Verfassungsrechtliche Bewertung der Urhebernachfolgevergütung im Hinblick auf Art. 14 GG - Ausarbeitung - © 2007 Deutscher Bundestag WD 3 - 203/07 Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages Verfasser/in: Verfassungsrechtliche Bewertung der Urhebernachfolgevergütung im Hinblick auf Art. 14 GG Sachstand WD 3 - 203/07 Abschluss der Arbeit: 7. Juni 2007 Fachbereich WD 3: Verfassung und Verwaltung Telefon: + Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Die Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste sind dazu bestimmt, Mitglieder des Deutschen Bundestages bei der Wahrnehmung des Mandats zu unterstützen. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Diese bedürfen der Zustimmung des Direktors beim Deutschen Bundestag. - Zusammenfassung - Unter der Urhebernachfolgevergütung (sog. domaine public payant oder auch „Goethegroschen “) ist eine Vergütung zu verstehen, die für die Verwertung von urheberrechtlich nicht geschützten Werken zu zahlen ist. Die Urhebernachfolgevergütung wird im Allgemeinen als ein Recht verstanden, das nach Erlöschen des individuellen Urheberrechts einsetzt. Ein Eingriff in die Eigentumsfreiheit des Rechtsnachfolgers des Urhebers bzw. seines Rechtsnachfolgers gemäß Art. 14 GG nach Ablauf der Schutzfrist von 70 Jahren ist zu verneinen, weil dessen Rechte zu diesem Zeitpunkt gerade nicht mehr bestehen. Auch ein Eingriff in das nach Art 14 GG geschützte Erbrecht ist abzulehnen, weil sich das Verfügungsrecht des Urhebers als Erblasser und das Eigentumserwerbsrecht durch Erbfolge seiner Erben ohnehin nicht mehr auf den Zeitraum nach Ablauf der Schutzfrist bezieht. Zum Teil wird allerdings in der Urhebernachfolgevergütung eine unzulässige Sonderabgabe gesehen. Hieraus wird mitunter ein Verstoß gegen Art. 14 GG hergeleitet. Dem ist aber entgegenzuhalten, dass es sich bei der Urhebernachfolgevergütung lediglich um einen nicht von Art. 14 GG geschützten Eingriff in das Vermögen der Verwerter eines Werkes handelt. Eine erdrosselnde Geldleistungspflicht, die vom Bundesverfassungsgericht ausnahmsweise als Eingriff in die Eigentumsfreiheit gesehen wird, ist abzulehnen. Inhaltsverzeichnis Seite 1. Einleitung 4 2. Reichweite des Eigentumsschutzes im Urheberrecht 5 3. Erbrechtsgarantie und Urheberrecht 6 4. Inhaltliche Ausgestaltung der Urhebernachfolgeregelung 7 5. Verfassungsrechtliche Beurteilung der Urhebernachfolgevergütung im Hinblick auf Art. 14 GG 7 5.1. Eingriff in Art. 14 GG zu Lasten des Rechtsnachfolgers des Urhebers 7 5.2. Eingriff in Art. 14 GG zu Lasten der Verwerter gemeinfreier Werke 8 5.2.1. Urhebernachfolgevergütung als Sonderabgabe 8 5.2.2. Konsequenzen für die Bewertung der Urhebernachfolgevergütung im Hinblick auf Art. 14 GG 10 6. Ergebnis 11 - 4 - 1. Einleitung Das Urheberrecht erlischt 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers (sog. Schutzfrist gemäß § 64 Urheberrechtsgesetz (UrhG)). Nach Ablauf der Schutzfrist werden Werke gemeinfrei, d. h. sie können von jedermann nach Belieben genutzt werden.1 Nach derzeitiger Rechtslage ist für die Nutzung gemeinfreier Werke keine Vergütung zu entrichten. Unter der Urhebernachfolgevergütung (sog. domaine public payant oder auch „Goethegroschen “) ist eine Vergütung zu verstehen, die für die