Öffentlichkeitsgrundsatz der Beweisaufnahme und Geheimnisschutz im Untersuchungsausschuss Zur Reichweite einer Aussagegenehmigung bei besonderen Verschwiegenheitspflichten - Ausarbeitung - © 2009 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 189/09 Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages Verfasser/in: Öffentlichkeitsgrundsatz der Beweisaufnahme und Geheimnisschutz im Untersuchungsausschuss – Zur Reichweite einer Aussagegenehmigung bei besonderen Verschwiegenheitspflichten Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 189/09 Abschluss der Arbeit: 3. Juni 2009 Fachbereich WD 3: Verfassung und Verwaltung Telefon: Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Die Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste sind dazu bestimmt, Mitglieder des Deutschen Bundestages bei der Wahrnehmung des Mandats zu unterstützen. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W. Inhaltsverzeichnis Seite 1. Einleitung 4 2. Aussagegenehmigung für Bundesbankprüfer nach § 32 S. 3 BBankG 4 2.1. Schweigepflicht nach § 32 S. 1 u. 2 BBankG 4 2.2. Verschwiegenheitspflicht nach § 9 Abs.1 KWG 5 2.2.1. Voraussetzungen gemäß § 9 Abs. 1 S. 1 KWG 6 2.2.2. Ausnahmen gemäß § 9 Abs. 1 S. 4 und 5 KWG 6 2.2.3. Grundsätzliche Anwendbarkeit des § 9 Abs. 1 S. 4 und 5 KWG auf den Untersuchungsausschuss 7 3. Schlussfolgerungen für eine Aussagegenehmigung für die Vernehmung vor dem Untersuchungsausschuss 8 3.1. Vollständige Verweigerung der Aussagegenehmigung 8 3.2. Beschränkte Aussagegenehmigung 9 3.2.1. Öffentlichkeitsgrundsatz der Beweiserhebung und seine Grenzen 9 3.2.2. Aussagenehmung unter Vorbehalt der Nichtöffentlichkeit bzw. des Geheimschutzes 10 3.2.3. Unterrichtungspflicht zur Einstufung 11 - Zusammenfassung - Der Öffentlichkeitsgrundsatz der Beweiserhebung gilt nicht vorbehaltlos (Art. 44 Abs. 1 S. 2 GG). Es ist vielmehr ein Ausgleich zwischen den widerstreitenden Verfassungspositionen der parlamentarischen Kontrolle durch öffentliche Beweiserhebung einerseits und den Grundrechten bzw. sonstigen Gütern von Verfassungsrang andererseits herzustellen. Der Untersuchungsausschuss hat den erforderlichen Geheimnisschutz – auch für Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse – zu gewährleisten. Einfachgesetzliche Konkretisierungen enthalten § 14 Abs. 1 PUAG und § 15 i. V. m. GSO-BT zum Ausschluss der Öffentlichkeit bzw. Geheimnisschutz. Eine bei der Aussagegenehmigung nach § 32 S. 3 BBankG zu beachtende besondere Verschwiegenheitspflicht enthält § 9 Abs. 1 KWG. Diese ist im Lichte des Art. 44 GG verfassungskonform auszulegen und anzuwenden. Der Schutz staatlicher und auch privater Geheimnisse darf nicht dazu führen, einem Untersuchungsausschuss Beweismittel vorzuenthalten. Die uneingeschränkte Verweigerung der Aussagegenehmigung für Tatsachen nach § 9 Abs. 1 S. 1 KWG wäre danach grundsätzlich nicht zulässig . Bei der Erteilung der Aussagegenehmigung nach § 32 S. 3 BBankG ist darüber hinaus zu berücksichtigen, dass die Exekutive aus der über Art. 33 Abs. 5 GG verfassungsrechtlich als hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums geschützten Verschwiegenheitspflicht eine Verantwortung für die Wahrung von Dienstgeheimnissen einschließlich der über die dienstlichen Aufgaben ihr anve rtrauten privaten Geheimnisse besitzt. Sie hat ebenfalls eine Abwägung zwischen widerstreitenden