© 2020 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 188/20 Zulässigkeit von Regional- und Kommunalparteien Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 188/20 Seite 2 Zulässigkeit von Regional- und Kommunalparteien Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 188/20 Abschluss der Arbeit: 11. August 2020 (auch letzter Abruf der Internetquellen) Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 188/20 Seite 3 1. Einleitung Im deutschen föderalistischen System finden Wahlen auf drei Ebenen statt: auf Bundesebene die Bundestagswahlen, auf Ebene der 16 Bundesländer die Landtagswahlen und auf Kommunalebene die Wahlen zu kommunalen Vertretungskörperschaften und zu Wahlämtern (z.B. Bürgermeister ). In diesem Sachstand wird die rechtliche Behandlung von Vereinigungen dargestellt, die sich nur in einzelnen Kommunen oder Bundesländern, nicht aber auf Bundesebene zur Wahl stellen. Für Parteien relevante Normen finden sich im Grundgesetz (GG)1, im Parteiengesetz (PartG)2, im Bundeswahlgesetz (BWahlG)3, im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB)4 und in verschiedenen Landeswahlgesetzen sowie Landeskommunalwahlgesetzen. 2. Zulässigkeit von Regional- und Kommunalparteien Die Anerkennung einer Vereinigung als Partei richtet sich nach dem in § 2 Abs. 1 S. 1 PartG definierten Parteienbegriff. Die vier Bedingungen der Parteieigenschaft sind demnach: – eine Vereinigung von Bürgern, – die feste und dauerhafte Organisation dieser Vereinigung, – das Ziel, im Bundestag und/oder in einem Landtag mitzuwirken und – die Ernsthaftigkeit der Zielsetzung. Das deutsche Recht erkennt somit unter anderem eine Vereinigung als Partei an, die sich ausschließlich auf der Ebene eines oder mehrerer Bundesländer bei Landtagswahlen zur Wahl stellen will. Ebenso wird eine Vereinigung als Partei anerkannt, die zwar an Bundestagswahlen teilnehmen will, sich bei ihrer Organisation und Aktivität aber auf eine bestimmte Region beschränkt . Dabei handelt es sich um Regionalparteien. Eine Vereinigung, die sich nur zur Wahl von kommunalen Vertretungskörperschaften stellen möchte, gilt hingegen nicht als Partei. „Kommunalparteien“ gibt es nach deutschem Recht somit nicht. Allerdings können kommunale Wählervereinigungen (Zusammenschlüsse parteiloser Ein- 1 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland (GG), in englischer Sprache abrufbar unter: https://www.gesetze -im-internet.de/englisch_gg/index.html. 2 Parteiengesetz (PartG), in englischer Sprache abrufbar unter: https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/downloads /DE/gesetztestexte/Parteiengesetz_PartG_engl_042009.pdf;jsessionid =CF186A8CA550F9B8EA10A7BA6B9E35D3.2_cid287?__blob=publicationFile&v=1. 3 Bundeswahlgesetz (BWahlG), in deutscher Sprache abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet .de/bwahlg/BWahlG.pdf. 4 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), in englischer Sprache abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/englisch _bgb/index.html. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 188/20 Seite 4 zelkandidaten und ihrer Unterstützer) mit eigenen Wahlvorschlägen an Kommunalwahlen teilnehmen . Sie gelten zwar nicht als Parteien, einige für Parteien geltende Regelungen werden jedoch entsprechend auf sie angewendet (siehe unter 4.2.). 3. Parteigründung und Parteiorganisation Die folgenden Ausführungen gelten für alle Parteien, somit auch für Regionalparteien. 