© 2016 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 194/16 Verfassungsfragen des Entwurfs eines Gesetzes zur Ausland-Ausland- Fernmeldeaufklärung des Bundesnachrichtendienstes Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 194/16 Seite 2 Verfassungsfragen des Entwurfs eines Gesetzes zur Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung des Bundesnachrichtendienstes Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 194/16 Abschluss der Arbeit: 29. August 2016 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 194/16 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Fragestellung 4 2. Strategische Aufklärung von ausschließlich im Ausland stattfindenden Telekommunikationsverkehren 4 2.1. Kritikpunkte 4 2.2. Bestand der Kritik de lege ferenda 5 2.2.1. Frage der expliziten Ermächtigungsgrundlage für die Datenerhebung und -verarbeitung 5 2.2.2. Verfassungsrechtliche Anforderungen an grundrechtseingreifende Gesetze 6 2.2.2.1. Zitiergebot, Art. 19 Abs. 1 S. 2 GG 7 2.2.2.2. Grundsätzliche Pflicht zur Mitteilung durchgeführter Beschränkungsmaßnahmen, Art. 10 GG 8 2.2.2.3. Verhältnismäßigkeit und Bestimmtheit, Art. 20 Abs. 3 GG 10 2.2.2.4. Gleichheitsgrundsatz, Art. 3 Abs. 1 GG 13 3. Strategische Aufklärung rein nationaler Telekommunikationsverkehre 14 3.1. Kritikpunkte 14 3.2. Bestand der Kritik de lege ferenda 15 4. Strategische Aufklärung von Telekommunikationsverkehren von und nach Deutschland 16 4.1. Kritikpunkte 16 4.2. Bestand der Kritik de lege ferenda 16 5. Weitergabe von im Wege strategischer Fernmeldeaufklärung gewonnenen Daten 17 5.1. Kritikpunkte 17 5.2. Bestand der Kritik de lege ferenda 17 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 194/16 Seite 4 1. Fragestellung Der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts Prof. Dr. Hans-Jürgen Papier beschäftigt sich in dem Aufsatz „Beschränkungen der Telekommunikationsfreiheit durch den BND an Datenaustauschpunkten “1 mit der Frage, ob die strategischen Beschränkungen des Bundesnachrichtendienstes bezüglich des internationalen Telekommunikationsverkehrs an Datenaustauschpunkten mit den einfach-gesetzlichen Bestimmungen und dem Grundgesetz vereinbar sind. Dabei kommt Papier unter anderem zu dem Ergebnis, dass Teile des Artikel 10-Gesetzes (G10) verfassungswidrig und Zugriffe des Bundesnachrichtendienstes auf einen Datenaustauschpunkt wie den DE-CIX insgesamt rechtswidrig seien. Im Juli 2016 wurde von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD der Entwurf eines Gesetzes zur Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung des Bundesnachrichtendienstes beim Bundestag eingebracht .2 Gefragt wird nun, ob die von Papier geäußerten Bedenken bei Zugrundelegung der in dem Gesetzentwurf vorgesehenen Rechtslage fortbestehen. Ferner wird ausgehend von Papiers Kritik um eine Bewertung des Gesetzentwurfs in Hinblick auf seine Verfassungsmäßigkeit gebeten . 2. Strategische Aufklärung von ausschließlich im Ausland stattfindenden Telekommunikationsverkehren 2.1. Kritikpunkte Eingangs erläutert Papier in besagtem Aufsatz – der ganz herrschenden Meinung in der Literatur3 folgend –, dass die Rechtsauffassung, nach der das Grundrecht auf Schutz des Fernmeldegeheimnisses aus Art. 10 Abs. 1 GG in seinem territorialen Schutzbereich begrenzt sei und für die Telekommunikationsverkehre von Ausländern im Ausland keinen grundrechtlichen Schutz biete, abzulehnen sei.4 Die Aufklärung von Telekommunikationsverkehren im In- und Ausland zwischen 1 Papier, Beschränkungen der Telekommunikationsfreiheit durch den BND an Datenaustauschpunkten, NVwZ- Extra 2016, S. 1 ff. Grundlage dieses Beitrages bildet ein Gutachten des Autors für die DE-CIX Management GmbH, die einen Datenaustauschpunkt in Frankfurt am Main betreibt. 2 BT-Drs. 18/9041. 3 Siehe neben den Nachweisen bei Papier, Beschränkungen der Telekommunikationsfreiheit durch den BND an Datenaustauschpunkten, NVwZ-Extra 2016, S. 1 (3 – Fn. 4), insbesondere Hoffmann-Riem, Freiheitsschutz in den globalen Kommunikationsinfrastrukturen, JZ 2014, S. 53 (56); Caspar, Strategische Auslandsüberwachung – Jenseits der Grenze des Rechtsstaats?, PinG 2014, S. 1 (3 f.); Bäcker, Strategische Telekommunikationsüberwachung auf dem Prüfstand, K&R 2014, S. 556 (559 ff.). 4 Papier, Beschränkungen der Telekommunikationsfreiheit durch den BND an Datenaustauschpunkten, NVwZ- Extra 2016, S. 1 (2 ff.). Siehe zur Geltung der Grundrechte bei der Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung auch WD 3 - 3000 - 171/16, Zur strategischen Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung in Bezug auf Unionsbürger nach § 6 Abs. 3 Bundesnachrichtendienstgesetz-Entwurf, 2016, S. 7 ff. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 194/16 Seite 5 Inländern und/oder Ausländern durch einen deutschen Nachrichtendienst stelle also grundsätzlich einen Eingriff in Art. 10 Abs. 1 GG dar.5 Etwas andere gelte, sofern die Telekommunikationsvorgänge ungezielt und allein technisch bedingt zunächst miterfasst, aber dann unmittelbar nach der Signalaufbereitung technisch wieder ausgesondert würden, ohne eine Spur zu hinterlassen. Hieran anknüpfend arbeitet Papier heraus, dass es an der gemäß Art. 10 Abs. 2 S. 1 GG erforderlichen hinreichenden Ermächtigungsgrundlage für die strategische Aufklärung der Ausland-Ausland -Telekommunikationsverkehre und des rein ausländischen Binnentelekommunikationsverkehrs fehle. § 1 Abs. 2 BND-Gesetz (BNDG) scheide aus, da es sich bei diesem um eine reine Aufgabennorm und keine Befugnisnorm handele. Auch § 5 G10 könne als Eingriffsermächtigung insoweit nicht herangezogen werden, da dieser insoweit nicht dem aus Art. 1 Abs. 1 GG resultierenden Kernbereichsschutz genüge. 