© 2015 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 195/16 Zu den Grenzen der Versammlungsfreiheit Dokumentation Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 3 - 3000 - 195/16 Seite 2 Zu den Grenzen der Versammlungsfreiheit Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 195/16 Abschluss der Arbeit: 11.08.2016 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 3 - 3000 - 195/16 Seite 3 1. Einleitung Vor dem Hintergrund von versammlungsrechtlichen Beschränkungen im Zusammenhang mit einer Versammlung, die am 31. Juli 2016 unter dem Motto "Ja zur Demokratie. Nein zum Staatsstreich" in Köln stattfand, wird darum gebeten, Materialien zusammenzustellen, die einen Überblick über die Grenzen der Versammlungsfreiheit geben. Insoweit ist zunächst maßgeblich, wie die Reichweite des grundrechtlichen Schutzbereichs bestimmt wird. Darüber hinaus kommt es darauf an, inwieweit das Grundrecht der Versammlungsfreiheit Einschränkungen zulässt. Aus der Fülle der einschlägigen juristischen Literatur wurden besonders prägnante Beiträge ausgewählt, die zudem auf aktuelle Fragestellungen zum Versammlungsrecht eingehen. 2. Schutzbereich der Versammlungsfreiheit Auf der Ebene des Schutzbereichs sind verschiedene Begrenzungen der Versammlungsfreiheit zu beachten. Zunächst ist die Versammlungsfreiheit aus Art. 8 Abs. 1 GG nur auf deutsche Staatsangehörige anwendbar. Die Versammlungsfreiheit von Ausländern wird grundrechtlich allein von der allgemeinen Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG erfasst. Ferner bezieht sich der Schutz des Art. 8 Abs. 1 GG nach seinem Wortlaut nur auf friedliche und waffenlose Versammlungen. Darüber hinaus kann zweifelhaft sein, ob der Schutzbereich des Art. 8 Abs. 1 GG Veranstaltungen zu bestimmten Zwecken (z.B. Love-Parade) oder mit bestimmten Modalitäten (z.B. Veranstaltungsort, -zeit, Art der Durchführung) überhaupt erfasst. Einen Überblick zu grundlegenden Fragen des Schutzbereichs der Versammlungsfreiheit sowie zu aktuellen Problemfällen und deren Behandlung durch die Rechtsprechung geben Peters/Janz, Aktuelle Fragen des Versammlungsrechts – Rechtsprechungsübersicht, LKV 2016, S. 193 ff. - Anlage 1 - und von Alemann/Scheffczyk, Aktuelle Fragen der Gestaltungsfreiheit von Versammlungen, JA 2013, S. 407 ff. - Anlage 2 - Als Frage des grundrechtlichen Schutzbereichs dürfte wohl auch die im Zusammenhang mit der o.g. Versammlung vorgebrachte Argumentation zu verorten sein, auf bestimmte Modalitäten einer Versammlung, namentlich die Aufstellung von Videoleinwänden und Live-Zuschaltungen, bestehe kein grundrechtlicher Anspruch. Eine Annäherung an die tatsächlichen Umstände der insoweit ergangenen versammlungsrechtlichen Beschränkungen sowie kritische Anmerkungen finden sich bei Schaks, Erdogan in Köln: Zumutungen des Verfassungsrechts, Verfassungsblog, 3. August 2016, http://verfassungsblog.de/erdogan-in-koeln-zumutungen-des-versammlungsrechts/ - Anlage 3 - und Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 3 - 3000 - 195/16 Seite 4 ders., Erdogan in Köln – Zumutungen des Verfassungsrechts II, Verfassungsblog, 8. August 2016, http://verfassungsblog.de/erdogan-in-koeln-zumutungen-des-versammlungsrechts-ii/. - Anlage 4 - 3. Einschränkbarkeit der Versammlungsfreiheit Versammlungen unter freiem Himmel können nach Art. 8 Abs. 2 GG durch Gesetz eingeschränkt werden. Die aufgrund von Gesetzen vorgenommenen versammlungsbeschränkenden Maßnahmen (z.B. Verbot, Auflösung, Erteilung von Auflagen) müssen aber ihrerseits den (strengen) Anforderungen der Verhältnismäßigkeit genügen. Das Bundesverfassungsgericht hat hierzu in der sog. Brokdorf-Entscheidung u.a. ausgeführt, Auflösung und Verbot von Versammlungen dürften nur „zum Schutz gleichwertiger Rechtsgüter unter strikter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und nur bei einer unmittelbaren, aus erkennbaren Umständen herleitbaren Gefährdung dieser Rechtsgüter erfolgen“.1 Zu den besonders wichtigen versammlungsbeschränkenden Maßnahmen nach § 15 Versammlungsgesetz des Bundes (VersG) zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ist zu verweisen auf Froese, Das Zusammenspiel von Versammlungsfreiheit und Versammlungsgesetz, JA 2015, S. 679 ff. - Anlage 5 - und Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Eingriffsbefugnisse der Polizei bei Demonstrationen (WD 3 - 3000 - 274/14). - Anlage 6 - Dass man in Bezug auf die o.g. Versammlung in Köln eine Auflagenerteilung nach Maßgabe des § 15 Abs. 1 VersG in Betracht ziehen kann, wird von Schaks (s.o. Anlage 3 und 4) diskutiert. Angesichts des unklaren Sachverhalts nimmt Schaks allerdings keine abschließende Bewertung dahingehend vor, ob man von einer unmittelbaren Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung ausgehen konnte, die eine Auflagenerteilung in Bezug auf die beabsichtigten Live- Übertragungen rechtfertigt. Ende der Bearbeitung 1 BVerfGE 69, 315, 353.