© 2016 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 212/16 Fragen zu parlamentarischen Untersuchungsausschüssen und Enquete-Kommissionen Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 212/16 Seite 2 Fragen zu parlamentarischen Untersuchungsausschüssen und Enquete-Kommissionen Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 212/16 Abschluss der Arbeit: 15. September 2016 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 212/16 Seite 3 1. Einleitung Gefragt wird nach verschiedenen Regelungen zu parlamentarischen Untersuchungsausschüssen und Enquete-Kommissionen. 2. Allgemeiner Überblick Für die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses stellt Art. 44 Abs. 1 Grundgesetz (GG)1 die verfassungsrechtliche Grundlage dar. Die nähere Ausgestaltung der Einsetzung und des Verfahrens regelt dabei das Untersuchungsausschussgesetz (PUAG)2. Bei einem Untersuchungsausschuss handelt es sich um ein spezifisches Instrument parlamentarischer Kontrolle. Er hat die Aufgabe, Sachverhalte, deren Aufklärung im öffentlichen Interesse liegen, zu untersuchen und dem Bundestag hierüber Bericht zu erstatten. Ein Untersuchungsausschuss ist berechtigt, Zeugen und Sachverständige zu vernehmen und sonstige Ermittlungen durch Gerichte und Verwaltungsbehörden vornehmen zu lassen. Ein Untersuchungsverfahren ist nach § 1 Abs. 3 PUAG nur innerhalb der verfassungsmäßigen Zuständigkeit des Bundestages zulässig. Weitere Informationen finden sich in der beigefügten Publikation „Aktueller Begriff – Untersuchungsausschüsse“. Anlage 1 Für den Verteidigungsausschuss findet sich in Art. 45a GG eine von Art. 44 GG abweichende Regelung . Demnach kann der Ausschuss für Verteidigung sich selber als Untersuchungsausschuss konstituieren, um so eine wirksame parlamentarische Kontrolle der Streitkräfte zu gewährleisten. Nähere Informationen hierzu ergeben sich aus der Publikation „Aktueller Begriff – Der Verteidigungsausschuss als Untersuchungsausschuss nach Art. 45a GG“. Anlage 2 Eine Enquete-Kommission dient der Vorbereitung von gesetzgeberischen Entscheidungen über umfangreiche und bedeutsame Sachkomplexe. Sie kann vom Bundestag nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages (GO-BT)3 eingesetzt werden. Im Unterschied zum Untersuchungsausschuss besteht die Enquete-Kommission sowohl aus Abgeordneten als auch aus externen Sachverständigen. Eine Enquete-Kommission hat die Aufgabe vorhandenes Wissen für die Beratungen und Entscheidungen des Bundestages aufzubereiten, ohne jedoch selbst Forschungen zu betreiben. 3. Personalausstattung Sowohl einem Untersuchungsausschuss als auch einer Enquete-Kommission wird ein Sekretariat, bestehend aus einem Stab an Mitarbeitern aus der Verwaltung des Deutschen Bundestages, zur Verfügung gestellt. Dieser setzt sich zusammen aus einer Sekretariatsleiterin/einem Sekretariatsleiter , einer Sachbearbeiterin / einem Sachbearbeiter, zwei Sekretärinnen/Sekretären und mindestens 1 Einsehbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/gg/art_44.html. 2 Einsehbar unter: http://www.gesetze-im-internet.de/puag/. 3 Einsehbar unter: https://www.bundestag.de/bundestag/aufgaben/rechtsgrundlagen/go_btg. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 212/16 Seite 4 einer Referentin/einem Referenten in der Funktion einer/eines wissenschaftlichen Mitarbeiterin/ Mitarbeiters. Je nach Umfang des Arbeitsauftrages und Komplexität des Untersuchungsgegenstandes können bei Bedarf zusätzliche Referentinnen/Referenten zur Verfügung gestellt werden. 