verfassungsrechtlich geschützten Positionen vorzunehmen. Einfachgesetzlich ist dieser Gedanke in § 15 Abs. 2 S. 1 PUAG i. V. m. § 3 Abs. 2 GSO-BT niedergelegt, nach dem die „herausgebende “ Stelle die Entscheidung über den Grad der Einstufung trifft, im Falle der Vernehmung von Amtsträgern der Bundesbank also die hierfür bei der Bundesbank für die Aussagegenehmigung nach § 32 S. 3 BBankG zuständige Stelle. Die Vorgabe der Einstufung in einer Aussagegenehmigung bezogen auf die Erörterung von Tatsachen nach § 9 Abs. 1 S. 1 KWG ist danach rechtlich nicht zu beanstanden. Als weniger einschneidende Maßnahme dürfte erst recht die Beschränkung der Aussagegenehmigung auf eine Aussage in nichtöffentlicher Sitzung möglich sein. Allerdings hat die aussagegenehmigende Stelle keinen Rechtsanspruch gegenüber dem Untersuchungsausschuss auf eine entsprechende Einstufung der Beweiserhebung. Faktisch kann sie jedoch Druck ausüben, indem sie eine Aussagegenehmigung verweigert, sofern der nach ihrer Auffassung erforderliche Geheimnisschutz durch den Ausschuss nicht gewahrt wird. Bei der Vernehmung von Amtsträgern gilt des Weiteren § 23 Abs. 2 S. 2 2. Hs. i. V. m. § 18 Abs. 1 bis 3 1. Hs. PUAG entsprechend. So kann der Untersuchungsausschuss nach § 18 Abs. 2 S. 2 PUAG z. B. verlangen, dass er über die Gründe der Einstufung schriftlich unterrichtet wird. - 4 - 1. Einleitung In der 4. Sitzung des 2. Untersuchungsausschusses am 14. Mai 2009 – einer öffentlichen Beweiserhebung – waren Prüfer der Bundesbank als Zeugen über die Sonderprüfung der irischen Tochtergesellschaft der Hypo Real Estate Holding AG (HRE), Depfa, geladen. 1 Sie verweigerten unter Hinweis auf ihre beschränkte Aussagegenehmigung im Hinblick auf die Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der HRE bestimmte Aussagen im Beisein der Öffentlichkeit.2 Es soll nachfolgend die Reichweite der Aussagegenehmigung von Amtsträgern im Hinblick auf besondere Verschwiegenheitspflichten am Beispiel der Bundesbankprüfer erörtert werden. 2. Aussagegenehmigung für Bundesbankprüfer nach § 32 S. 3 BBankG Gemäß § 23 Abs. 1 Untersuchungsausschussgesetz (PUAG) ist für die Vernehmung von Amtsträgern § 54 Strafprozessordnung (StPO) anzuwenden. Die Deutsche Bundesbank beschäftigt Beamte, Angestellte und Arbeiter (§ 31 Abs. 1 BBankG). Die Bundesbankprüfer sind Beamte.3 Nach der Legaldefinition gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 2a) Strafgesetzbuch (StGB) sind sie damit Amtsträger. § 54 Abs. 1 StPO verlangt für die Vernehmung von Beamten und Richtern eine Aussagegenehmigung. Es gelten die beamtenrechtlichen Vorschriften für die Aussagegenehmigung. Dies sind allgemein die §§ 61 und 62 Bundesbeamtengesetz (BBG). Beamte der Bundesbank sind Bundesbeamte, für die vorbehaltlich anderer Bestimmungen des Bundesbankgesetzes das Bundesbeamtengesetz einschlägig ist (§ 31 Abs. 3 BBankG). Eine solche Sonderregelung zur Aussagegenehmigung nach §§ 61, 62 BBG enthält § 32 BBankG, der den genannten Vorschriften des Bundesbeamtengesetzes im Wesentlichen entspricht, jedoch auf die Aufgaben der Bundesbankbediensteten zugeschnitten ist. Wegen seines beamtenrechtlichen Gehalts ist § 32 BBankG vom Verweis des § 54 StPO erfasst und mithin über § 23 Abs. 1 PUAG auch im Verfahren vor dem Untersuchungsausschuss einschlägig. 