© 2016 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 187/14 Hat der Bund die Gesetzgebungskompetenz, um Regelungen für Lehrbeauftragte an öffentlichen Hochschulen zu treffen? Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 187/14 Seite 2 Hat der Bund die Gesetzgebungskompetenz, um Regelungen für Lehrbeauftragte an öffentlichen Hochschulen zu treffen? Verfasser/in: Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 187/14 Abschluss der Arbeit: 28. August 2014 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Telefon: Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 187/14 Seite 3 1. Einleitung Lehrbeauftragte an Hochschulen, d. h. Personal, das mit der Abhaltung bestimmter Lehrveranstaltungen betraut wird, stehen nach den geltenden Regelungen der Landeshochschulgesetze in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis eigener Art, welches als selbständig qualifiziert wird.1 Es ist in ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts anerkannt, dass Hochschulen solche Dienstverhältnisse neben Beamtenverhältnissen und Arbeitsverhältnissen im Einklang mit Art. 33 Abs. 4 GG begründen dürfen.2 Die auf der Basis des geltenden Hochschulrechts der Länder tatsächlich bestehenden Dienstverhältnisse der Lehrbeauftragten werden jedoch mitunter als prekär beklagt, insbesondere weil die Vergütung in Relation zur tatsächlichen zeitlichen Beanspruchung im Lehrbetrieb zu mangelhaft sei und der als Nebentätigkeit konzipierte Lehrauftrag im Sinne eines Zusatzangebots für die grundständige Lehre sich in der Praxis letztlich zu einer umfangreichen Delegation von eigentlich den Hochschullehren und deren wissenschaftlichen Mitarbeitern vorbehaltenen Aufgaben entwickelt habe.3 Nachfolgend ist zu prüfen, ob der Bund die Gesetzgebungskompetenz hat, um Regelungen für Lehrbeauftragte an öffentlichen Hochschulen zu treffen. Im Einzelnen ist gefragt, ob der Bund Regelungen erlassen könnte, a.) über die maximale Zahl der in einem Lehrauftrag bzw. an einer Hochschule zu erbringenden Semesterwochenstunden, b.) die Höhe der Vergütung sowie den Umfang der bei der Vergütung zu berücksichtigenden Leistung (nur Semesterwochenstunden oder auch andere Tätigkeiten, z.B. Aufsicht bei Klausuren, Vor- und Nachbereitung von Lehrveranstaltungen, Sprechstunden), c.) die Voraussetzungen, unter welchen ein Lehrauftrag erteilt werden darf, d.) die Dauer, für die Lehraufträge vergeben werden müssen/dürfen (nur für ein Semester oder für mehrere) sowie Bedingungen für eine erneute Erteilung eines Lehrauftrages an die gleiche Person und e.) die Einbeziehung von Lehrbeauftragten in die Personalvertretung (im aktiven und passiven Wahlrecht). 2. Gesetzgebungskompetenz Grundsätzlich liegt die Gesetzgebungskompetenz bei den Ländern (Art. 70 GG), soweit das Grundgesetz nicht dem Bund Gesetzgebungsbefugnisse zuweist. Es ist danach zu klären, ob sich Regelungen über Lehrbeauftragte unter einen Gesetzgebungskompetenztitel des Bundes gemäß Art. 71 ff. GG fassen lassen. 1 Vgl. z.B. § 56 Gesetz über die Hochschulen in Baden-Württemberg (Landeshochschulgesetz – LHG); § 120 Gesetz über die Hochschulen im Land Berlin (Berliner Hochschulgesetz - BerlHG); § 43 Gesetz über die Hochschulen des Landes Nordrhein-Westfalen (Hochschulgesetz - HG). 2 So BAGE 38, 259; 46, 218, 223 f. 3 So etwa: Zeit online, Prekär im Hörsaal, vom 8. März 2011, abzurufen unter: http://www.zeit.de/studium/hochschule/2011-03/lehrbeauftragte-prekariat. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 187/14 Seite 4 2.1. Art. 74 I Nr. 12 GG Da bundesgesetzliche Regelungen zu Modalitäten und Bezahlung der Tätigkeit von Lehrbeauftragten beabsichtigt sind, könnte sich eine Gesetzgebungskompetenz das Bundes aus der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz für das Arbeitsrecht gemäß Art. 74 I Nr. 12 GG ergeben. Auf dieser Grundlage hat der Bund das Gesetz über befristete Arbeitsverträge in der Wissenschaft (Wissenschaftszeitvertragsgesetz – WissZeitVG) erlassen, in dem die bis dahin in §§ 57a ff. Hochschulrahmengesetz (HRG) normierten Beschäftigungsverhältnisse an den Hochschulen und außeruniversitären Einrichtungen in der Qualifizierungsphase geregelt sind.4 Für Regelungen zu Lehrbeauftragten ist eine Gesetzgebungskompetenz des Bundes nach Art. 74 I Nr. 12 GG jedoch im Ergebnis zu verneinen, weil „Arbeitsrecht“ im Sinne dieser Bestimmung nach allgemeiner Auffassung nur abhängige Arbeitsverhältnisse umfasst, nicht aber einer selbstständige Tätigkeit wie die der Lehrbeauftragten.5 2.2. Art. 74 I Nr. 33 GG Der Bund könnte die Zuständigkeit für Regelungen über Lehrbeauftragte gemäß Art. 74 I Nr. 33 GG haben. Von dieser Norm werden die Hochschulzulassung und die Hochschulabschlüsse zumindest an wissenschaftlichen (privaten und staatlichen) Hochschulen umfasst.6 „Hochschulzulassung “ meint hier vor allem Regelungen über die Studienplatzvergabe mit dem Ziel eines transparenten und fairen Vergabeverfahrens.7 Der Bereich „Hochschulabschlüsse“ umfasst insbesondere Abschlussniveaus und Regelstudienzeiten.8 Zweck der Kompetenz für eine Regelung über die Hochschulabschlüsse ist eine Vereinheitlichung und Vergleichbarkeit der Studienabschlüsse .9 Die hier in Rede stehenden bundesgesetzlichen Regelungen über Lehrbeauftragte betreffen offenkundig weder die Hochschulzulassung noch die -abschlüsse. Der Bund hat damit keine Gesetzgebungskompetenz für den geplanten Regelungskomplex aus Art. 74 I Nr. 33 GG. 4 Vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Änderung arbeitsrechtlicher Vorschriften in der Wissenschaft, BT-Drs. 16/3438, S.10 5 Sannwald, Rüdiger in: Schmidt-Bleibtreu, Bruno/Klein, Franz/Hofmann, Hans/Henneke, Hans-Günter, GG, Kommentar, 13. Auflage 2014, Art. 74 Rn. 144. 6 Degenhart, Christoph in: Sachs, Michael (Hrsg.), Grundgesetz, Kommentar, 5. Auflage 2009, Art. 74 Rn. 127. 7 Kunig, Philip in: von Münch, Ingo (Begr.)/Kunig, Philip (Hrsg.), Grundgesetz, Kommentar, Band 2, 6. Auflage 2012, Art. 74 Rn. 125; Sannwald, Rüdiger in: Schmidt-Bleibtreu, Bruno/Klein, Franz/Hofmann, Hans/Henneke, Hans-Günter, GG, Kommentar, 13. Auflage 2014, Art. 74 Rn. 387. 8 Sannwald, Rüdiger in: Schmidt-Bleibtreu, Bruno/Klein, Franz/Hofmann, Hans/Henneke, Hans-Günter, GG, Kommentar, 13. Auflage 2014, Art. 74 Rn. 391. 9 Oeter, Stefan in: v. Mangoldt, Hermann (Begr.), Kommentar zum Grundgesetz, Band 2, 6. Auflage 2010, Art. 74 Rn. 197. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 187/14 Seite 5 Vor der Föderalismusreform von 2006 bestand für das „Hochschulwesen“ allerdings eine thematisch weiter gefasste Rahmenkompetenz des Bundes (§ 75 I Nr. 1a GG a.F.). Nach alter Verfassungslage waren damit auch Grundsatzfragen des Lehrbeauftragtenwesens an Universitäten bundesgesetzlich regelbar. Dies ist mit § 55 HRG auch erfolgt.10 2.3. Art. 74 I Nr. 27 GG Die Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes für Regelungen über Lehrbeauftragte könnte sich aus der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz gemäß Art. 74 I Nr. 27 GG i.V.m. 74 II GG ergeben , welcher Regelungen über Statusrechte und-pflichten der Beamten der Länder, Gemeinden und anderen Körperschaften des öffentlichen Rechtes betrifft und an eine Zustimmung des Bundesrates knüpft. Es werden hiermit Regelungen über Beamte erfasst, wobei zu diesen auch Beamte des wissenschaftliches Hochschulpersonals zählen.11 Nicht umfasst sind aber ehrenamtliche und freiberufliche Inhaber öffentlicher Ämter.12 Das Lehrbeauftragtenverhältnis ist keine Beamtenverhältnis, sondern ein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis eigener Art in selbstständiger Tätigkeit. Somit hat der Bund für Regelungen über Lehrbeauftragte keine Gesetzgebungskompetenz aus Art. 74 I Nr. 