4. Beauftragung von Studien Ein Untersuchungsausschuss hat die Möglichkeit der Anhörung externer Sachverständiger in seinen Sitzungen sowie der Beauftragung von Sachverständigen mit der Erstellung schriftlicher Gutachten. Im Rahmen ihres Auftrages kann eine Enquete-Kommission Forschungsaufträge an externe Stellen vergeben, soweit das vorhandene Expertenwissen der sachverständigen Mitglieder und wissenschaftlichen Mitarbeiter nicht ausreicht. 5. Dauer der Tätigkeit Nach dem Prinzip der Diskontinuität ist die Tätigkeit eines Untersuchungsausschusses zeitlich auf diejenige Wahlperiode begrenzt, in der er eingesetzt wurde. Eine Enquete-Kommission unterliegt ebenfalls der Diskontinuität und hat ihren Bericht nach § 56 Abs. 4 Satz 1 GO-BT rechtzeitig vorzulegen, sodass der Bundestag bis zum Ende der Wahlperiode eine Aussprache darüber halten kann. 6. Zahl und Zusammensetzung der Mitglieder Eine bestimmte Zahl der Mitglieder eines Untersuchungsausschusses ist weder gesetzlich noch in der GO-BT vorgegeben. Stattdessen bestimmt der Bundestag nach § 4 Satz 1 PUAG bei der Einsetzung eines Untersuchungsausschusses die Zahl der ordentlichen und die gleich große Zahl der stellvertretenden Mitglieder. Die Bemessung der Mitgliederzahl hat dabei die Mehrheitsverhältnisse im Plenum zu berücksichtigen, sodass jede Fraktion vertreten ist. Benannt werden die einzelnen Mitglieder nach § 5 PUAG von den im Bundestag vertretenen Fraktionen. Mitglieder eines Untersuchungsausschusses können nur Abgeordnete sein. Zusätzlich besteht die Möglichkeit der Bestimmung eines Ermittlungsbeauftragten nach § 10 Abs. 1 PUAG zur Unterstützung der Untersuchung . Jeder Untersuchungsausschuss wählt nach § 6 Abs. 1 PUAG einen Vorsitzenden aus seiner Mitte. Bei der Einsetzung der Untersuchungsausschüsse der 18. Wahlperiode wurden jeweils acht Mitglieder und acht stellvertretende Mitglieder benannt. Im Unterschied zum Untersuchungsausschuss setzt sich eine Enquete-Kommission aus Abgeordneten und externen Sachverständigen zusammen. Nach § 56 Abs. 2 Satz 3 GO-BT besteht die Vorgabe, dass die Zahl der Sachverständigen neun nicht überschreiten soll. Jede Fraktion kann nach § 56 Abs. 3 GO-BT einen Abgeordneten, auf Beschluss des Bundestages auch mehrere Mitglieder , in eine Enquete-Kommission entsenden. In der parlamentarischen Praxis erfolgt die Entsendung von Abgeordneten in eine Enquete-Kommission entsprechend dem Stärkeverhältnis der Faktionen im Bundestag, so dass die Begrenzung der Anzahl der Mitglieder nach der GO-BT häufig überschritten wird. So setzten sich die Enquete-Kommissionen „Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität“ und „Internet und digitale Gesellschaft“ in der 17. Wahlperiode aus jeweils 17 Abgeordneten und 17 Sachverständigen zusammen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 212/16 Seite 5 7. Möglichkeit der Einsetzung von Unterausschüssen Die ständigen Ausschüsse haben nach § 55 Abs. 1 GO-BT die Möglichkeit, Unterausschüsse einzusetzen , die organisatorisch dem jeweiligen ständigen Ausschuss zugehörig sind. Die Einsetzung eines Unterausschusses darf nur zum Zwecke der Vorbereitung der Arbeit des jeweiligen ständigen Ausschusses und zur Erledigung bestimmter Aufträge erfolgen. Unterausschüsse können in dem ihnen zugewiesenen Aufgabenbereich auch Selbstbefassungsangelegenheiten ihres ständigen Ausschusses behandeln. Prinzipiell erhält ein ständiger Ausschuss bei Einsetzung eines Unterausschusses keine zusätzliche personelle Unterstützung von Mitarbeitern aus der Verwaltung des Deutschen Bundestages. Im begründeten Einzelfall können jedoch bei entsprechendem Bedarf zusätzliche personelle Ressourcen zur Verfügung gestellt werden. 