© 2017 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 191/17 Fragen zu Verpflichtungserklärungen gemäß § 68 Aufenthaltsgesetz Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 191/17 Seite 2 Fragen zu Verpflichtungserklärungen gemäß § 68 Aufenthaltsgesetz Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 191/17 Abschluss der Arbeit: 26.10.2017 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 191/17 Seite 3 1. Einleitung Es wird von einem Fall berichtet, in dem streitig ist, ob der Angehörige einer ausländischen Patientin die Kosten für die medizinische Behandlung in einem privaten Krankenhaus tragen muss. Als Grundlage für eine solche Verpflichtung wird auf die in § 68 Abs. 1 S. 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) geregelte Verpflichtungserklärung abgestellt, wonach der Verpflichtungsgeber die Haftung für die Kosten des Lebensunterhalts des betroffenen Ausländers, einschließlich der Versorgung mit Wohnraum, der Versorgung im Krankheitsfall und bei Pflegebedürftigkeit übernimmt . Vor diesem Hintergrund wird die abstrakte Frage gestellt, unter welchen Voraussetzungen die Haftung des Verpflichtungsgebers in Bezug auf die Versorgung im Krankheitsfall eintritt und ob sie auch gegenüber privaten Gläubigern greift. Darüber hinaus soll geklärt werden, ob die zuständigen Ausländerbehörden gegenüber privaten Gläubigern Auskünfte über solche Verpflichtungserklärungen geben dürfen, die für ihre ausländischen Schuldner gemäß § 68 Abs. 1 S. 1 Aufenth G abgegeben wurden. 2. Haftung in Bezug auf die Versorgung im Krankheitsfall Die Abgabe einer Verpflichtungserklärung gemäß § 68 AufenthG kann dazu dienen, die Einreise eine Ausländers in die Bundesrepublik zu ermöglichen, indem sie die für die Erteilung eines Aufenthaltstitels (z.B. eines Visums) nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG erforderliche Sicherung des Lebensunterhalts gewährleistet.1 Der Lebensunterhalt eines Ausländers ist nach der Legaldefinition in § 2 Abs. 3 AufenthG gesichert, wenn er ihn einschließlich ausreichenden Krankenversicherungsschutzes ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel bestreiten kann. Die Haftung gemäß § 68 Abs. 1 S. 1 AufenthG wird durch eine Verpflichtungserklärung gegenüber der Ausländerbehörde oder einer Auslandsvertretung, die der Schriftform bedarf, § 68 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 S. 1 AufenthG, begründet. Als einseitige, empfangsbedürftige öffentlich-rechtliche Willenserklärung bedarf der Inhalt einer Verpflichtungserklärung der Auslegung in entsprechender Anwendung der §§ 133, 157 Bürgerliches Gesetzbuch.2 Voraussetzung für die Wirksamkeit von Verpflichtungserklärungen ist ihre inhaltliche Bestimmtheit.3 Darüber hinaus ist zu beachten, dass die Verpflichtungserklärung gemäß § 68 AufenthG nicht unmittelbar den Ausländer begünstigt. Vielmehr führt die Verpflichtungserklärung zu einer Haftung des Verpflichtungsgebers gegenüber den begünstigten Gläubigern. Zu den begünstigten Gläubigern gehören gemäß § 68 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 2, Abs. 4 AufenthG jedoch allein diejenigen öffentlichen Stellen, die öffentliche Mittel z.B. für die Versorgung im Krankheitsfall aufgewendet haben. Die erstattungsberechtigten öffentlichen Stellen sind befugt, ihre Ansprüche durch Verwaltungsakt geltend zu 1 Zur Abgabe von Verpflichtungserklärungen im Zusammenhang mit der Aufnahme von syrischen Flüchtlingen siehe Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Verpflichtungserklärungen im Rahmen von Aufnahmeprogrammen der Länder nach § 23 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz (WD 3 – 3000 – 054/17). 