© 2016 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 198/16 Rechte des Deutschen Bundestages bei einer Übertragung von zusätzlichen Aufgaben auf die Europäische Kommission Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 198/16 Seite 2 Rechte des Deutschen Bundestages bei einer Übertragung von zusätzlichen Aufgaben auf die Europäische Kommission Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 198/16 Abschluss der Arbeit: 31.08.2016 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 198/16 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Fragestellung und Untersuchungsumfang 4 2. Direkte innerstaatliche Mitwirkungsrechte 4 3. Indirekte innerstaatliche Informationsrechte und Mitwirkungsrechte 6 3.1. Rechte des Bundestages gegenüber der Bundesregierung 6 3.1.1. Informationsrechte 6 3.1.2. Stellungnahmerechte 7 3.1.3. Allgemeine parlamentarische Handlungsmöglichkeiten 8 3.2. Rechte des Bundestags gegenüber der EU 8 4. Klagemöglichkeiten den Bundestages 8 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 198/16 Seite 4 1. Fragestellung und Untersuchungsumfang In der Vergangenheit wurden in der Regel durch völkerrechtliche bzw. intergouvernementale Maßnahmen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union besondere Aufgaben auf die Europäische Kommission (Kommission) übertragen. Als Beispiele für solche Maßnahmen sind in der Anfrage das Türkei-Agreement1 und der Fiskalpakt2 genannt. In diesen Vereinbarungen wurde der Kommission z.B. die Aufgabe übertragen, bestimmte Berichte zu verfassen und vorzulegen. Vor diesem Hintergrund sind verschiedene Fragen gestellt worden. Die Fragen, die sich auf das Recht der Europäischen Union beziehen, wurden in einem gesonderten Gutachten des Fachbereichs Europa (PE 6) beantwortet.3 Gegenstand dieser Ausarbeitung ist die Frage, welche Mitwirkungsrechte und Sanktionsmittel der Deutsche Bundestag gegen eine solche Übertragung von Aufgaben auf die Kommission hat.4 Vorliegend ist zunächst zwischen den direkten und den indirekten Mitwirkungsrechten des Bundestages zu unterscheiden. Bei den direkten Mitwirkungsrechten hängt die innerstaatliche Wirksamkeit der Maßnahme direkt von der Mitwirkung bzw. Zustimmung des Bundestages ab (unten Ziff. 2.). Bei den indirekten Mitwirkungsrechten ist der Bundestag nicht an dem Zustandekommen der Maßnahme beteiligt, kann aber versuchen, über direkt Beteiligte – insbesondere über die Bundesregierung – darauf Einfluss zu nehmen. Zu diesen indirekten Mitwirkungsrechten zählen auch die Informationsrechte des Bundestages (unten Ziff. 3.). Schließlich könnten auch Klagemöglichkeiten des Bundestages bestehen (unten Ziff. 4.). 2. Direkte Mitwirkungsrechte Direkte Mitwirkungsrechte hat der Bundestag dann, wenn die Maßnahme, mit der der Kommission die besonderen Aufgaben übertragen werden sollen, innerstaatlich seiner Mitwirkung bzw. Zustimmung bedarf.5 1 So genannte Erklärung EU-Türkei vom 18. März 2016, auf der Seite des Rates aufrufbar unter: http://www.consilium .europa.eu/de/press/press-releases/2016/03/18-eu-turkey-statement/. 2 Vertrag über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion von 25 der damals 27 Mitgliedstaaten der Europäischen Union (ohne das Vereinigte Königreich und Tschechien), Entwurf des Zustimmungsgesetzes vgl. BT-Drs. 17/9046, S. 6 ff. 3 Gutachten des Fachbereichs PE 6 (Europa), Az.: PE 6 – 3000 – 124/16. 4 Da sich die Frage, ob eine solche Aufgabenübertragung überhaupt zulässig ist, nach Europarecht richtet, wird dies hier nicht untersucht. Auch dazu wird auf das Gutachten des Fachbereichs Europa verwiesen (Fn. 3). 