© 2014 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 190/13 Informationszugangsanspruch nach dem IFG und presserechtlicher Auskunftsanspruch Sachstand Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 190/13 Seite 2 Informationszugangsanspruch nach dem IFG und presserechtlicher Auskunftsanspruch Verfasser/in: Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 190/13 Abschluss der Arbeit: 6. November 2013 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Telefon: + Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 190/13 Seite 3 1. Informationsfreiheitsrecht 1.1. Prinzipienwende hinsichtlich des Zugangs zu amtlichen Informationen Eine der grundlegendsten Veränderungen, die das deutsche Verwaltungsrecht derzeit erfährt, spielt sich im Bereich der Informationsfreiheit ab. Die vielfach geäußerte Forderung nach transparentem Verwaltungshandeln hat sich in den vergangenen Jahren verstärkt in gesetzlichen Regelungen niedergeschlagen. Bereits 1977 wurde – in Abkehr vom traditionellen Grundsatz des Amtsgeheimnisses – mit dem Erlass des Verwaltungsverfahrensgesetzes eine sog. beschränkte Aktenöffentlichkeit eingeführt (vor allem in Gestalt des § 29 VwVfG). Danach haben Beteiligte eines konkreten Verwaltungsverfahrens unter bestimmten Voraussetzungen einen Anspruch auf Einsicht in die sie betreffenden Verwaltungsakten. Zweck dieses Einsichtsrechts war allerdings nicht die Ermöglichung einer öffentlichen Kontrolle der Verwaltung.1 Vielmehr sollte die Kenntnis der Aktenlage den Betroffenen eine effektive Durchsetzung ihrer individuellen Rechte ermöglichen . Abgesehen von dieser eng umgrenzten Ausnahme galt weiterhin der Grundsatz der Aktenvertraulichkeit . Demgegenüber gewähren die in den letzten Jahren erlassenen Informationsfreiheitsgesetze jedermann unabhängig von einem laufenden Verwaltungsverfahren und ohne tatbestandliche Voraussetzungen (wie etwa ein berechtigtes Interesse) Zugang zu amtlichen Informationen, solange nicht ausnahmsweise ein (eng umgrenzter) Ausschlusstatbestand vorliegt.2 Das bisher geltende Regel-Ausnahme-Verhältnis wird damit umgekehrt: Die bisherige Aktenvertraulichkeit, die nur ausnahmsweise zugunsten Betroffener durchbrochen werden konnte, weicht einer grundsätzlichen Aktenöffentlichkeit, die nur ausnahmsweise eingeschränkt werden kann.3 Mit anderen Worten: Nicht mehr die Herausgabe, sondern die Geheimhaltung ist rechtfertigungsbedürftig. Diese Prinzipienwende im Hinblick auf den Zugang zu amtlichen Informationen ist auf Bundesebene durch das am 1. Januar 2006 in Kraft getretene Informationsfreiheitsgesetz4 (IFG) sowie auf Landesebene durch entsprechende Regelungen in bislang elf Bundesländern5 vollzogen worden. 1.2. Informationsfreiheit als staatliche Gewährung Eine verfassungsrechtliche Verpflichtung des Gesetzgebers, einen allgemeinen und voraussetzungslosen Zugang zu amtlichen Informationen zu gewähren, besteht nicht. Ein Gebot freien Zugangs zu amtlichen Informationen für jedermann lässt sich weder aus den Grundrechten noch 1 Vgl. Raue, Informationsfreiheit und Urheberrecht, JZ 2013, 280 (281). 2 Vgl. Schoch, Aktuelle Entwicklungen im Informationsfreiheitsrecht nach dem IFG des Bundes, NVwZ 2013, 1033 (1033). 3 Vgl. Jochum, Verwaltungsverfahrensrecht und Verwaltungsprozessrecht, 2004, S. 485. 