Deutscher Bundestag Der Petitionsausschuss als Mediator im Planfeststellungsverfahren? Fragen zur rechtlichen Zulässigkeit Sachstand Wissenschaftliche Dienste WD 3 – 3000 - 195/11 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 – 3000 - 195/11 Seite 2 Der Petitionsausschuss als Mediator im Planfeststellungsverfahren? Fragen zur rechtlichen Zulässigkeit Verfasser/in: Aktenzeichen: WD 3 – 3000 - 195/11 Abschluss der Arbeit: 8. Juni 2011 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Telefon: + Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 – 3000 - 195/11 Seite 3 1. Einleitung Die Petenten wenden sich mit ihrer Eingabe (Geschäftszeichen Pet 1- 17-06-2005-019032 vom 12. Januar 2011) aus Anlass des geplanten Gesetzes zur Vereinheitlichung und Beschleunigung von Planfeststellungsverfahren an den Deutschen Bundestag. Sie erheben u. a. die Forderung, das Anhörungsverfahren durch eine Faktenfeststellung im Wege der Mediation zu ersetzen. Die Aufgabe der Faktenfeststellung durch Mediation soll nach ihrer Vorstellung der Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages bzw. - im Falle landesrechtlicher Zuständigkeiten - der Petitionsausschuss des jeweiligen Landtages wahrnehmen (siehe 2.2 der Eingabe). 2. Bestehen verfassungsrechtliche Bedenken, den Petitionsausschuss des Bundestages bzw. die Petitionsausschüsse der Landtage bei Planfeststellungsverfahren mit einer Mediatorenfunktion zu versehen? Mit dem Grundgesetz (GG) in seiner geltenden Fassung und den entsprechenden landesverfassungsrechtlichen Bestimmungen stünde es nicht Einklang, wenn der Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages bzw. die Petitionsausschüsse der Landtage mit einer Mediatorenfunktion betraut würden. Denn diese Bestimmungen definieren einen klar umrissenen Aufgabenbereich für die Petitionsausschüsse, von dem die von den Petenten vorgeschlagene Rolle nicht erfasst ist: Nach Art. 45c Abs. 1 GG bestellt der Deutsche Bundestag einen Petitionsausschuss, dem die Behandlung der nach Art. 17 GG an den Bundestag gerichteten Bitten und Beschwerden obliegt. Nach dem Wortlaut ist der Ausschuss damit auf die „Behandlung von Bitten und Beschwerden“ beschränkt. Bitten intendieren ein Handeln oder Unterlassen einer staatlichen Institution in der Zukunft. Solche Wünsche an die Staatsinstanzen sind z. B. Anregungen zu Gesetzen, spezielle Reformvorschläge oder finanzielle Hilfeersuchen.1 Beschwerden rügen ein bestimmtes Handeln, das in den meisten Fällen die Exekutive betrifft.2 Die Faktenfeststellung durch Mediation ist unter diese Begriffe nicht zu fassen. Der Petitionsausschuss wird des Weiteren „vom Deutschen Bundestag“ bestellt. Damit ist er nach dem Grundgesetz ein Organ des Bundestages und ein Instrument der parlamentarischen Kontrolle .3 Aus dieser Funktion ergeben sich nach Sinn und Zweck des Art. 45c Abs. 1 GG Grenzen der Tätigkeit des Petitionsausschusses im Hinblick auf das Verhältnis zu Verwaltung und Rechtsprechung.4 Dem Petitionsausschuss stehen nur Informations- und Sachaufklärungsrechte 1 Kretschmer, Gerald, in: Schmidt-Bleibtreu, Bruno/Klein, Franz u. a., GG, Kommentar zum Grundgesetz , 12. Aufl., 2011, Art. 45c Rn. 9. 2 Kretschmer, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein u.a., Art. 45c Rn. 10. 3 Kretschmer, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein u.a., Art. 45c Rn. 5. 4 Kretschmer, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein u.a., Art. 45c Rn. 5. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 – 3000 - 195/11 Seite 4 zu; Dienst-, Fach-oder Rechtsaufsicht gegenüber der Verwaltung einschließlich Beanstandungsund Selbsteintrittsrechten sind nicht erfasst5 Art. 45c Abs. 2 GG bestimmt, dass die Befugnisse des Ausschusses zur Überprüfung von Beschwerden ein Bundesgesetz regelt. Die Befugnisse beziehen sich ausschließlich auf die Behandlung von Beschwerden. Nach dem Wortlaut der Bestimmung ist mit der Ermächtigung an den einfachen Gesetzgeber jedenfalls nicht die Regelung der Befugnis einer Beteiligung des Petitionsausschusses im Planfeststellungsverfahren durch Faktenfeststellung im Wege der Mediation erfasst . Im Übrigen ist Art. 45c Abs. 2 GG im Sachzusammenhang mit Abs. 1 der Vorschrift zu lesen : Aus der beschriebenen Begrenzung der Aufgabe des Petitionsausschusses auf die parlamentarische Kontrollfunktion ergibt sich für die besonderen Befugnisse ebenfalls eine entsprechende Einschränkung (u. a. Auskunfts-, Zutritts-, Akteneinsichts- und Anhörungsrechte). Verbindliche Vorgaben für die Exekutive oder Judikative sind ausgeschlossen. Mit der Erweiterung der Aufgaben des Petitionsausschusses auf die Faktenfeststellung durch Mediation würde der Ausschuss, der nach dem Grundgesetz parlamentarisches Kontrollorgan ist, in ein Verwaltungsverfahren eingebunden. Zwar ist nach dem Vorschlag des Petenten vorgesehen , dass die Faktenfeststellung durch Mediation und die Weiterleitung der Ergebnisse als „Empfehlungen “ an die zuständige Planfeststellungsbehörde aufgenommen werden, aber dennoch soll dies die Stellungnahme der Anhörungsbehörde ersetzen (siehe 4. 1. der Eingabe), steht also letztlich an der Stelle einer Entscheidung der Exekutive. Die unter 2.3. der Eingabe aufgeführten Inhalte und Elemente der Faktenfeststellung stützen diese Annahme, denn diese „müssen als Elemente der Planfeststellung“ z. B. erfassen, „aus welchen Gründen ein zwingend notwendiges öffentliches Interesse gegeben“ und „ob Alternativen angemessen geprüft sind“. Die Einbindung des Petitionsausschusses des Deutschen Bundestages in ein Verwaltungsverfahren , wie es das Planfeststellungsverfahren ist, wäre nach alledem wohl nicht mit der nach geltender Verfassungslage vorgegebenen Aufgabe dieses Ausschusses vereinbar. Vergleichbare Ausgestaltungen der Funktion des Petitionsausschusses finden sich für die Landtage in den meisten Bundesländern in den jeweiligen Landesverfassungen,6 so dass auf Landesebene entsprechend der verfassungsrechtlichen Würdigung auf Bundesebene zu argumentieren ist. 5 Kretschmer, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein u.a., Art. 45c Rn. 5. 6 Siehe zum Petitionsrecht der Länder ausführlich: , Besondere Befugnisse der Petitionsausschüsse in Bund und Ländern, Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestags , Fachbeitrag WD 3 – 3000 – 384/10 vom 24. September 2010. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 – 3000 - 195/11 Seite 5 3. Welche Gesetze müssten geändert werden? Für eine Beteiligung der Petitionsausschüsse von Bundestag und Landtagen wäre den Ausführung zu 1. zufolge die Änderung des Grundgesetzes bzw. der Landesverfassungen erforderlich. Konkretisierungen der Aufgaben und Befugnisse im Bereich der Planfeststellung könnten ggf. auch auf einfachgesetzlicher Ebene durch entsprechende Änderung der Petitionsgesetzes vollzogen werden. ( )