Verwertung von urheberrechtlich nicht geschützten Werken zu zahlen ist, sei es, dass diese niemals geschützt waren oder sei es, dass die Schutzfrist abgelaufen ist. Die Erlöse aus der Verwertung gemeinfreier Werke soll in einen Fonds – in Gestalt einer Stiftung - eingespeist werden, der zur Unterstützung und Förderung der lebenden Urheber verwandt wird.2 Der Urheberfonds kann die Einziehung einer Verwertungsgesellschaft überlassen, die Nutzungsrechte oder Vergütungsansprüche an urheberrechtlich geschützten Werken wahrnimmt.3 Die Einrichtung der Urhebernachfolgevergütung beruht auf dem Gedanken, dass den Urhebern von Werken bleibender Bedeutung gleichsam im Vorgriff auf ihre für spätere Zeit der Allgemeinheit zugute kommenden Leistungen ein Ausgleich aus der Verwertung bereits gemeinfrei gewordener Werke verstorbener Urheber zugute kommen soll. Ein Urhebernachfolgevergütung existiert bislang nicht: Die im Entwurf des Urheberrechtsgesetzes von 1962 enthaltene Urhebernachfolgevergütung wurde nicht in das Urheberechtsgesetz übernommen, sondern vielmehr eine Schutzfristverlängerung von 50 auf 70 Jahre beschlossen. Eine weitere Initiative war der Vorschlag IG Medien von 1998 unter dem Titel „Künstlergemeinschaftsrecht“, nach dem in Ergänzung des Vorschlags von 1962 das vorgeschlagene System eines Künstlergemeinschaftsrechts sowohl organisatorisch als auch hinsichtlich der finanziellen Beteiligung konsequent an die bestehenden Verwer- 1 Schulze, Erich/ Mestmäcker, Ernst-Joachim, Kommentar zum deutschen Urheberrecht, Band 1.1, 44. Aktualisierungslieferung, Mai 2007, § 64 (Stand: Juni 2001), Gliederungspunkt 4.. 2 Entwurf eines Gesetzes über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (Urheberrechtsgesetz) vom 23. März 1962, BT -Drs. IV/270, §§ 73 ff UrhG-E sowie S. 15 ff. und S. 33, 81; Bundesministerium der Justiz, Urheberrecht, Glossar I-L „Künstlergemeinschaftsrecht“, in: http://www.kopienbrauchen -originale.de. 3 Entwurf eines Urheberrechtsgesetzes vom 23. März 1962, BT-Drs. IV/270, § 77 Satz 1 UrhG-E., S. 15. - 5 - tungsgesellschaften angebunden und die ausübenden Künstler als eine Gruppe der Kreativen voll einbezogen werden sollten. Auch diese Initiative wurde nicht umgesetzt. Im Referentenentwurf für ein Zweites Gesetz zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft4 lehnte die Bundesregierung die Einführung einer Urhebernachfolgevergütung ab. Nach aktueller Auskunft des Bundesministeriums der Justiz (BMJ)5 gibt es keine entsprechenden Initiativen von Seiten der Bundesregierung auf diesem Gebiet. Im Folgenden soll die Verfassungsmäßigkeit der Urheberrechtsnachfolgevergütung im Hinblick auf die Eigentums- und Erbrechtsgarantie aus Art. 14 GG Abs. 1 GG geprüft werden. 2. Reichweite des Eigentumsschutzes im Urheberrecht Das Urheberrecht schützt den Urheber sowohl in seinen geistigen und persönlichen Beziehungen zu seinem Werk als auch in dessen Nutzung (vgl. § 11 S. 1 UrhG). Das Urheberrecht ist eine Form geistigen Eigentums , d. h. ein Recht an immaterie llen Gütern. Immaterialgüterrechte sind jedoch nicht generell rechtlich geschützt, sondern nur soweit sie dem Inhaber bestimmte vermögenswerte Befugnisse zur eigenverantwortlichen und privaten Verfügung rechtlich umfassend, d. h. im Sinne eines