmäßigkeit der Verweigerung in einem „incamera -Verfahren“ nach § 99 Abs. 2 VwGO überprüft werden.35 Bei einem in-camera-Verfahren werden die betroffenen Akten nur dem Gericht vorgelegt.36 Das Akteneinsichtsrecht der Verfahrensbeteiligten nach § 100 Abs. 1 VwGO wird durch diese Verfahrensart eingeschränkt. Voraussetzung ist eine nach § 99 Abs. 1 S. 2 VwGO begründete Sperrerklärung der obersten Aufsichtsbehörde und ein Antrag der Verfahrensbeteiligten auf Überprüfung beim Oberverwaltungsgericht, § 99 Abs. 2 S. 1VwGO. Der Antrag ist bei dem für die Hauptsache zuständigen Gericht zu stellen, § 99 Abs. 2 S. 3 VwGO, und zwar vor Verfahrensabschluss in der Tatsacheninstanz.37 ( ) ( ) 33 BVerwG, NVwZ 2010, 321 (325). 34 Scherzberg, in: Fluck/Theuer, Informationsfreiheitsrecht mit Umweltinformations- und Verbraucherinformationsrecht , Kommentar, 30. Ergänzungslieferung 2013 (Kommentierung 29. Ergänzungslieferung 2012), § 3 IFG Bund Rn. 136. 35 Roth, in: Berger/Partsch/Roth/Scheel, Informationsfreiheitsgesetz, Kommentar, 2. Auflage 2013, § 3 Rn 112. So im „Fall Eichmann“: BVerwGE 136, 345 ff. 36 Rudisile, in: Schoch/Schneider/Bier, Verwaltungsgerichtsordnung, Kommentar, 26. Ergänzungslieferung 2014 (Kommentierung 15. Ergänzungslieferung 2007), § 99 VwGO Rn. 2a. 37 Rudisile, in: Schoch/Schneider/Bier, Verwaltungsgerichtsordnung, Kommentar, 26. Ergänzungslieferung 2014 (Kommentierung 15. Ergänzungslieferung 2007), § 99 VwGO Rn. 31.