Zusammenfassung des Petitionsrechts in einem neuen Gesetz - Ausarbeitung - © 2007 Deutscher Bundestag WD 3 - 187/07 Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages Verfasser/in: Zusammenfassung des Petitionsrechts in einem neuen Gesetz Ausarbeitung WD 3 - 187/07 Abschluss der Arbeit: 29. Mai 2007 Fachbereich WD 3: Verfassung und Verwaltung Telefon: +49 Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Die Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste sind dazu bestimmt, Mitglieder des Deutschen Bundestages bei der Wahrnehmung des Mandats zu unterstützen. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Diese bedürfen der Zustimmung des Direktors beim Deutschen Bundestag. - Zusammenfassung - Das Petitionsrecht des Bundes ist derzeit in folgenden vier Regelungen enthalten: - Grundgesetz (Art. 17, Art. 17a, Art. 45c) - Gesetz über die Befugnisse des Petitionsausschusses - Geschäftsordnung des Bundestags (§§ 108-112) - Grundsätze des Petitionsausschusses über die Behandlung von Bitten und Beschwerden (Verfahrensgrundsätze) Sollten vorgenannte Regelungen – mit Ausnahme des in der Normenhierarchie über einem einfachen Gesetz stehenden Grundgesetzes – in einem neuen Petitionsgesetz zusammengefasst werden, wären in rechtlicher Hinsicht folgende Umstände zu beachten: 1. Werden das Plenum und der Petitionsausschuss durch ein Bundesgesetz über ein bestimmtes Maß hinaus an Verfahrensregeln gebunden, dürfte dies gegen die Geschäftsordnungsautonomie (Art. 40 Abs. 1 S. 2 GG) des Parlaments verstoßen mit der Folge der Unwirksamkeit des Gesetzes. 2. Gesetzliche Regelungen können im Unterschied zu parlamentarischen Verfahrensgrundsätzen weitreichende drittschützende Wirkung gegenüber Bürgern entfalten. 3. Nachträgliche Anpassungen eines Bundesgesetzes sind formal aufwändiger als bei parlamentarischen Verfahrensgrundsätzen. In den Ländern ist das Petitionsrecht ganz überwiegend wie auf Bundesebene in der Verfassung, in einem Gesetz und in der Geschäftsordnung des Parlaments enthalten. Lediglich in vier Ländern (Hessen, Niedersachsen, Saarland, Sachsen-Anhalt) besteht keine gesetzliche Regelung. In zwei Ländern (Bremen, Brandenburg) ist das Petitionsrecht in der parlamentarischen Geschäftsordnung nur mit einem relativ kleinen Absatz erwähnt, während eine erheblich umfassendere gesetzliche Regelung besteht. Inhalt 1. Einleitung 4 2. Geschäftsordnungsautonomie des Bundestags 4 2.1. Zustimmungsvorbehalt Bundesrat 5 2.2. Sachlicher Grund 5 2.3. Kernbereich 6 3. Geschäftsordnungsautonomie des Petitionsausschusses 7 4. Drittschützende Wirkung eines Gesetzes 8 5. Formaler Aufwand eines Gesetzes 9 6. Vergleichende Betrachtung der Bundesländer 9 7. Ergebnis 10 - 4 - 1. Einleitung Das Petitionsrecht des Bundes ist derzeit in folgenden vier Regelungen enthalten: - Grundgesetz (Art. 17, Art. 17a, Art. 45c) - Gesetz über die Befugnisse des Petitionsausschusses1 - Geschäftsordnung des Bundestags (§§ 108-112)2 - Grundsätze des Petitionsausschusses über die Behandlung von Bitten und Beschwerden (Verfahrensgrundsätze)3 Diesem Nebeneinander mehrerer Regelungsgefüge ist Kritik begegnet: Die „Regelungen über Petitionen [erscheinen] insgesamt als zu verstreut und undurchsichtig.“4 Die nachfolgende Ausarbeitung prüft, inwieweit die bestehenden Regelungen in einem neuen Petitionsgesetz zusammengefasst werden können. Ferner wird ein Überblick über die Regelungsform des Petitionsrechts in den Ländern gegeben. 