4 Informationsfreiheitsgesetz vom 5. September 2005 (BGBl. I S. 2722), das durch Artikel 2 Absatz 6 des Gesetzes vom 7. August 2013 (BGBl. I S. 3154) geändert worden ist. 5 Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Niedersachsen und Sachsen haben bislang keine Informationsfreiheitsgesetze erlassen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 190/13 Seite 4 aus anderen Verfassungsbestimmungen ableiten.6 Anders ist die Lage im europäischen Primärrecht , wo Art. 15 Abs. 3 AEUV und Art. 42 GR-Charta ein allgemeines Zugangsrecht zu Dokumenten der Unionsorgane gewährleisten. Diese europarechtlichen Verbürgungen haben allerdings keine unmittelbaren Auswirkungen auf die innerstaatliche Rechtslage. Informationsfreiheit ist innerstaatlich vielmehr eine staatliche Gewährung. Der Gesetzgeber ist daher frei in der Bestimmung von Anwendungsbereich und Tiefe der normierten Informationsansprüche und damit auch des Grades der herzustellenden Transparenz in der öffentlichen Verwaltung. 1.3. Bundestagsverwaltung als informationspflichtige Stelle nach dem IFG Der Bundesgesetzgeber hat sich für einen breiten Ansatz entschieden: Informationspflichtig sind nach § 1 Abs. 1 S. 1 IFG alle „Behörden des Bundes“. Der Behördenbegriff entspricht dem des § 1 Abs. 4 VwVfG.7 Er umfasst alle Stellen, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnehmen. In erster Linie deklaratorischer Natur ist daher der anschließende Satz 2 des § 1 Abs. 1 IFG, wonach das IFG auch für „sonstige Bundesorgane und -einrichtungen gilt […], soweit sie öffentlichrechtliche Verwaltungsaufgaben wahrnehmen“. Nach diesen Regelungen ist auch die Bundestagsverwaltung informationspflichtig, soweit sie öffentlich-rechtliche Verwaltungsaufgaben wahrnimmt. Ob eine konkrete Aufgabe dem Bereich der öffentlichen Verwaltung zuzuordnen ist, entscheidet sich nach materiellen Kriterien und ist nicht immer zweifelsfrei zu bestimmen. Das Bundesverwaltungsgericht8 bedient sich hierzu – im Einklang mit der überwiegenden Lehre – der sog. Subtraktionsmethode: Danach ist Verwaltung diejenige staatliche Tätigkeit, die weder Gesetzgebung noch Rechtsprechung ist.9 Während im allgemeinen Verwaltungsrecht der Bereich der Regierungstätigkeit (sog. Regierungsakte) nicht zur Verwaltungstätigkeit im Sinne des § 1 VwVfG zählt,10 hat das Bundesverwaltungsgericht zur Frage, inwieweit das BMJ dem IFG unterliegt, entschieden, dass der Verwaltungsbegriff des IFG auch die Regierungstätigkeit einschließe. Insbesondere der Regelungszweck spreche hier für ein weites Verständnis der Verwaltung.11 Das IFG habe insoweit zwar den Behördenbegriff des VwVfG übernommen, nicht aber den dortigen Verwaltungsbegriff. Die Frage, inwieweit die Bundestagsverwaltung dem IFG unterliegt, wird durch diese Entscheidung unmittelbar nicht präjudiziert, da es primär um die (nach Ansicht des BVerwG unstatthafte) Abgrenzung zwischen Verwaltung und Regierung ging. Für die Bundestagsverwaltung ist demgegenüber maßgeblich, ob eine Tätigkeit funktional zur Gesetzgebung oder zur Verwaltung zählt. 6 Dies gilt insbesondere für Art. 5 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 GG, der als Abwehrrecht lediglich den Zugang zu allgemein zugänglichen Informationsquellen gegen staatliche Beschränkungen schützt, aber kein Recht auf Eröffnung einer Informationsquelle verschafft, vgl. BVerfGE 103, 44 (59 f.); ebenso Schoch, IFG, 1. Aufl. 2009, Einleitung Rn. 52 ff. m.w.N. 7 BVerwGE 141, 122 (124); so auch der ausdrückliche Verweis in der Begründung des Gesetzentwurfs auf BT-Drs. 15/4493, S. 7. 