© 2015 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 197/15 Zwangsweise Inanspruchnahme leerstehender Gebäude(-teile) zur Unterbringung von Asylbewerbern Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 197/15 Seite 2 Zwangsweise Inanspruchnahme leerstehender Gebäude(-teile) zur Unterbringung von Asylbewerbern Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 197/15 Abschluss der Arbeit: 11. September 2015 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 197/15 Seite 3 1. Einleitung Gemäß § 44 Abs. 1 Asylverfahrensgesetz (AsylVfG) sind die Bundesländer verpflichtet, für die Unterbringung von Asylbewerbern die dazu erforderlichen Aufnahmeeinrichtungen zu schaffen und zu unterhalten sowie entsprechend ihrer Aufnahmequote die notwendige Zahl von Unterbringungsplätzen bereitzustellen. Die allermeisten Flächenländer haben dabei die Aufgabe der Unterbringung von Asylbewerbern, die nicht mehr nach § 47 Abs. 1 AsylVfG verpflichtet sind, in einer sog. Aufnahmeeinrichtung zu wohnen, auf die Kommunen bzw. Landkreise und kreisfreien Städte übertragen.1 Vor dem Hintergrund der zunehmend knapper werdenden Möglichkeiten zur Unterbringung von Asylbewerbern2 wird gefragt, unter welchen Voraussetzungen eine zwangsweise Inanspruchnahme leerstehender Gebäude und Gebäudeteile zur Unterbringung von Asylbewerbern möglich ist. Dabei soll zwischen privatem Eigentum und solchem, das in Eigentum einer Kommune, eines Landes oder des Bundes steht, differenziert werden. Ferner wird gefragt, welche Folgen eine derartige Inanspruchnahme hat und welche Schadensersatzansprüche die jeweiligen Eigentümer geltend machen können. 2. Zwangsweise Inanspruchnahme von Gebäuden, die in privatem Eigentum stehen Gebäude, die in privatem Eigentum stehen, können durch die Ordnungsbehörden (und gegebenenfalls durch deren Aufsichtsbehörden) nach den Grundsätzen des sog. polizeilichen Notstandes zwangsweise für die Unterbringung von Asylbewerbern in Anspruch genommen werden. 2.1. Voraussetzungen für eine Inanspruchnahme nach den Grundsätzen des polizeilichen Notstandes Der polizeiliche Notstand ist im Polizei- und Ordnungsrecht der Länder geregelt. Trotz unterschiedlicher Formulierungen in den einzelnen Landesregelungen lassen sich im Wesentlichen folgende Voraussetzungen für ein entsprechendes Tätigwerden der Ordnungsbehörden festhalten:3 1 Zu den Arten von Unterbringungseinrichtungen und Trägerschaften siehe Bundesamt für Migration und Flüchtlinge , Die Organisation der Aufnahme und Unterbringung von Asylbewerbern in Deutschland, 2013, S. 12 ff., abzurufen unter https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Publikationen/EMN/Nationale-Studien-Working Paper/emn-wp55-organisation-und-aufnahme-asylbewerber.pdf (letzter Abruf am 2. September 2015). 2 Als Asylbewerber werden Menschen bezeichnet, die einen Asylantrag gestellt haben, über den noch nicht entschieden wurde. Ein Asylantrag liegt gemäß § 13 Abs. 1 AsylVfG vor, wenn sich dem schriftlich, mündlich oder auf andere Weise geäußerten Willen des Ausländers entnehmen lässt, dass er im Bundesgebiet Schutz vor politischer Verfolgung sucht oder dass er Schutz vor Abschiebung oder einer sonstigen Rückführung in einen Staat begehrt , in dem ihm eine Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylVfG (Flüchtling im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention ) oder ein ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 AsylVfG (subsidiär Schutzberechtigte) droht. 