ausschließlichen Rechts, zuweisen. Dieses vermögenswerte Ergebnis der schöpferischen Leistung ist Eigentum und unterfällt dem Schutzbereich des Art. 14 GG.6 Als geistiges Eigentum verdanken Immaterialgüterrechte also ihre Existenz, ihren Vermögenswert und ihre Verkehrsfähigkeit der Rechtsordnung.7 Da jenseits rechtlicher Normierung kein rechtsfähiges Substrat der Gewährleistung existent ist, ist dieser Bereich notwendig normgeprägt.8 Aus der Tatsache, dass Art. 14 GG die grundsätzliche Zuordnung der vermögenswerten Ergebnisse der schöpferischen Leistung an den Urheber einschließlich dessen Befugnis, in eigener Verantwortung darüber verfügen zu können, beinhaltet, lässt sich aber keine schrankenlose Gewährleistung im Sinne zeitlich und sachlich unbegrenzter Schutz- 4 Vgl. Bundesminis terium der Justiz, Referentenentwurf für ein Gesetz zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft, Stand 29. September 2004, S. 44, http://www.kopienbrauchen -originale.de/media/archive/129.pdf. 5 Laut telefonischer Auskunft vom 29. Mai 2007. 6 BVerfGE 81, 208 ff.; Depenheuer, Otto, in: v. Mangoldt, Hermann/Klein, Friedrich/Starck, Christian , Kommentar zum Grundgesetz, Bd. 1, 5. Aufl., München 2005, Art. 14 GG Rn. 148. 7 Depenheuer, in: v. Mangoldt, /Klein, /Starck, Art. 14 GG Rn. 147. 8 Depenheuer, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 14 GG Rn. 369. - 6 - rechte herleiten.9 Art. 14 Abs. 2 GG postuliert die Sozialpflichtigkeit des Eigentums . Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohl der Allgemeinheit dienen. Um eine der sozialen Bestimmung des Rechts angemessene Nutzung und Verwertung sicherzustellen, kann der Gesetzgeber daher einschränkende Regelungen erlassen. 10 Zu den Schranken, denen das Urheberrecht im Interesse der Allgemeinheit unterliegt, gehört auch die Befristung des Urheberrechtsschutzes (vgl. § 64 UrhG).11 Diese Schutzfrist ist unter Hinweis auf die unbegrenzte Dauer des Sacheigentums wiederholt als ungerechtfertigte Beschränkung des Urheberrechts angegriffen worden. 12 Mehrheitlich wird jedoch die zeitliche Begrenzung des Urheberrechts unter Hinweis darauf für zulässig und geboten erachtet, weil ihr Fortfall dem Wesen des Urheberrechts widerspräche.13 Denn Werke der Literatur, Wissenschaft und Kunst seien anders als körperliche Gegenstände ihrer Natur nach Mitteilungsgut.14 Mit der Veröffentlichung stehe das geschützte Werk nicht mehr allein seinem Schöpfer zur Verfügung. Es trete vielmehr bestimmungsgemäß in den gesellschaftlichen Raum und könne damit zu einem eigenständigen, das kulturelle und geistige Bild der Zeit mitbestimmenden Faktor .15 So löse es sich mit der Zeit von der privatrechtlichen Verfügbarkeit und werde geistiges und kulturelles Allgemeingut. 3. Erbrechtsgarantie und Urheberrecht Das Grundrecht der Erbrechtsfreiheit des Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG gewährleistet dem Erblasser die Freiheit des Vererbens, die sog. Testierfreiheit. Dieser Freiheit entspricht das Recht des testamentarischen Erben, aber auch des gesetzlichen Erben auf Gesamtrechtsnachfolge. Verfügungsrecht des Erblassers und Eigentumserwerbsrecht des Erben durch Erbfolge sind untrennbare Bestandteile der grundrechtlichen Erbrechtsfreiheit und unterliegen der gesetzlichen Inhalts- und Schrankenbestimmung des Art. 14 Abs.1 S. 2 GG. 9 Depenheuer, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 14 GG Rn. 147. 