2.2. Bestand der Kritik de lege ferenda 2.2.1. Frage der expliziten Ermächtigungsgrundlage für die Datenerhebung und -verarbeitung Der vorliegende Gesetzentwurf zur Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung des Bundesnachrichtendienstes sieht die Schaffung einer expliziten gesetzlichen Grundlage für die strategische Aufklärung von Telekommunikation, die zwischen Ausländern im Ausland stattfindet, vor (siehe § 6 Abs. 1 BNDG-E). Dabei ist jedoch zu differenzieren: Die Regelung des § 6 Abs. 1 BNDG-E bezieht sich allein auf die Fernmeldeaufklärung, die vom Inland aus erfolgt, d.h. bei der sich die Erfassungssysteme in Deutschland befinden. Für diese Form der Aufklärung wird – zumindest rein formal betrachtet – mit dem Gesetzentwurf die Forderung nach der Schaffung einer entsprechenden Ermächtigungsgrundlage für den Bundesnachrichtendienst erfüllt. Nicht erfasst wird von der Regelung des § 6 Abs. 1 BNDG-E die Fernmeldeaufklärung gegenüber Ausländern im Ausland, die vom Ausland aus vorgenommen wird. Diese soll weiterhin auf die Regelung des § 1 Abs. 2 BNDG gestützt werden.6 Lediglich Verwendungsbeschränkungen für die mit Mitteln der Fernmeldeaufklärung vom Ausland aus erhobenen Daten sind in § 7 BNDG-E vorgesehen. Die von Papier aufgegriffene Frage, ob § 1 Abs. 2 BNDG eine geeignete gesetzliche Eingriffsgrundlage darstellen kann, stellt sich dann weiterhin, wenn man den Schutz von Art. 10 Abs. 1 GG durch vom Ausland aus vorgenommene Fernmeldeaufklärung als berührt ansieht. Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Rechtsprechung offen gelassen, ob die Schutzwirkung des Art. 10 Abs. 1 GG völlig unabhängig von einem territorialen Bezug zur Bundesrepublik besteht.7 5 Papier, Beschränkungen der Telekommunikationsfreiheit durch den BND an Datenaustauschpunkten, NVwZ- Extra 2016, S. 1 (6). 6 BT-Drs. 18/9041, S. 22. 7 BVerfGE 100, 313 (362 ff.) Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 194/16 Seite 6 Teilweise wird ein territorialer Bezug – sofern er überhaupt für erforderlich gehalten wird8 – auch bei Überwachungsmaßnahmen des Bundesnachrichtendienstes im Ausland bejaht, da dabei deutsche Hoheitsträger im Auftrag des Bundeskanzleramtes tätig würden, die für Deutschland relevante Informationen zusammentragen sollen.9 Geht man davon aus, dass Art. 10 Abs. 1 GG auch für die Fernmeldeaufklärung gilt, die vom Ausland aus erfolgt, wird festgestellt, dass § 1 Abs. 2 BNDG als bloße Aufgabennorm den Bundesnachrichtendienst nicht zu Grundrechtseingriffen ermächtigen kann.10 2.2.2. Verfassungsrechtliche Anforderungen an grundrechtseingreifende Gesetze Folgt man der Auffassung Papiers, nach der auch die strategische Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung 11 grundsätzlich einen Eingriff in Art. 10 Abs. 1 GG darstellt (siehe oben unter 2.1.), stellt sich die Frage, ob die im Gesetzentwurf vorgesehenen Regelungen als Beschränkungen im Sinne des Art. 10 Abs. 2 S. 1 GG den allgemeinen verfassungsrechtlichen Anforderungen an grundrechtseingreifende Gesetze in formeller und materieller Hinsicht genügen.12 Aufgrund des Umstandes, dass in dem Gesetzentwurf zur Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung die Frage der Grundrechtsrelevanz der Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung nicht thematisiert wird, ist jedoch davon auszugehen, dass die Bundesregierung weiterhin an ihrer Rechtsauffassung bezüglich der Begrenzung des territorialen Schutzbereichs von Art. 10 Abs. 1 GG festhält .13 Entsprechendes Indiz ist neben der Wahl des Bundesnachrichtendienstgesetzes anstelle 8 Ein solches Erfordernis ablehnend beispielsweise Durner, in: Maunz/Dürig (Begr.), Grundgesetz, Kommentar, Stand der Kommentierung: 65. EL (Januar 2010), Art. 10 Rn. 65. 9 Siehe Reporter ohne Grenzen, Stellungnahme: Wahrung der Meinungs- und Pressefreiheit durch eine grundrechtskonforme Fassung des BND-Gesetzes, abrufbar unter https://www.reporter-ohne-grenzen.de/uploads /tx_lfnews/media/20160804_BNDG-E_ROG_Stellungnahme.pdf (zuletzt abgerufen am 22. August 2016), S. 9, sowie Hoffmann-Riem, Freiheitsschutz in den globalen Kommunikationsinfrastrukturen, JZ 2014, S. 53 (55); Caspar, Strategische Auslandsüberwachung – Jenseits der Grenze des Rechtsstaats, PinG 2014, S. 1 (4). 10 Hierzu Huber, Die strategische Rasterfahndung des Bundesnachrichtendienstes – Eingriffsbefugnisse und Regelungsdefizite , NJW 2013, S. 2572 (2576); Bäcker, Strategische Telekommunikationsüberwachung auf dem Prüfstand , K&R 2014, S. 556 (560); Papier, Beschränkungen der Telekommunikationsfreiheit durch den BND an Datenaustauschpunkten , NVwZ-Extra 2016, S. 1 (7). 11 Hierunter wird im Folgenden nur eine Fernmeldeaufklärung verstanden, die vom Inland aus erfolgt. 12 Insoweit wird die Auffassung vertreten, dass bei Bejahung einer allgemeinen Auslandsgeltung des durch Art. 10 GG geschützten Fernmeldegeheimnisses das mit dem Gesetzentwurf verfolgte Regelungskonzept als verfassungswidrig anzusehen sein müsste, siehe Löffelmann, Regelung der Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung, recht + politik 8/2016, S. 4 – abrufbar unter http://www.recht-politik.de/wp-content/uploads/2016/08/Ausgabevom -23.-August-2016-Regelung-der-Ausland-Ausland-Fernmeldeaufkl%C3%A4rung-PDF-Download.pdf (zuletzt abgerufen am 24. August 2016). 13 Siehe auch die Äußerung des ehemaligen Präsidenten des Bundesnachrichtendienstes Geiger in der Süddeutschen Zeitung vom 30. Juni 2016 in dem Artikel „Ein bisschen mehr Transparenz“: „Allerdings beharrt die Bundesregierung offenbar weiter darauf, dass das im Artikel 10 des Grundgesetzes garantierte Telekommunikationsgeheimnis für solche Ausland-zu-Ausland-Gespräche nicht gilt.“ Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 194/16 Seite 7 des Artikel 10-Gesetzes als Regelungsort auch beispielsweise folgende Formulierung in der Begründung des Gesetzentwurfs: „Der Rechtsrahmen für die Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung wird im Sinne der Normenklarheit über die bestehende allgemeine Auftragsnorm des § 1 Absatz 2 BNDG hinaus durch Schaffung spezieller Regelungen für die Auslands-Ausland-Fernmeldeaufklärung (§§ 6 ff. des BND-Gesetzes in der Entwurfsfassung – BNDG-E) sowie die diesbezügliche Kooperation mit ausländischen öffentlichen Stellen (§§ 13 bis 15 BNDG-E) präzisiert.