3 Inanspruchnahme Privater zur Unterbringung von Asylbewerbern: OVG Schleswig, NJW 1993, 413 f.; allgemein zum polizeilichen Notstand Denninger, in: Lisken/Denninger (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, 5. Aufl. 2012, D Rn. 138 ff., Rn. 151 f. Eine Auflistung der einzelnen landesrechtlichen Regelungen zum Notstandsstörer ist zu finden bei Pewestorf, in: ders./Söllner/Tölle, Praxishandbuch Polizei- und Ordnungsrecht, 2013, Kapitel 1 IV. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 197/15 Seite 4 Zunächst muss eine gegenwärtige erhebliche Störung oder Gefahr für die öffentliche Sicherheit zu beseitigen sein. Es ist allgemein anerkannt, dass unfreiwillige Obdachlosigkeit als Störung der öffentlichen Sicherheit zu bewerten ist.4 Weiter setzt eine Inanspruchnahme nach den Grundsätzen des polizeilichen Notstandes voraus, dass Maßnahmen gegen die an sich polizeirechtlich Verantwortlichen nicht oder nicht rechtzeitig möglich sind oder keinen Erfolg versprechen. Verantwortlich im polizeirechtlichen Sinne für die Störung der öffentlichen Sicherheit sind die obdachlosen Asylbewerber. Diesbezüglich ist zu betonen , dass die Qualifikation als Störer im Polizeirecht ohne Rücksicht auf ein Verschulden des Betroffenen erfolgt. Der polizeiliche Notstand greift im vorliegenden Fall also nur, wenn die Asylbewerber selbst nicht in der Lage sind, sich eine Unterkunft zu beschaffen. Erforderlich ist außerdem, dass die Ordnungsbehörden die Gefahr nicht oder nicht rechtzeitig entweder selbst oder durch Beauftragte abwehren können. Das bedeutet, dass eine Inanspruchnahme von Gebäuden, die in privatem Eigentum stehen, erst nach Erschöpfung aller anderen (zumutbaren) Möglichkeiten (z.B. Unterbringung in einer städtischen Notunterkunft, Anmietung von Hostelzimmern usw.) in Betracht kommt. Darüber hinaus ist eine Inanspruchnahme eines privaten Eigentümers als sog. Nichtstörer nur zulässig, wenn die in Anspruch zu nehmenden Betroffenen ihrer Verpflichtung ohne erhebliche eigene Gefährdung und ohne Verletzung eigener höherwertiger Pflichtigen nachkommen können. Schließlich muss der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit als allgemeine Schranke für jede ordnungsbehördliche Maßnahme eingehalten werden. Die Inanspruchnahme von Gebäuden, die in privatem Eigentum stehen, zur Unterbringung obdachloser Asylbewerber darf nicht zu einer Beeinträchtigung des privaten Eigentümers führen, die zu dem beabsichtigten Erfolg in einem offenbaren Missverhältnis steht. Dabei ist eine Abwägung zwischen den Grundrechten der betroffenen Asylbewerber (Art. 2 Abs. 2 S. 1 Grundgesetz [GG]: Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit ) und des privaten Eigentümers (Art. 14 GG: Recht auf Verfügung über das Eigentum) vorzunehmen. Hieraus folgt auch, dass die Inanspruchnahme von Gebäuden, die in privatem Eigentum stehen, keine Dauerlösung sein kann. Eine zeitliche Höchstdauer einer Unterbringung lässt sich abstrakt nicht definieren. Jedenfalls endet die Inanspruchnahme wenn die Voraussetzungen des polizeilichen Notstandes nicht mehr gegeben sind. Die zuständige Behörde hat dabei vom ersten Tag der Inanspruchnahme an alle geeigneten Maßnahmen zu ergreifen, die die Gewähr dafür bieten, dass der Betroffene so schnell wie möglich anderweitig untergebracht werden kann.5 4 Ruder, Die polizei- und ordnungsrechtliche Unterbringung von Obdachlosen, NVwZ 2012, 1283 (1284); Blank, in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, 12. Aufl. 2015, Vorbem. zu § 535 BGB Rn. 161; siehe außerdem die Nachweise bei Weber, Obdachlos in Mittelwiesenberg, KommJur 2007, 53 (56). 