2 BVerwG NVwZ 1999, 779 f. 3 Vgl. Hailbronner, Ausländerrecht (Stand: Oktober 2016), Rn. 9, 22 zu § 68 AufenthG. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 191/17 Seite 4 machen.4 Die Frage, ob auch ein öffentlich-rechtlich organisiertes Krankenhaus nach § 68 Aufenth G die Erstattung von Krankenhausleistungen verlangen kann, die aufgrund privatvertraglicher Grundlage geleistet wurden, verneint das Oberlandesgericht Hamm (OLG Hamm), da es sich insoweit nicht um „öffentliche Mittel“ im Sinne des § 68 AufenthG handele. Im Einzelnen führt das OLG Hamm in seinem Beschluss aus dem Jahr 2009 dazu aus: „Es steht ja außer Frage, dass die fraglichen Verpflichtungserklärungen - auch die des Beklagten - zum Zwecke der Vermeidung einer Kostenbelastung der Bundesrepublik Deutschland und der hier tätigen Behörden erteilt werden mit der Folge, dass geleistete ‚öffentliche Mittel‘, auch für die Versorgung im Krankheitsfalle, für Medikamente, Krankenhausaufenthalte u.ä. zu erstatten sind. Ebenfalls außer Frage steht, dass eine bedarfsgerechte Versorgung durch leistungsfähige Krankenhäuser zu den öffentlichen Aufgaben der Länder, Landkreise und kreisfreien Städte gehört (…). Das ändert aber nichts daran , dass die zivilrechtlichen Behandlungskosten, die durch einen Krankenhausaufenthalt entstehen, ebenso wenig zu diesen ‚öffentlichen Mitteln‘ zu zählen sind wie das Bereithalten der technischen Einrichtung und des medizinischen Personals (…).“5 Die auf privatvertraglicher Grundlage von einem privaten Krankenhaus erbrachten Leistungen fallen somit ebenfalls nicht unter die erstattungsfähigen „öffentlichen Mittel“. Um die Verpflichtungsgeber vor unabsehbaren finanziellen Belastungen zu schützen, wurde die Haftung durch Verpflichtungserklärungen im Rahmen des Integrationsgesetzes von 20166 zeitlich begrenzt. Für Verpflichtungserklärungen gilt nach § 68 Abs. 1 S. 4 AufenthG eine Haftungsbeschränkung für den Zeitraum von fünf Jahren ab Einreise des Ausländers.7 3. Auskünfte über Verpflichtungserklärungen Fraglich ist, ob die zuständigen Ausländerbehörden gegenüber privaten Gläubigern Auskünfte über solche Verpflichtungserklärungen geben dürfen, die für ihre ausländischen Schuldner gemäß § 68 Abs. 1 S. 1 AufenthG abgegeben wurden. Als Landesbehörden haben die Ausländerbehörden die datenschutzrechtlichen Anforderungen der jeweils anwendbaren Landesdatenschutzgesetze zu beachten. Beispielhaft sei insoweit auf 4 Vgl. Hailbronner (Fn. 3), Rn. 6 zu § 68 AufenthG m.w.N. 5 OLG Hamm, Beschluss vom 27.10.2009 – I-3 U 31/09 –, juris, Rn. 7, Hervorhebung nicht im Original. 6 Integrationsgesetz vom 31.07.2016, BGBl. I, 1939 ff. 7 Siehe BR-Drs. 266/16, 3: „Die Praxis der Landesaufnahmeprogramme für syrische Schutzsuchende hat zum Teil zur Überforderung von Verpflichtungsgebern geführt. Die Begrenzung der Geltungsdauer von Verpflichtungserklärungen in § 68 AufenthG sowie die Altfallregelung in § 68a AufenthG sollen Verpflichtungsgeber vor unabsehbaren finanziellen Belastungen schützen.“ Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 191/17 Seite 5 die Anforderungen des Berliner Datenschutzgesetzes (BlnDSG) verwiesen,8 zu denen es in den anderen Bundesländern vergleichbare Regelungen gibt. Nach § 2 Abs. 1 BlnDSG sind alle Behörden und sonstige öffentlichen Stellen zum Schutz personenbezogener Daten, § 2 Abs. 1 BlnDSG verpflichtet. Personenbezogene Daten sind Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person, § 4 Abs. 1 S. 1 BlnDSG. Informationen über das Vorliegen von Verpflichtungserklärungen in Bezug auf eine bestimmte ausländische Person und über einen bestimmten Verpflichtungsgeber stellen solche Einzelangaben und damit personenbezogene