10 BVerfGE 31, 229, 243; 79, 1 , 25; Depenheuer, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 14 GG Rn. 148. 11 Entwurf eines Urheberrechtsgesetz vom 23. März 1962, BT-Drs. IV/270, S. 33. 12 So etwa Zimmermann, Olaf, Neue Initiative zur Einführung des Goethegroschens gestartet!, in Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht (ZUM) 1996, S. 862 ff., S. 862. 13 Vgl. Entwurf eines Urheberrechtsgesetz vom 23. März 1962, BT-Drs. IV/270, S. 33; BVerfG, 1. Senat, Beschluss vom 11. Oktober. 1988, 1 BvR 743/86, 1 BvL 80/86, 1 BvR 743/86, 1 BvL 80/86, Quelle: http://juris.de. 14 Vgl. Entwurf eines Urheberrechtsgesetz vom 23. März 1962, BT-Drs. IV/270, S. 33. 15 BVerfGE, 31, 229, 242; 49, 382, 394; BVerfG, 1. Senat, Beschluss vom 11. Oktober. 1988, Quelle: http://juris.de. - 7 - Für das Urheberrecht ist dies einfachgesetzlich im UrhG wie folgt konkretisiert: Das Urheberrecht ist vererblich (§ 28 Abs. 1 UrhG); nach dem Tode des Urhebers geht es auf die Erben über. Für die Dauer der Schutzfrist haben die Erben als Rechtsnachfolger grundsätzlich die gleiche Rechtsstellung wie die Urheber, soweit das UrhG nichts anderes bestimmt (vgl. § 30 UrhG).16 4. Inhaltliche Ausgestaltung der Urhebernachfolgeregelung Die Urhebernachfolgevergütung wird im Allgemeinen heute als ein Recht verstanden, das nach Erlöschen des individuellen Urheberrechts einsetzt.17 Die Vergütung zur Unterstützung und Förderung der lebenden Urheber ist für die Verwertung nicht mehr geschützter Werke nach Ablauf der Schutzfrist zu entrichten (s. o 1.). An der gesetzlich festgelegten Schutzfrist ändert sich also nichts. Diese ist im Übrigen europarechtlich durch die Schutzdauerrichtlinie18 mit 70 Jahren vorgegeben. 5. Verfassungsrechtliche Beurteilung der Urhebernachfolgevergütung im Hinblick auf Art. 14 GG 5.1. Eingriff in Art. 14 GG zu Lasten des Rechtsnachfolgers des Urhebers Die unter 2. dargestellte, von Art. 14 GG umfasste urheberrechtliche Eigentumsposition , die nach dem Tod des Urhebers auf die Erben übergeht, erlischt nach Ablauf der Schutzfrist infolge der verfassungsmäßigen Schrankenbestimmung einer ze itlichen Begrenzung des Urheberrechts. Bei einer Urhebernachfolgevergütung, die danach 16 Schulze/Mestmäcker, § 28 UrhG (Stand: Dezember 2002) Gliederungspunkt. 1.. 17 Vereinzelt wurde früher ein Modell der Urhebernachfolgevergütung vorgeschlagen, das nicht vom Erlöschen des Urheberrechts nach Ablauf der Schutzfrist ausgeht (vgl. hierzu die Darstellung bei Jean-Richard, Marc, Die Urhebernachfolgevergütung – Rechtsnatur und Verfassungsmäßigkeit, in : Archiv für Urheber- und Medienrecht (UFITA), 2000, S. 353 ff., 358 ff.): Man strebte teilweise sogar eine - im Idealfalle unbegrenzte - Verlängerung der Schutzfrist zugunsten eines neuen Rechtsinhabers an, der ein ausschließliches Recht und nicht bloß einen Vergütungsanspruch erhalten sollte. In der neueren Literatur findet sich ein entsprechender Vorschlag bei Schulze/Mestmäcker, § 64 (Stand: Juni 2001), Gliederungspunkt 4.).: Für die Zeit nach Schutzfristablauf wird erwogen, „die weitere Wahrnehmung des Urheberpersönlichkeitsrechts auf die Verwertungsgesellschaft zu übertragen und gleichzeitig für die geistigen Erben eine Kulturabgabe einzufordern, deren Inkasso und Verteilung ausschließlich der Verwertungsgesells chaft übertragen werden sollte“. Da diese Auffassung vom Fortbestehen des Urheberrechts heute mehrheitlich nicht mehr vertreten wird, soll sie nicht in die nachfolgende Prüfung einbezogen werden. 