8 BVerwGE 141, 122 (125). 9 Vertiefend Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 18. Aufl. 2011, § 1 Rn. 6; Ipsen, Allgemeines Verwaltungsrecht, 7. Aufl. 2011, § 1 Rn. 51; Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs (Hrsg.), VwVfG, 7. Aufl. 2008, § 1 Rn. 165 f. 10 Vgl. Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs (Hrsg.), VwVfG, 7. Aufl. 2008, § 1 Rn. 167 und 186. 11 BVerwGE 141, 122 (126 f.). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 190/13 Seite 5 Ableiten lässt sich aus der Entscheidung gleichwohl ein weites Verständnis des Anwendungsbereichs des IFG, das vor allem mit dem Regelungsziel des Gesetzes, der Stärkung demokratischer Partizipation durch Transparenz, begründet wird.12 Nach der Begründung des Gesetzentwurfs soll „nur der spezifische Bereich der Wahrnehmung parlamentarischer Angelegenheiten“ ausgenommen bleiben.13 Ob eine Organisationseinheit der Bundestagsverwaltung als Verwaltung im materiellen Sinne dem IFG unterliegt, muss daher danach zu entscheiden sein, ob ihre Tätigkeit im funktionalen Zusammenhang zu parlamentarischen Angelegenheiten steht oder nicht. Diese Frage kann für jede Organisationseinheit und selbst für verschiedene Vorgänge innerhalb derselben Organisationseinheit unterschiedlich zu beantworten sein. Unzweifelhaft als materielle Verwaltung werden außengerichtete Aufgaben wie die Entscheidungen im Bereich der Parteienfinanzierung und Maßnahmen aufgrund des Hausrechts oder der Polizeigewalt des Bundestagspräsidenten zu qualifizieren sein. Die gestiegene Bedeutung des IFG in der Praxis verdeutlichen die Zahlen:14 Während im Jahr 2007 beim Deutschen Bundestag 24 IFG-Anträge eingingen, waren es 72 Anträge im Jahr 2010, 90 Anträge im Jahr 2012 und im Jahr 2013 bis Anfang November bereits 111 Anträge.15 Insgesamt 500 Anträge sind beim Bundestag seit Inkrafttreten des IFG im Jahr 2006 eingegangen.16 Die Informationsziele sind vielfältig: Sie reichen von Petitionsakten über Gutachten der Wissenschaftlichen Dienste, über Statistiken und Prüfberichte der Innenrevision bis hin zu Angaben zum Sachleistungskonto der Abgeordneten17, zur Nutzung der Liegenschaften und zu Kosten von Großveranstaltungen, um nur die wichtigsten zu nennen. Aktuell streitbefangen ist (unter anderem) die Frage, inwieweit die Wissenschaftlichen Dienste dem IFG unterliegen, konkret, ob Zugang zu Gutachten gewährt werden muss, die im Auftrag von Abgeordneten erstellt worden sind.18 Soweit die Wissenschaftlichen Dienste auf Anforderung durch die Abgeordneten tätig werden, vermitteln sie diesen, zugeschnitten auf den individuellen thematischen Bedarf und Verwendungszweck, das wissenschaftliche Rüstzeug für die Wahrnehmung ihrer parlamentarischen Tätigkeit. Zur Klärung von Fragestellung, Hintergrund und Verwen- 12 BVerwGE 141, 122 (127 ff.). 13 BT-Drs. 15/4493, S. 7. 14 Die statistischen Angaben beruhen auf Informationen des Referats ZR 4 (Anlage 1). 15 Die Zahlen der jährlichen IFG-Anträge im Einzelnen: 2006: 46; 2007: 24; 2008: 36; 2009: 53; 2010: 72; 2011: 68; 2012: 90; 2013 bis zum 5. November 2013: 111 zuzüglich 57 weiterer IFG-Anträge auf Herausgabe des von Prof. Rossi erstellten Gutachtens zur Anwendbarkeit des IFG auf die Wissenschaftlichen Dienste, die in der Statistik unter einem gemeinsamen Aktenzeichen geführt werden. 