5 Allerdings ist es nach völkerrechtlichen Regeln möglich, dass die Bundesrepublik Deutschland durch eine völkerrechtliche Maßnahme auch dann völkerrechtlich verpflichtet wird, wenn der Bundestag z.B. entgegen den verfassungsrechtlichen Vorgaben an dem Verfahren nicht beteiligt wird (Verstoß gegen Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 198/16 Seite 5 Dies ist zum einen der Fall, wenn ein deutsches Gesetz bestimmt, dass der deutsche Vertreter im Rat oder im Europäischen Rat einer Maßnahme dort nur zustimmen darf, wenn zuvor der Bundestag dem seinerseits zugestimmt hat. Solche Zustimmungsvorbehalte finden sich z.B. im Integrationsverantwortungsgesetz . Spezielle Zustimmungsvorbehalte wurden auch in § 4 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 ESMFinG6 für bestimmte Entscheidungen des Europäischen Stabilisierungsmechanismus und in § 3 Abs. 1 StabMechG7 in Bezug auf Entscheidungen der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF) vorgesehen. Die betrachteten Konstellationen bzw. die genannten Beispielsfälle (EU-Türkei Abkommen, Fiskalpakt) fallen jedoch nicht in den Anwendungsbereich solcher Vorbehalte. Insbesondere gelten die Zustimmungsvorbehalte des Integrationsverantwortungsgesetzes nur für solche Fälle, in denen der Vertreter der Bundesregierung als Mitglied eines Organs der Europäischen Union handelt. Wie sich aus dem Gutachten von PE 6 ergibt, können bei der Übertragung von neuen Aufgaben auf die Kommission in der Regel nur die Mitgliedstaaten handeln .8 Gerade in den genannten Beispielsfällen handelten entweder ausdrücklich die Mitgliedstaaten (Fiskalpakt) oder es handelten die Regierungschefs für ihre Mitgliedstaaten „am Rande“ eines Treffens des Europäischen Rates (wohl so geschehen beim EU-Türkei Abkommen). Die Fälle, in denen nach dem Integrationsverantwortungsgesetz eine vorherige Zustimmung des Bundestages erforderlich ist, dürften somit bei einer Aufgabenübertragung auf die Kommission in der Regel nicht einschlägig sein. Ein bedeutendes direktes Mitwirkungsrecht hat der Bundestag allerdings dann, wenn die Aufgabenübertragung im Rahmen eines völkerrechtlichen Vertrags vereinbart wird und dieser nach Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG innerstaatlich der Zustimmung des Bundestages bedarf. Die Zustimmung des Bundestages war beispielsweise für den Abschluss des Fiskalpaktes notwendig.9 In einem solchen Fall kann der Bundestag dem völkerrechtlichen Vertrag allerdings nur insgesamt zustimmen oder ihn ablehnen. Er kann seinerseits keine Veränderungen daran vornehmen oder ihm nur in Teilen zustimmen.10 Daher hätte der Bundestag die Übertragung bestimmter Berichtspflichten auf die Kommission in dem Fiskalvertrag nicht ablehnen können, ohne den Vertrag insgesamt abzulehnen. 6 Gesetz zur finanziellen Beteiligung am Europäischen Stabilitätsmechanismus, ESM-Finanzierungsgesetz vom 13. September 2012 (BGBl. I S. 1918), das durch Artikel 1 des Gesetzes vom 29. November 2014 (BGBl. I S. 1821, 2193) geändert worden ist. 7 Gesetz zur Übernahme von Gewährleistungen im Rahmen eines europäischen Stabilisierungsmechanismus, Stabilisierungsmechanismusgesetz , vom 22. Mai 2010 (BGBl. I S. 627), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 23. Mai 2012 (BGBl. I S. 1166) geändert worden ist. 8 Siehe Gutachten von PE 6 (oben Fn. 3). 9 Siehe BT-Drs. 17/9046; in diesem Fall wurde die Zustimmung des Bundestages neben Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG auch auf Art. 23 Abs. 1 Satz 3 GG gestützt. 10 Nettesheim, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar, Loseblattsammlung, 54. Ergänzungslieferung (Stand: Januar 2009), Art. 59 Rdnr. 94 m.w.N. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 198/16 Seite 6 3. Indirekte Informationsrechte und Mitwirkungsrechte Indirekte Informations- und Mitwirkungsrechte des Bundestages richten sich in erster Linie gegen die Bundesregierung. Gegenüber den Organen der Europäischen Union dürften solche Informationsrechte (Art. 12 EUV) in den vorliegend betrachteten Konstellationen hingegen nicht bestehen . 