18 Richtlinie 93/98/EWG vom 29. Oktober 1993. Diese zeitliche Begrenzung wird mitunter sogar als punktgenaue Begrenzung der Schutzdauer und Verbot nachwirkender Begrenzungen der Gemeinfreiheit verstanden (vgl. Position des Zentralverbands der deutschen Werbewirtschaft (ZAW e. V.) zur Vorbereitung eines zweiten Gesetzes zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft („Zweiter Korb“) vom 6. November 2003, S. 9, http://www.urheberrecht.org/topic/Korb- 2/st/2003/ZAW-Korb-2.pdf; Anmerkungen des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger e.V. (BDZV) zur Vo rbereitung eines Zweiten Gesetzes zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft („Zweiter Korb“) vom 29. Oktober 2003, S. 6. http://www.urheberrecht.org/topic/Korb-2/st/2003/BDZV-Stellungn-Frageb-BMJ.pdf. - 8 - ansetzt, wird also nicht mehr in eine von Art. 14 GG geschützte Eigentumsposition des Urhebers bzw. seines Rechtsnachfo lgers eingegriffen. Die von Art. 14 GG geschützte Position des Erblassers auf Vererbbarkeit des Urheberrechts wird ebenfalls nicht eingeschränkt, weil es bei der Urhebernachfolgevergütung um eine Regelung nach Erlöschen des Urheberrechts geht. Auf diesen Zeitraum erstreckt sich das Verfügungsrecht des Erblassers ohnehin nicht. Entsprechendes gilt für die Erben: Ihr Eigentumserwerbsrecht als Erben nach Art. 14 GG ist nicht berührt, weil es für den in Rede stehenden Zeitraum nach Ablauf der Schutzfrist ohnehin nicht mehr besteht. Ein Verstoß gegen Art. 14 GG zu Lasten der Rechtsnachfolger des Urhebers ist bei einer derartigen Ausgestaltung der Urhebernachfolgevergütung nicht erkennbar. Bedenken könnten allenfalls angemeldet werden, wenn die zeitliche Begrenzung des urheberrechtlichen Eigentumsschutzes auf 70 Jahre als zwingende Schrankenbestimmung im Sinne von Art. 14 GG anzusehen wäre, weil – wie oben unter 2. beschrieben – das Urheberrecht seiner Natur nach Mitteilungsgut ist und deshalb nach einem bestimmten Zeitraum notwendigerweise die Gemeinfreiheit ohne Vergütung der Werknutzung eintreten müsste. Dies dürfte aber abzulehnen sein, weil der Gesetzgeber ein Ermessen bei der Ausgestaltung der Grenzen von Eigentumsrechten nach Art. 14 GG besitzt. Die Gemeinfreiheit auch im Sinne einer Vergütungsfreiheit erscheint zwar sinnvoll und zweckmäßig, aber nicht die einzig mögliche Ausgestaltungsregelung in Bezug auf das geistige Eigentum. 5.2. Eingriff in Art. 14 GG zu Lasten der Verwerter gemeinfreier Werke In Betracht zu ziehen wäre noch ein Eingriff in Art. 14 GG zu Lasten der Verwerter, die nun für die Nutzung gemeinfreier Werke eine Vergütung zu entrichten hätten. 