27 GG 3. Sonderfall Bundeswehrhochschulen? Der Bund besitzt nach geltender Verfassungslage grundsätzlich keine Kompetenzgrundlage für die Gründung von Bundesuniversitäten.13 Etwas anderes gilt nur für die Bundeswehrhochschulen in Hamburg und München. Die Kompetenz des Bundes zur Universitätsgründung wird hier auf die ausschließliche Bundesgesetzgebungskompetenz für die Verteidigung nach Art. 73 I Nr. 1 GG gestützt. Bereits das Bestehen einer Annexkompetenz hierfür ist allerdings in der Literatur nicht unumstritten: Nach einer Ansicht wird von dieser Norm die Zuständigkeit für das Recht der Bundeswehrhochschulen als eine Annexkompetenz umfasst.14 Die Ausbildung dort sei die Voraussetzung für die Leistungsfähigkeit der Soldaten und somit für eine funktionsfähige Vertei- 10 Das Hochschulrahmengesetz ist noch in Kraft. Für Regelungen, die wegen Aufhebung des Art. 75 GG nicht mehr als Bundesrecht erlassen werden könnten, gilt allerdings, dass diese zwar als Bundesrecht fortgelten, aber durch Landesrecht ersetzt werden können (Art. 125a I GG). Dies ist durch das jeweilige Landeshochschulrecht in Bezug auf den Bereich „Lehrbeauftragte“ geschehen. 11 Degenhart, Christoph in: Sachs, Michael (Hrsg.), Grundgesetz, Kommentar, 5. Auflage 2009, Art. 74 Rn. 113. 12 Kunig, Philip in: von Münch, Ingo (Begr.)/Kunig, Philip (Hrsg.), Grundgesetz, Kommentar, Band 2, 6. Auflage 2012, Art. 74 Rn. 114. 13 Siehe zur Thematik ausführlich: , „Universität des Bundes“ - Rechtliche Möglichkeit einer Universität des Bundes sowie die Stellung der Universitäten der Bundeswehr, Deutscher Bundestag, Wissenschaftliche Dienste, Ausarbeitung WD 3 – 3000 - 206/11. 14 Degenhart, Christoph in: Sachs, Michael (Hrsg.), Grundgesetz, Kommentar, 5. Auflage 2009, Art. 73 Rn. 7; Kunig , Philip in: von Münch, Ingo (Begr.)/Kunig, Philip (Hrsg.), Grundgesetz, Kommentar, Band 2, 6. Auflage 2012, Art. 74 Rn. 124. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 187/14 Seite 6 digung.15 Gegen eine Annexkompetenz wird angeführt, dass einige Fakultäten bei den Hochschulen der Bundeswehr nicht vorhanden seien, dies der Funktionsfähigkeit der Bundeswehr nicht geschadet habe und trotzdem eine intakte Verteidigung vorhanden sei.16 Weiter ist darauf hinzuweisen, dass in der Staatspraxis eher eine begrenzte Wahrnehmung der Annexkompetenz aus Art. 73 I Nr. 1 GG im Bereich der Bundeswehrhochschulen auszumachen ist. Denn diese Universitäten sind zwar formal als „Dienststellen“ der Bundeswehr, gleichzeitig jedoch Einrichtungen des Bildungswesens, die in Aufgaben, Strukturen und Rechten nach den Maßgaben des jeweiligen Landeshochschulrechts organisiert sind.17 Unter diesem Gesichtspunkt erscheint es zumindest problematisch, wenn der Bundesgesetzgeber nur für einen kleinen Ausschnitt von Regelungen, hier für den Bereich der Lehrbeauftragten, die nicht im speziellen Bezug zur Aufgabe der Verteidigung stehen, sondern sich eher als allgemeine Regelungen für Personal an Hochschulen darstellen, eine Annexkompetenz aus Art. 73 I Nr. 1 GG heranziehen würde. 4. Ergebnis Eine Gesetzkompetenz des Bundes für Regelungen über Lehrbeauftragte an Hochschulen lässt sich bereits im Grundsatz nicht aus einer besonderen Kompetenzzuweisung für den Bund nach Art. 71 ff. GG entnehmen. Die unter 1. aufgeführten Einzelaspekte a) bis d) sind folglich nach derzeitiger Verfassungslage nicht durch Bundesgesetz regelbar. 15 Degenhart, Christoph in: Sachs, Michael (Hrsg.), Grundgesetz, Kommentar, 5. Auflage 2009, Art. 73 Rn. 7. 16 Heintzen, Markus in: v. Mangoldt, Hermann (Begr.), Kommentar zum Grundgesetz, Band 2, 6. Auflage 2010, Art. 73 Rn. 15. 17 Vgl. , „Universität des Bundes“ - Rechtliche Möglichkeit einer Universität des Bundes sowie die Stellung der Universitäten der Bundeswehr, Deutscher Bundestag, Wissenschaftliche Dienste, Ausarbeitung WD 3 – 3000 - 206/11, S. 9.