Zulässigkeit des Versendens von sog. „Abuse E-Mails“ durch das Bundeskriminalamt an außereuropäische Host-Provider - Ausarbeitung - © 2009 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 211/09 Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages Verfasser/in: Zulässigkeit des Versendens von sog. „Abuse E-Mails“ durch das Bundeskriminalamt an außereuropäische Host-Provider Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 211/09 Abschluss der Arbeit: 15. Juni 2009 Fachbereich WD 3: Verfassung und Verwaltung Telefon: Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Die Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste sind dazu bestimmt, Mitglieder des Deutschen Bundestages bei der Wahrnehmung des Mandats zu unterstützen. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W. - Zusammenfassung - Solange eine Email des BKA nur eine Benachrichtigung an den Host-Provider darstellt, und diesen auf inkriminierte Inhalte auf seinem Server hinweist, wird das BKA nicht hoheitlich tätig, da es dem Host-Provider kein Tun, Dulden oder Unterlassen vorschreibt , sondern diesen lediglich informiert. Solche rein informativen Emails des BKA an außereuropäische Host-Provider wären demnach zulässig. Unzulässig wären hingegen derartige Emails durch das BKA an Host-Provider, die diesem eine Löschung der inkriminierten Inhalte vorschreiben würden. Inhalt 1. Einleitung 4 2. Begriffsbestimmungen 5 2.1. Host-Provider 5 2.2. “abuse Emails” 5 3. Zulässigkeit der Versendung von „abuse Emails“ 6 3.1. Aufgaben des BKA 6 3.2. Praxis des BKA 7 3.3. Rechtliche Einordnung des Handelns des BKA 8 - 4 - 1. Einleitung Bei dem Bundeskriminalamt (BKA) laufen schon heute eine Vielzahl von Informationen zu strafbaren Inhalten im Internet, insbesondere auch zu kinderpornografischen Inhalten , zusammen. Liegen kinderpornografische Inhalte auf deutschen Servern, werden die erforderlichen strafrechtlichen Maßnahmen in Deutschland eingeleitet. Dabei kommen die deutschen Host-Provider regelmäßig der Aufforderung nach, die entsprechenden Inhalte unverzüglich zu entfernen.1 Innerhalb Europas gilt die sog. E-Commerce-Richtlinie2.3 In deren Geltungsbereich fallen u.a. auch grundlegende Vermittlerdienste (Internetzugang sowie Übermittlung und Hosten von Informationen), und zwar auch dann, wenn sie für die Empfänger kostenlos sind und beispielsweise durch Werbung oder Sponsoring finanziert werden.4 Innerhalb des Geltungsbereiches der E-Commerce-Richtlinie ist ein direktes Vorgehen gegen den verantwortlichen Inhalteanbieter, eine Strafverfolgung des Täters sowie eine Entfernung der inkriminierten Inhalte gem. Art. 14 Abs. 3, 15 der Richtlinie möglich.5 Entdeckt das BKA kriminelle Inhalte auf außereuropäischen Servern, kann das BKA aus Achtung vor der Souveränität der Staaten als deutsche Polizeibehörde nicht direkt an die in diesen Staaten ansässigen Host-Provider herantreten. Es erfolgt grundsätzlich ein schriftliches Ersuchen des BKA an die Strafverfolgungsbehörden des Staates, in dem die inkriminierte Webseite gehostet ist, mit der Bitte um Durchführung weiterer 1 Stellungnahme des Bundeskriminalamtes Wiesbaden zum Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung der Kinderpornographie in Kommunikationsnetzen - BT-Drs. 16/12850 -, Ausschussdrucksache 16(9)1549 vom 25. Mai 2009, S. 3; vgl. Pfaffenbach, Bernd, Antwort vom 11. Juni 2009 auf Kleine Anfrage betr. „Sperrung von Webseiten mit kinderpornographischem Inhalt“ – BT-Drs. 16/13245, S. 15. 