5.2.1. Urhebernachfolgevergütung als Sonderabgabe Zum Teil wird die Urhebernachfolgevergütung als Sonderabgabe eingestuft.19 Sonderabgaben sind hoheitlich auferlegte Geldleistungspflichten.20 Die Sonderabgabe unterscheidet sich von der Steuer dadurch, dass sie die Abgabenschuldner über die allgemeine Steuerpflicht hinaus mit Abgaben belastet, ihre Kompetenzgrundlage in einer 19 Anmerkungen des BDZV vom 29. Oktober 2003, S. 5, http://www.urheberrecht.org/topic/Korb- 2/st/2003/BDZV-Stellungn-Frageb-BMJ.pdf.; . Referentenentwurf für ein Zweites Gesetz zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft vom 27. September 2004, S. 44, http://www.kopien-brauchen-originale.de/media/archive/129.pdf; Jean-Richard, in: UFITA 2000, S. 353 ff., 382 ff.. 20 Pieroth, Bodo in: Jarass, Hans/Pieroth, Bodo, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland (Kommentar), 8. Auflage, München 2006, Art. 105 GG Rn. 9. - 9 - Sachgesetzgebungszuständigkeit sucht und das Abgabeaufkommen einem Sonderfonds vorbehalten ist.21 Die Einstufung als Sonderabgabe wird damit begründet, dass die Urhebernachfolgevergütung eine für die Nutzung gemeinfreier Werke geschuldete Abgabe zugunsten einer durch Vertreter von Urheberverbänden verwalteten Stiftung eine hoheitlich - durch Gesetz - auferlegte Geldleistungspflicht sei, wobei das Aufkommen nicht in den allgemeinen Staatshaushalt eingeht, sondern unmittelbar der Verwirklichung eines bestimmten Zwecks diene.22 Allerdings seien die vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten engen Voraussetzungen einer Finanzierungssonderabgabe nicht erfüllt:23 Zum einen wird die für eine Sonderabgabe erforderliche Sachgesetzgebungskompetenz des Bundes bezweifelt24. Die Einführung der Urhebernachfolgevergütung sche iterte in den 60er Jahren daran, dass der Bundesrat die Gesetzgebungskompetenz des Bundes für die Urhebernachfolgevergütung gemäß Art. 73 Nr. 9 GG (Urheberrecht) verneinte, weil diese Regelung die für das Urheberrecht wesentliche Verbindung zwischen dem Urheber und seinem Werk verlassen werde.25 Darüber hinaus wird eingewandt, dass es auch an den für die Zulässigkeit einer Sonderabgabe erforderlichen weiteren Voraussetzungen26 fehle. Es wird gefordert, dass eine bestehende homogene von der Allgemeinheit abgrenzbare Gruppe in die Finanzierungsverantwortung genommen wird. Zwischen dem mit der 21 BVerfGE 101, 141, 148. 22 So auch der Referentenentwurf für ein Zweites Gesetz zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft vom 27. September 2004, S. 44, http://www.kopien-brauchenoriginale .de/media/archive/129.pdf. 23 Vgl. Referentenentwurf für ein Zweites Gesetz zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft vom 27. September 2004, S. 44, http://www.kopien-brauchenoriginale .de/media/archive/129.pdf. 24 Vgl. Referentenentwurf für ein Zweites Gesetz zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft vom 27. September 2004, S. 44, http://www.kopien-brauchenoriginale .de/media/archive/129.pdf. 25 Position des Bundesrates zitiert bei Katzelberger, Paul, Die Diskussion um das „domaine public payant“ in Deutschland, in: Festschrift für Georg Roeber zum 10. Dezember 1981, Freiburg 1982, S. 193 ff., S, 214. So auch Anmerkungen des BDZV vom 29. Oktober 2003, S. 5., http://www.urheberrecht.org/topic/Korb-2/st/2003/BDZV-Stellungn-Frageb-BMJ.pdf. Nach a. A. ist die Gesetzgebungskomp etenz gemäß Art. 74 Nr. 9 GG gegeben, weil zum Urheberrecht alle Regelungen zu zählen seien, die an die Nutzung von Werken anknüpften, was auch bei der Urherbnachfolgevergütung der Fall sei (so Entwurf eines Urheberrechtsgesetzes vom 23. März 1962, BT-Drs. IV/270, S. 83; Dietz, Adolf, Das Projekt Künstlergemeinschaftsrecht der IG Medien, in: Zeitschrift für Rechtspolitik (ZRP) 2002, S. 165 ff., S. 167.). 