Daten dar. Gemäß § 13 BlnDSG ist eine Übermittlung personenbezogener Daten an Personen und andere Stellen außerhalb des öffentlichen Bereichs sowie an landesunmittelbare Anstalten des öffentlichen Rechts, die am Wettbewerb teilnehmen, nur zulässig, wenn eine Rechtsvorschrift dies erlaubt oder der Betroffene eingewilligt hat. Soweit eine Einwilligung des Verpflichtungsgebers und des betroffenen Ausländers nicht vorliegen , ist eine Auskunft über Verpflichtungserklärungen nur zulässig, wenn eine Rechtsvorschrift dies erlaubt. Die Regelung zur Unterrichtungspflicht in § 68 Abs. 4 S. 1 AufenthG scheidet insoweit als Rechtsgrundlage aus. Nach § 68 Abs. 4 S. 1 AufenthG unterrichtet die Ausländerbehörde , wenn sie Kenntnis von der Aufwendung nach § 68 Abs. 1 AufenthG zu erstattender öffentlicher Mittel erlangt, unverzüglich die öffentliche Stelle, der der Erstattungsanspruch zusteht, über das Vorliegen einer Verpflichtungserklärung und erteilt die zur Geltendmachung und Durchsetzung der Erstattungsansprüche erforderlichen Auskünfte. Diese Unterrichtungspflicht beschränkt sich auf diejenigen öffentlichen Stellen, denen Erstattungsansprüche zustehen. Nicht umfasst werden öffentliche Stellen, die keine erstattungsfähigen öffentlichen Mittel aufgewendet haben. Eine Unterrichtungspflicht gegenüber privaten Gläubigern, denen gemäß § 68 AufenthG keine Erstattungsansprüche zustehen, kommt von vornherein nicht in Betracht. Auch andere Rechtsgrundlagen, die die Weitergabe von Informationen über Verpflichtungserklärungen an Private erlauben, sind nicht ersichtlich. Insbesondere greifen die in den Informationsfreiheitsgesetzen der Länder geregelten Informationszugangsansprüche nicht. Auch hier sei beispielhaft auf das Berliner Informationsfreiheitsgesetz (BlnIFG) verwiesen,9 wonach jeder Mensch gegenüber Behörden und öffentlichen Stellen nach seiner Wahl ein Recht auf Einsicht in oder Auskunft über den Inhalt der von der öffentlichen Stelle geführten Akten hat. Dieser Anspruch besteht allerdings gemäß § 6 Abs. 1 BlnIFG nicht, soweit „durch die Akteneinsicht oder Aktenauskunft personenbezogene Daten veröffentlicht werden und tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorhanden sind, dass überwiegend Privatinteressen verfolgt werden oder der Offenbarung schutzwürdige Belange der Betroffenen entgegenstehen und das Informationsinteresse (§ 1) das Interesse der Betroffenen an der Geheimhaltung nicht überwiegt“. 8 Das Berliner Datenschutzgesetz ist abrufbar unter: http://gesetze.berlin.de/jportal/portal/t/11qw/page/bsbeprod .psml;jsessionid=A674D944FCF5F65C2FDA4E6C5BB2F353.jp19?pid=Dokumentanzeige&showdoccase =1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=1&fromdoctodoc=yes&doc.id=jlr-DSG- BErahmen&doc.part=X&doc.price=0.0#jlr-DSGBEV17P2. 9 Das Berliner Informationsfreiheitsgesetz ist abrufbar unter: http://gesetze.berlin.de/jportal /?quelle=jlink&query=InfFrG+BE&psml=bsbeprod.psml&max=true&aiz=true. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 191/17 Seite 6 Soweit private Gläubiger Auskünfte über das Vorliegen von Verpflichtungserklärungen begehren, die zugunsten ihrer ausländischen Schuldner abgegeben wurden, könnten überwiegend Privatinteressen verfolgt werden, die einen Informationszugang gemäß § 6 Abs. 1 1. Alt. BlnIFG ausschließen . Jedenfalls dürften die Interessen der Verpflichtungsgeber und der betroffenen Ausländer an der Geheimhaltung den Informationsinteressen von privaten Gläubigern vorgehen, die aus den Informationen über Verpflichtungserklärungen keinerlei Rechtspositionen ableiten können. Aus diesem Grund wäre ein Informationsanspruch gemäß § 6 Abs. 1 2. Alt. BlnIFG ausgeschlossen . ***