2.1. Schweigepflicht nach § 32 S. 1 u. 2 BBankG Nach § 32 S. 1 und 2 BBankG besteht folgende Schweigepflicht für die Bundesbankprüfer : „Sämtliche Personen im Dienste der Deutschen Bundesbank haben über die Angelegenheiten und Einrichtungen der Bank sowie über die von ihr geschlossenen Geschäfte Schweigen zu bewahren. Sie dürfen über die ihnen hierüber bei ihrer Tätigkeit bekanntgewordenen Ta tsachen auch nach ihrem Ausscheiden aus dem Dienste der 1 Vgl. Beweisbeschluss 61 des 2. Untersuchungsausschusses. 2 Vgl. zum Sachverhalt auch: „Bundesbank brüskiert HRE-Untersuchungsausschuss“, Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 15. Mai 2009. 3 Laut Auskunft des Sekretariats des 2. Untersuchungsausschusses. - 5 - Bank ohne Genehmigung weder vor Gericht noch außergerichtlich aussagen oder Erklärungen abgegeben.“ Bei dieser Bestimmung steht der Schutz der Interessen der Bundesbank im Vordergrund .4 Vergleichbar mit § 61 BBG wird hiermit das „Amtsgeheimnis“ der Bundesbank geschützt, d. h. Tatsachen, die der Allgemeinheit unbekannt sind und deren Kenntnis der Bundesbankbedienstete aufgrund seiner dienstlichen Tätigkeit erlangt hat. Die Entbindung von dieser Schweigepflicht erfolgt durch Aussagegenehmigung. Die Erteilung dieser Genehmigung richtet sich nach § 32 S. 3 BBankG: „Die Genehmigung wird, soweit es sich um das Interesse der Bank handelt, den Mitgliedern des Vorstands von diesem, anderen Bediensteten der Bank vom Präsidenten erteilt, der diese Befugnis auf ein Mitglied des Vorstands mit der Möglichkeit der Weiterübertragung übertragen kann; die Genehmigung darf für eine gerichtliche Vernehmung nur versagt werden, wenn es das Wohl des Bundes oder die Interessen der Allgemeinheit erfo rdern.“. Die Aussagegenehmigung als Zeuge kann damit – vergleichbar mit § 62 Abs. 1 BBG5 – nur versagt werden, wenn die im 2. Halbsatz genannten Gründe vorliegen. Dies gilt über den Verweis gemäß § 23 Abs. 1 PUAG, § 54 StPO auch für den Untersuchungsausschuss . 2.2. Verschwiegenheitspflicht nach § 9 Abs.1 KWG Im Rahmen des dienstlichen Aufgabenbereichs eines Bundesbankbediensteten können weitere Geheimhaltungsbestimmungen einschlägig sein. Eine solche Vorschrift ist § 9 Abs. 1 S. 1 Kreditwesengesetz (KWG), der eine Verschwiegenheitspflicht normiert und vorrangig dem Schutz der Institute und Dritter dient.6 Es stellt sich nun die Frage, ob durch eine Aussagegenehmigung nach § 32 S. 3 BBankG auch eine Entbindung von diesen Geheimhaltungsvorschriften erfolgen kann. Die Aussagegenehmigung bezieht sich auf die der „Amtsverschwiegenheit“ nach § 32 S. 1 BBankG unterliegenden Angelegenheiten und Einrichtungen der Bank (s. o. 2.1). Weitere Geheimhaltungsvorschriften - zur Wahrung verfassungsrechtlich geschützter Belange Dritter - stehen grundsätzlich nicht zur Disposition der für die Aussagegenehmigung zuständigen Stelle.7 Die aussagegenehmigende Stelle bei der Bundesbank ist hieran bei der Erteilung der Genehmigung ebenso gebunden. Sofern die konkrete Vorschrift zur besonderen Verschwiegenheitspflicht ihrerseits Ausnahmen von der Ver- 4 Lindemann, Jan Henning, in: Boos, Karl-Heinz/Fischer, Reinfried/Schulte-Mattler, Hermann, Kreditwesengesetz , 3. Aufl., München 2008, § 9 Rn. 2. 5 Siehe hierzu Zängl, Siegfried, in: Fürst, Walther (Hrsg.), Gesamtkommentar Öffentliches Dienstrecht (GKÖD). Kommentar Bundesbeamtengesetz, Stand: 4/08, Berlin 2008, § 62 Rn. 9. 6 Lindemann, in: Boos /Fischer /Schulte-Mattler, § 9 Rn. 9. 