© 2016 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 187/13 „Ungesunde Verteilung des Grund und Bodens“ gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 1 Grundstücksverkehrsgesetz Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 187/13 Seite 2 „Ungesunde Verteilung des Grund und Bodens“ gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 1 Grundstücksverkehrsgesetz Verfasser/in: Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 187/13 Abschluss der Arbeit: 22.10.2013 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Telefon: Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 187/13 Seite 3 1. Einleitung Die rechtsgeschäftliche Veräußerung eines landwirtschaftlichen oder forstwirtschaftlichen Grundstücks und der zugehörige schuldrechtliche Vertrag bedürfen grundsätzlich einer behördlichen Genehmigung, § 2 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 Grundstücksverkehrsgesetz (GrdstVG)1. § 9 Abs. 1 GrdstVG enthält Gründe, aus denen die Genehmigung versagt werden darf bzw. durch Auflagen und Bedingungen eingeschränkt werden kann. Einer dieser Gründe liegt vor, wenn die Veräußerung eine „ungesunde Verteilung des Grund und Bodens bedeutet“, § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrdstVG. Die Formulierung „ungesunde Verteilung“ ist seit Bestehen des Grundstücksverkehrsgesetzes durch das Bundesverfassungsgericht und die Landwirtschaftssenate des Bundesgerichtshofes im Lichte des Gesetzeszwecks diskutiert und definiert worden.2 Vor diesem Hintergrund beleuchten die nachfolgenden Erörterungen die Zielsetzung des Grundstücksverkehrsgesetzes (2.) und den Begriff „ungesunde Verteilung“ (3.). § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrdstVG enthält eine Eigentumsbindung und eine Einschränkung der Handlungsfreiheit im Bereich der Eigentumsordnung,3 da er die privatrechtliche Veräußerung landwirtschaftlicher Grundstücke, welche einem öffentlich-rechtlichen Genehmigungserfordernis unterliegt, zu versagen vermag. Die verfassungsrechtliche Rechtfertigung eines solchen Eingriffs und insbesondere die Bestimmtheit des § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrdstVG im Lichte des verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebots wird im Folgenden anhand der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Grundstücksverkehrsgesetz dargestellt (4.). In Anbetracht der zunehmend Raum einnehmenden Belange des Umweltschutzes und der fortschreitenden Urbanisierung wird schließlich die Frage erörtert, ob die bereits seit 1962 bestehende Regelung des § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrdstVG nach wie vor zeitgemäß ist (5.). 2. Zielsetzung des Grundstücksverkehrsgesetzes In der Land- und Forstwirtschaft stellen Grund und Boden - im Unterschied zur gewerblichen Wirtschaft - nicht nur den Standort, sondern den maßgebenden Produktionsfaktor dar.4 Aufgrund der Begrenztheit dieser Ressource verfolgte der Gesetzgeber mit der Schaffung des Grundstücksverkehrsgesetzes das Ziel, durch eine Lenkung des Grundstücksverkehrs die Agrarstruktur im öffentlichen Interesse zu verbessern und Gefahren von ihr abzuwehren.5 Die Lenkung des Verkehrs mit landwirtschaftlichen Grundstücken beinhaltet im Kern zwei Komponenten: Den 1 Gesetz über Maßnahmen zur Verbesserung der Agrarstruktur und zur Sicherung land- und forstwirtschaftlicher Betriebe vom 28. Juli 1961 (BGBl. I S. 1091, ber. S. 1652 und 2000), zuletzt geändert durch Art. 108 FGG- ReformG vom 17.12.2008 (BGBl. I S. 2586). 2 Vgl. BVerfGE 21, 73 (81); BVerfG, NJW 1967, 1363 (1363); BGH, Beschluss vom 28.04.2006, BLw 32/050, juris, Rn. 19; BGHZ 112, 86 (88 f.); BGHZ 116, 348 (350). 