2 Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs , im Binnenmarkt („Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr“), E- Commerce-Richtlinie (ABl. L 178/1 vom 17. Juli 2000). 3 Des Weiteren findet auf europäischer Ebene das Übereinkommen über Computerkriminalität des Europarates vom 23. November 2001 (SEV-Nr. 185) Anwendung. Deutschland hat zwar das Abkommen am 23. November 2001 unterzeichnet, die Ratifizierung soll jedoch erst am 1. Juli 2009 stattfinden. 4 http://ec.europa.eu/internal_market/e-commerce/directive_de.htm, [Stand: 15. Juni 2009]. 5 Stellungnahme von eco – Verband der deutschen Internetwirtschaft e. V. - zum Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung der Kinderpornographie in Kommunikationsnetzen - BT-Drs. 16/12850 -, Ausschussdrucksache 16(9)1542 vom 20. Mai 2009, S. 4; vgl. Pfaffenbach, Bernd, Antwort vom 11. Juni 2009 auf Kleine Anfrage betr. „Sperrung von Webseiten mit kinderpornographischem Inhalt“ – BT-Drs. 16/13245, S. 15. - 5 - strafprozessualer Maßnahmen nach den jeweils gegebenen rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten.6 Die Ausarbeitung untersucht, ob das BKA auch sog. „abuse Emails“ direkt an die außereuropäischen Provider senden kann. 2. Begriffsbestimmungen 2.1. Host-Provider Host-Provider ist gem. § 2 Satz 1 Nr. 1 2. Alt. Telemediengesetz (TMG)7 jede natürliche oder juristische Person, die fremde Telemedien zur Nutzung bereithält. Der Host- Provider bietet also fremde Informationen an. Die bereitgehaltenen Informationen müssen jedoch nicht von professionellen Anbietern herrühren. Vielmehr können die fremden Informationen auch von Internet-Usern zur Verfügung gestellt werden. Als Host- Provider wird sogar schon derjenige eingestuft, der lediglich eine Plattform für fremde Kommunikation bereitstellt.8 2.2. “abuse Emails” Für Host-Provider ist es überaus schwierig, rechtswidrige Inhalte – ohne entsprechende Kenntnis – in den großen gespeicherten Datenmengen verlässlich aufzufinden. Es liegt daher nicht nur im Interesse der Rechtssicherheit, sondern auch der Effizienz entsprechender Kontrollen, wenn diese Prüfungsmaßnahmen – unter Einbeziehung der zahlreichen Nutzer des Internets – auf Selbstkontrollgremien und Meldestellen oder Hotlines verlagert werden. Formelle Grundlage der Selbstkontrolle von Internet-Providern sind häufig sog. „codes of conduct“ (Verhaltenskodizes). Die Meldestellen oder Hotlines nehmen Meldungen über rechtswidrige Inhalte entgegen und leiten diese - teilweise über die national zuständigen Meldestellen - an die betreffenden in- oder ausländischen Hostprovider weiter. Mit Hilfe der sog. “notice and take down procedures” haben Nutzer und Hotlines dann ein wirksames Instrument, die Host-Provider durch 6 Stellungnahme des Bundeskriminalamtes Wiesbaden zum Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung der Kinderpornographie in Kommunikationsnetzen - BT-Drs. 16/12850 -, Ausschussdrucksache 16(9)1549 vom 25. Mai 2009, S. 4, 6; telefonische Auskunft einer Mitarbeiterin des Fachbereichs Kriminalitätsprävention des BKA in Wiesbaden vom 12. Juni 2009; vgl. Dr. Martina Krogmann (CDU), http://www.abgeordnetenwatch.de/dr_martina_krogmann-650-5576.html#, [Stand: 15. Juni 2009]. 7 Telemediengesetz (TMG) vom 26. Februar 2007, BGBl. I S. 179, geändert durch Gesetz vom 25. Dezember 2008, BGBl. I S. 3083. 