7 Vgl. zum BBG: Zängl, in: Fürst, § 62 Rn. 20. - 6 - schwiegenheit zulässt, ist dies beim Umfang der zu erteilenden Ausnahmegenehmigung zu berücksichtigen. 2.2.1. Voraussetzungen gemäß § 9 Abs. 1 S. 1 KWG Die im Dienst der Bundesbank stehenden Personen, soweit sie zur Durchführung des Kreditwesengesetzes tätig werden, dürfen nach § 9 Abs. 1 S. 1 KWG die ihnen bei ihrer Tätigkeit bekanntgewordenen Tatsachen, deren Geheimhaltung im Interesse des Instituts oder eines Dritten liegt, insbesondere Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, nicht unbefugt offenbaren und verwerten. Zur Durchführung des KWG ist die Bundesbank beispielsweise im Aufgabenbereich „Bankenaufsicht“ der Bundesbank mit Prüfungen nach dem Kreditwesengesetz befasst (vgl. § 44 ff. KWG). Für Bundesbankprüfer ist die Verschwiegenheitspflicht des § 9 Abs. 1 S. 1 KWG in Wahrnehmung dieser Aufgaben nach KWG danach prinzipiell einschlägig. Die Verschwiegenheitspflicht ist auf geheime Tatsachen beschränkt. Geheim ist eine Tatsache, wenn sie nur einem Einzelnen oder einem beschränkten Personenkreis bekannt ist und an deren Geheimhaltung der Betroffene ein schutzwürdiges Interesse hat.8 Beispielhaft sind Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse genannt. Es geht letztlich um Informationen, die nicht allgemein zugänglich sind.9 Nicht erfasst sind danach grundsätzlich Tatsachen, die bereits in der Presse oder Geschäftsberichten erschienen sind.10 Etwas anderes dürfte nur dann gelten, wenn Pressemitteilungen auf einer Indiskretion der Behörde beruhen.11 Der Verstoß gegen die dienstliche Verschwiegenheitspflicht eines anderen Mitarbeiters der Behörde kann nicht dazu führen, dass der als Zeuge geladene Mitarbeiter der Behörde nun seinerseits von seiner Dienstpflicht zur Verschwiegenheit entbunden ist. 2.2.2. Ausnahmen gemäß § 9 Abs. 1 S. 4 und 5 KWG Eine Lockerung der Geheimhaltung enthält § 9 Abs. 1 S. 4 KWG: Danach liegt ein unbefugtes Offenbaren oder Verwerten im Sinne des Satzes 1 insbesondere nicht vor, „wenn Tatsachen weitergegeben werden an 1. Strafverfolgungsbehörden oder für Straf- und Bußgeldsachen zuständige Gerichte , 8 Lindemann, in: Boos /Fis cher /Schulte-Mattler, § 9 Rn. 7. 9 Lindemann, in: Boos /Fischer /Schulte-Mattler, § 9 Rn. 7. 10 Lindemann, in: Boos /Fischer /Schulte-Mattler, § 9 Rn. 7. 11 Vgl. für entsprechend für den Begriff der „Offenkundigkeit“: Zängl, in: Fürst, § 61 Rn. 43. - 7 - 2. kraft Gesetzes oder im öffentlichen Auftrag mit der Überwachung von Instituten, Investmentgesellschaften, Finanzunternehmen, Versicherungsunternehmen, der Finanzmärkte oder des Zahlungsverkehrs betraute Stellen sowie von diesen beauftragte Personen, 3. mit der Liquidation oder dem Insolvenzverfahren über das Vermögen eines Instituts befaßte Stellen, 4. mit der gesetzlichen Prüfung der Rechnungslegung von Instituten oder Finanzunternehmen betraute Personen sowie Stellen, welche die vorgenannten Personen beaufsichtigen, 5. eine Einlagensicherungseinrichtung oder Anlegerentschädigungseinrichtung, 6. Wertpapier- oder Terminbörsen, 7. Zentralnotenbanken oder 8. Veranstalter von Systemen nach § 1 Abs. 16, soweit diese Stellen die Informationen zur Erfüllung ihrer Aufgaben benötigen. “ Auch die bei diesen Stellen beschäftigten Personen unterliegen der Verschwiegenheitspflicht (§ 9 Abs. 1 S. 5 KWG). Liegen die Voraussetzungen für eine zulässige Offenbarung nach § 9 Abs. 1. S. 4 KWG vor, wird die zuständige Stelle die Aussagegenehmigung einräumen. 