8. Aufstellung der 18. Legislaturperiode In der 18. Wahlperiode (seit 2013) wurden bislang fünf Untersuchungsausschüsse eingesetzt: 1. Untersuchungsausschuss („NSA“), eingesetzt am 20. März 2014 Das Gremium soll das Ausmaß und die Hintergründe der Ausspähungen durch ausländische Geheimdienste in Deutschland aufklären. 2. Untersuchungsausschuss (Operation „Spade“), eingesetzt am 2. Juli 2014 Das Gremium befasste sich mit den aus den kanadischen Ermittlungen im Rahmen der sogenannten Operation „Spade“ stammenden Daten über den Erwerb und/oder Besitz von Kinder-und Jugendpornographie. 3. Untersuchungsausschuss (Terrorgruppe NSU II), eingesetzt am 11. November 2015 Der dritte Untersuchungsausschuss befasst sich aufbauend auf den Ergebnissen des 2. Untersuchungsausschusses aus der 17. Wahlperiode mit dem Terrornetzwerk NSU. Ziel ist es, das Gesamtbild zum Umfeld und den Unterstützern des Terrornetzwerks zu schärfen. Darüber hinaus soll die Arbeit der Sicherheits- und Ermittlungsbehörden in diesem Zusammenhang überprüft werden. 4. Untersuchungsausschuss (Cum/Ex-Geschäfte), eingesetzt am 19. Februar 2016 Aufgabe des Gremiums ist die Untersuchung der Gestaltungsmodelle sogenannter Cum/Ex- Geschäfte, die auf eine mehrfache Erstattung beziehungsweise Anrechnung der Kapitalertragssteuer gerichtet waren, obwohl die Steuer nur einmal bezahlt wurde. 5. Untersuchungsausschuss (Abgasskandal), eingesetzt am 7. Juli 2016 Der fünfte Untersuchungsausschuss soll eruieren, inwieweit die Bundesregierung Kenntnis darüber hatte, dass die im Realbetrieb auf der Straße festgestellten Kraftstoffverbräuche und Abgasemissionen von Kraftfahrzeugen nicht mit den von den Herstellern angegebenen Werten übereinstimmen. Eine Enquete-Kommission wurde in der 18. Wahlperiode nicht eingesetzt. Ende der Bearbeitung Aktueller Begriff Nr. 30/09 (27. März 2009) (Aktualisierte Fassung von Nr. 13/06) ______________________________________________________________________________ Das Dokument gibt nicht notwendigerweise die Auffassung des Deutschen Bundestages oder seiner Verwaltung wieder und ist urheberrechtlich geschützt. Eine Verwertung bedarf der Zustimmung durch die Leitung der Abteilung W. Untersuchungsausschüsse Die Oppositionsfraktionen im Bundestag haben sich auf einen Antrag für einen Untersuchungsausschuss geeinigt. Der Ausschuss soll die Vorgänge um die Hypo Real Estate Bank (HRE) klären . Es wäre der 37. Untersuchungsausschuss in der Geschichte des Bundestages. Das in Art. 44 Grundgesetz (GG) enthaltene Untersuchungsrecht ermöglicht es dem Bundestag , unabhängig von anderen Staatsorganen und mit hoheitlichen Mitteln alle Sachverhalte zu prüfen , die er in Erfüllung seines Verfassungsauftrags für aufklärungsbedürftig hält. Das betrifft insbesondere Vorgänge, die in den Verantwortungsbereich der Regierung fallen und die auf Missstände hinweisen. Untersuchungsausschüsse sind vor allem ein wichtiges Instrument der Opposition, da die parlamentarische Minderheit in gleicher Weise wie die Ausschussmehrheit an der Untersuchung mitwirkt. Art. 44 GG wird u. a. ergänzt durch das Untersuchungsausschussgesetz (PUAG), die Strafprozessordnung und die Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages. Das PUAG regelt insbesondere Einsetzung und Zusammensetzung eines Untersuchungsausschusses, das Verfahren sowie den Rechtsschutz auskunftspflichtiger Personen. Bei der Einsetzung eines Untersuchungsausschusses ist zu unterscheiden: Eine Minderheitenenquête ist ein Untersuchungsausschuss, der von einem Viertel der Mitglieder des Bundestages beantragt und deshalb vom Bundestag pflichtgemäß eingesetzt wurde. Von einer Mehrheitsenquête spricht man, wenn der Untersuchungsausschuss von weniger als einem Viertel der Mitglieder beantragt und dieser Antrag von der Mehrheit des Bundestages angenommen worden ist. Der Antrag muss den Untersuchungsgegenstand hinreichend genau bestimmen und die verfassungsrechtlichen Grenzen des Untersuchungsrechts einhalten. Im Falle der Minderheitenenquête darf der Gegenstand der beantragten Untersuchung nicht gegen den Willen der Antragsteller verändert oder erweitert werden. Die Ablehnung eines Einsetzungsantrages ist angemessen zu begründen. Untersuchungsausschüsse unterliegen dem Grundsatz der Diskontinuität; sie verlieren mit dem Ende der Wahlperiode ihre Aufgabe und in der konkreten Zusammensetzung ihre Existenz. Die Grenzen des parlamentarischen Untersuchungsrechts ergeben sich im Wesentlichen aus dem verfassungsrechtlichen Zuständigkeitsbereich des Bundestages. Das bedeutet: − Das Untersuchungsrecht ist beschränkt auf den Kompetenzbereich des Bundes. Die Parlamente der Länder sowie das Europäische Parlament können innerhalb ihrer Zuständigkeit jeweils eigene Untersuchungsausschüsse einsetzen. − Das Untersuchungsrecht des Bundestages ist begrenzt durch den Grundsatz der Gewaltenteilung . Bei der Regierungs- und Verwaltungskontrolle gibt es einen Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung , der einen nicht vom Parlament ausforschbaren Initiativ-, Beratungs- und Handlungsbereich mit einschließt. Deshalb erstreckt sich das parlamentarische Untersuchungsrecht in der Regel nur auf bereits abgeschlossene Vorgänge. - 2 - Verfasser/in: RD Harald Georgii, RD Michael Grote, RRn Steffi Menzenbach, Fachbereich WD 3, Verfassung und Verwaltung Ist ein verfassungsrechtlich zulässiger Untersuchungsausschuss von einer qualifizierten Minderheit beantragt, so hat der Bundestag diesen unverzüglich einzusetzen und dabei auch die Zahl seiner Mitglieder zu bestimmen. Für den Vorsitz sind die Fraktionen im Verhältnis ihrer Stärke zu berücksichtigen . Auf die Beweiserhebungen finden die Vorschriften über den Strafprozess sinngemäß Anwendung . Gerichte und Verwaltungsbehörden sind zur Rechts- und Amtshilfe verpflichtet. Der Untersuchungsausschuss erhebt die durch den Untersuchungsauftrag gebotenen Beweise aufgrund von Beweisbeschlüssen. Beweise sind zu erheben, wenn sie von einem Viertel der Ausschussmitglieder beantragt sind, es sei denn, die Beweiserhebung ist unzulässig oder das Beweismittel ist auch nach Anwendung von Zwangsmitteln unerreichbar. Als Beweismittel kommen insbesondere die Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen sowie die Beiziehung von Akten in Betracht. Der Untersuchungsausschuss hat das Recht, das Erscheinen von Zeugen zu erzwingen; er kann im Falle einer ungerechtfertigten Zeugnisverweigerung ein Ordnungsgeld festsetzen bzw. beim Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofes beantragen, die Person in Haft nehmen zu lassen. Seit 