1. Geschäftsordnungsautonomie des Bundestags Eine Regelung der §§ 108-112 Geschäftsordnung des Bundestags (GO BT) in einem Gesetz würde die Geschäftsordnungsautonomie des Bundestags berühren. Die in Art. 40 Abs. 1 S. 2 GG verankerte Geschäftsordnungsautonomie gewährleistet, dass der Bundestag seine Arbeitsformen und Verfahren eigenverantwortlich gestalten kann. 5 Dabei ist der Bundestag nicht uneingeschränkt frei, zwischen der Regelungstechnik einer Geschäftsordnung oder eines Gesetzes zu wählen. Denn ein Gesetz eröffnet Mitwirkungsmöglichkeiten anderer Verfassungsorgane und beeinträchtigt so die Geschäftsordnungsautonomie : u. a. das Initiativrecht der Bundesregierung, das Prüfrecht des Bundespräsidenten , die Einspruchsmöglichkeit des Bundesrats und die erweiterte Kontroll- 1 Gesetz nach Artikel 45c des Grundgesetzes vom 19. Juli 1975, BGBl. I S. 1921. 2 In der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Juli 1980 (BGBl. I S. 1237), zuletzt geändert laut Bekanntmachung vom 26. September 2006, BGBl. I S. 2210. 3 Verfahrensgrundsätze vom 8. März 1989, redaktionell geändert durch Beschluss vom 20. Februar 1991, ergänzt durch Beschluss vom 19. Juni 1991, für die 15. Wahlperiode übernommen durch Beschluss vom 13. November 2002, ergänzt durch Beschlüsse vom 1. und 15. Juni 2005. Für die 16. Wahlperiode übernommen durch den Beschluss vom 30. November 2005. Ergänzt um die Richtlinie für die Behandlung von öffentlichen Petitionen gem. Ziff. 7.1 (4) der Verfahrensgrundsätze. 4 BT-Drs. 14/5762, S. 1. 5 Morlok in: Dreier, Grundgesetz Kommentar, 2. Aufl., 2006, Art. 40 Rn. 6. - 5 - möglichkeit durch das BVerfG.6 Ferner bindet ein Gesetz den nachfolgenden Bundestag und beeinträchtigt so die Diskontinuität.7 Gleichwohl ist eine gesetzliche Regelung von Teilbereichen geschäftsordnungsrelevanter Sachverhalte in der Verfassung vorgesehen, so u. a. in Art. 45c Abs. 2 GG hinsichtlich des Petitionsausschusses: „Die Befugnisse des Ausschusses zur Überprüfung von Beschwerden regelt ein Bundesgesetz.“ Dem Wortlaut nach fallen hierunter nur die Befugnisse des Ausschusses gegenüber Dritten. Regelungen von Teilbereichen der Geschäftsordnung durch ein Gesetz über die verfassungsrechtlich vorgegebenen Bereiche hinaus hält das BVerfG für zulässig, „wenn das Gesetz – auch seine Aufhebung – nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, der Kern der Geschäftsordnungsautonomie des Bundestages nicht berührt wird und überdies gewichtige sachliche Gründe dafür sprechen, die Form des Gesetzes zu wählen.“8 1.1. Zustimmungsvorbehalt Bundesrat Die Geschäftsordnung des Bundestags bedarf keiner Zustimmung des Bundesrats. Insoweit bestehen keine Bedenken gegen eine gesetzliche Regelung. 1.2. Sachlicher Grund Ein gewichtiger sachlicher Grund für den gesetzlichen „Eingriff“ in die Geschäftsordnungsautonomie könnte in der zweckmäßigen Ausgestaltung des verfassungsrechtlichen Petitionsrechts der Bürger liegen. Ein über den Auftrag in Art. 45c Abs. 2 GG hinausgehendes Petitionsgesetz könnte für Verfahrens- und Rechtssicherheit sorgen. 