12 Ansonsten ist allein § 9 Abs. 1 S. 1 KWG zu beachten und die Genehmigung zu verweigern. Danach könnte beispielweise gegenüber Strafgerichten (§ 9 Abs. 4 Nr. 1 KWG) eine Aussagegenehmigung erteilt werden, wegen der nach Satz 5 geltenden Verschwiegenheitspflicht wäre für das Gericht aber wohl eine Aussage in öffentlicher Beweisaufnahme auszuschließen. 2.2.3. Grundsätzliche Anwendbarkeit des § 9 Abs. 1 S. 4 und 5 KWG auf den Untersuchungsausschuss Da § 9 Abs. 1 S. 4 KWG durch die Formulierung „insbesondere“ nur eine exemplarische Aufzählung der Stellen enthält,13 denen geheime Tatsachen zur Erfüllung ihrer Aufgaben mitgeteilt werden dürfen, könnte die Weitergabe der Tatsachen an den Untersuchungsausschuss auch einen entsprechenden Fall des § 9 Abs. 1 S. 4 KWG darstellen. Eine Offenbarung oder Verwertung ist über die gesetzlich genannten Fälle hinaus auch zulässig, wenn z. B. das ausdrückliche Einverständnis des betroffenen Instituts oder des betroffenen Dritten, die Weitergabe gesetzlich vorgesehen ist oder höherrangige Interessen dies gebieten. 14 Ein solches Interesse ist die Aufklärung bestimmter Sachverhalte im Rahmen der parlamentarischen Kontrolle. 12 Vgl. Lindemann, in: Boos /Fischer /Schulte-Mattler, § 9 Rn. 20. 13 So auch Lindemann, in: Boos /Fischer /Schulte-Mattler, § 9 Rn. 19. 14 Lindemann, in: Boos /Fischer /Schulte-Mattler, § 9 Rn. 19 - 8 - Im Ergebnis käme man so zu einer Weitergabe der Tatsachen im Sinne von § 9 Abs. 1 S. 1 KWG an den Untersuchungsausschuss, sofern dieser die Informationen zur Erfüllung seiner Aufgaben benö tigt. Die uneingeschränkte Verweigerung der Aussagegenehmigung für Tatsachen nach § 9 Abs. 1 S. 1 KWG wäre danach bereits nach dem Wortlaut des Satzes 4 unzulässig. Wegen § 9 Abs. 1 S. 5 KWG wäre eine Aussagegenehmigung für Umstände nach § 9 Abs. 1 S 1 KWG im Untersuchungsausschuss zumindest unter dem Vorbehalt der Nichtöffentlichkeit zu erteilen, um so die gesetzlich geforderte Verschwiegenheit herzustellen. 3. Schlussfolgerungen für eine Aussagegenehmigung für die Vernehmung vor dem Untersuchungsausschuss 3.1. Vollständige Verweigerung der Aussagegenehmigung Eine Orientierung allein an der einfachgesetzlichen Formulierung des § 9 Abs. 1 KWG würde dem verfassungsrechtlich gewährleisteten parlamentarischen Untersuchungsrecht allerdings nicht gerecht. Vielmehr ist diese besondere Verschwiegenheitspflicht einschließlich der Ausnahmetatbestände des § 9 Abs. 1 S. 4 und 5 KWG im Lichte des gemäß Art. 44 GG gewährleisteten Untersuchungsrechts des Parlaments auszulegen und anzuwe nden. Hierzu ist zunächst festzuhalten, dass der Schutz staatlicher und privater Geheimnisse in der Regel nicht begründet, einem Untersuchungsausschuss Beweismittel vorzuenthalten .15 Dies ist nur ausnahmsweise möglich: Für staatliche Geheimnisse kann die Herausgabe von Beweismitteln im Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung 16 verweigert werden und für private Geheimnisse bei streng persönlichen Informationen , die die Offenbarung gegenüber dem Ausschuss als unzumutbar erscheinen lässt17. Auch soweit der Gegenstand der Zeugenvernehmung geheimhaltungsbedürftige Tatsachen sind, die in keinem sachlichen Zusammenhang mit dem Kontrollauftrag stehen , hat die aussagegenehmigende Stelle eigenverantwortlich über die Aussagegenehmigung zu entscheiden. Ein vorrangiges Informationsinteresse des Parlaments besteht insoweit nicht.18 Konsequenz für die Aussagegenehmigung nach § 32 S. 3 BBankG ist daher, dass diese mit Blick auf Art. 44 GG auch bezogen auf Tatsachen nach § 9 Abs. 1 KWG nicht vollständig verweigert werden könnte, es sei denn, einer der soeben genannten Ausnahmefälle wäre im Einzelfall einschlägig (z. B. streng persönliche Informationen). 