5 Ewer/von Detten, Ausgewählte Rechtsfragen bei der Beschlagnahmen von Wohnraum zur Obdachloseneinweisung , NJW 1995, 353 (356). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 197/15 Seite 5 Im Übrigen lässt sich die Frage der Dauer der Unterbringung nur unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls (beispielsweise Zahl, Alter und Gesundheitszustand der Unterzubringenden) beantworten.6 2.2. Folgen einer solchen Inanspruchnahme und Ansprüche des betroffenen Eigentümers Durch die Inanspruchnahme entsteht ein öffentlich-rechtliches Rechtsverhältnis eigener Art zwischen Ordnungsbehörde und dem betroffenen Eigentümer.7 Die Landespolizeigesetze gewähren Betroffenen, die als Nichtstörer in Anspruch genommen werden , eine angemessene Entschädigung für den durch die Maßnahme entstandenen Schaden.8 Ein Schaden in diesem Sinne ist jede konkrete körperliche oder wirtschaftliche Beeinträchtigung, die als besonderes, anderen nicht zugemutetes Opfer auferlegt wird und dabei eine gewisse Opfergrenze überschreitet.9 Hierunter fällt auch der Entzug der Möglichkeit, ein Gebäude durch Vermietung oder im Wege des Eigengebrauchs zu nutzen. Demzufolge besitzt der Betroffene in der Regel einen Anspruch auf Zahlung einer Nutzungsentschädigung in der ortsüblichen Höhe.10 Gegebenenfalls vorhandene vorangegangene Mietverträge können dabei zur Orientierung herangezogen werden. Inwieweit der Träger der Ordnungsbehörde auch für Schäden aufkommen muss, die von den untergebrachten Personen verursacht worden sind, ist in der Literatur umstritten und von der konkreten Ausgestaltung der unterschiedlichen landesrechtlichen Regelungen abhängig.11 Nach Auslaufen der Inanspruchnahme hat der betroffene Eigentümer Anspruch auf Rückgabe eines geräumten Gebäudes bzw. einer geräumten Wohnung. Rechtsgrundlage ist in einem solchen Fall nach herrschender Meinung das Institut des Folgenbeseitigungsanspruches.12 6 Strempel, Die Rechtsbeziehungen zwischen Ordnungsbehörde und in Anspruch genommenem Wohnraumeigentümer bei der Einweisung Obdachloser in Wohnraum Dritter, ZMR 1993, 555 (556). 7 Vgl. BGH, NJW 1996, 315 (315). 8 Siehe z.B. § 59 Abs. 1 Nr. 1 Allgemeines Sicherheits- und Ordnungsgesetz Berlin sowie die Auflistung der einzelnen Landesvorschriften bei Würtenberger, in: Ehlers/Fehling/Pünder (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, Band 3, 3. Aufl. 2013, § 69 Rn. 24 Fn. 795. 9 Cremer, Ansprüche des Wohnungseigentümers gegen den Polizeiträger auf Ausgleich von Schäden infolge einer Obdachloseneinweisung, VBlBW 1996, 241 (241). 10 Günther/Traumann, Aktuelle Rechtsprobleme der Wohnraumbeschlagnahme zur Unterbringung Obdachloser, NVwZ 1993, 130 (135). 11 Ausführlich hierzu Cremer, Ansprüche des Wohnungseigentümers gegen den Polizeiträger auf Ausgleich von Schäden infolge einer Obdachloseneinweisung, VBlBW 1996, 241 (242 ff.), und Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht , 8. Aufl. 2013, § 3 Rn. 163. 