26 Darstellung der vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Voraussetzungen bei Pieroth, Bodo in: Jarass, Hans/Pieroth, Bodo, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland (Kommentar), 8. Auflage , München 2006, Art. 105 GG Rn. 10. - 10 - Abgabenerhebung verfolgten Zweck und dieser Gruppe müsse eine spezifische Sachnähe bestehen (sog. Finanzierungsverantwortung), Es muss darüber hinaus sachgerechte Verknüpfung zwischen der von der Sonderabgabe bewirkten Belastung und der mit ihr finanzierten Begünstigung bestehen, die durch die Verwendung zugunsten der belasteten Gruppe hergestellt wird (sog. gruppennützige Verwendung). Die betroffene Gruppe der Verwerter sei nicht homogen. Ihre Finanzierungsverantwortung sei sachlich nicht begründbar. Die Förderung lebender Künstler und ihres Umfelds sei keine Aufgabe, die spezifisch in die Verantwortung der Verwerter von Werken anderer Urheber falle. Verwerter gemeinfreier Werke stünden lebenden Urhebern nicht näher als die Allgemeinheit der Bürger.27 5.2.2. Konsequenzen für die Bewertung der Urhebernachfolgevergütung im Hinblick auf Art. 14 GG Sofern die Urhebernachfolgevergütung als unzulässige Sonderabgabe angesehen wird, wird daraus z. T. geschlussfolgert, dass hierin ein Verstoß gegen die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG zu sehen sei. 28 Dem ist allerdings entgegenzuhalten, dass es bei dieser Abgabe nur um einen Eingriff in das Vermögen der Verwerter geht. Das Vermögen als solches ist nicht vom Schutzbereich des Art. 14 GG erfasst.29 Eine andere Betrachtungsweise würde Art. 14 GG zu einem Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit auf vermögensrechtlichem Gebiet ausweiten. 30Das Bundesverfassungsgericht31 sieht aber ausnahmsweise einen Verstoß gegen Art. 14 GG als möglich an, wenn Geldleistungspflichten den Pflichtigen übermäßig belasten (erdrosselnd wirkende Geldleistungspflichten).32 Die Voraussetzung einer übermäßig belastenden Abgabe dürfte im Falle der Urhebernachfolgevergütung nicht anzunehmen sein. Ein Verstoß gegen Art. 14 GG unter dem Gesichtspunkt der unzulässigen Sonderabgabe ist bei einschränkender Auslegung im Hinblick auf das Vermögen nicht anzunehmen. Diese Problematik stellt sich vielmehr als Frage der Umgehung der Finanzverfassung dar. 27 Anmerkungen des BDZV vom 29. Oktober 2003, S. 5, http://www.urheberrecht.org/topic/Korb- 2/st/2003/BDZV-Stellungn-Frageb-BMJ.pdf.So im Ergebnis auch Richard, S, 390 ff.. 28 Jean-Richard, in: UFITA 2000, S. 353 ff., S. 390. 29 BVerfGE 78, 232,243; 91, 207, 220; 95, 267, 300 Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 14 GG Rn. 15. 30 Depenheuer, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 14 GG Rn. 165. 31 So u. a. BVerfGE 105, 17, 32. 32 Zum Streitstand: Jarass, Hans Jarass, Hans/Pieroth, Bodo, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland (Kommentar), 8. Auflage, München 2006, Art. 14 GG Rn 16 f.. - 11 - 6. Ergebnis Die Urheberrechtsnachfolgevergütung verstößt nicht gegen Art. 14 GG.