© 2017 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 211/17 Parlamentarische Kontrolle von Vertrauenspersonen bei Bundespolizei, Bundeskriminalamt und Zollfahndungsdienst Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 211/17 Seite 2 Parlamentarische Kontrolle von Vertrauenspersonen bei Bundespolizei, Bundeskriminalamt und Zollfahndungsdienst Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 211/17 Abschluss der Arbeit: 1. November 2017 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 211/17 Seite 3 1. Fragestellung Die Bundespolizei, das Bundeskriminalamt und der Zollfahndungsdienst setzen Vertrauenspersonen zur Informationsgewinnung ein.1 Es stellt sich die Frage nach den parlamentarischen Kontrollrechten und nach der Einstufung der an den Bundestag übermittelten Informationen. 2. Parlamentarische Kontrollrechte 2.1. Besondere Informationsrechte Das Bundespolizeigesetz, das Bundeskriminalamtgesetz und das Zollfahndungsdienstgesetz regeln den Einsatz von Vertrauenspersonen als zulässiges Mittel der Datenerhebung.2 Eine parlamentarische Kontrolle über den Einsatz von Vertrauenspersonen sehen die drei genannten Gesetze wie auch die Strafprozessordnung nicht vor. Hierin unterscheiden sich diese Gesetze von den nachrichtendienstlichen Vorschriften.3 2.2. Allgemeine Informationsrechte Mangels spezieller Gesetzesgrundlage gelten die allgemeinen parlamentarischen Informationsrechte. Zum allgemeinen Frage- und Informationsrecht des Bundestages hat das Bundesverfassungsgericht ausgeführt: „In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geklärt […] ist, dass aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 und Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG [Grundgesetz] ein Frage- und Informationsrecht des Deutschen Bundestages gegenüber der Bundesregierung folgt, an dem die einzelnen Abgeordneten und die Fraktionen als Zusammenschlüsse von Abgeordneten nach Maßgabe der Ausgestaltung in der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages teilhaben und dem grundsätzlich eine Antwortpflicht der Bundesregierung korrespondiert.“4 Bundespolizei und Bundeskriminalamt gehören zum Ressort des Bundesinnenministeriums,5 der Zollfahndungsdienst zum Ressort des Bundesfinanzministeriums.6 Soweit es darum geht, dass ein 1 BT-Drs. 18/7591, S. 1, Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage BT-Drs. 18/7443 (Führung von Vertrauenspersonen bei Bundesbehörden der Polizei, Zoll und Polizeien der Länder). 2 § 20g Abs. 2 Nr. 4 Bundeskriminalamtgesetz; § 28 Abs. 2 Nr. 3 Bundespolizeigesetz; § 21 Zollfahndungsdienstgesetz. 3 Siehe z. B. § 9b Abs. 1 S. 2 Bundesverfassungsschutzgesetz; § 5 S. 2 MAD-Gesetz. 4 BVerfGE 124, 161, 188. Zur Diskussion der dogmatischen Herleitung in der Literatur siehe Hölscheidt, Frage und Antwort im Parlament (1992), 18 ff. 5 https://www.bmi.bund.de/DE/ministerium/behoerden-und-einrichtungen/behoerden-und-einrichtungen-node.html. 6 http://www.bundesfinanzministerium.de/Web/DE/Ministerium/Geschaeftsbereich/Bundesfinanzverwaltung/bundesfinanzverwaltung .html. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 211/17 Seite 4 Ausschuss die parlamentarischen Kontrollrechte wahrnimmt, sind damit der Finanzausschuss und der Innenausschuss fachlich zuständig.7 Eine gesetzliche interne Berichtspflicht der beiden Ausschüsse gegenüber dem Plenum ist nicht ersichtlich (im Unterschied zu § 13 PKGrG). Das Plenum kann Ausschüsse aber beauftragen, einen Bericht abzugeben.8 3. Geheimschutz Ein Bedarf an Geheimhaltung steht einer Kontrolle durch das Parlament grundsätzlich nicht entgegen . Das Bundesverfassungsgericht hat hierzu ausgeführt, „dass das Parlament ohne eine Beteiligung am geheimen Wissen der Regierung weder das Gesetzgebungsrecht noch das Haushaltsrecht noch das parlamentarische Kontrollrecht gegenüber der Regierung auszuüben vermöchte.