12 Siehe Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 18. Aufl. 2011, § 30 Rn. 3, 12. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 197/15 Seite 6 3. Zwangsweise Inanspruchnahme von Gebäuden, die in öffentlichem Eigentum stehen Die zwangsweise Inanspruchnahme von in öffentlichem Eigentum stehenden Gebäuden zur Unterbringung von Asylbewerbern wird in der Literatur nicht erörtert und war bislang noch nicht Gegenstand der Rechtsprechung. In Einzelfällen wurde eine zwangsweise Inanspruchnahme in den Medien diskutiert.13 Regelmäßig wurde jedoch eine einvernehmliche Lösung gefunden. 3.1. Verpflichtung zur Bereitstellung eines Gebäude(teil)s im Wege der Amtshilfe In Betracht kommt ein Zusammenwirken der Behörden im Rahmen der Amtshilfe.14 Sie ist verfassungsrechtlich in Art. 35 GG verankert und wird als Kooperations- und Koordinationsinstrument für die Behörden und ihr Handeln gesehen.15 Nach Art. 35 Abs. 1 GG leisten sich alle Behörden des Bundes und der Länder gegenseitig Amtshilfe . Der Behördenbegriff umfasst dabei jede Stelle, die unmittelbar staatliche bzw. öffentliche Aufgaben wahrnimmt.16 Erfasst werden also auch Gemeinden und Gemeindeverbände.17 Unter dem Begriff der Amtshilfe ist der ergänzende Beistand einer Behörde zu verstehen, den diese auf Ersuchen einer anderen Behörde gewährt, um die Durchführung öffentlicher Aufgaben der ersuchenden Behörde zu ermöglichen oder zu erleichtern.18 Mit dem Ausdruck des gegenseitigen Hilfeleistens in Art. 35 Abs. 1 GG wird klargestellt, dass kein Über- und Unterordnungsverhältnis der hierarchisch gegliederten Behörden besteht.19 Umstritten ist, ob die Amtshilfe auch zwischen Bundesbehörden oder zwischen Behörden desselben Landes zur Anwendung kommen kann.20 Amtshilfe ist jedenfalls dann nicht gegeben, wenn Behörden einander innerhalb eines bestehenden Weisungsverhältnisses Hilfe leisten oder wenn die Hilfeleistung in Handlungen 13 Siehe z.B. „Ein leeres Haus für Flüchtlinge beschlagnahmen?“, Die Welt vom 9. Februar 2015, abrufbar unter http://www.welt.de/137266906 (letzter Abruf am 31. August 2015); „Landrat will Kaserne für Asyl beschlagnahmen “, Südwest Presse vom 23. Juli 2014, abrufbar unter http://www.swp.de/2716551 (letzter Abruf am 31. August 2015). 14 Siehe z.B. die Pressemitteilung „Notunterkunft des Landes im Schulzentrum Marler Straße“ der Stadt Dorsten vom 24. Juli 2015, abrufbar unter http://www.dorsten.de/aktuelles.asp?db=336&form=detail&id=1991 (letzter Abruf am 1. September 2015). 15 Gubelt, in: von Münch/Kunig (Hrsg.), Grundgesetz, Kommentar, 6. Aufl. 2012, Art. 35 Rn. 1. 16 Epping, in: ders./Hillgruber (Hrsg.), Grundgesetz, Kommentar, 2009, Art. 35 Rn. 1. 17 Vgl. BVerfGE 31, 43 (46). 18 BAG, NJW 1960, 2118 (2118). 19 Gubelt, in: von Münch/Kunig (Hrsg.), Grundgesetz, Kommentar, 6. Aufl. 2012, Art. 35 Rn. 5. 20 Siehe die Nachweise für die unterschiedlichen Auffassungen bei Gubelt, in: von Münch/Kunig (Hrsg.), Grundgesetz , Kommentar, 6. Aufl. 2012, Art. 35 Rn. 1 Fn. 6. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 197/15 Seite 7 besteht, die der ersuchten Behörde als eigene Aufgabe obliegen (vgl. § 4 Abs. 2 Verwaltungsverfahrensgesetz [VwVfG]). Es besteht eine grundsätzliche Pflicht zur Amtshilfe. Das bedeutet, dass die ersuchende Behörde grundsätzlich einen Anspruch auf Amtshilfeleistung besitzt. Dies wird nicht nur aus den einfachgesetzlichen Regelungen in §§ 4-8 VwVfG, §§ 3-7 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch und §§ 111-115 Abgabenordnung, sondern auch direkt aus Art. 35 GG abgeleitet, auch wenn dessen Wortlaut dazu nichts hergibt.21 Das Bundesverfassungsgericht betont aber, dass sich die Amtshilfe auf eine Aushilfe im Einzelfall beschränkt.22 Gegenstand der Amtshilfe können grundsätzlich Leistungen jeglicher Art sein, insbesondere auch die Überlassung von Räumlichkeiten.23 Hinsichtlich der Voraussetzungen und Grenzen der Amtshilfe kann auf §§ 4-8 VwVfG zurückgegriffen werden, in denen allgemeine Grundsätze des Amtshilferechts kodifiziert worden sind. So kann gemäß § 5 Abs. 1 VwVfG eine Behörde insbesondere dann um Amtshilfe ersuchen, wenn sie aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen die Amtshandlung nicht selbst vornehmen kann oder diese nur mit wesentlich größerem Aufwand als die ersuchte Behörde wahrnehmen kann. § 5 Abs. 2 VwVfG nennt demgegenüber Fälle, in denen die ersuchte Behörde keine Amtshilfe leisten darf. Dies ist unter anderem dann der Fall, wenn sie hierzu aus rechtlichen Gründen nicht in der Lage ist oder durch die Hilfeleistung dem Wohl des Bundes oder eines Landes erhebliche Nachteile bereiten würde. Darüber hinaus braucht die ersuchte Behörde keine Hilfe zu leisten, wenn eine andere Behörde die Hilfe wesentlich einfacher oder mit wesentlich geringerem Aufwand leisten kann, sie die Hilfe nur mit unverhältnismäßig großem Aufwand leisten könnte oder sie unter Berücksichtigung der Aufgaben der ersuchenden Behörde durch die Hilfeleistung die Erfüllung ihrer eigenen Aufgaben ernstlich gefährden würde, vgl. § 5 Abs. 3 VwVfG. Die Amtshilfe beruht auf dem Grundprinzip, dass ersuchende und ersuchte Behörde nur im Rahmen des jeweils für sie geltenden Rechts- und Kompetenzrahmens tätig werden dürfen, so dass die Verantwortungsbereiche klar abgegrenzt bleiben.24 Dementsprechend trägt die ersuchende Behörde gegenüber der ersuchten Behörde die Verantwortung für die Rechtmäßigkeit der zu treffenden Maßnahme, während die ersuchte Behörde für die Durchführung der Amtshilfe verantwortlich ist (vgl. § 7 Abs. 2 VwVfG). Über die Kostentragung im Rahmen der Amtshilfe trifft Art. 35 Abs. 1 GG selbst keine Aussage. Da zu dieser Frage verschiedene Ansichten in Literatur und Rechtsprechung existierten, hat der 21 Gubelt, in: von Münch/Kunig (Hrsg.), Grundgesetz, Kommentar, 6. Aufl. 2012, Art. 35 Rn. 5, mit entsprechenden Nachweisen. 22 BVerfGE 63, 1 (32). 23 Gubelt, in: von Münch/Kunig (Hrsg.), Grundgesetz, Kommentar, 6. Aufl. 2012, Art. 35 Rn. 10. 24 von Danwitz, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Grundgesetz, Kommentar, 6. Aufl. 2010, Art. 35 Abs. 1 Rn. 22. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 197/15 Seite 8 Gesetzgeber entsprechende (im Wesentlichen übereinstimmende) Regelungen im Verwaltungsverfahrensgesetz , dem Zehnten Buch Sozialgesetzbuch und der Abgabenordnung geschaffen.25 Gemäß § 8 Abs. 1 S. 1 VwVfG hat die ersuchende Behörde der ersuchten Behörde für die Amtshilfe keine Verwaltungsgebühr zu entrichten. Allerdings hat die ersuchte Behörde Anspruch auf Erstattung der baren Auslagen, wenn sie einer anderen Behördenorganisation und damit