3 BVerfG, NJW 1967, 1363 (1363). 4 BGH, Beschluss vom 28.04.2006, BLw 32/05, juris, Rn. 19. 5 BVerfGE 21, 73, (80); Dr. Schulte, Günter, Das neue Grundstücksverkehrsgesetz, Recht der Landwirtschaft 1961, 249 (249). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 187/13 Seite 4 Schutz des einzelnen Betriebes als mikroökonomischen Aspekt einerseits und die Ernährungsvorsorge als makroökonomischen Gesichtspunkt andererseits.6 Insofern zielt das Gesetz darauf, die Schaffung und Erhaltung selbständiger und lebensfähiger landwirtschaftlicher Betriebe unter Berücksichtigung sozialer und raumordnerischer Belange zu fördern und vor unzulässigen Flächenverlusten zu schützen.7 Aus gesellschaftlicher Gesamtsicht (makroökonomischer Gesichtspunkt ) sind weitere Ziele des Gesetzes, die Berücksichtigung von Maßnahmen des Tierschutzes, des Verbraucherschutzes, des Natur- und Umweltschutzes und die Verbesserung von Maßnahmen zur Sicherung, Stärkung und Förderung der Funktionsfähigkeit der Strukturen in den ländlichen Räumen im Sinne einer Verbesserung der Produktions-, Arbeits- und Lebensbedingungen.8 3. Der Begriff „ungesunde Verteilung“ § 9 Abs. 2 GrdstVG enthält objektive Abgrenzungskriterien für den Begriff „ungesunde Verteilung “. Demnach liegt eine „ungesunde Verteilung“ des Grund und Bodens i.S.d. § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrdstVG in der Regel dann vor, wenn die Veräußerung Maßnahmen zur Verbesserung der Agrarstruktur widerspricht. Derartige Maßnahmen werden im Gesetz nicht näher erläutert. Zum Begriff der „Agrarstruktur“ hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung aus dem Jahr 1967 ausgeführt, dass sich dieser anhand des gemäß § 5 des Landwirtschaftsgesetzes zu erstattenden Berichts (Agrarpolitischer Bericht der Bundesregierung) zu orientieren habe.9 Der Bundesgerichtshof hat sich dem in seiner ständigen Rechtsprechung angeschlossen.10 Auch jüngere Entscheidungen gehen nach wie vor davon aus, dass die Agrarpolitischen Berichte zur Auslegung des § 9 Abs. 2 GrdstVG hinzuzuziehen sind.11 In den Agrarpolitischen Berichten sind regelmäßig Ziele der Bundesregierung formuliert, die die Erhaltung und Verbesserung der Land- und Forstwirtschaft betreffen.12 Aus den in diesem Zusammenhang aufgeführten Maßnahmen lassen sich solche im Sinne des § 9 Abs. 2 GrdstVG ermitteln . Demnach liegt in der Regel dann eine „ungesunde Bodenverteilung“ vor, wenn landwirtschaftlich genutzter Boden an einen Nichtlandwirt oder an einen Nebenerwerbslandwirt veräußert werden soll und ein Vollerwerbslandwirt das Grundstück dringend zur Aufstockung seines Betriebes benötigt und zum Erwerb bereit und in der Lage ist.13 Um Landwirt zu sein, be- 6 Netz, Joachim, Grundstücksverkehrsgesetz. Praxiskommentar, 6. Auflage 2013, S. 242. 7 BGH, Beschluss vom 26.11.2010, BLw 14/09, juris, Rn. 10; Netz (Fn. 6), S. 242. 8 Netz (Fn. 6), S. 243. 9 BVerfGE, 21, 73 (81). 10 BGHZ 94, 292 (295); BGHZ 112, 86 (89). 11 BGH, Beschluss vom 28.04.2006, BLw 32/05, juris, Rn. 38; ebenso OLG Brandenburg, Beschluss vom 30.05.2013, 5 W (Lw) 1/13, juris, Rn. 22. 12 So auch im aktuellen Agrarpolitischen Bericht 2011, abrufbar unter: http://www.bmelv.de/SharedDocs/Downloads/Broschueren/Agrarbericht2011.pdf;jsessionid=CB4EB3A0CC998 4F850B63AEA0DF9C9FD.2_cid367?__blob=publicationFile, [Stand: 21. Oktober 2013]. 13 BGHZ 94, 292, 295; BGH, Beschluss vom 28.04.2006, BLw 32/05, juris, Rn. 17; Netz (Fn. 6), S. 464. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 187/13 Seite 5 darf es der Ausübung einer unternehmerischen Tätigkeit, die eine auf Bodenbewirtschaftung beruhende planmäßige Aufzucht von Pflanzen oder eine damit verbundene Tierhaltung zum Gegenstand hat.14 Dringend ist der Aufstockungsbedarf, wenn eine gesteigerte Notwendigkeit für den Erwerb nach wirtschaftlichen und agrarstrukturellen Gesichtspunkten zu bejahen ist, beispielsweise wenn der Flächenerwerb der (auch nur geringen) Anhebung des Eigenanteils an einem Grundstück dient und so zur Stärkung des landwirtschaftlichen Betriebes beiträgt.15 Jedoch führt der beabsichtigte Erwerb durch einen nebenberuflichen Landwirt oder durch einen Nichtlandwirt bei Vorliegen eines dringenden Ankaufsinteresses eines Vollerwerbslandwirtes nicht zwangsweise zum Vorliegen einer „ungesunden Verteilung“. So wurden Ausnahmen für den Fall zugelassen, dass ein Nebenerwerbslandwirt durch Zukauf von landwirtschaftlichen Nutzflächen seinen Betrieb in absehbarer Zeit zu einem leistungsfähigen Vollerwerbsbetrieb entwickelt .16 Auch ein Nichtlandwirt kann dann einem Landwirt gleichgestellt werden, wenn er konkrete und in absehbarer Zeit zu verwirklichende Absichten und Vorkehrungen zur Übernahme einer mindestens leistungsfähigen Nebenerwerbslandwirtschaft getroffen hat.17 Außerdem hat der Bundesgerichtshof ausgeführt, dass eine grundsätzliche Bevorzugung des Haupterwerbslandwirtes gegenüber dem Nebenerwerbslandwirt den geänderten Zweckvorstellungen der Agrarpolitik nicht mehr entspreche.18 Ferner können auch Veräußerungen mit Maßnahmen zur Verbesserung der Agrarstruktur in Einklang stehen, die nicht primär die Förderung leistungsfähiger landwirtschaftlicher Betriebe bezwecken . Neben der Verbesserung der Agrarstruktur nehmen in den Agrarpolitischen Berichten der Bundesregierung beispielsweise Aspekte des Umweltschutzes zunehmend Raum ein.19 So enthält der aktuelle Agrarpolitische Bericht des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz beispielsweise das Ziel, eine ausgewogene Flächennutzung sicherzustellen und hierbei insbesondere den Flächenverbrauch zu reduzieren, den Vorrang der Ernährungssicherung zu wahren und wertvolle Naturräume zu erhalten.20 Aktuelle wissenschaftliche Definitionen der „Agrarstruktur“ gehen bereits weit über die bisherige Abgrenzung des Begriffs hinaus und sehen die „Agrarstruktur“ als einen Querschnittsaspekt an. Dazu gehören raum-, wirtschafts- und bevölkerungsstrukturelle Faktoren ebenso wie die rechtlichen, finanziellen und raumplanerischen Aspekte.21 14 Netz (Fn. 6), S. 475. 15 OLG Brandenburg, Beschluss vom 30.05.2013, 5 W (Lw) 1/13, juris, Rn. 22. 16 BGHZ 112, 86, (88); BGHZ 116, 348 (350). 17 BGHZ 116, 348 (350). 18 BGHZ 112, 86 (89 f.). 19 BGHZ 94, 292 (295). 20 Netz (Fn. 6), S. 229. 21 Netz (Fn. 6), S. 469. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 187/13 Seite 6 4. Vereinbarkeit von § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrsdstVG mit dem Grundgesetz Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 12.01.1967 enthält eine umfassende Prüfung zur Vereinbarkeit des § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrdstVG mit dem Grundgesetz. Im Ergebnis stellt das Gericht fest, dass § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrdstVG sowohl dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebot entspreche, als auch mit den Grundrechten und insbesondere mit Art. 14 GG vereinbar sei.22 Auch in der Literatur bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die höchstrichterliche Auslegung des Begriffs „ungesunde Bodenverteilung“.23 4.1. Bestimmtheit des § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrdstVG § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrdstVG enthält mit „ungesunde Verteilung“ einen unbestimmten Rechtsbegriff .24 Insofern wurde die Frage aufgeworfen, inwiefern dieser den Anforderungen des sich aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) ergebenden verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebots entspricht. Unbestimmte Rechtsbegriffe müssen so formuliert sein, dass die Betroffenen die Rechtslage erkennen und ihr Verhalten danach einrichten können.25 Insbesondere darf der Gesetzgeber Einzelbefugnisse und -pflichten, die den Inbegriff des Eigentums ausmachen, dann, wenn eine Norm zugleich materielle Grundlage und Prüfungsmaßstab für ein behördliches Genehmigungsverfahren ist, dies nicht dem Ermessen der Verwaltung anheimgeben.26 Aus der Zielsetzung des Grundstücksverkehrsgesetzes, dem sachlichen Zusammenhang des § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrdstVG und der Erläuterung in § 9 Abs. 2 GrdstVG lassen sich Zweck und Inhalt ausreichend ermitteln und objektive Kriterien gewinnen, die eine willkürliche Handhabung durch die Behörden und Gerichte ausschließen.27 Aus § 9 Abs. 2 GrdstVG ergeben sich entscheidende objektive Abgrenzungskriterien für den Begriff „ungesunde Bodenverteilung“ und für seine Ausfüllung im konkreten Anwendungsfall.28 Was in diesem Zusammenhang unter „Agrarstruktur “ zu verstehen ist, lässt sich an Hand des gemäß § 5 des Landwirtschaftsgesetzes zu erstattenden Berichts ermitteln.29 Die Ausfüllung unbestimmter Gesetzesbegriffe auf Grund richtungsweisender , aus dem Gesetz sich ergebender, Gesichtspunkte ist eine herkömmliche und 22 Nachfolgend 4.1. und 4.2. 23 Netz (Fn. 6), S. 242, 467; Tröder, Wilfried, Novellierung des Grundstücksverkehrsgesetzes, Recht der Landwirtschaft 1999, 253 (253). 24 BVerfGE 21, 73, (79). 25 BVerfGE 21, 73, (79). 26 BVerfGE 21, 73, (80). 27 BVerfGE 21, 73, (80). 28 BVerfGE 21, 73, (81). 29 BVerfGE 21, 73, (81). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 187/13 Seite 7 anerkannte Aufgabe der Rechtsanwendungsorgane.30 Die Genehmigung darf nur versagt werden, wenn Tatsachen festgestellt werden, die die Missbilligung der Veräußerung rechtfertigen. Dies objektiviert die Gesetzesfassung und verhindert, dass die Verwaltung sich bei der Versagung der Genehmigung auf den bloßen Gesetzeswortlaut beschränkt.31 Insofern müssen im Fall der Genehmigungsversagung die maßgeblichen Umstände bezeichnet werden, so dass der Betroffene und die Gerichte in der Lage sind, die einen ablehnenden Bescheid tragenden Gesichtspunkte auf ihre Begründetheit nachzuprüfen.32 4.2. Vereinbarkeit mit Art. 14 GG Der Gesetzgeber hat die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG zu beachten.33 Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG sieht vor, dass Inhalt und Schranken des Eigentums durch den Gesetzgeber bestimmt werden. Bei § 9 Abs. 1 Nr. 1 GG handelt es sich um eine solche den Inhalt des Rechtsinstituts Eigentum bestimmende Norm.34 Das Grundgesetz gebietet nicht, dass der ländliche Grundstücksverkehr so frei sein müsse wie der Verkehr mit jedem anderen „Kapital“.35 Eine gerechte Rechts- und Gemeinschaftsordnung zwingt dazu, die Interessen der Allgemeinheit bei Grund und Boden, welcher unvermehrbar und unentbehrlich ist, in weit stärkerem Maße zur Geltung zu bringen als bei anderen Vermögensgütern .36 Das Grundgesetz hat dem Gesetzgeber für die Bestimmung des Eigentumsinhalts in Art. 14 Abs. 2 GG einen weiten Gestaltungsspielraum eingeräumt, wonach das Eigentum nicht nur verpflichtet , sondern