2001 gibt es außerdem die Möglichkeit, einen Ermittlungsbeauftragten einzusetzen. Hiervon hat erstmals der 1. Untersuchungsausschuss der 16. Wahlperiode Gebrauch gemacht. Gemäß Art. 44 Abs. 1 S. 1 GG sind die Beweiserhebungen grundsätzlich öffentlich. Damit ist die sogenannte Saalöffentlichkeit gemeint. Das PUAG bestimmt, dass dabei Ton- und Filmaufnahmen sowie Ton- und Bildübertragungen im Regelfall nicht zulässig sind. Allerdings kann der Untersuchungsausschuss Ausnahmen zulassen, wenn eine Mehrheit von zwei Dritteln der anwesenden Mitglieder sowie die zu vernehmenden oder anzuhörenden Personen zugestimmt haben. Hiervon hat der 2. Untersuchungsausschuss der 15. Wahlperiode Gebrauch gemacht und in besonderen Einzelfällen eine Fernsehberichterstattung ermöglicht. Streit gab es immer wieder darüber, wie mit Informationen und Unterlagen zu verfahren ist, bei denen ein besonderes Geheimhaltungsinteresse besteht. Der Herausgabeanspruch des Untersuchungsausschusses erstreckt sich grundsätzlich auch auf von der Bundesregierung als Verschlusssache eingestufte Vorgänge. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts darf die Bundesregierung die Herausgabe nicht generell unter Hinweis auf Geheimhaltungsinteressen verweigern. Das Wohl des Bundes, zu dessen Wahrung besondere sensible Informationen geheim gehalten werden müssen, ist im parlamentarischen Regierungssystem Bundestag und Bundesregierung gemeinsam anvertraut. Auch der Bundestag und seine Mitglieder sind daher zur Geheimhaltung verpflichtet. Nach Art. 44 Abs. 1 S. 2 GG kann die Öffentlichkeit von Untersuchungsausschusssitzungen ausgeschlossen werden. Einzelheiten regelt die Geheimschutzordnung des Bundestages. Hat der Bundestag wirksame Vorkehrungen gegen mögliche Verstöße gegen Geheimhaltungsvorschriften getroffen, kann die Bundesregierung die Herausgabe von Akten an den Untersuchungsausschuss nicht verweigern. In der Konsequenz darf der Untersuchungsausschuss die auf diesem Wege gewonnenen Erkenntnisse nicht öffentlich bekannt geben. Über eine ablehnende Entscheidung zu einem Herausgabeersuchen bzw. über die Einstufung als Verschlusssache muss die Bundesregierung den Untersuchungsausschuss schriftlich unterrichten. Der Untersuchungsausschuss hat das Recht, die Entscheidung der Ablehnung durch das Bundesverfassungsgericht bzw. die Rechtmäßigkeit der Einstufung durch den Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs überprüfen zu lassen. Das Ergebnis der Untersuchungen wird in einem Abschlussbericht zusammengefasst. Kommt der Untersuchungsausschuss nicht zu einem einvernehmlichen Bericht, kann die Minderheit ihre Sicht in einem Sondervotum darstellen. Die Gerichte sind nicht an die Ermittlungsergebnisse gebunden und in der Würdigung des dem Verfahren zugrunde liegenden Sachverhalts frei. Quellen: − Untersuchungsausschussgesetz, BGBl I 2001, 1142, http://www.bundestag.de/parlament/funktion/gesetze/uag.pdf. − BVerfGE 67, 100 (Flick); BVerfGE 77, 1 (Neue Heimat), BVerfGE 105, 97 (Spenden); BVerfGE 113, 113 (Visa). − BGH (Ermittlungsrichter), Beschluss vom 20. Februar 2009, Aktenzeichen ARs 3/2008. − Engels, Dieter, Parlamentarische Untersuchungsausschüsse, 2. Auflage 1991. − Glauben, Paul Lars; Brocker, Lars, Das Recht der parlamentarischen Untersuchungsausschüsse in Bund und Ländern, 2004. − Hoppe, Tilman, Ein Fall für Zwei: Untersuchungsausschuss und Ermittlungsbeauftragter, ZParl 2008, 477 ff. − Kretschmer, Gerald, in: Schmidt-Bleibtreu, Bruno; Klein, Franz (Begr.); Hofmann, Hans; Hopfauf (Hrsg.), Axel, Kommentar zum Grundgesetz, 11. Auflage 2008, Kommentierung zu Art. 44 und Art. 39. − Wiefelspütz, Dieter, Das Untersuchungsausschussgesetz, 2003. Nr. 24/13 (01. Juli 2013) © 2013 Deutscher Bundestag Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Der Verteidigungsausschuss hat sich am 26. Juni 2013 gemäß seinem Beschluss vom selben Tage auf Antrag aller Fraktionen zum zweiten Mal in der 17. Wahlperiode als Untersuchungsausschuss konstituiert. Laut Einsetzungsbeschluss sollen der Umgang der Bundesregierung mit dem Entwicklungsvorhaben „EURO HAWK“ unter vertraglichen, rechtlichen, haushalterischen, militärischen , technologischen und politischen Gesichtspunkten untersucht sowie die Aufklärungs- und Informationspraxis der Bundesregierung überprüft werden. Im Schwerpunkt geht es um die Aufklärung über den Umgang mit den seit Abschluss des Entwicklungsvertrages bekanntgewordenen schwerwiegenden Problemen. Der Verteidigungsausschuss tagte in dieser Legislaturperiode schon einmal als Untersuchungsausschuss zur Informationspolitik der Bundesregierung in Bezug auf das Bombardement zweier entführter Tanklaster im Kundus-Fluss im September 2009. Nachfolgend werden die rechtlichen Grundlagen des Verteidigungsausschusses als Untersuchungsausschuss skizziert: Mit der Ergänzung des Grundgesetzes (GG) durch die sog. Wehrverfassung von 1956 trat eine Reihe von Grundgesetzänderungen auf dem Gebiet der Wehrpolitik in Kraft. U. a. wurde Art. 45a GG eingefügt, mit dem der Verteidigungsausschuss im Grundgesetz seine Verankerung fand (Abs. 1) und die Rechte eines Untersuchungsausschusses auf dem Gebiet der Verteidigung erhielt (Abs. 2 und 3). § 34 des Gesetzes über parlamentarische Untersuchungsausschüsse (PUAG) konkretisiert das Verfahren und die Rechte des Verteidigungsausschusses als Untersuchungsausschuss. Anders als der Untersuchungsausschuss nach Art. 44 Abs. 1 GG besitzt der Verteidigungsausschuss bereits die Rechte eines Untersuchungsausschusses von Verfassung wegen gemäß Art. 45a Abs. 2 S. 1 GG und bedarf insofern nicht der formellen Einsetzung in dieser Eigenschaft durch das Plenum. Für die Wahrnehmung der Untersuchungsrechte ist daher allein eine förmliche Konstituierung des Verteidigungsausschusses als Untersuchungsausschuss aufgrund eines entsprechenden Beschlusses des Verteidigungsausschusses erforderlich. Der Ausschuss ist auf Antrag eines Viertels seiner gegenwärtig 34 Mitglieder gemäß Art. 45a Abs. 2 S. 2 GG i. V. m. § 34 Abs. 1 S. 2 PUAG verpflichtet, diesen Beschluss zu fassen. Der Einsetzungsbeschluss des Verteidigungsausschusses kommt mit einfacher Mehrheit zustande. Den Vorsitz des Verteidigungsausschusses als Untersuchungsausschuss führt der oder die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses (§ 34 Abs. 2 PUAG). Macht der Verteidigungsausschuss eine Angelegenheit zum Gegenstand der Untersuchung, kann er einen Unterausschuss einrichten, in den auch stellvertretende Ausschussmitglieder entsandt werden können (§ 34 Abs. 3 PUAG). Aktueller Begriff Der Verteidigungsausschuss als Untersuchungsausschuss nach Art. 45a GG Wissenschaftliche Dienste Verfasser/in: Regierungsdirektorin Patrizia Robbe – Fachbereich WD 3, Verfassung und Verwaltung Wissenschaftliche Dienste Aktueller Begriff Der Verteidigungsausschuss als Untersuchungsausschuss nach Art. 45a GG Seite 2 Art. 45a Abs. 3 GG erklärt den für Untersuchungsausschüsse geltenden Art. 44 Abs. 1 GG auf dem Gebiet der Verteidigung für unanwendbar. Dies hat folgende Konsequenzen: Erstens: Art. 44 Abs. 1 S. 1 GG besagt, dass „der Bundestag das Recht hat,…, einen Untersuchungsausschuss einzurichten.