“14 2.2.2.1. Zitiergebot, Art. 19 Abs. 1 S. 2 GG Besonders deutlich wird das Festhalten der Bundesregierung an ihrer Auffassung zur Frage der Begrenzung des territorialen Schutzbereichs von Art. 10 Abs. 1 GG im Zusammenhang mit dem im Grundgesetz verankerten Zitiergebot. Art. 19 Abs. 1 S. 2 GG schreibt vor, dass soweit nach dem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, das Gesetz das eingeschränkte Grundrecht unter Angabe des Artikels nennt. Den Sinn und Zweck des Zitiergebots sieht das Bundesverfassungsgericht in der Warn- und Besinnungsfunktion gegenüber dem Gesetzgeber.15 Daneben soll dem Zitiergebot nach verbreiteter Auffassung in der Literatur auch eine Klarstellungs- und Hinweisfunktion für Normanwender und eine Informationsfunktion für Normbetroffene zukommen.16 Nach Auslegung des Wortlauts werden von Art. 19 Abs. 1 S. 2 GG nur solche Grundrechte erfasst , die aufgrund einer ausdrücklichen Ermächtigung vom Gesetzgeber eingeschränkt werden dürfen. Zu diesen Grundrechten zählt auch das Fernmeldegeheimnis gemäß Art. 10 Abs. 2 GG.17 Das Bundesverfassungsgericht hat im Rahmen seiner Rechtsprechung im Wege der teleologischen Auslegung den Anwendungsbereich des Zitiergebots weiter eingeschränkt, etwa in Bezug auf nachkonstitutionelle Gesetze, die bereits bestehende Grundrechtseinschränkungen lediglich unverändert oder mit geringen Abweichungen wiederholen oder in Bezug auf Grundrechtseingriffe, die sich als unbeabsichtigte Nebenfolge darstellen.18 An seiner Rechtsprechung, dass auch solche Eingriffe nicht dem Zitiergebot unterfallen, die „offenkundig“ und den „im Gesetzgebungsverfahren Beteiligten durchaus bewußt“ seien19, hält das Gericht jedoch nicht mehr uneingeschränkt fest, wenn es später in Bezug auf das Niedersächsische Sicherheits- und Ordnungsgesetz aus- 14 BT-Drs. 18/9041, S. 1 f. (Hervorhebungen nicht im Original). 15 BVerfGE 64, 72 (79 f.). 16 Siehe statt vieler nur Dreier, in: ders. (Hrsg.), Grundgesetz, Kommentar, 3. Aufl. 2013, Art. 19 Abs. 1 Rn. 19. 17 Siehe auch Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, Handbuch der Rechtsförmlichkeit, 3. Aufl. 2008, Rn. 427 ff. 18 Siehe hierzu den Überblick über die entsprechende Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bei Singer, Das Bundesverfassungsgericht und das Zitiergebot, DÖV 2007, S. 496 (499 f.). 19 BVerfGE 35, 185 (189). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 194/16 Seite 8 führt: „Das Zitiererfordernis entfällt nicht im Hinblick auf den Hinweis in der Gesetzesbegründung […], der Gesetzgeber sei sich der Einschränkung des Fernmeldegeheimnisses durch § 33a Nds.SOG bewusst gewesen und davon ausgegangen, dass dem Zitiergebot durch die bestehende Regelung […] entsprochen werde.“20 Folgt man Papiers Argumentation hinsichtlich der Grundrechtsrelevanz der Ausland-Ausland- Fernmeldeaufklärung, so müsste im vorliegenden Gesetzentwurf zur Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung des Bundesnachrichtendienstes Art. 10 GG als eingeschränktes Grundrecht genannt werden. Dies ist jedoch nicht der Fall. Ein Eingreifen der vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Ausnahmen vom Zitiergebot ist nicht ersichtlich, so dass hier ein Verstoß gegen das Zitiergebot vorliegen würde. Ein solcher führt zur Verfassungswidrigkeit und hat zur Folge, dass die betroffene Regelung nicht Grundlage für zielgerichtete Eingriffe in eben jenes nicht zitierte Grundrecht sein kann.21 2.2.2.2. Grundsätzliche Pflicht zur Mitteilung durchgeführter Beschränkungsmaßnahmen, Art. 10 GG Weiter stellt sich die Frage, inwieweit im vorliegenden Gesetzentwurf die vom Bundesverfassungsgericht aus Art. 10 Abs. 1 GG abgeleiteten Mitteilungspflichten berücksichtigt wurden. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vermittelt Art. 10 GG den Grundrechtsträgern einen Anspruch auf Kenntnis von Maßnahmen der Fernmeldeüberwachung, die sie betroffen haben.22 Dieser Anspruch sei ein Erfordernis effektiven Grundrechtsschutzes. Denn ohne eine solche Kenntnis könnten die Betroffenen weder die Unrechtmäßigkeit der Erfassung und Kenntnisnahme ihrer Fernmeldekontakte noch etwaige Rechte auf Löschung oder Berichtigung geltend machen. Wie die Kenntnisgewährung im Einzelnen auszugestalten sei, gebe das Grundgesetz dabei nicht vor. Die Verfassung gebiete nur, dass eine Benachrichtigung dann stattfinde, wenn Datenerhebungen heimlich erfolgten, Auskunftsansprüche aber nicht eingeräumt worden seien oder den Rechten der Betroffenen nicht angemessen Rechnung tragen würden. Allerdings weist das Gericht auch darauf hin, dass auch die Mitteilungspflicht dem Gesetzesvorbehalt des Art. 10 Abs. 2 GG unterliege. Soweit die Kenntnis des Eingriffs in das Fernmeldegeheimnis dazu führen würde, dass dieser seinen Zweck verfehle, sei es daher von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden, die Kenntnisgewährung entsprechend einzugrenzen. Dient eine Beschränkung des Art. 10 GG dem Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder des Bestandes oder der Sicherung des Bundes oder eines Landes, so kann der Gesetzgeber gemäß Art. 10 Abs. 2 S. 2 GG bestimmen, dass sie dem Betroffenen nicht mitgeteilt wird und dass an die Stelle des Rechtsweges die Nachprüfung durch von der Volksvertretung 20 BVerfGE 113, 348 (367). 21 Vgl. Singer, Das Bundesverfassungsgericht und das Zitiergebot, DÖV 2007, S. 496 (502); siehe auch Sachs, in: ders. (Hrsg.), Grundgesetz, Kommentar, 7. Aufl. 2014, Art. 19 Rn. 32. 22 BVerfGE 100, 313 (361), siehe in Bezug auf die akustische Wohnraumüberwachung und Art. 13 Abs. 1 GG auch BVerfGE 109, 279 (363). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 194/16 Seite 9 bestellte Organe und Hilfsorgane tritt. Diese Ermächtigung ist durch das Artikel 10-Gesetz mit seinen Regelungen über die Beteiligung der G10-Kommission ausgefüllt worden.23 Fraglich ist, ob der vorliegende Gesetzentwurf die dargestellten Anforderungen bezüglich der Unterrichtung der Betroffenen bei Maßnahmen der strategischen Auslands-Auslands-Fernmeldeaufklärung erfüllt. Der Gesetzentwurf sieht eine Mitteilung von Maßnahmen der strategischen Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung im Sinne des § 6 BNDG-E gegenüber den Betroffenen in § 10 Abs. 4 BNDG-E jedoch nur für eine bestimmte Konstellation vor: „Werden Daten entgegen § 6 Absatz 4 erhoben, sind diese unverzüglich zu löschen. Werden die Daten nicht unverzüglich gelöscht, ist die G10-Kommission in der folgenden Sitzung zu unterrichten und der betroffenen Person ist die Erhebung der Daten mitzuteilen, sobald 1. ausgeschlossen werden kann, dass hierdurch der Zweck der Maßnahme gefährdet ist und 2. kein überwiegender Nachteil für das Wohl des Bundes oder eines Landes absehbar ist. Erfolgt die Mitteilung nicht binnen zwölf Monaten nach Erhebung der Daten, bedarf die weitere Zurückstellung der Zustimmung der G10-Kommission. Die G10-Kommission bestimmt die weitere Dauer der Zurückstellung. Fünf Jahre nach Erhebung der Daten kann mit Zustimmung der G10-Kommission endgültig von der Mitteilung abgesehen werden, wenn die Voraussetzungen für die Mitteilung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch in Zukunft nicht eintreten werden. […]“24 Eine Benachrichtigung ist also nur für Fälle des § 6 Abs. 4 BNDG-E vorgesehen, also Fälle, in denen mittels der Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung Verkehre erhoben werden, an denen ein deutscher Staatsangehöriger, eine inländische juristische Person oder eine sich im Bundesgebiet aufhaltende Person beteiligt ist.25 Für die Aufklärung von Telekommunikation zwischen Ausländern im Ausland sind hingegen keine entsprechenden Mitteilungspflichten vorgesehen. Die Ausklammerung der Ausländer im Ausland stellt keine zulässige Ausnahme von den Mitteilungspflichten nach Art. 10 Abs. 2 S. 2 GG dar. Voraussetzung hierfür wäre eine explizite Regelung durch den Gesetzgeber sowie eine Bezugnahme auf den Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder des Bestandes oder der Sicherung des Bundes oder eines Landes, wie sie etwa in § 12 G10 zu finden ist. Auch der mangels Mitteilung der Aufklärungsmaßnahmen gegenüber den Betroffenen zumindest faktische Ausschluss des Rechtswegs kann nicht auf Art. 10 Abs. 2 S. 2 GG gestützt werden. Abgesehen davon, dass es an einer gesetzlichen Regelung zum Ausschluss des Rechtswegs fehlt, stellt das Unabhängige Gremium kein Gremium im Sinne des 23 Pagenkopf, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, Kommentar, 7. Aufl. 2014, Art. 10 Rn. 47. 24 Hervorhebungen nicht im Original. 25 BT-Drs. 18/9041, S. 27. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 194/16 Seite 10 Art. 10 Abs. 2 S. 2 GG dar.26 Unter anderem wird das Unabhängige Gremium nicht – wie in Art. 10 Abs. 2 S. 2 GG vorgesehen – von der Volksvertretung bestellt, sondern durch die Bundesregierung ernannt, § 16 Abs. 2 BNDG-E. Teilweise wird zwar in der Literatur die Auffassung vertreten, dass ausnahmsweise mit dem Grundrecht in Zusammenhang stehende verfahrensrechtliche Sicherungen angesichts der Besonderheiten der Ausübung deutscher öffentlicher Gewalt im Ausland und der damit verbundenen völkerrechtlichen Implikationen im Vergleich zu reinen Inlandssachverhalten ggf. nur in modifizierter Form zur Anwendung kommen könnten.27 Diese Argumentation lässt sich jedoch hier nur begrenzt zur Rechtfertigung des Wegfalls der Benachrichtigung der betroffenen Ausländer heranziehen . Denn die vorliegende Argumentation bezieht sich weniger auf rein tatsächliche Schwierigkeiten – die hier bei einer Benachrichtigung der betroffenen Ausländer im Ausland durchaus gegeben sein könnten –, sondern vielmehr auf völkerrechtliche Fragestellungen, die sich etwa im Zusammenhang mit einer Richtergarantie und den Besonderheiten der Ausübung deutscher öffentlicher Gewalt im Ausland ergeben können. Bei einer bloßen Benachrichtigung, wie sie im vorliegenden Fall zur Diskussion steht, sind derartige völkerrechtliche Fragestellungen jedoch nicht ersichtlich. Ohnehin geht auch die dargestellte Auffassung lediglich von einer Modifizierung und nicht von einem vollständigen Wegfall der verfahrensrechtlichen Sicherungen aus. 2.2.2.3. Verhältnismäßigkeit und Bestimmtheit, Art. 20 Abs. 3 GG Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz als Element des Rechtsstaatsprinzips aus Art. 20 Abs. 3 GG stellt die wichtigste Schranke für Grundrechtseingriffe durch staatliche Überwachungsmaßnahmen dar.28 Im Fokus der Diskussion über die Verhältnismäßigkeit der Regelungen des Gesetzentwurfs zur Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung stehen insbesondere die in § 6 Abs. 1 BNDG-E normierten Voraussetzungen für die Erhebung und Verarbeitung von Daten im Rahmen der Ausland- Ausland-Fernmeldeaufklärung. Dort heißt es: „Der Bundesnachrichtendienst darf zur Erfüllung seiner Aufgaben Informationen einschließlich personenbezogener Daten […] erheben und verarbeiten […], wenn diese Daten erforderlich sind, um 1. frühzeitig Gefahren für die innere oder äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland erkennen und diesen begegnen zu können, 2. die Handlungsfähigkeit der Bundesrepublik Deutschland zu wahren oder 26 Siehe hierzu auch WD 3 - 3000 - 171/16, Zur strategischen Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung in Bezug auf Unionsbürger nach § 6 Abs. 3 Bundesnachrichtendienstgesetz-Entwurf, 2016, S. 13. 27 Guckelberger, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Grundgesetz, Kommentar, 13. Aufl. 2014, Art. 10 Rn. 29, unter Bezugnahme auf Zimmermann, Grundrechtseingriffe durch deutsche Streitkräfte im Ausland und das Grundgesetz, ZRP 2012, S. 116 (117). 28 Becker, Grundrechtliche Grenzen staatlicher Überwachung zur Gefahrenabwehr, NVwZ 2015, S. 1335 (1336). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 194/16 Seite 11 3. sonstige Erkenntnisse von außen- und sicherheitspolitischer Bedeutung über Vorgänge zu gewinnen, die in Bezug auf Art und Umfang durch das Bundeskanzleramt im Einvernehmen mit dem Auswärtigen Amt, dem Bundesministerium des Innern, dem Bundesministerium der Verteidigung, dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie und dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung bestimmt werden.