15 Glauben, Paul, in: Glauben/Brocker, Lars, Das Recht der parlamentarischen Untersuchungsausschüsse in Bund und Ländern, Köln, Berlin, München 2005, § 11 Rn. 10. 16 Vgl. Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE) 67, 100, 139. 17 BVerfGE 67, 100, 144. 18 Zängl, in: Fürst, § 62 Rn. 23. - 9 - 3.2. Beschränkte Aussagegenehmigung 3.2.1. Öffentlichkeitsgrundsatz der Beweiserhebung und seine Grenzen Der Öffentlichkeitsgrundsatz der Beweiserhebung gemäß Art. 44 Abs. 1 S. 1 GG bestimmt, dass Beweise im Untersuchungsausschuss grundsätzlich in öffentlicher Sitzung erhoben werden. Dieser Grundsatz ist für die politische Wirksamkeit parlamentarischer Kontrolle von sehr großer Bedeutung19 und den „essentialia der parlamentarischen Untersuchung“ zuzurechnen20. Der Ausschuss ist „Herr über die Öffentlichkeit seiner Verhandlungen“ 21. Einfachgesetzlich ist der Öffentlichkeitsgrundsatz in § 13 Abs. 1 S. 1 PUAG geregelt. Die Geltung des Öffentlichkeitsprinzips ist aber nicht vorbehaltlos gewährleistet.22 Art. 44 Abs. 1 S. 2 GG, § 13 Abs. 1 S. 3 PUAG bestimmen, dass die Öffentlichkeit ausgeschlossen werden kann. Der Ausschluss der Öffentlichkeit kann verfassungsrechtlich zum Schutz der Grundrechte anderer oder sonstiger Güter von Verfassungsrang verfassungsrechtlich sogar geboten sein. Es ist ein Ausgleich zwischen den widerstreitenden Verfassungspositionen des Grundsatzes der Verfahrensöffentlichkeit (Art. 44 Abs. 1 S. 1 GG) einerseits und den Grundrechten bzw. sonstigen Gütern von Verfassungsrang andererseits herzustellen.23 Als in die Abwägung einzustellende Verfassungsgüter kommen auch die über Art. 19 Abs. 3 i. V. m. Art. 12 Abs. 1, 14 Abs. 1 GG bzw. Art. 2 Abs. 1 GG geschützten Betriebs - und Geschäftsgeheimnisse juristischer Personen (wie z. B. Bankgesellschaften) in Betracht.24 In § 14 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 PUAG ist die Befugnis zum Ausschluss der Öffentlichkeit einfachgesetzlich präzisiert worden. Die Öffentlichkeit ist u. a. gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 3 PUAG auszuschließen, „wenn ein Geschäfts-, Betriebs-, Erfindungs- oder Steuergeheimnis zur Sprache kommt“. Weitere Voraussetzung ist, dass „durch dessen öffentliche Erörterung überwiegende schutzwürdige Interessen verletzt würden“. Mit dieser Formulierung auf der Tatbestandsseite enthält die Vorschrift unbestimmte Rechtsbegriffe, die der Ausschuss auszulegen hat.25 Er ist somit entsprechend den zuvor dargestellten verfassungsrechtlichen Vorgaben zu einer Abwägung der widerstreitenden Interessen auch einfachgesetzlich ausdrücklich gehalten. 19 BVerfGE 77, 1, 48; Brocker, in: Glauben/Brocker, § 10 Rn. 1 20 Achterberg, Norbert/Schulte, Martin, in: v. Mangoldt, Hermann/Klein, Friedrich/Starck, Christian, GG, Kommentar zum Grundgesetz, Bd. 2, München 2005, Art. 44 Rn. 106. 21 BVerfGE 67, 100, 137. 22 Brocker, in: Glauben/Brocker, § 10 Rn. 6. 