3.1. Rechte des Bundestages gegenüber der Bundesregierung Gegenüber der Bundesregierung können dem Bundestag sowohl spezifische Informationsrechte als auch Stellungnahmerechte zustehen. Darüber hinaus verfügt der Bundestag auch noch über die allgemeinen parlamentarischen Informations- und Kontrollrechte. Wie erwähnt, können bei der Übertragung von neuen Aufgaben auf die Kommission in der Regel nur die Mitgliedstaaten handeln.11 Folglich basiert die Aufgabenübertragung auf die Kommission auch nicht auf dem Recht der Europäischen Union, sondern es wird sich dabei in der Regel um eine völkerrechtliche Maßnahme handeln. 3.1.1. Informationsrechte Die in Art. 23 Abs. 2 Satz 2 GG genannten Informationsrechte gelten nach dem Wortlaut der Vorschrift nur für die Angelegenheiten der Europäischen Union. Das Bundesverfassungsgericht hat jedoch klargestellt, dass sich diese verfassungsrechtlichen Informationsrechte auch auf völkerrechtliche Maßnahmen der Mitgliedstaaten beziehen, wenn diese in einem Ergänzungsoder sonstigen Näheverhältnis zum Recht der Europäischen Union stehen.12 Dies sei bei dem auf völkerrechtlichen Verträgen basierenden Europäischen Stabilitätsmechanismus der Fall. Unter anderem folge dies daraus, dass der Europäischen Kommission in diesen Verträgen im Wege der Organleihe weitere Zuständigkeiten übertragen werden.13 Einfachgesetzlich wurde dies im Übrigen auch im EUZBBG14 festgehalten. Gemäß § 6 EUZBBG unterrichtet die Bundesregierung den Bundestag über „Vorhaben“ in einem dort festgelegten förmlichen Verfahren. Zu diesen Vorhaben gehören nach § 5 Abs. 1 Nr. 11 EUZBBG auch „Entwürfe zu völkerrechtlichen Verträgen und sonstigen Vereinbarungen, wenn sie in einem Ergänzungs - oder sonstigen besonderen Näheverhältnis zum Recht der Europäischen Union stehen“. 11 Siehe Gutachten von PE 6 (oben Fn. 3). 12 BVerfGE 131, 152, 191 f. – parlamentarische Informationsrechte. 13 BVerfGE 131. 153, 215 ff. – parlamentarische Informationsrechte. Vgl. zum Ganzen auch Brand, Europapolitische Kommunikation zwischen Bundestag und Bundesregierung, 2015, S. 68 f. Siehe zum Institut der Organleihe in einer solchen Konstellation das Gutachten von PE 6 zu den vorliegenden Fragen aus europarechtlicher Sicht (Fn. 3). 14 Gesetz über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union vom 4. Juli 2013 (BGBl. I S. 2170). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 198/16 Seite 7 Daher dürften die verfassungsrechtlichen und die einfachgesetzlichen Informationsansprüche des Bundestages gegen die Bundesregierung auch gelten, wenn der Kommission durch völkerrechtliche Maßnahmen der Mitgliedstaaten weitere Aufgaben übertragen werden. 3.1.2. Stellungnahmerechte Im Zusammenhang mit den Angelegenheiten der Europäischen Union erwähnt das Grundgesetz nur das Stellungnahmerecht des Bundestages in Bezug auf geplante Rechtsetzungsakte der Union (Art. 23 Abs. 3 Satz 1 GG). Da es sich bei den hier erwähnten Fällen, in denen der Kommission Aufgaben übertragen werden, jedoch typischerweise nicht um Rechtsetzungsakte der Union handelt (Art. 288 AEUV), dürfte dieses verfassungsrechtliche Stellungnahmerecht dafür wohl nicht in Betracht kommen. Ein weiteres Recht zur Stellungnahme wird aus dem Mitwirkungsrecht des Bundestages nach Art. 23 Abs. 2 GG hergeleitet.15 Danach kann der Bundestag gegenüber der Bundesregierung auch Stellungnahmen zu sonstigen Angelegenheiten der Europäischen Union abgeben. Dies gilt nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts – wie bei den Informationsrechten – auch für Maßnahmen der Mitgliedstaaten, die in einem Ergänzungs- oder sonstigen Näheverhältnis zum Recht der Europäischen Union stehen.16 § 8 Abs. 1 EUBBGZ konkretisiert das Stellungnahmerecht des Bundestages einfachgesetzlich. Danach gibt die Bundesregierung