“ Während die Regelung zur strategischen Fernmeldeaufklärung in § 5 G10 verschiedene konkrete Gefahrenbereiche (zum Beispiel bewaffnete Angriffe auf die Bundesrepublik, Begehung internationaler terroristischer Anschläge mit unmittelbarem Bezug zur Bundesrepublik oder internationale Verbreitung von Kriegswaffen) als zulässige Aufklärungsziele einer solchen strategischen Aufklärung nennt29, beschränkt sich die Regelung des § 6 Abs. 1 BNDG-E auf allgemein gehaltene Formulierungen wie „die innere oder äußere Sicherheit der Bundesrepublik“ oder „die Handlungsfähigkeit der Bundesrepublik“. Eine (geringfügige) Einschränkung des Spielraums des Bundesnachrichtendienstes ist in § 6 Abs. 2 BNDG-E für die Erhebung von Inhaltsdaten vorgesehen , die nur anhand von Suchbegriffen durchgeführt werden darf, wobei die Suchbegriffe für die Aufklärung von Sachverhalten nach § 6 Abs. 1 S. 1 BNDG-E bestimmt und geeignet sein müssen und ihre Verwendung im Einklang mit den außen- und sicherheitspolitischen Interessen der Bundesrepublik stehen muss. Insgesamt darf nach § 6 Abs. 1 S. 2 BNDG-E eine Datenerhebung nur aus denjenigen Telekommunikationsnetzen erfolgen, die das Bundeskanzleramt zuvor durch Anordnung bestimmt hat. Kritisiert wird in der öffentlichen Diskussion des Gesetzentwurfs, dass aufgrund der weiten Formulierung des § 6 Abs. 1 BNDG-E eine Massenüberwachung erlaube und die Formulierungen nicht konkret genug seien.30 Eine Ausdehnung der Kompetenzen des Bundesnachrichtendienstes hinsichtlich der strategischen Fernmeldeaufklärung erscheint insbesondere deshalb problematisch , weil das Bundesverfassungsgericht bei seiner Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit der damals in § 3 G10 a.F. geregelten strategischen Fernmeldeaufklärung ganz entscheidend darauf abgestellt hat, dass die Überwachung und Aufzeichnung des Fernmeldeverkehrs unter den damals anzutreffenden Gegebenheiten sowohl in rechtlicher als auch tatsächlicher Hinsicht begrenzt waren.31 So hat das Gericht unter anderem auf die besonders gewichtigen Zwecke – zum Beispiel die Verhütung eines bewaffneten Angriffs auf die Bundesrepublik –, denen die strategische Aufklärung nach § 3 G10 a.F. zu dienen bestimmt ist, verwiesen.32 Gleichzeitig hat das Gericht klargestellt, dass selbst die großen Gefahren, denen mit Hilfe der Fernmeldeüberwachung 29 Siehe hierzu Huber, in: Schenke/Graulich/Ruthig (Hrsg.), Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, § 5 G10 Rn. 6 ff. 30 Siehe die Kritik bei Diehl/Meiritz, BND darf künftig manchmal immer fast alles vielleicht, Spiegel-Online vom 8. Juli 2016 – abrufbar unter http://www.spiegel.de/politik/deutschland/bnd-reform-des-deutschen-geheimdienstes -im-eiltempo-a-1101891.html (zuletzt abgerufen am 24. August 2016), sowie auf netzpolitik.org – abrufbar unter https://netzpolitik.org/2016/das-neue-bnd-gesetz-alles-was-der-bnd-macht-wird-einfach-legalisiertund -sogar-noch-ausgeweitet/ (zuletzt abgerufen am 24. August 2016). 31 BVerfGE 100, 313 (376 ff.); siehe auch Papier, Beschränkungen der Telekommunikationsfreiheit durch den BND an Datenaustauschpunkten, NVwZ-Extra 2016, S. 1 (10). 32 BVerfGE 100, 313 (378). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 194/16 Seite 12 begegnet werden soll, eine Überwachung der Telekommunikation zu Zwecken der Auslandsaufklärung ohne jegliche Voraussetzungen und Begrenzungen verfassungsrechtlich nicht rechtfertigen können.33 Zur Rechtfertigung des weiten Spielraums des Bundesnachrichtendienstes nach § 6 Abs. 1 BNDG-E lässt sich auch nicht das Argument heranziehen, die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 BNDG-E allein würden nur für die Erhebung von Verkehrsdaten gelten. Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Rechtsprechung darauf hingewiesen, dass auch die Aussagekraft von Verkehrsdaten weitreichend sei.34 Je nach Nutzung von Telekommunikationsdiensten seitens der Betroffenen ließen sich schon aus diesen Daten selbst tiefe Einblicke in das soziale Umfeld und die individuellen Aktivitäten der Betroffenen gewinnen. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz steht in engem Zusammenhang mit dem Bestimmtheitsgebot, das ebenfalls aus dem Rechtsstaatsprinzip in Art. 20 Abs. 3 GG abgeleitet wird und zum Zwecke der Messbarkeit und Berechenbarkeit staatlichen Handelns fordert, dass die Gesetze und die daraus abgeleiteten Rechtsnormen und Einzelfallentscheidungen hinreichend bestimmt sind.35 Es erscheint fraglich, inwieweit die Regelung des § 6 Abs. 1 BNDG-E mit seinen allgemein gehaltenen Formulierungen den Anforderungen des Bestimmtheitsgebots in seiner Bindungs- und Begrenzungsfunktion gegenüber der Verwaltung genügen kann.36 Die Verhältnismäßigkeit des vorliegenden Gesetzentwurfs wird ferner in Bezug auf den Umstand diskutiert, dass anders als bei der strategischen Fernmeldeaufklärung im Sinne des § 5 G10, bei der nach § 10 Abs. 4 S. 4 G10 nur 20 % der auf den betroffenen Übertragungswegen zur Verfügung stehenden Übertragungskapazität überwacht werden darf37, die Regelungen zur Ausland- Ausland-Fernmeldeaufklärung keine Kapazitätsbeschränkungen vorsehen.38 Hierzu heißt es in der Begründung des Gesetzentwurfs: 33 BVerfGE 100, 313 (383), siehe auch BVerfGE 100, 313 (376), unter Verweis auf BVerfGE 67, 157 (174). 34 BVerfGE 125, 260 (319). 35 Hierzu Sommermann, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Grundgesetz, Kommentar, 6. Aufl. 2010. Art. 20 Abs. 3 Rn. 289 ff. 36 Siehe diesbezüglich die Kritik von Nešković auf netzpolitik.org – abrufbar unter https://netzpolitik .org/2016/das-neue-bnd-gesetz-alles-was-der-bnd-macht-wird-einfach-legalisiert-und-sogar-noch-ausgeweitet/ (zuletzt abgerufen am 24. August 2016). 37 Siehe zur Kritik an der Wirksamkeit der Regelung in § 10 Abs. 4 S. 3 und 4 G10 Bäcker, Erhebung, Bevorratung und Übermittlung von Telekommunikationsdaten durch die Nachrichtendienste des Bundes, Stellungnahme zur Anhörung des NSA-Untersuchungsausschusses am 22. Mai 2014, S. 12 ff., sowie Papier, Beschränkungen der Telekommunikationsfreiheit durch den BND an Datenaustauschpunkten, NVwZ-Extra 2016, S. 1 (13 f.). 38 Siehe die Kritik bei Diehl/Meiritz, BND darf künftig manchmal immer fast alles vielleicht, Spiegel-Online vom 8. Juli 2016 – abrufbar unter http://www.spiegel.de/politik/deutschland/bnd-reform-des-deutschen-geheimdienstes -im-eiltempo-a-1101891.html (zuletzt abgerufen am 24. August 2016); stiftung neue verantwortung, BND-Gesetzentwurf: Schwachstellen und Verbesserungsvorschläge, 2016, S. 2 – abrufbar unter http://www.stiftung -nv.de/sites/default/files/bndgesetzentwurf_schwachstellen_und_verbesserungsvorschlaege.pdf (zuletzt abgerufen am 24. August 2016). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 194/16 Seite 13 „Eine Kapazitätsbeschränkung ist – anders als im Artikel 10-Gesetz – nicht erforderlich. Der BND kann bereits aus tatsächlichen Gründen nur einen sehr geringen Anteil der weltweiten Telekommunikation erfassen. Einer Kapazitätsbeschränkung, die eine flächendeckende Überwachung ausschließen soll, bedarf es daher nicht.“39 Auch Papier geht in seinem Aufsatz auf die faktischen Grenzen – gesetzt durch geografische und technische Vorgegebenheiten – ein, die für die strategische Fernmeldeaufklärung bestehen.40 Dabei betont er, dass der verfassungsrechtliche Schutz des Fernmeldegeheimnisses gleichwohl verlange , dass der Gesetzgeber selbst hinreichend rechtlich gesicherte und durchsetzbare, bereichsspezifische und normenklare Regelungen zur Wahrung der verfassungsrechtlichen Anforderungen treffe. Allein auf die – derzeitige – Begrenztheit der Kapazitäten der Nachrichtendienste zu setzen, sei keine Rechtfertigungsgrundlage. Ebenfalls relevant ist die Frage der Verhältnismäßigkeit im Zusammenhang mit der Frage der Nutzung von Suchbegriffen, die zu einer gezielten Erfassung von Personen oder Institutionen führen. Der vorliegende Gesetzentwurf regelt lediglich die Voraussetzungen für die Nutzung derartiger Suchbegriffe gegenüber Einrichtungen der Europäischen Union, öffentlichen Stellen ihrer Mitgliedstaaten oder Unionsbürgern (§ 6 Abs. 3 BNDG-E). Für andere Betroffene fehlen entsprechende Regelungen.41 Das Bundesverfassungsgericht hat jedoch in seiner Entscheidung bezüglich der damals in § 3 G10 a.F. geregelten strategischen Fernmeldeaufklärung den Ausschluss entsprechender Suchbegriffe als wesentliches Argument für die Wahrung der Verhältnismäßigkeit angesehen: „Die Zahl der erfaßten Telekommunikationsbeziehungen ist zwar nicht gering, verglichen mit der Gesamtzahl aller oder auch nur der internationalen Fernmeldekontakte aber vergleichsweise niedrig. Dabei kommt insbesondere dem in § 3 Abs. 2 Satz 2 G10 enthaltenen Verbot der gezielten Überwachung bestimmter individueller Anschlüsse Bedeutung zu. Ohne ein solches Verbot wäre die Verhältnismäßigkeit angesichts der Verdachtslosigkeit der Eingriffe, der Breite der erfaßten Fernmeldekontakte und der Identifizierbarkeit der Beteiligten nicht gewahrt.“42 2.2.2.4. Gleichheitsgrundsatz, Art. 3 Abs. 1 GG Die Differenzierungen des Gesetzentwurfs zur Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung zwischen deutschen Staatsangehörigen, Unionsbürgern und Drittstaatsangehörigen werfen nicht nur die 39 BT-Drs. 18/9041, S. 26. 40 Papier, Beschränkungen der Telekommunikationsfreiheit durch den BND an Datenaustauschpunkten, NVwZ- Extra 2016, S. 1 (14). 41 Siehe zur Diskussion bezüglich der Differenzierung zwischen deutschen und ausländischen Staatsangehörigen bei dem Verbot der gezielten Erfassung bestimmter Telekommunikationsanschlüsse in § 5 Abs. 2 S. 2 und 3 G10 Huber, in: Schenke/Graulich/Ruthig (Hrsg.), Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, § 5 G10 Rn. 40 ff.; Bäcker, Strategische Telekommunikationsüberwachung auf dem Prüfstand, K&R 2014, S. 556 (559); Caspar, Strategische Auslandsüberwachung – Jenseits der Grenze des Rechtsstaats?, PinG 2014, S. 1 (5). 42 BVerfGE 100, 313 (384) – Hervorhebungen nicht im Original. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 194/16 Seite 14 Frage nach dem territorialen Schutzbereich des Art. 10 Abs. 1 GG bzw. nach der hinreichenden Berücksichtigung des Schutzgehaltes von Art. 10 Abs. 1 GG auf, sondern führen – bei Bejahung eines Eingreifens dieses Grundrechts bei Telekommunikation zwischen Ausländern im Ausland – auch zu entsprechendem Rechtfertigungsbedarf nach den Maßstäben des allgemeinen Gleichheitssatzes aus Art. 3 Abs. 1 GG. Entsprechendes gilt für das in Art. 18 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union enthaltene allgemeine Verbot der Diskriminierung von Personen aus Gründen der Staatsangehörigkeit. Dies betrifft etwa die Regelung des § 6 Abs. 4 BNDG-E, nach der eine Erhebung von Daten aus Telekommunikationsverkehren von deutschen Staatsangehörigen, von inländischen juristischen Personen oder von sich im Bundesgebiet aufhaltenden Personen unzulässig ist. Die Begründung des Gesetzentwurfs verweist insoweit darauf, dass die Erhebung von Inhalts- und Verkehrsdaten der genannten Betroffenen sich nach dem Artikel 10-Gesetz richtet.43 Dies hat zur Folge, dass etwa eine ausschließlich im Ausland zwischen deutschen Staatsangehörigen stattfindende Telekommunikation nicht im Wege strategischer Fernmeldeaufklärung überwacht werden darf, da auch das Artikel 10-Gesetz insoweit nicht greift.44 Eine weitere Ungleichbehandlung findet sich in Bezug auf die Regelungen zur gezielten Erfassung bestimmter Telekommunikationsanschlüsse in § 6 Abs. 3 BNDG-E, die lediglich für die Erfassung von Einrichtungen der Europäischen Union, von öffentlichen Stellen ihrer Mitgliedstaaten oder von Unionsbürgern gelten. In der Begründung des vorliegenden Gesetzentwurfs wird auf die Frage der Rechtfertigung der Ungleichbehandlungen nicht eingegangen. 3. Strategische Aufklärung rein nationaler Telekommunikationsverkehre 3.1. Kritikpunkte Papier weist außerdem in dem besagten Aufsatz darauf hin, dass an den Datenaustauschpunkten nicht zwischen nationalen und internationalen Telekommunikationsverkehren differenziert werden könne.45 Es sei daher davon auszugehen, dass bei der Durchführung der strategischen Beschränkungsmaßnahmen am Datenaustauschpunkt DE-CIX auch rein nationale Telekommunikationsverkehre betroffen seien. Schon in der Erfassung von Kommunikationsdaten selbst sei ein Eingriff in Art. 10 Abs. 1 GG zu sehen, sofern diese die Kommunikation für den Bundesnachrichtendienst verfügbar mache und die Grundlage für nachfolgende Abgleiche mit den Suchbegriffen bilde.46 Zwar liege kein Eingriff vor, wenn Telekommunikationsvorgänge ungezielt und allein 43 BT-Drs. 18/9041, S. 24. 