8 Boßmanns, Claudia, Urheberrechtsverletzungen im Online-Bereich und strafrechtliche Verantwortlichkeit der Internet-Provider, 2003, S. 32. - 6 - konkrete Hinweise, die sog. „abuse Emails“ zur Löschung der aufgefundenen rechtswidrigen Inhalte zu veranlassen.9 Eine solche Selbstkontrolleinrichtung ist beispielsweise „naiin“ (no abuse in internet - europe). Über ein Web-Formular können bei der von naiin betriebenen Beschwerdestelle , „netwatch“, illegale Internet-Inhalte beanstandet werden.10 Eine weitere Internet- Beschwerdestelle wird von „eco - Verband der deutschen Internetwirtschaft e.V.“ und der „Freiwilligen Selbstkontrolle Multimedia-Diensteanbieter e.V. (FSM)“ betrieben.11 3. Zulässigkeit der Versendung von „abuse Emails“ Es besteht die Forderung, dass das BKA bzw. die zuständige Behörde im jeweiligen Herkunftsland die möglichen Maßnahmen der Strafverfolgung einleiten und den Inhalteanbieter bzw. Host-Provider informieren soll, um eine Löschung der rechtswidrigen Inhalte zu erwirken.12 Eine schnelle Kommunikation zwischen den zuständigen Behörden und den Host-Providern erhöht die Effektivität der Maßnahmen im Kampf gegen die Kinderpornographie. 3.1. Aufgaben des BKA Das BKA ist eine nachgeordnete Behörde des Bundesinnenministeriums. Es arbeitet mit einem fest umrissenen rechtlichen Auftrag, der in Art. 73 Abs. 1 Nr. 9a und 10c des Grundgesetzes (GG)13 und im Bundeskriminalamtgesetz (BKAG)14 beschrieben ist.15 Nach § 2 Abs. 1 BKAG unterstützt das BKA „als Zentralstelle für das polizeiliche Auskunfts- und Nachrichtenwesen und für die Kriminalpolizei die Polizeien des Bundes und der Länder bei der Verhütung und Verfolgung von Straftaten mit länderübergreifender , internationaler oder erheblicher Bedeutung“. Dabei hat das BKA gem. § 2 Abs. 9 Stellungnahme von Prof. Dr. Ulrich Sieber zum Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung der Kinderpornographie in Kommunikationsnetzen - BT-Drs. 16/12850 -, Ausschussdrucksache 16(9)1559(neu) vom 3. Juni 2009, S. 3, 4; Sieber, Ulrich, Verantwortlichkeit im Internet – Technische Kontrollmöglichkeiten und multimediarechtliche Regelungen, 1999, S. 100f.; Sieber, Ulrich, Kinderpornographie, Jugendschutz und Providerverantwortlichkeit im Internet, 1999, S. 56f.. 10 Naiin, http://www.naiin.org/de/content/beschwerdestelle/inhalt.php, [Stand: 15. Juni 2009]. 11 eco - Verband der deutschen Internetwirtschaft e.V., http://www.eco.de/services/beschwerdestelle.htm, [Stand: 15. Juni 2009]. 12 Stellungnahme von Dr. Korinna Kuhnen zum Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung der Kinderpornographie in Kommunikationsnetzen - BT-Drs. 16/12850 -, Ausschussdrucksache 16(9)1545 vom 25. Mai 2009, S. 4. 13 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland (GG) vom 23. Mai 1949, BGBl. S. 1, zuletzt geändert durch Gesetz vom 19. März 2009, BGBl. I S. 606. 14 Gesetz über das Bundeskriminalamt und die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in kriminalpolizeilichen Angelegenheiten (Bundeskriminalamtgesetz – BKAG) vom 7. Juli 1997, BGBl. I S. 1650, zuletzt geändert durch Gesetz vom 25. Dezember 2008, BGBl. I S. 3083. 