dem Bundestag vor ihrer Mitwirkung an Vorhaben Gelegenheit zur Stellungnahme. Auf dieser Basis dürfte die Bundesregierung in der Regel verpflichtet sein, dem Bundestag vor dem Abschluss von Verhandlungen über völkerrechtliche Vereinbarungen, in deren Zuge auch der Kommission Aufgaben übertragen werden sollen, Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Gemäß § 8 Abs. 2 EUZBBG legt die Bundesregierung ihren Verhandlungen die Stellungnahmen des Bundestages zugrunde und unterrichtet fortlaufend über ihre Berücksichtigung in den Verhandlungen. Die Reichweite der Formulierung „legt die Stellungnahme ihren Verhandlungen zugrunde“ ist in der Literatur umfassend besprochen worden.17 Im Ergebnis steht dabei fest, dass die Bundesregierung rechtlich nicht streng an die Stellungnahmen gebunden ist und im Zuge der Verhandlungen davon abweichen darf.18 Daraus ergibt sich, dass der Bundestag die Bundesregierung durch eine solche Stellungnahme letztlich nicht rechtlich dazu verpflichten kann, sich gegen die Aufgabenübertrag auf die Kommission auszusprechen oder einer solchen Vereinbarung nicht zuzustimmen. Eine Stellungnahme mit einem solchen Inhalt 15 Schorkopf, in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz, 153. Ergänzungslieferung (Stand: August 2011), Art. 23 Rdnr. 153 m.w.N; Brand, Europapolitische Kommunikation zwischen Bundestag und Bundesregierung, 2015, S. 104. 16 BVerfGE 131, 153, 215 ff. – parlamentarische Informationsrechte. 17 Vgl. Uerpmann-Wittzack, in: von Münch/Kunig, Grundgesetz Kommentar, Band 1, 6. Auflage 2012, Art. 23 Rdnr. 86; Schorkopf, in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz, 153. Ergänzungslieferung (Stand: August 2011), Art. 23 Rdnr. 162 ff.; Scholz, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar, 56. Ergänzungslieferung (Stand: Oktober 2009), Art. 23 Rdnr. 158; Pernice, in: Dreier, Grundgesetz Kommentar, Band II, 2006, Art. 23 Rdnr. 104. 18 Herrschende Meinung; vgl. die in Fn. 17 genannten Nachweise sowie Hölscheidt, Die Verantwortung des Bundestages für die europäische Integration, DÖV 2012, 105, 109. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 198/16 Seite 8 dürfte jedoch eine nicht unerhebliche politische Bedeutung für die Entscheidung der Bundesregierung haben. 3.1.3. Allgemeine parlamentarische Handlungsmöglichkeiten Schließlich können der Bundestag und seine Mitglieder im Rahmen der geschäftsordnungsrechtlichen Regeln alle „klassischen“ parlamentarischen Kommunikations- und Kontrollmittel gegenüber der Bundesregierung nutzen. Hierzu gehören beispielsweise die parlamentarischen Fragen in Form der Kleinen und der Großen Anfrage, der Fragestunde und der schriftlichen Einzelfragen sowie der Beantragung einer Aktuellen Stunde.19 Als Aufklärungs- und Sanktionsmittel stehen daneben die Einsetzung von Untersuchungsausschüssen (Art. 44 GG) bzw. das scharfe Schwert des so genannten konstruktiven Misstrauensvotums (Art. 67 GG) zur Verfügung, soweit die jeweils dafür geltenden Voraussetzungen erfüllt sind. 3.2. Rechte des Bundestags gegenüber der EU Gegen die Organe der Europäischen Union direkt dürften dem Bundestag in den hier betrachteten Konstellationen keine Rechte zustehen. Dafür spricht zunächst, dass die Aufgabenübertragung in der Regel auf ein Handeln der Mitgliedstaaten und nicht der EU-Organe zurückgeht.20 Daher ist es dem Bundestag insbesondere auch nicht möglich, im Rahmen der Subsidiaritätskontrolle (Art. 12 Buchstabe b) EUV) eine Rüge abzugeben oder Subsidiaritätsklage einzureichen (Art. 23 Abs. 1a GG), da sich diese nur gegen Gesetzgebungsakte der Union richten können.21 4. Klagemöglichkeiten des Bundestages 4.1. Europäischer Gerichtshof Auch wenn der Bundestag die Auffassung vertreten würde, eine bestimmte Aufgabenübertragung auf die Kommission verstoße gegen das Recht der Europäischen Union, wäre es ihm nicht möglich , Klage vor dem Europäischen Gerichtshof zu erheben. In Betracht käme in einem solchen Fall grundsätzlich die Nichtigkeitsklage (Art. 263 AEUV). In diesem Verfahren sind jedoch nur die Mitgliedstaaten selbst und nicht die mitgliedstaatlichen Parlamente klagebefugt. 