16 Bezogen auf die Statistik für das Jahr 2012 haben bei den IFG-Anfragen 19 Antragsteller ganz oder teilweise die begehrte Information erhalten. 56 Anträge wurden abgelehnt, 15 haben sich auf sonstige Weise erledigt (z. B. wegen Unzuständigkeit). In 12 Fällen wurde Widerspruch eingelegt. Zu Jahresbeginn 2013 waren 9 Klagen anhängig. 17 Die Frage, ob der Ausschlussgrund des § 5 Abs. 2 IFG (Überwiegen der Schutzinteressen der Abgeordneten gegenüber dem Informationsinteresse des Bürgers) der Herausgabe von Informationen über die individuelle Inanspruchnahme der Sachleistungspauschale entgegensteht, liegt in der Revision des vor dem OVG Berlin- Brandenburg unterlegenen Antragstellers derzeit dem BVerwG zur Entscheidung vor, Az. BVerwG 7 C 19.12 (Montblanc-Schreibgeräte/Digitalkameras) sowie Az. BVerwG 7 C 20.12 (iPods). 18 Zu dieser Frage ausführlich Rossi, Die Stellung der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages im Informationsfreiheitsrecht, DÖV 2013, 205 (Anlage 2). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 190/13 Seite 6 dungszweck stehen sie regelmäßig in engem Kontakt zu den Abgeordnetenbüros und stellen so gewissermaßen deren „verlängerte Werkbank“ dar.19 Aufgrund dieses engen funktionalen Parlamentsbezuges spricht einiges dafür, die Wissenschaftlichen Dienste dann zum nicht dem § 1 Abs. 1 IFG unterfallenden parlamentarischen Bereich zu zählen, wenn sie im Auftrag von Abgeordneten 20 tätig werden.21 Das VG Berlin hat diese Frage freilich anders beantwortet.22 Nach dessen Ansicht fallen die Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste uneingeschränkt unter das IFG. Der Rechtsstreit ist mittlerweile in der Berufungsinstanz beim OVG Berlin-Brandenburg anhängig.23 1.4. Risiken völliger Transparenz: mögliche Folgen für das „Bestellerverhalten“ bei WD Der umstrittene Informationszugang zu Gutachten der Wissenschaftlichen Dienste verdeutlicht die Risiken uneingeschränkter Transparenz: Die Wissenschaftlichen Dienste sollen den Abgeordneten ermöglichen, sich mithilfe der wissenschaftlichen Informationen zunächst selbst einen Überblick zu verschaffen, von dem ausgehend dann eine politische Position oder Strategie entwickelt werden kann. Ein solcher Prozess wäre nur noch eingeschränkt möglich, wenn alle Informationen sofort mit der Öffentlichkeit geteilt werden müssten. Es steht daher zu befürchten, dass Abgeordnete mit Fragestellungen politisch brisanten Inhalts nicht mehr an die Wissenschaftlichen Dienste herantreten, wenn sie damit rechnen müssen, dass die Ergebnisse sogleich der Allgemeinheit zur Verfügung stehen. Wenn Abgeordnete bei jeder Auftragserteilung die Überlegung anstellen müssen, ob ein frühzeitiges Bekanntwerden schädlich sein könnte, wird der Sinn und Zweck der Wissenschaftlichen Dienste konterkariert. Eine völlige „Nivellierung der parlamentsinternen und -externen Kommunikation“24 erscheint zudem auch deshalb bedenklich, weil ein Informationsvorsprung der Abgeordneten gegenüber den Bürgern im Einzelfall wichtig für eine effektive Wahrnehmung ihrer Funktionen sein kann. 19 Vgl. Rohleder/Schöler, Die Europäisierung und andere aktuelle Herausforderungen für die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages, in: Eberbach-Born/Kropp/Stuchlik/Zeh (Hrsg.), Parlamentarische Kontrolle und Europäische Union, 1. Aufl. 2013, S. 151 ff. (S. 171). 