© 2016 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 187/16 Frage zum Petitionsrecht von Mandatsträgern Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 187/16 Seite 2 Frage zum Petitionsrecht von Mandatsträgern Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 187/16 Abschluss der Arbeit: 29. Juli 2016 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 187/16 Seite 3 1. Einleitung Es ist die Frage aufgeworfen worden, ob es mit dem Petitionsrecht des Grundgesetzes (Art. 17 GG) vereinbar ist, wenn das Recht, sich an den Gemeinderat oder Kreistag (Vertretungen) mit Anregungen und Beschwerden zu wenden, für die Mitglieder (Mandatsträger) des jeweiligen Gemeinderats bzw. Kreistags beschränkt wird. In der Anfrage wird dargestellt, dass der Grund für diese Einschränkung darin liegen soll, dass die Mandatsträger mit ihren Anregungen und Beschwerden die landesrechtlichen Verfahrensvorschriften für die Aufstellung von Tagesordnungen der jeweiligen Vertretung umgehen könnten. Die Wissenschaftlichen Dienste des Bundestags sind zuständig für Fragen zur Bundespolitik und zum Bundesrecht.1 Landesrechtliche Regelungen, einschließlich der Kreis- und Gemeindeordnungen , werden daher von den Wissenschaftlichen Diensten des Bundestages nicht geprüft. Deshalb beschränken sich die folgenden Erläuterungen auf die bundesrechtlichen Aspekte der Frage. Dargestellt werden daher die Grundsätze des Petitionsrechts aus Art. 17 GG, soweit sie für den dargestellten Fall von Bedeutung sein können. 2. Erläuterungen zum Petitionsrecht des Grundgesetzes Das Petitionsrecht des Grundgesetzes in Art. 17 GG gibt jedermann das Recht, sich mit Bitten und Beschwerden an die zuständigen Stellen und die Volksvertretung zu wenden. Zuständige Stellen sind sämtliche Behörden und öffentlich-rechtliche Einrichtungen, und zwar ohne Rücksicht auf ihre Rechtsform. Dem Begriff der Volkvertretung unterfallen neben dem Bundestag und den Landesparlamenten auch kommunale Vertretungskörperschaften wie die Gemeinderäte und Kreistage .2 Das Petitionsrecht ist als „Jedermannsrecht“ ausgestaltet und steht daher grundsätzlich jeder natürlichen und über Art. 19 Abs. 3 GG jeder inländischen juristischen Person zu. Dementsprechend gilt das Petitionsrecht auch für Rats- oder Kreistagsmitglieder.3 In sachlicher Hinsicht hat der Petent einen Anspruch darauf, dass der Petitionsadressat die Eingabe entgegennimmt, sie sachlich prüft und in einer Weise bescheidet, aus der ersichtlich wird, wie die Eingabe behandelt worden ist. Der Anspruch beschränkt sich jedoch darauf, dass sich die zuständige Stelle überhaupt sachlich mit dem Anliegen auseinandersetzt. Das dabei zugrundeliegende Verfahren steht in der Kompetenz des jeweiligen Petitionsadressaten und kann durch einfaches Gesetz oder die jeweilige Geschäftsordnung ausgestaltet werden. Art. 17 GG garantiert nicht, dass die Petition in einem bestimmten Verfahren oder gar im Plenum der Volksvertretung 1 Darüber hinaus sind sie auch zuständig für das Europa- und Völkerrecht; diese Rechtsgebiete sind hier jedoch nicht einschlägig. 2 OVG Münster, NJW 1979, 281; Brocker in Beck`scher Online-Kommentar zum Grundgesetz, Stand: 01.06.2016, Art. 17 Rn. 17. 3 Vgl. z.B. für die Rechtslage in Nordrhein-Westfalen: Praxis der Kommunalverwaltung, Gemeindeordnung Nordrhein -Westfalen, Loseblatt, Stand: Dezember 2015, § 24 Ziff. 3. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 187/16 Seite 4 behandelt wird.4 Insoweit ist es verfassungsrechtlich unbedenklich, da nicht vom Gewährleistungsumfang des Art. 17 GG erfasst, wenn in der Praxis die Erledigung von Anregungen und Beschwerden einem Ausschuss übertragen wird und dieser die Petition abschließend bescheidet.5 Jede Beeinträchtigung der durch Art. 17 GG eingeräumten Rechte ist ein rechtfertigungsbedürftiger Eingriff in das Petitionsrecht. Ein solcher Eingriff kann zum Zwecke des Schutzes eines anderen Rechtsguts von Verfassungsrang gerechtfertigt sein.6 Dazu kann auch die Funktionsfähigkeit der Parlamente bzw. Kreistage und Gemeinderäte gehören.7 Ob die in der Anfrage geschilderten Einschränkungen in Bezug auf Anregungen und Beschwerden der Mandatsträger in diesem Sinn einen Eingriff in Art. 17 GG darstellen und, wenn ja, ob dies gerechtfertigt ist, kann nur auf der Basis der landesrechtlichen Vorschriften untersucht werden .8 Wie eingangs erläutert, prüfen die Wissenschaftlichen Dienste des Bundestages das Landrecht nicht, so dass diesen Fragen hier nicht weiter nachgegangen werden kann. Ende der Bearbeitung 4 Kersten, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar, Loseblatt, 61. Ergänzungslieferung, Stand: Januar 2011, Art. 76 Rn. 26. 5 Siehe zum ganzen Absatz statt aller: Pagenkopf, in: Sachs, Kommentar zum Grundgesetz, 7. Auflage 2014, Art. 17 Rn. 8 ff. 6 Pagenkopf, in: Sachs, Kommentar zum Grundgesetz, 7. Auflage 2014, Art. 17 Rn. 15; Brocker, in: Beck`scher Online-Kommentar zum Grundgesetz, Stand: 01.06.2016, Art. 17 Rn. 30. 7 Für die Bundesebene: BVerfG, NVwZ 2012, 495 m.w.N.; für die Gemeindeebene OVG Münster, Beschluss vom 18.08.2011 - 15 A 1574/11 (BeckRS 2011, 53670). 8 Hier wäre z.B. zunächst zu klären, ob nach den einschlägigen Vorschriften der Gemeinde- und Kreisordnungen sowie der jeweiligen Geschäftsordnungen die Anregungen und Beschwerden der Bürger zwingend auf die Tagesordnung der Vertretungen gesetzt werden müssen. Außerdem wäre zu prüfen, wer unter Berücksichtigung aller anwendbaren Vorschriften in den Vertretungen tatsächlich berechtigt ist, Vorschläge zur Tageordnung machen , die zwingend bei der Aufstellung der Tagesordnung zu berücksichtigen sind.