19 Große Anfrage (§ 100 i.V.m. § 75 Abs. 1 Buchstabe f) i.V.m. § 76 Abs. 1 GO-BT), die Kleine Anfrage (§ 104 i.V.m. § 75 Abs. 3 i.V.m. § 76 Abs. 1 GO-BT), die Fragen einzelner Mitglieder des Bundestages (§ 105 GO-BT i.V.m. Anlage 4: Richtlinien für die Fragestunde und für die schriftlichen Einzelfragen Ziff. I. 1. Satz 1 und Ziff. IV. 13. Satz 1) und die Fragen im Rahmen einer Aktuellen Stunde (§106 GO-BT i.V.m Anlage 5: Richtlinien für Aussprachen zu Themen von allgemeinem aktuellen Interesse Ziff. I.1.). 20 Vgl. dazu erneut das Gutachten von PE 6 (oben Fn. 3). 21 Protokoll Nr. 2 zum Vertrag von Lissabon über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit , Art. 7 und Art. 8; Art. 23 Abs. 1a Satz 1 GG i.V.m. der Definition eines Gesetzgebungsakts in Art. 289 Abs. 3 AEUV („Rechtsakte, die in einem Gesetzgebungsverfahren angenommen werden“). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 198/16 Seite 9 In einer solchen Situation könnte der Bundestag jedoch die Bundesregierung in einer parlamentarischen Stellungnahme auffordern, eine entsprechende Nichtigkeitsklage vor dem Europäischen Gerichtshof einzuleiten. Allerdings hätte auch diese Stellungnahme keine umfassende Bindungswirkung gegenüber der Bundesregierung. 4.2. Bundesverfassungsgericht In einem Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht müsste der Bundestag vortragen, dass die konkrete Aufgabenübertragung auf die Kommission gegen deutsches Verfassungsrecht verstößt. Hier sind verschiedene Konstellationen denkbar. Hat die Bundesregierung einer entsprechenden völkerrechtlichen Maßnahme völkervertraglich verbindlich zugestimmt, ohne die möglicherweise innerstaatlich notwendige Zustimmung des Bundestages nach Art. 59 Abs. 2 GG einzuholen, könnte dieser Sachverhalt zum Gegenstand eines Organstreitverfahrens zwischen Bundestag und Bundesregierung gemacht werden (Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG, § 13 Nr. 5 BVerfGG22). Denkbar wäre auch, dass sich einzelne Mitglieder des Bundestags in ihrer Eigenschaft als Bürger („jedermann“) in einer Verfassungsbeschwerde gegen die Aufgabenübertragung wenden (Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG, § 13 Nr. 8a BVerfGG). Dafür müssten die Beschwerdeführer jedoch vortragen, dass sie durch die Aufgabenübertragung in ihren Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten verletzt sind. Da darin kein klassischer staatlicher Grundrechtseingriff liegt, käme allenfalls eine Verletzung der im Rahmen der Identitätskontrolle vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Grundsätze in Betracht. Danach kann das Bundesverfassungsgericht im Rahmen einer Verfassungsbeschwerde prüfen, ob durch die Übertragung von Hoheitsrechten auf eine supranationale Einrichtung (hier: Kommission der Europäischen Union) die von Art. 79 Abs. 3 GG für unantastbar erklärten Verfassungsgrundsätze verletzt werden.23 Ob dies der Fall ist, hängt jeweils vom konkreten Sachverhalt, insbesondere dem Inhalt der übertragenen Aufgaben ab. Handelt es sich „lediglich“ um Berichtspflichten, die der Kommission übertragen werden, dürfen diese unantastbaren Verfassungsgrundsätze jedoch nicht verletzt sein. Ende der Bearbeitung 22 Bundesverfassungsgerichtsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl. I S. 1473), das zuletzt durch Artikel 8 der Verordnung vom 31. August 2015 (BGBl. I S. 1474) geändert worden ist. 23 Vgl. zu den Voraussetzungen näher: BVerfG, Urteil vom 21.06.2016, Az.: 2 BvR 2728/13 u.a., Absatznr. 138 m.w.N. – OMT.