44 Die strategische Fernmeldeüberwachung nach § 5 G10 setzt Telekommunikationen voraus, die von oder nach Deutschland geführt werden, siehe Huber, Die strategische Rasterfahndung des Bundesnachrichtendienstes – Eingriffsbefugnisse und Regelungsdefizite, NJW 2013, S. 2572 (2573). 45 Papier, Beschränkungen der Telekommunikationsfreiheit durch den BND an Datenaustauschpunkten, NVwZ- Extra 2016, S. 1 (12 f.). 46 Papier, Beschränkungen der Telekommunikationsfreiheit durch den BND an Datenaustauschpunkten, NVwZ- Extra 2016, S. 1 (7 f.). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 194/16 Seite 15 technisch bedingt zunächst miterfasst, aber dann unmittelbar nach der Signalaufbereitung technisch wieder ausgesondert würden, ohne eine Spur zu hinterlassen. Allerdings fehle es in Bezug auf entsprechende nachträgliche Sicherungsmaßnahmen des Bundesnachrichtendienstes an der hinreichenden rechtlichen Absicherung jener Sicherungen und wohl auch an der tatsächlichen Wirksamkeit. So sei davon auszugehen, dass bei einer Filterung anhand von IP-Adressen zum Zwecke der geografischen Eingrenzung der zu erfassenden Telekommunikationsströme allenfalls eine Genauigkeit von 90 % bis 95 % erreicht werden könne. Die damit in Hinblick auf rein nationale Telekommunikationsverkehre erforderliche Rechtsgrundlage ergebe sich aber nicht aus § 5 G10, da dieser ausdrücklich nur für „internationale Telekommunikationsbeziehungen “, das heißt für Telekommunikation, die von oder nach Deutschland geführt wird47, gelte. 3.2. Bestand der Kritik de lege ferenda Die Kritik Papiers, bei strategischen Beschränkungsmaßnahmen am DE-CIX seien auch rein nationale Telekommunikationsverkehre betroffen und keine taugliche Ermächtigungsgrundlage gegeben, dürfte auch bei Zugrundelegung der in dem Gesetzentwurf vorgesehenen Rechtslage Bestand haben. Hinsichtlich der strategischen Fernmeldeaufklärung gemäß § 5 G10 bezüglich Telekommunikation , die von oder nach Deutschland geführt wird, ist festzustellen, dass diese Regelung durch den Gesetzentwurf zur Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung keine Änderungen erfahren soll. Der Gesetzentwurf sieht in Bezug auf das Artikel 10-Gesetz lediglich redaktionelle Anpassungen und keine inhaltlichen Änderungen vor. Die von Papier aufgeworfene Frage hinsichtlich der Identifizierung von rein nationalen Telekommunikationsverkehren bei Beschränkungsmaßnahmen an Datenaustauschpunkten stellt sich damit weiterhin. Dies gilt auch für die strategische Fernmeldeaufklärung von ausschließlich im Ausland stattfindender Telekommunikation nach § 6 BNDG-E. Bezüglich dieser wird in der Begründung zum Gesetzentwurf lediglich festgestellt, dass eine Anordnung für eine entsprechende strategische Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung nicht ausgeschlossen sei, wenn über das betroffene Telekommunikationsnetz auch nationale Verkehre geführt würden.48 Folgt man jedoch den oben unter 3.1. dargestellten Überlegungen Papiers hinsichtlich der Differenzierung zwischen den verschiedenen Arten von Telekommunikationsverkehren an den Datenaustauschpunkten, so stellt sich auch hier die Frage nach der Ermächtigungsgrundlage für Beschränkungsmaßnahmen, die sich auch auf rein nationale Telekommunikationsverkehre auswirken. 47 Siehe Huber, Die strategische Rasterfahndung des Bundesnachrichtendienstes – Eingriffsbefugnisse und Regelungsdefizite , NJW 2013, S. 2572 (2573). 48 BT-Drs. 18/9041, S. 23. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 194/16 Seite 16 4. Strategische Aufklärung von Telekommunikationsverkehren von und nach Deutschland 4.1. Kritikpunkte In Bezug auf die strategische Aufklärung gemäß § 5 G10, die auf Telekommunikationsverkehre gerichtet ist, die von und nach Deutschland stattfinden, schließt sich Papier der Kritik in der Literatur an der Verfassungsmäßigkeit der Ausnahmeregelung in § 5 Abs. 2 S. 3 G10 an. Nach § 5 Abs. 2 S. 3 G10 gelten das Verbot der gezielten Erfassung bestimmter Telekommunikationsanschlüsse und das Gebot der Wahrung des Kernbereichs privater Lebensgestaltung nicht, sofern ausgeschlossen werden kann, dass Anschlüsse, deren Inhaber oder regelmäßige Nutzer deutsche Staatsangehörige sind, gezielt erfasst werden. Dies sei verfassungswidrig, da nicht berücksichtigt werde, dass Art. 10 Abs. 1 GG ein Menschenrecht und sein personaler Schutzbereich nicht auf deutsche Staatsangehörige beschränkt sei.49 Auch mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG sei die Regelung nicht vereinbar. Weiter geht Papier auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts von 1999 ein, in der das Gericht die strategische Fernmeldeaufklärung durch den Bundesnachrichtendienst als grundsätzlich vereinbar mit Art. 10 GG angesehen hat.50 Dabei habe das Gericht ganz entscheidend darauf abgestellt, dass die Überwachung und Aufzeichnung des Fernmeldeverkehrs damals sowohl in rechtlicher als auch in tatsächlicher Hinsicht begrenzt gewesen sei.51 In diesem Zusammenhang vertritt Papier die Auffassung, dass heute hinreichende rechtliche, bei den vorliegenden Gegebenheiten wirklich greifende und effiziente Regelungen zur Limitierung der strategischen Telekommunikationsaufklärung fehlen würden.52 Dies gelte insbesondere in Hinblick auf eine hinreichende rechtliche Sicherung des Kernbereichs privater Lebensgestaltung und die Verhältnismäßigkeit der Eingriffe. 4.2. Bestand der Kritik de lege ferenda Die von Papier hinsichtlich der Limitierung der gemäß § 5 G10 durchgeführten strategischen Fernmeldeaufklärung geäußerte Kritik hat auch bei Zugrundelegung der in dem Gesetzentwurf vorgesehenen Rechtslage Bestand. Der Gesetzentwurf bezieht sich auf die Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung und lässt die Regelungen des Artikel 10-Gesetzes über die strategische Aufklärung von Telekommunikation, die von und nach Deutschland geführt wird, unberührt. 49 Papier, Beschränkungen der Telekommunikationsfreiheit durch den BND an Datenaustauschpunkten, NVwZ- Extra 2016, S. 1 (7, 12 f.). 50 Siehe BVerfGE 100, 313 (368 ff.). 51 Papier, Beschränkungen der Telekommunikationsfreiheit durch den BND an Datenaustauschpunkten, NVwZ- Extra 2016, S. 1 (10). 52 Papier, Beschränkungen der Telekommunikationsfreiheit durch den BND an Datenaustauschpunkten, NVwZ- Extra 2016, S. 1 (14). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 194/16 Seite 17 5. Weitergabe von im Wege strategischer Fernmeldeaufklärung gewonnenen Daten 5.1. Kritikpunkte Schließlich weist Papier darauf hin, dass auch die Weitergabe der im Inland erfassten Kommunikationsverkehre am Maßstab von Art. 10 GG zu messen sei.53 Die Ermächtigungsgrundlage in § 7a Abs. 1 G10 beziehe sich nach ihrem eindeutigen Wortlaut auf „personenbezogene Daten“, in Bezug auf die strategische Überwachung also nur auf konkrete Erkenntnisse. Eine umfassende oder eventuell sogar automatisierte Weitergabe der von der Überwachung erfassten Telekommunikationsverkehre werde von § 7a Abs. 1 G10 nicht erfasst. Dies sei insbesondere in Hinblick auf den Einsatz von Selektoren ausländischer Dienste durch den Bundesnachrichtendienst und die anschließende Datenweitergabe von Bedeutung. 5.2. Bestand der Kritik de lege ferenda Hinsichtlich der von Papier in Bezug auf den Einsatz von Selektoren ausländischer Dienste und die Weitergabe der dabei gewonnenen Daten geäußerten Bedenken ist zu differenzieren: Soweit die Bedenken sich auf die Fallgruppe der strategischen Aufklärung im Sinne des § 5 G10 (also auf die strategische Aufklärung von Telekommunikation, die von oder nach Deutschland geführt wird) beziehen, so gelten diese unverändert fort. Wie oben unter 3.2. bereits angesprochen , erfahren die Regelungen des Artikel 10-Gesetzes (hier konkret die Regelung in § 7a G10) durch den vorliegenden Gesetzentwurf keine inhaltlichen Änderungen. Betrachtet man hingegen die Fallgruppe der strategischen Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung im Sinne des § 6 BNDG-E, so ist festzustellen, dass die Weitergabe von entsprechend erhobenen Daten im Rahmen einer Kooperation des Bundesnachrichtendienstes mit ausländischen Diensten, durch den zur Diskussion stehenden Gesetzentwurf nunmehr gesondert geregelt wird (siehe §§ 13 ff. BNDG-E). Anders als bei der Regelung über die Übermittlung an ausländische Dienste in § 7a G10, auf die Papier Bezug nimmt, erfasst § 13 BNDG-E nicht allein die Weitergabe von „personenbezogenen Daten“, sondern vielmehr von „Informationen einschließlich personenbezogener Daten“. So lässt sich jedenfalls feststellen, dass aufgrund der weiteren Formulierung in § 13 BNDG-E eine Weitergabe nicht nur von konkreten Erkenntnissen, sondern auch bereits von den im Rahmen der strategischen Überwachung gewonnenen Daten zumindest auf der Tatbestandsebene nicht ausgeschlossen ist. Gleichwohl stellt sich auch hinsichtlich der Regelungen zur Übermittlung von gewonnenen Informationen im Rahmen einer Kooperation mit einem ausländischen Dienst die oben unter 2.2. angesprochene Frage der Vereinbarkeit mit dem Fernmeldegeheimnis aus Art. 10 Abs. 1 GG und dem allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG, da auch die Weitergabe entsprechender Daten grundrechtsrelevant sein kann.54 53 Papier, Beschränkungen der Telekommunikationsfreiheit durch den BND an Datenaustauschpunkten, NVwZ- Extra 2016, S. 1 (14 f.). 54 Vgl. Papier, Beschränkungen der Telekommunikationsfreiheit durch den BND an Datenaustauschpunkten, NVwZ-Extra 2016, S. 1 (14). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 194/16 Seite 18 Nicht unproblematisch erscheint etwa – bei der Bejahung der Geltung von Art. 10 Abs. 1 GG für die Telekommunikation von Ausländern im Ausland – in Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit insbesondere die Regelung des § 15 Abs. 1 BNDG-E, nach der der Bundesnachrichtendienst im Rahmen der Kooperation mit ausländischen Nachrichtendiensten gemäß §§ 13 ff. BNDG-E erhobene Informationen (einschließlich personenbezogener Daten) automatisiert an den ausländischen Nachrichtendienst übermitteln darf. Voraussetzung hierfür ist nach § 15 Abs. 1 BNDG-E die Löschung der vorab durch eine automatisierte Prüfung erkannten Daten nach § 10 Abs. 3 und 4 BNDG-E. Dies betrifft Daten, die entgegen § 6 Abs. 3 oder § 9 Abs. 2 BNDG-E (d.h. entgegen der Vorgaben zur gezielten Erfassung von Einrichtungen der Europäischen Union usw.) oder entgegen § 6 Abs. 4 BNDG-E (d.h. entgegen dem Verbot der Erhebung von Daten deutscher Staatsangehöriger usw.) erhoben wurden. Ferner erstreckt sich die Pflicht zur automatisierten Prüfung und zur Löschung auch auf Daten, deren Übermittlung nationalen Interessen der Bundesrepublik entgegenstehen würde. Als weitere Voraussetzung sieht § 15 Abs. 1 BNDG-E vor, dass die sofortige Übermittlung erforderlich sein muss, um die Kooperationsziele zu erreichen. Diese Voraussetzungen sowie die Wahrung des Kernbereichsschutzes nach § 11 BNDG-E werden nach § 15 Abs. 3 BNDG-E stichprobenartig durch den Bundesnachrichtendienst überprüft. In der Begründung des vorliegenden Gesetzentwurfs wird die Notwendigkeit technischer Vorkehrungen zur Verhinderung von Eingriffen in Art. 10 GG im Rahmen von Kooperationen mit ausländischen Diensten betont. Hinsichtlich der automatisierten Datenübermittlung heißt es dort, dass die erhobenen Daten vor Weiterleitung in einem mehrstufigen Verfahren zu prüfen sind, unter anderem um die nach dem Artikel 10-Gesetz geschützten Daten zu erkennen. Ausgehend von der Annahme einer Begrenzung des territorialen Schutzbereichs von Art. 10 Abs. 1 GG findet sich ein solcher Schutz in dem Gesetzentwurf jedoch nur für deutsche Staatsangehörige, inländische juristische Personen und sich im Bundesgebiet aufhaltende Personen sowie in begrenztem Maße auch für Einrichtungen der Europäischen Union, öffentliche Stellen ihrer Mitgliedstaaten und Unionsbürger. Dies bedeutet, dass die automatisierte Übermittlung von personenbezogenen Daten von Drittstaatsangehörigen (die nach Papier ebenfalls vom grundrechtlichen Schutz des Art. 10 Abs. 1 GG erfasst werden) abgesehen vom Kernbereichsschutz keinen weiteren, dem Schutz des Betroffenen dienenden Beschränkungen unterliegt.55 Ende der Bearbeitung 55 Siehe hierzu die Kritik bei netzpolitik.org – abrufbar unter https://netzpolitik.org/2016/wir-veroeffentlichenden -gesetzentwurf-zur-bnd-reform-grosse-koalition-will-geheimdienst-ueberwachung-legalisieren/ (zuletzt abgerufen am 25. August 2016).