einem anderen Haushalt angehört.26 3.2. Verpflichtung zur Bereitstellung eines Gebäude(teil)s nach den Grundsätzen des polizeilichen Notstandes Abschließend ist auf die Frage einzugehen, ob nach den Grundsätzen des polizeilichen Notstandes auch Gebäude oder Gebäudeteile in Anspruch genommen werden können, die in öffentlichem Eigentum stehen. Ein solches Vorgehen käme beispielsweise in Betracht, wenn eine Kommune auf Eigentum des Bundes oder eines Landes zugreifen möchte. Dieser Konstellation liegt die sehr umstrittene Frage der formellen Polizeipflichtigkeit von Hoheitsträgern zugrunde.27 Bei dieser geht es darum, ob die Ordnungsbehörden Eingriffsbefugnisse gegenüber juristischen Personen des öffentlichen Rechts besitzen. Die Inanspruchnahme eines Hoheitsträgers als Nichtstörer wird dabei jedoch nicht erörtert. Dies könnte darauf zurückzuführen sein, dass bereits im Rahmen der Amtshilfe ungeachtet der Zuständigkeitsordnung grundsätzlich ein Anspruch auf Hilfeleistung zwischen den Behörden besteht. Ganz allgemein geht die wohl herrschende Meinung davon aus, dass die Ordnungsbehörden keine Eingriffsbefugnisse gegenüber Hoheitsträgern besitzen, wenn dadurch in ihre hoheitliche Tätigkeit eingegriffen wird.28 Wird ein Hoheitsträger hingegen rein fiskalisch , also nicht in Wahrnehmung einer ihm zugewiesenen öffentlichen Aufgabe tätig, bestehen hingegen keine Eingriffsbeschränkungen für die Ordnungsbehörden.29 Eine derartige Fiskalverwaltung ist gegeben, wenn ein Hoheitsträger die für die von ihm zu erfüllende öffentliche Aufgabe erforderlichen Sachmittel beschafft und vorhält. Sofern Gebäude im Rahmen der Fiskalverwaltung vorgehalten werden, kann somit im Einzelfall eine Inanspruchnahme nach den Grundsätzen des polizeilichen Notstandes unter den oben erläuterten Voraussetzungen (siehe 2.1.) grundsätzlich in Betracht kommen. Angesichts der engen Kooperation zwischen Bundesanstalt für Immobilienaufgaben mit den Kommunen und Ländern bei der Unterbringung von Asylbewerbern30 und dem aufgezeigten Anspruch auf Amtshilfe erscheint die praktische Bedeutung eines derartigen Vorgehens jedoch 25 Vgl. BT-Drs. 7/910, S. 40. 26 Gubelt, in: von Münch/Kunig (Hrsg.), Grundgesetz, Kommentar, 6. Aufl. 2012, Art. 35 Rn. 20. 27 Ausführlich zu dieser Problematik Schoch, Polizeipflichtigkeit von Hoheitsträgern, Jura 2005, 324 ff. 28 Siehe z.B. BVerwGE 29, 52 (59); VGH Kassel, NVwZ 1997, 304 (305); sowie die Nachweise bei Schenke, Polizeiund Ordnungsrecht, 8. Aufl. 2013, § 4 Rn. 234 Fn. 26. 29 So ausdrücklich VGH Kassel, NVwZ 1997, 304 (305). 30 Siehe die Informationen unter https://notunterbringung.bundesimmobilien.de/ (letzter Abruf am 2. September 2015). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 197/15 Seite 9 gering. In diesem Zusammenhang sei noch auf einen Haushaltsvermerk zum Haushaltsgesetz 2015 hingewiesen, der eine mietzinsfreie Überlassung von Grundstücken an Länder und Gemeinden zulässt, soweit und solange diese der Unterbringung von Asylbewerbern und Flüchtlingen dienen.31 Ende der Bearbeitung 31 Haushaltsgesetz 2015, Bundesimmobilienangelegenheiten 6004, Titel 121 01 – 811, Haushaltsvermerk Nr. 3.6, abrufbar unter http://www.bundeshaushalt-info.de/fileadmin/de.bundeshaushalt/content_de/dokumente/2015 /soll/Haushaltsplan-2015.pdf (letzter Abruf am 2. September 2015), S. 2854.