“ Durch den Ausschluss dieser Bestimmung in Art. 45a Abs. 3 GG folgt ein Untersuchungsmonopol des Verteidigungsausschusses auf dem Gebiet der Verteidigung. Dem Plenum sind eigene bindende Untersuchungsinitiativen insoweit versperrt. Zweitens: Art. 44 Abs. 1 GG normiert in S. 1 die Pflicht der öffentlichen Beweisaufnahme; nach S. 2 kann die Öffentlichkeit ausgeschlossen werden. Diese Bestimmungen finden auf den Verteidigungsausschuss ebenfalls gemäß Art. 45a Abs. 3 GG keine Anwendung. Im Übrigen gilt für Beratungen und Beschlussfassungen des Verteidigungsausschusses als Untersuchungsausschuss gemäß § 34 Abs. 4 S. 1 PUAG i. V. m. § 12 Abs. 1 PUAG, dass diese – wie auch bei Untersuchungsausschüssen im allgemeinen – in nichtöffentlicher Sitzung stattfinden. Es ist umstritten, ob durch Art. 45a Abs. 3 GG die Öffentlichkeit bei Beweisaufnahmen zwingend ausgeschlossen ist: Ein Teil der Literatur bejaht dies und begründet diese Auffassung u. a. mit dem Sinn und Zweck der Vorschrift, den besonderen Geheimhaltungsbedürfnissen in Verteidigungsfragen Rechnung zu tragen. Nach anderer Ansicht schließt die Regelung des Art. 45a Abs. 3 GG die Öffentlichkeit von Beweiserhebungen des Verteidigungsausschusses als Untersuchungsausschuss nicht per se aus. In diesem Sinne wird z. B. argumentiert, dass es der Ratio des Art. 45a Abs. 3 GG, also dem Schutz verteidigungspolitischer Belange vor der Öffentlichkeit, nicht entgegenstehe, wenn der Verteidigungsausschuss als Untersuchungsausschuss in begründeten Ausnahmefällen, in denen eine unbefugte Preisgabe vertraulich zu behandelnder Daten nicht zu befürchten sei, die Öffentlichkeit der Beweiserhebung beschließe. In der bisherigen Praxis des Verteidigungsausschusses als Untersuchungsausschuss gibt es sowohl Fälle, in denen sich der Ausschuss für den ausnahmslosen Ausschluss der Öffentlichkeit bei der Beweisaufnahme entschied, als auch solche, in denen er eine weitgehende öffentliche Beweiserhebung beschloss. Es lässt sich insgesamt eine Tendenz feststellen, dass der Verteidigungsausschuss als Untersuchungsausschuss entweder grundsätzlich die Öffentlichkeit bei der Beweiserhebung herstellte, sofern nicht besondere Gründe wie z. B. Sicherheitsinteressen entgegenstanden , oder deren Zulassung jedenfalls im Einzelfall als zulässig betrachtete. Gemäß § 34 Abs. 4 S. 2 PUAG hat der Verteidigungsausschuss dem Bundestag über das Ergebnis seiner Untersuchung Bericht zu erstatten. Dieser wird als Bundestagsdrucksache veröffentlicht. In seiner Eigenschaft als Untersuchungsausschuss hat sich der Verteidigungsausschuss – einschließlich dem Untersuchungsverfahren zu „EURO HAWK“ – in insgesamt 15 Fällen konstituiert. Quellen: – Berg, Wilfried, in: Dolzer, Rudolf/Vogel, Klaus/Graßhof, Karin (Hrsg.), Bonner Kommentar, 51. Aktualisierung, Heidelberg, Stand: April 1986, Kommentierung zu Art. 45 a GG. – Dürig, Günter/Klein, Hans, in: Herzog, Roman/Scholz, Rupert u. a. (Hrsg.), Grundgesetz, Kommentar, 41. Lieferung , München, Stand: Oktober 2002, Kommentierung zu Art. 45a GG. – Georgii/Mäde, Öffentlichkeit im Verteidigungsausschuss als Untersuchungsausschuss, Deutscher Bundestag, Wissenschaftliche Dienste, Ausarbeitung WD 3 – 464/09.