20 Hingegen dürfte die Tätigkeit als materielle Verwaltung zu qualifizieren sein, soweit die Wissenschaftlichen Dienste, wie es in geringerem Umfang geschieht, von nicht zum parlamentarischen Bereich zählenden Organisationseinheiten der Bundestagsverwaltung beauftragt werden oder eigeninitiativ Informationen anbieten. 21 Wie hier Rossi, Die Stellung der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages im Informationsfreiheitsrecht , DÖV 2013, 205 (210); Heuner/Küpper, Anmerkung, JZ 2012, 801 (803); Jastrow/Schlatmann, IFG, 1. Aufl. 2006, § 1 Rn. 35; a. A. Schoch, Aktuelle Entwicklungen im Informationsfreiheitsrecht nach dem IFG des Bundes, NVwZ 2013, 1033 (1035). 22 Vgl. VG Berlin, Urteil vom 1. Dezember 2011 – 2 K 91.11 – sowie VG Berlin, Urteil vom 14. September 2012 – 2 K 185.11. 23 Unter den Aktenzeichen OVG 12 B 3.12 bzw. OVG 12 B 21.12. Die mündliche Verhandlung ist in beiden Verfahren für den 13. November 2013 terminiert. 24 Hiergegen auch Rossi, Die Stellung der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages im Informationsfreiheitsrecht , DÖV 2013, 205 (210 f.). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 190/13 Seite 7 2. Presserechtlicher Auskunftsanspruch 2.1. Verhältnis und Rechtsgrundlagen Von dem Informationszugangsanspruch nach dem IFG zu unterscheiden ist der presserechtliche Auskunftsanspruch. Das Verhältnis zwischen beiden ist trotz der Regelung des § 1 Abs. 3 IFG, wonach informationsrechtliche Spezialregelungen dem IFG vorgehen, in der Literatur strittig, insbesondere die Frage, ob die Spezialregelung Ausschlusswirkung gegenüber dem IFG hat oder ob beide Regelungen parallel zur Anwendung kommen können.25 Geregelt ist der Auskunftsanspruch von Pressevertretern gegenüber Behörden – mit Unterschieden im Detail – in sämtlichen Landespressegesetzen. Die Sachmaterie Presserecht liegt nach Art. 70 Abs. 1 GG in der Gesetzgebungszuständigkeit der Länder. Bisher bestand die einhellige Auffassung , dass der presserechtliche Auskunftsanspruch zum Presserecht zählt und damit – auch soweit er sich gegen Bundesbehörden richtet – ausschließlicher Landesgesetzgebung unterliegt.26 2.2. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. Februar 2013 Diese Einhelligkeit hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) am 20. Februar 2013 mit einem Urteil beendet, demzufolge der presserechtliche Auskunftsanspruch nicht zur den Ländern zustehenden Regelungsmaterie „Presserecht“ zähle.27 Er folge vielmehr als Annexkompetenz der jeweiligen Sachkompetenz und obliege daher je nach Sachgebiet entweder bundes- oder landesgesetzlicher Regelung. Diese Auffassung hat die fragwürdige Konsequenz, dass sich auch der Presseauskunftsanspruch gegenüber Landesbehörden nach Bundesrecht bemisst, soweit diese materielles Bundesrecht vollziehen. Deshalb und angesichts eines dem Urteil immanenten Widerspruchs zwischen Haupt- und Hilfsbegründung wird die Entscheidung in der Literatur als „nicht hinreichend durchdacht“28 bzw. „Kurzschlusshandlung“ des „BVerwG auf Irrwegen“29 bezeichnet. Da eine bundesrechtliche Regelung fehlt, die Pressefreiheit