WD 3 - 3000 - 211/19 (19. September 2019) © 2019 Deutscher Bundestag Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Vor deutschen Gerichten werden sowohl Angeklagte und Betroffene als auch Zeugen regelmäßig dazu aufgefordert, in öffentlichen Verhandlungen personenbezogene Daten anzugeben.1 Gerichte müssen grundsätzlich auch im Rahmen ihrer justiziellen Tätigkeit das Datenschutzrecht beachten. Im Einzelnen bestehen zahlreiche Abgrenzungsfragen, ob die Datenschutzgrundverordnung (Verordnung (EU) 2016/679 – DSGVO) oder die EU-Datenschutzrichtlinie für Justiz und Inneres (Richtlinie (EU) 2016/680 – JI-Richtlinie) Anwendung findet. Letztere ist nach Art. 1 Abs. 1 JI- Richtlinie anwendbar, wenn die Verarbeitung dem Zweck der Verhütung, Ermittlung, Aufdeckung oder Verfolgung von Straftaten dient. Während die deutsche Übersetzung allein die Arbeit von „Behörden“ in Bezug nimmt, wird in der Literatur unter Hinweis auf zahlreiche Passagen in den Erwägungsgründen (insbesondere EG 80 der JI-Richtlinie) eine europarechtliche autonome Auslegung und damit die Anwendbarkeit der JI-Richtlinie für die justizielle Tätigkeit von Strafgerichten bejaht.2 Hierfür spricht auch die nationale Umsetzung der JI-Richtlinie in Teil 3 des BDSG. So knüpft auch § 45 BDSG nicht an die Tätigkeit von „Behörden“ sondern der „zuständigen öffentlichen Stellen“ im Sinne von § 2 Abs. 1 BDSG an, die auch Gerichte umfassen. Im Zivilprozess gelten dagegen – unmittelbar oder wegen § 1 Abs. 8 BDSG entsprechend – die DSGVO sowie § 1 bis § 44 BDSG.3 In beiden Fällen ist die Verarbeitung personenbezogener Daten auf Grundlage eines nationalen Gesetzes möglich, soweit diese zur Aufgabenerfüllung erforderlich ist (Art. 6 Abs. 1 lit. c oder e DSGVO oder Art. 8 Abs. 1 JI-Richtlinie). Für besondere Kategorien personenbezogener Daten sind darüber hinaus die Art. 9 Abs. 2 lit. f DSGVO bzw. Art. 10 JI-Richtlinie zu beachten. Weder 1 Vgl. Kurzinformation WD 7 - 3000 - 131/19 (21. August 2019). 2 Hornung/Schindler/Schneider, Die Europäisierung des strafrechtlichen Datenschutzes, ZIS 2018 S. 566 (573); Mysegades, Gerichtliche Beweisführung durch statistische Computerprogramme, CR 2018, S. 225 (230); Wolff, in: Schantz/Wolff, Das neue Datenschutzrecht, 2019, Rn. 239; a.A. Engeler, in: Specht/Mantz, Handbuch Europäisches und deutsches Datenschutzrecht, 1. Auflage 2019, § 22 Rn. 10. 3 Ory/Weth, Betroffenenrechte in der Justiz – Die DSGVO auf Konfrontationskurs mit der ZPO?, NJW 2018, S. 2829 (2830). Wissenschaftliche Dienste Kurzinformation Datenschutzrechtliche Zulässigkeit persönlicher Angaben in öffentlichen Gerichtsverhandlungen Kurzinformation Datenschutzrechtliche Zulässigkeit persönlicher Angaben in öffentlichen Gerichtsverhandlungen Fachbereich WD 3 (Verfassung und Verwaltung) Wissenschaftliche Dienste Seite 2 die DSGVO noch die JI-Richtlinie verfolgen den Zweck, das nationale Prozessrecht zu regeln.4 Insbesondere sind beiden Rechtsakten einschließlich ihrer Erwägungsgründe keine Hinweise auf eine beabsichtigte Einschränkung des Grundsatzes der Öffentlichkeit von Hauptverhandlungen zu entnehmen. Dieser ist sowohl in Art. 47 Abs. 2 EU-Grundrechtecharta als auch in Art. 6 Abs. 1 EMRK verankert und besitzt damit einen besonders hohen Stellenwert. Er ist bei der Auslegung der DSGVO und JI-Richtlinie als Sekundärrecht sowie bei der Umsetzung der JI-Richtlinie zu beachten. *** 4 Vgl. BSG, Urteil vom 18. Dezember 2018, B 1 KR 40/17 R, juris Rz. 33.