15 BKA, http://www.bka.de, [Stand: 15. Juni 2009]. - 7 - 2 Nr. 1 BKAG „zur Wahrnehmung dieser Aufgabe alle hierfür erforderlichen Informationen zu sammeln und auszuwerten“. Das BKA unterhält u. a. als Zentralstelle der Polizeien des Bundes und der Länder eine „Zentralstelle Kinderpornographie“ sowie eine „Zentralstelle für anlassunabhängige Recherchen im Internet“.16 Im Rahmen des § 2 Abs. 2 Nr. 1 BKAG gewinnt das BKA seine Erkenntnisse aus eigenen Nachforschungen im Internet, teilweise erhält es aber auch Hinweise von anderen Polizeidienststellen im In- und Ausland, Nichtregierungsorganisationen (NGO’s) sowie aus der Bevölkerung.17 Dabei obliegt „der zur Verhütung oder Verfolgung von Straftaten erforderliche Dienstverkehr der Polizeien des Bundes und der Länder mit den Polizei- und Justizbehörden sowie sonstigen insoweit zuständigen öffentlichen Stellen anderer Staaten“ gem. § 3 Abs. 2 Satz 1 BKAG dem BKA.18 Das BKA ist gem. § 4 BKAG auch zur Strafverfolgung der in dieser Norm genannten Straftaten befugt. § 4 BKAG nennt die hier einschlägigen Straftatbestände der Verbreitung pornographischer Schriften19 nicht. Dementsprechend kann das BKA hier nur unterstützend gem. § 2 Abs. 1 BKAG bei der Verhütung und Verfolgung von Straftaten mit länderübergreifender, internationaler oder erheblicher Bedeutung tätig werden. 3.2. Praxis des BKA Das BKA schickt bei dem Auffinden von inkriminierten Inhalten bei außereuropäischen Host-Providern in der Regel keine Emails an Host-Provider im Ausland, aber an die dort zuständigen Behörden. Damit sollen nach Angaben des BKA die Zuständigkeiten eingehalten und eine Umgehung der nationalen Strafverfolgung der jeweiligen Länder vermieden werden.20 16 Stellungnahme des Bundeskriminalamtes Wiesbaden zum Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung der Kinderpornographie in Kommunikationsnetzen - BT-Drs. 16/12850 -, Ausschussdrucksache 16(9)1549 vom 25. Mai 2009, S. 2. 17 Stellungnahme des Bundeskriminalamtes Wiesbaden zum Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung der Kinderpornographie in Kommunikationsnetzen - BT-Drs. 16/12850 -, Ausschussdrucksache 16(9)1549 vom 25. Mai 2009, S. 3. 18 Vgl. auch § 3 Abs. 1 BKAG: „Das Bundeskriminalamt ist Nationales Zentralbüro der Bundesrepublik Deutschland für die Internationale Kriminalpolizeiliche Organisation.“. 19 Vgl. §§ 184 ff. StGB. 20 Telefonische Auskunft einer Mitarbeiterin des Fachbereichs Kriminalitätsprävention des BKA in Wiesbaden vom 12. Juni 2009. - 8 - 3.3. Rechtliche Einordnung des Handelns des BKA Eine Email des BKA an den jeweiligen Host-Provider mit dem Hinweis, dass sich auf seinem Server inkriminierte Inhalte befinden und der Aufforderung zur Löschung dieser Inhalte, könnte ein hoheitliches Handeln des BKA darstellen und damit in die Souveränität des Staates, in dem sich der Server des Host-Providers befindet, eingreifen. Das Handeln des BKA könnte ein befehlender Verwaltungsakt sein. Ein Verwaltungsakt liegt nur bei einer hoheitlichen Maßnahme vor. Befehlende Verwaltungsakte gebieten oder verbieten ein bestimmtes Tun, Dulden oder Unterlassen.21 Soweit eine Email des BKA an einen Host-Provider zusätzlich zu dem rein informellen Hinweis auf inkriminierte Inhalte auf seinem Server eine Löschung der inkriminierten Inhalte vorschreibt, ist von einem hoheitlichen Handeln des Bundeskriminalamtes auszugehen . Solange eine Email des BKA nur eine Benachrichtigung an den Host-Provider darstellt, die diesen auf inkriminierte Inhalte auf seinem Server aufmerksam macht, wird das BKA nicht hoheitlich tätig, da es dem Host-Provider kein Tun, Dulden oder Unterlassen vorschreibt, sondern diesen lediglich informiert.22 21 Rachor, Frederik, in: Lisken, Hans/ Denninger, Erhard, Handbuch des Polizeirechts, 4. Aufl. 2007, Kap. F Rn. 29. 22 Telefonische Auskunft eines Mitarbeiters des Referats für polizeiliche Angelegenheiten des Bundesministeriums des Innern vom 12. Juni 2009.