23 Achterberg/Schulte, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 44 Rn. 106. 24 Glauben, in: Glauben/Brocker, § 11 Rn. 9. 25 Klein, in Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, Art. 44 Rn. 178. - 10 - Auf der Rechtsfolgenseite besteht kein Ermessen: § 14 Abs. 1 PUAG stellt vor Nummer 1 klar (»schließt […] aus«), dass der Untersuchungsausschuss in den nachfolgend aufgeführten Fällen zum Ausschluss der Öffentlichkeit nicht nur befugt, sondern auch verpflichtet ist.26 Da die Nichtöffentlichkeit von Sitzungen nur eine relative Abgeschlossenheit bietet, können in bestimmten Fällen weitergehende Schutzmaßnahmen im Hinblick auf den verhältnismäßigen Ausgleich des Grundsatzes der Verfahrensöffentlichkeit mit anderen verfassungsrechtlich geschützten Interessen erforderlich sein. 27 Geheimnisschutz ist allerdings nicht gegen, sondern mit dem Parlament zu realisieren. 28 Verallgemeinernd ist festzuhalten, dass eine Berufung der Exekutive auf den Geheimschutz rege lmäßig ausscheidet, sofern der Untersuchungsausschuss die erforderlichen Schutzvorkehrungen trifft.29 Einfachgesetzlich sieht § 15 Abs.1 S. 1 PUAG – dies berücksichtigend – über die bloße Möglichkeit der Nichtöffentlichkeit hinaus vor, dass Beweismittel, Beweiserhebungen und Beratungen mit einem Geheimhaltungsgrad versehen werden können. Nach § 15 Abs. 2 S. 1 PUAG richtet sich die Entscheidung über die Einstufung nach der Geheimschutzordnung des Bundestages (GSO-BT). Eine ausdrückliche Regelung u. a. zum Geheimschutz von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen wurde im Zuge der Verabschiedung des Untersuchungsausschussgesetzes in § 2a GSO-BT eingefügt. Diese Geheimnisse können nach Abs. 1 der Bestimmung als GEHEIM eingestuft werden, deren Kenntnis durch Unbefugte dem Berechtigten schweren Schaden zufügen würde. Als VERTRAULICH können solche Geheimnisse nach Abs. 1 eingestuft werden, deren Kenntnis durch Unbefugte dem Interesse des Berechtigten abträglich sein könnte. 3.2.2. Aussagenehmung unter Vorbehalt der Nichtöffentlichkeit bzw. des Geheimschutzes Bei der Erteilung der Aussagenenehmigung nach § 32 S. 3 BBankG ist zu berücksicht igen , dass die Exekutive aus der über Art. 33 Abs. 5 GG verfassungsrechtlich als hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums geschützten Verschwiegenheitspflicht30 eine Verantwortung für die Wahrung von Dienstgeheimnissen einschließlich der über die diens tlichen Aufgaben ihr anvertrauten privaten Geheimnisse (z. B. Betriebs- und 26 Pieper Stefan Ulrich/ Viethen, Franz Ulrich, Nomos - Erläuterungen zum Deutschen Bundesrecht, PUAG, Erl. zu § 14 (abzurufen unter: http://beck-online.beck.de/). 27 Siehe auch Glauben, in: Glauben/Brocker, § 11 Rn. 2, 10. 28 Morlok, Martin, in: Dreier, Horst (Hrsg.), Grundgesetz, Kommentar, 2. Aufl., Bd. II, Tübingen 2006, Art. 44 Rn. 42. 29 Glauben, in: Glauben/Brocker, § 11 Rn. 6. 30 Vgl. zur allgemeinen beamtenrechtlichen Amtsverschwiegenheitspflicht: Zängl, in: Fürst, § 62 Rn. 3. - 11 - Geschäftsgeheimnisse) besitzt. Sie hat ebenfalls eine Abwägung zwischen widerstreitenden verfassungsrechtlich geschützten Positionen vorzunehmen (Grundrechtspositionen der Bankgesellschaften versus Öffentlichkeitsgrundsatz in der parlamentarischen Untersuchung). Dies gilt auch für die Bundesbank mit dem Vorstand in der Stellung einer obersten Bundesbehörde sowie den Hauptverwaltungen und Filialen in der