des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG in seinem objektivrechtlichen Gehalt den Gesetzgeber nach Auffassung des BVerwG aber zur Schaffung behördlicher Auskunftspflichten gegenüber Pressevertretern verpflichtet, leitet das Gericht aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG einen verfassungsunmittelbaren presserechtlichen Auskunftsanspruch auf dem Niveau eines „Minimalstandards“ ab.30 Hiernach seien bis zu einer bundesgesetzlichen Re- 25 Zum Verhältnis zwischen presserechtlichen Informationsansprüchen und Ansprüchen nach dem IFG vgl. Dietrich, Informationsansprüche von Presseangehörigen gegenüber der Bundestagsverwaltung, K & R 2011, 385. 26 Cornils, Der medienrechtliche Auskunftsanspruch in der Kompetenzordnung des Grundgesetzes, DÖV 2013, 657 (658) (Anlage 3). 27 BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013, NVwZ 2013, 1006. 28 Cornils, Der medienrechtliche Auskunftsanspruch in der Kompetenzordnung des Grundgesetzes, DÖV 2013, 657 (659). 29 Anmerkung von Huber, NVwZ 2013, 1010 (1010). 30 BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013, NVwZ 2013, 1006 (1009). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 190/13 Seite 8 gelung Auskunftsersuchen gegenüber Bundesbehörden zu bescheiden. Gegen das Urteil ist eine Verfassungsbeschwerde anhängig.31 Um die aus Sicht des BVerwG bestehende Regelungslücke im Bundesrecht zu schließen, ist in Reaktion auf das Urteil ein Entwurf eines Presseauskunftsgesetzes32 eingebracht worden.33 Dieser ist mittlerweile der Diskontinuität unterfallen. Ob der Bund überhaupt gesetzgebungskompetent ist, ist allerdings zweifelhaft und nach bisher einhelliger Auffassung zu verneinen. Klarzustellen ist, dass eine Entscheidung des BVerwG nicht die verfassungsrechtliche Lage zu ändern vermag. 2.3. Beschluss des OVG Berlin-Brandenburg vom 12. September 2013 In Anwendung der Entscheidung des BVerwG hat das OVG Berlin-Brandenburg34 den im einstweiligen Rechtsschutz verfolgten Antrag eines Journalisten zurückgewiesen. Dieser begehrte vom Bundestag presserechtliche Auskunft darüber, welche Abgeordneten im Jahr 2013 unter Inanspruchnahme der Sachleistungspauschale mehr als fünf Tablet-Computer bzw. ein Smartphone erworben haben. Das OVG hat in dem zurückweisenden Beschluss deutlich gemacht, dass der nunmehr anzuwendende verfassungsunmittelbare Auskunftsanspruch aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG auf das Niveau eines Minimalstandards zu beschränken ist, den auch der Gesetzgeber nicht unterschreiten dürfte. Dem Gericht ebenso wie Behörden sei es hingegen verwehrt, eigene Interessensgewichtungen vorzunehmen, da dies der Ausgestaltungsprärogative des Gesetzgebers zuwiderliefe. Die Verweigerung einer presserechtlichen Auskunft könne daher letztlich nur dann zu einem Verstoß gegen Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG führen, wenn es überhaupt keine entgegenstehenden öffentlichen oder privaten Interessen gebe. ( ) 31 Az. 1 BvR 1452/13. 32 Gesetzentwurf der Fraktion der SPD – Entwurf eines Gesetzes zur Auskunftspflicht von Bundesbehörden gegenüber der Presse (Presseauskunftsgesetz), BT-Drs. 17/12484. 33 Zu diesem Gesetzentwurf hat am 13. Mai 2013 eine Sachverständigenanhörung im Innenausschuss stattgefunden, vgl. Ausschussprotokoll Nr. 17/106. 34 Az. OVG 6 S 46.13.