sein Gebrauch auch dem Wohl der Allgemeinheit dienen soll.37 Hierbei hat er vor allem die Bodenordnung im Auge gehabt.38 Das Gebot sozialgerechter Nutzung stellt eine Richtschnur für den Gesetzgeber bei der Regelung des Eigentumsinhalts dar, bei der er das Wohl der Allgemeinheit zu beachten hat.39 Im Rahmen dieser Wertentscheidung hält sich § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrdstVG dann, wenn Veräußerungen von Grund und Boden missbilligt werden, die eine „ungesunde Bodenverteilung“ bedeuten.40 30 BVerfGE 21, 73, (82). 31 BVerfGE 21, 73, (82). 32 BVerfGE 21, 73, (82). 33 BVerfGE 14, 263, (278). 34 BVerfGE 21, 73, (79). 35 BVerfGE 21, 73, (82). 36 BVerfGE 21, 73, (83). 37 BVerfGE 21, 73, (83). 38 BVerfGE 21, 73, (83). 39 BVerfGE 21, 73, (83). 40 BVerfGE 21, 73, (83). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 187/13 Seite 8 5. Zeitgemäßheit des Grundstücksverkehrsgesetzes In den letzten Jahren wurde vermehrt die Auffassung vertreten, dass die rechtlichen Regelungen des Grundstücksverkehrsgesetzes entbehrlich seien, weil land- und forstwirtschaftliche Flächen ihre Bedeutung am Markt verloren hätten, mit diesen Flächen nichts mehr zu verdienen sei, die Landwirte lieber pachten als kaufen würden und diese Flächen ihre Attraktivität als Kapitalanlagen verloren hätten.41 Dem wird entgegengesetzt, dass vornehmlich im Umkreis städtischer Ballungsräume der gänzliche Wegfall des Genehmigungsvorbehalts zu anderweitigen Flächennutzungen führen würde, so dass die Landwirtschaft weitgehend zum Verschwinden gebracht und so die verbrauchernahe Versorgung mit landwirtschaftlichen Produkten gefährdet werden könnte .42 Vielmehr würden leistungsfähige Landwirtschaftsbetriebe gegenwärtig mehr Flächen benötigen als früher, so dass nur durch die Aufstockung landwirtschaftlicher Betriebe dem Ziel, die Entwicklung wettbewerbsfähige landwirtschaftliche Unternehmen zu fördern, entsprochen werden könne.43 Der zunehmende Aufwand für Naturschutz- und Landschaftspflege könne, hauptsächlich aus rein technischen wie auch kostenmäßigen Erwägungen, für Gebietskörperschaften nur durch bestehende landwirtschaftliche Haupt- und Nebenerwerbsbetriebe erfolgen. Insofern brächte ein ländlicher Raum ohne Landwirtschaftsbetriebe für die Allgemeinheit mehr Nachteile, als die aktive Gestaltung der Agrarstruktur durch das Grundstücksverkehrsgesetz.44 Deshalb dürfe dieses nicht ersatzlos aufgehoben werden. Gleichwohl bestünde Novellierungsbedarf im Sinne der Schaffung einer einheitlichen Kodifizierung aller Agrarstrukturregelungen in einem Gesetz.45 Dies dürfte in Anbetracht der nach der Föderalismusreform I veränderten Gesetzgebungskompetenzen , wonach der landwirtschaftliche Grundstücksverkehr in die Zuständigkeit der Länder überführt wurde, kaum realisierbar sein. Nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts sollen sich die Maßnahmen zur "Verbesserung der Agrarstruktur“ anhand des Agrarpolitischen Berichts der Bundesregierung ermitteln lassen.46 Dieser enthält Ziele und Maßnahmen, die abhängig von gesellschaftlichen, technischen und wirtschaftlichen Umständen einem stetigen Wandel unterliegen. Demzufolge eröffnet § 9 Abs. 2 GrdstVG dem Gesetzesanwender die Möglichkeit, aktuelle Entwicklungen zu berücksichtigen und zeitgemäße Entscheidungen im Rahmen des erforderlichen Genehmigungsverfahrens zu treffen. 41 Netz (Fn. 6), S. 247. 42 Törder, Recht der Landwirtschaft 1999, 253 (253); Netz (Fn. 6), S. 247. 43 Netz (Fn. 6), S. 247. 44 Netz (Fn. 6), S. 248. 45 Tröder, Recht der Landwirtschaft 1999, 253 (255). 46 BVerfGE 21, 73 (81).