3.1. Voraussetzungen einer Parteigründung Die Gründung einer Partei ist nach Art. 21 Abs. 1 S. 2 GG frei. Sie bedarf keiner staatlichen Genehmigung . Folgende Voraussetzungen müssen bei ihrer Gründung erfüllt sein: – Vorliegen eines Gründungsvertrags (die Beteiligten müssen den Willen haben, eine Partei zu gründen), – Beschluss über das Parteiprogramm mit einfacher Mehrheit, – Beschluss über die Parteisatzung, – (geheime) Wahl des Parteivorstandes nach der Satzung, – Erstellung eines Gründungsprotokolls, welches alle Vereinbarungen, Beschlüsse und Wahlen der Partei ausführlich dokumentiert; Zuleitung des Protokolls an den Bundeswahlleiter. Es gibt keine zentrale staatliche Stelle, die allgemeingültig die Parteieigenschaft festlegt. Die Entscheidung obliegt jeder Behörde in ihrer jeweiligen Kompetenz (z.B. Steuerbehörde oder Bundestagsverwaltung ). Für Bundestagswahlen ist die Prüfung der Parteieigenschaft durch den Bundeswahlausschuss nur vorgesehen, wenn eine Partei seit der letzten Wahl nicht mit mindestens fünf Abgeordneten im Bundes- oder in einem Landtag vertreten war, § 18 Abs. 2 BWahlG. Sonst wird ohne Prüfung vom Fortbestand des Parteienstatus ausgegangen. Entsprechendes gilt auf Länderebene für Landtagswahlen. Die Parteieigenschaft entfällt nach § 2 Abs. 2 PartG, wenn eine Partei sechs Jahre in Folge nicht an Wahlen teilnimmt. Gleiches gilt, wenn die Partei sechs Jahre lang keine Rechenschaftsberichte eingereicht hat. Zudem ist für das Vorliegen der Parteieigenschaft die mehrheitliche Vertretung von deutschen Staatsangehörigen unter den Mitgliedern sowie im Vorstand der Partei erforderlich (§ 2 Abs. 3 PartG). 3.2. Mitgliederzahl, innere Parteiorganisation und Rechtsform 3.2.1. Mitgliederzahl Eine Mindestzahl von Gründungsmitgliedern ist gesetzlich nicht vorgesehen. Allerdings muss der bei der Gründung gewählte Parteivorstand mindestens aus drei Mitgliedern bestehen, § 11 Abs. 1 S. 2 PartG. Ebenso wenig ist eine Mindestzahl an Parteimitgliedern vorgegeben. Gemäß § 2 Abs. 1 S. 1 PartG muss eine Partei aber nach der Zahl ihrer Mitglieder die Ernsthaf- Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 188/20 Seite 5 tigkeit der Mitwirkung an der politischen Willensbildung gewährleisten. Wann eine solche Ernsthaftigkeit angenommen werden kann, ist eine Frage des Einzelfalls. Es sind auch Umfang und Festigkeit der Organisation sowie das Hervortreten in der Öffentlichkeit zu berücksichtigen. Entscheidend ist der erkennbare Wille der Partei auf ihre Ausweitung über den Kreis der Gründungsmitglieder hinaus. 3.2.2. Innere Parteiorganisation Bestandteil der Gründungsfreiheit ist auch die Organisationsfreiheit der Parteien. Sie geben sich selbst eine innere Verfassung (Satzung). Die innere Ordnung muss gemäß Art. 21 Abs. 1 S. 3 GG demokratischen Grundsätzen entsprechen. § 6 Abs. 2 PartG enthält detaillierte Mindestanforderungen an den Satzungsinhalt. Unter anderem muss die Satzung Bestimmungen über folgende Aspekte enthalten: – den Namen, die Kurzbezeichnung und den Sitz der Partei, – Aufnahme, Austritt, Rechte und Pflichten der Mitglieder, – Zusammensetzung und Befugnisse des Vorstands, – Einberufung der Mitglieder- und Vertreterversammlung, – Finanzordnung. Die Partei muss von der Gründung an mindestens zwei Organe aufweisen: einen Vorstand als leitendes Organ und die Vertreter- oder Mitgliederversammlung als oberstes Beschlussorgan. Zudem muss die Partei Parteischiedsgerichte bilden. 