“9 Zum Schutz der geheimen Sachverhalte müssen Bundesregierung und Bundestag „beiderseits wirksam Vorkehrungen gegen das Bekanntwerden von Dienstgeheimnissen“ treffen.10 Das Bundesverfassungsgericht hat das System des Geheimschutzes im Bundestag schon 1984 in seinem „Flick“- Urteil als wirksam anerkannt.11 Die maßgebenden Regelungen zum Geheimschutz finden sich im Sicherheitsüberprüfungsgesetz (SÜG),12 der Geheimschutzordnung des Deutschen Bundestages (GSO-BT)13 und der Verschlusssachenanweisung des Bundes (VSA).14 Die drei Regelwerke greifen ineinander. Nach § 4 Abs. 2 Nr. 2 SÜG wird eine Information als „GEHEIM“ eingestuft, „wenn die Kenntnisnahme durch Unbefugte die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder gefährden oder ihren Interessen schweren Schaden zufügen kann“. 7 https://www.bundestag.de/inneres; https://www.bundestag.de/finanzausschuss; BT-Drs. 18/211, Einsetzung von Ausschüssen. 8 Vgl. u.a. § 62 Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages (GO-BT). 9 BVerfGE 67, 100 (135) – Flick; zuletzt bestätigt in BVerfG, NVwZ 2017, 1364 (1365) – Oktoberfest. 10 BVerfGE 67, 100 (136) – Flick. 11 BVerfGE 67, 100 (135): „Die Geheimschutzordnung ist der Verschlußsachenanweisung des Bundesministers des Innern nachgebildet und in der Definition der Geheimhaltungsgrade zum Teil strenger als die jetzt geltende Fassung der Verschlußsachenanweisung.“ 12 Sicherheitsüberprüfungsgesetz vom 20.4.1994 (BGBl. I S. 867) zuletzt geändert durch Art. 4 Gesetz vom 18.7.2017 (BGBl. I S. 2732). 13 Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages (BGBl. I 1980 S. 1237), Anlage 3, letztere zuletzt geändert durch Beschluss des Deutschen Bundestages vom 28.2.2013 gemäß Bekanntmachung vom 12.3.2013 (BGBl. I S. 548). 14 Ferner: § 15 Untersuchungsausschussgesetz; §§ 69, 73 GO-BT; ausführliche Darstellung in BT-Drs. 18/12850, S. 88-91. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 211/17 Seite 5 In Bezug auf die Geheimhaltung von Informationen zu Vertrauenspersonen hat das Bundesverfassungsgericht ausgeführt: „[A]uch unabhängig von der Gefährdung grundrechtlicher Belange in einem konkreten Einzelfall und ungeachtet des Zeitablaufs kann die Enttarnung von verdeckt handelnden Personen eine Gefährdung der Arbeitsfähigkeit und Aufgabenerfüllung der Sicherheitsbehörden darstellen, da durch die Herausgabe von Informationen über V-Leute oder sonstige verdeckte Quellen das Vertrauen in die Wirksamkeit von Geheimhaltungszusagen geschwächt und damit noch aktive Quellen von einer weiteren Zusammenarbeit abgehalten und die Gewinnung neuer Quellen erschwert werden können.“15 Dies bedeutet zum Beispiel für eine parlamentarische Frage nach der Gesamtzahl von Vertrauenspersonen bei drei Sicherheitsbehörden: Diese Zahl ist eher eine abstrakte und anonyme Information, was gegen eine Einstufung der Information spricht. Andererseits macht es einen Unterschied, ob die genannten Sicherheitsbehörden z. B. 2 oder 2.000 Vertrauenspersonen unterhalten. Vertrauenspersonen könnten sich durch die öffentliche Bekanntgabe der Zahl bedroht fühlen. Ferner könnten kriminelle Organisationen aus dieser Information Rückschlüsse ziehen, wie hoch ihr Risiko ist, dass in ihrem Umfeld „Verräter“ sind. Z. B. könnte eine hohe Zahl solche Organisationen motivieren , die Zuverlässigkeit ihrer Mitglieder und Kontakte zu überprüfen. Beide Aspekte sprechen für eine Geheimhaltung der Information. Für das Bundesverfassungsgericht ist bei der Abwägung mit dem parlamentarischen Informationsinteresse ferner „der Zeitablauf ein bedeutsamer – wenn auch nicht allein ausschlaggebender – Faktor. So kann sich im Einzelfall bei weit zurückliegenden Vorgängen die Geheimhaltungsbedürftigkeit erheblich vermindert oder erledigt haben“.16 Bei einer Frage zu der Anzahl von Vertrauenspersonen „in den Jahren 2000 bis 2015“17 kann nicht unbedingt davon ausgegangen werden, dass es sich um einen „weit zurückliegenden Vorgang“ handelt. *** 15 BVerfG, NVwZ 2017, 1364 (1370) – Hervorhebung durch Autor. 16 BVerfG, NVwZ 2017, 1364 (1371). 17 Vgl. Kleine Anfrage BT-Drs. 18/7443, Frage 2.