Stellung von Bundesbehörden (§ 29 Abs. 1 BBankG). Das Bundesverfassungsgericht hat im Flick-Urteil31 hierzu entsprechend für die Bundesregierung ausgeführt: „Die Bundesregierung, die eine eigene, aus der ihr anvertrauten Regierungsgewalt herrührende Verantwortung für die Wahrung der Dienstgeheimnisse hat, ist […] nicht verpflichtet, Verschlusssachen, die Dienstgeheimnisse entha lten, dem Untersuchungsausschuss vorzulegen, wenn dieser nicht den von der Bundesregierung für notwendig gehaltenen Geheimschutz gewährleistet.“ Einfachgesetzlich ist dieser Gedanke auch in der Geheimschutzordnung des Deutschen Bundestages niedergelegt: Die Entscheidung über den Grad der Einstufung trifft nach § 15 Abs. 2 S. 1 PUAG i. V. m. § 3 Abs. 2 GSO-BT die „herausgebende“ Stelle, im Falle der Vernehmung von Amtsträgern der Bundesbank die für die Erteilung der Aussagegenehmigung bei der Bundesbank nach § 32 S. 3 BBankG hierfür jeweils zuständige Stelle. Die Vorgabe von bestimmten Geheimhaltungsgraden in einer Aussagegenehmigung ist danach rechtlich hinsichtlich Tatsachen, die der Verschwiegenheit im Sinne von § 9 Abs. 1 S. KWG unterliegen, nicht zu beanstanden. Gleiches gilt erst Recht für die weniger einschneidende Vorgabe der Beweiserhebung in nichtöffentlicher Sitzung. Allerdings hat die aussagegenehmigende Stelle keinen Rechtsanspruch gegenüber dem Untersuchungsausschuss, die Öffentlichkeit auszuschließen oder die gewünschte Einstufung der Beweiserhebung durchzusetzen. 32 Faktisch kann sie jedoch Druck ausüben, in dem sie eine Aussagegenehmigung verweigert, sofern der nach ihrer Auffassung erforderliche Geheimnisschutz durch den Ausschuss nicht gewahrt wird.33 3.2.3. Unterrichtungspflicht zur Einstufung Bei der Vernehmung von Amtsträgern gilt des weiteren § 23 Abs. 1 S. 2 i. V. m. § 18 Abs. 1 bis 3, 1. Hs. PUAG. So kann der Untersuchungssausschuss nach § 18 Abs. 2 S. 2 PUAG z. B. verlangen, dass er über die Gründe der Einstufung schriftlich unterrichtet wird. Das Bundesverfassungsgericht hat hinsichtlich einer Informationspflicht der Exekutive festgestellt: „Nimmt die Bundesregierung das Recht für sich in Anspruch, geheimzuhaltende Tatsachen dem Untersuchungsausschuß vorzuenthalten, so muß sie 31 BVerfGE 67, 100, 137. 32 Kretschmer, Gerald, in: Schmidt-Bleibtreu, Bruno/Hofmann, Hans/Hopfauf, Axel, GG, Kommentar zum Grundgesetz, 11. Aufl., Köln, München 2008, Art. 44 Rn. 21. 33 Kretschmer, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, Art. 44 Rn. 21. - 12 - den Ausschuß, gegebenenfalls in vertraulicher Sitzung, detailliert und umfassend über die Art der Schriftstücke, die Natur der zurückgehaltenen Informationen, die Notwendigkeit der Geheimhaltung und den Grad der Geheimhaltungsbedürftigkeit unterrichten, der diesen Tatsachen ihrer Auffassung nach zukommt. Dazu ist die Regierung gehalten, dem Untersuchungsausschuß für die Erörterung ihres Standpunktes zur Verfügung zu stehen.“34 Im Falle einer eingeschränkt erteilten Aussagegenehmigung nach § 32 S. 3 BBankG bedeutet dies konkret, dass die Bundesbank ggf. dazu verpflichtet ist, ihre genauen Beweggründe für die Beschränkung mitzuteilen. Ergebnis einer solchen Unterrichtung könnte u. U. auch eine Abschichtung „unbedenklicher“ Sachverhalte sein, zu denen die Bundesbankprüfer ggf. ohne Geheimhaltungsgrad nichtöffentlich oder sogar öffentlich aussagen müssten. 34 BVerfGE 67, 100, 137.