3.2.3. Rechtsform Von der Gründungsfreiheit umfasst ist die Entscheidung der Partei, ob sie sich als nichtrechtsfähiger Verein (§ 54 BGB) oder als rechtsfähiger eingetragener Verein (§ 21 BGB) organisieren möchte. Auf die Rechtsstellung der Partei hat die Entscheidung für oder gegen eine Eintragung kaum Einfluss. Aus historischen Gründen sind Parteien überwiegend als nichtrechtsfähige Vereine organisiert. Diese müssen nicht im Vereinsregister eingetragen sein. 3.3. Parteienrechtliche Pflichten Parteien haben gemäß Art. 21 Abs. 1 S. 4 GG die Pflicht, öffentlich über ihre Einnahmen aus privaten und staatlichen Stellen, über die Verwendung dieser Einnahmen sowie über ihr Vermögen Rechenschaft abzulegen. Die Anforderungen an den jährlichen Rechenschaftsbericht ergeben sich aus den §§ 23 ff. PartG. Unter anderem müssen bei Spenden, die 10.000 € übersteigen, Name und Anschrift des Spenders offengelegt werden. Ein Verstoß gegen die Rechenschaftspflicht führt gemäß § 19a Abs. 3 S. 3, S. 4 PartG zum Verlust staatlicher Finanzmittel. Parteien haben zudem nach § 6 Abs. 3 PartG bestimmte Mitteilungspflichten: Sie müssen die Satzung und das Programm der Partei, die Namen der Vorstandsmitglieder der Partei und der Landesverbände mit Angabe ihrer Funktionen sowie eine etwaige Auflösung der Partei oder eines Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 188/20 Seite 6 Landesverbandes dem Bundeswahlleiter mitteilen. Eine Pflicht, die einfachen Parteimitglieder staatlich zu registrieren, besteht nicht. 4. Besonderheiten bei Regionalparteien und Wählervereinigungen 4.1. Regionalparteien Bei Parteien, die nur in einem bestimmten Bundesland organisiert sind, gelten nach § 6 Abs. 4 PartG für diesen Landesverband grundsätzlich dieselben Regelungen wie für alle Parteien. Von einigen Vorschriften werden diese Parteien aber zum Teil ausgenommen. So müssen sich Parteien nach § 7 Abs. 1 S. 1 PartG grundsätzlich in Gebietsverbände gliedern. Beschränkt sich die Organisation einer Partei aber auf das Gebiet eines Stadtstaates, braucht sie nach § 7 Abs. 1 S. 4 PartG keine Gebietsverbände zu bilden. Einen Sonderfall stellt die Privilegierung von Parteien anerkannter nationaler Minderheiten dar. Diese Parteien sind praktisch nur in denjenigen Bundesländern aktiv, in denen die Mitglieder der nationalen Minderheiten traditionell ansässig sind (etwa der Südschleswigsche Wählerverband der Dänen in Schleswig-Holstein). Parteien anerkannter nationaler Minderheiten sind von der 5%-Sperrklausel bei Landtags- und Bundestagswahlen ausgenommen.5 4.2. Kommunale Wählervereinigungen Wählervereinigungen können im Gegensatz zu Parteien auch rein kommunal tätig sein. Aufgrund der fehlenden Parteieigenschaft können sie an den Vorteilen nicht teilhaben, die den Parteien zugewiesen sind. Sie haben daher keinen Anteil an der staatlichen Teilfinanzierung der Parteien. Des Weiteren fallen die Wählervereinigungen nicht unter das sog. Parteienprivileg des Art. 21 Abs. 2 GG: Verfassungsfeindliche Parteien können nur unter besonders strengen Anforderungen durch ein Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht verboten werden. Wählervereinigungen können dagegen durch ein einfaches Vereinsverbot des Bundesinnenministers verboten werden. Die spezifischen parteienrechtlichen Pflichten (siehe oben 3.3) gelten für Wählervereinigungen grundsätzlich nicht. Bei der Aufstellung von Wahlvorschlägen muss allerdings entsprechend der für Parteien geltenden Regelung ein demokratisches Verfahren durchgeführt werden. In manchen Bundesländern müssen die Vereinigungen zudem zwingend mitgliedschaftlich, etwa als eingetragener Verein, verfasst sein. *** 5 Siehe für Bundestagswahlen § 6 Abs. 3 S. 2 BWahlG.