9 In seiner Entscheidung aus dem Jahre 1986 hat das BVerfG das Geheimschutzinteresse des Bundes als gewichtigen sachlichen Grund anerkannt für eine gesetzliche Einrichtung des Parlamentarischen Gremiums zur Genehmigung der Wirtschaftspläne der Nachrichtendienste .10 Dabei hat das BVerfG nicht weiter ausgeführt, weshalb das Geheimschutzinteresse des Bundes durch die gesetzliche Form der Regelung eines Ausschusses besser geschützt wird, als durch eine Regelung per Geschäftsordnung. Hier dürfte vor allem der Umstand eine Rolle gespielt haben, dass eine gesetzliche Regelung für das ganze Parlament und für länger planbaren Zeitraum verbindlich ist, eine Geschäftsordnungsre- 6 Morlok in: Dreier, Grundgesetz Kommentar, 2. Aufl., 2006, Art. 40 Rn. 6, 20. BVerfG, NJW 1986, 907 mit Sondervoten Böckenförde und Mahrenholz. 7 Morlok in: Dreier, Grundgesetz Kommentar, 2. Aufl., 2006, Art. 40 Rn. 6; BVerfG, NJW 1986, 907; anderer Auffassung für ein Landesgesetz: Brandenburgische Verfassungsgericht, NVwZ-RR 2003, 798 (799). 8 BVerfG, NJW 1986, 907 (910). 9 So die Begründung zum Entwurf eines Gesetzes über die Behandlung von Petitionen und über die Aufgaben und Befugnisse des Petitionsausschusses des Deutschen Bundestags – Petitionsgesetz – (PetG), BT-Drs. 14/5762, S. 8. 10 BVerfG, NJW 1986, 907 (910). - 6 - gelung jedoch von einer Zweidrittelmehrheit des Parlamentes im Einzelfall ad hoc außer Kraft gesetzt werden kann (§ 126 GO BT). Es erscheint vertretbar, eine verfahrens- und rechtssichere Ausgestaltung des – grundrechtlichen – Petitionsrechts in seiner verfassungsrechtlichen Wertigkeit mit dem Geheimschutzinteresse des Staates zu vergleichen und somit als gewichtigen sachlichen Grund für eine gesetzliche Ausgestaltung des Petitionsrechts grundsätzlich anzuerkennen. 1.3. Kernbereich Jedoch enthalten die §§ 108-112 der GO BT wohl Regelungen, die den Kern der Geschäftsordnungsautonomie betreffen und damit einem gesetzlichen „Eingriff“ entzogen sind. Was in den Kern der Geschäftsordnungsautonomie fällt, hat das BVerfG nicht weiter ausgeführt.11 Der Kernbereich dürfte sich eher nicht bestimmen lassen, indem ihm einzelne parlamentarische Sachverhalte kategorisch zugeordnet werden und andere nicht. Denn letztlich kann je nach Regelungskontext und - inhalt jeder parlamentarische Sachverhalt im Kernbereich der Geschäftsordnungsautonomie liegen. Auch dürfte der quantitative Umfang der gesetzlichen Regelungen für sich genommen nur ein Indiz sein, ob der Kernbereich „verletzt“ ist oder nicht. Vielmehr dürfte ein konkreter parlamentarischer Sachverhalt umso eher in den Kernbereich fallen, umso geringer der Außenbezug des Sachverhalts ist und umso geringer sein Bezug zu den Rechten Dritter, insbesondere der Abgeordneten, Bürger und Verfassungsorgane ist. Rein interne parlamentarische Sachverhalte mit nur marginalem Drit tbezug fallen demnach grundsätzlich in den Kernbereich, wie z. B. Form und Frequenz parlamentarischer Berichte, Organisation und Geschäftsverteilung der Ausschüsse, Abstimmung der Ausschüsse und Abgeordneten untereinander. Andernfalls verbliebe dem Plenum kein nennenswerter Spielraum mehr zur Gestaltung seiner demokratischen Willensbildung . Solche Regelungen interner parlamentarischer Willensbildung enthält aber die Geschäftsordnung des Bundestags zum Petitionsrecht, namentlich in § 109 Abs. 1 S. 2 (Stellungnahme der Fachausschüsse) und Abs. 2 (Hinzuziehung von Abgeordneten in die Ausschusssitzungen), § 111 (Übertragung der Ausschussbefugnisse auf einzelne Ausschussmitglieder), § 112 Abs. 1 und 2 (Frequenz und Vorlagefrist für die Berichte des Ausschusses). Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass ungeachtet der Problematik im Hinblick auf die Geschäftsordnungsautonomie in den Petitionsgesetzen der Länder z. T. entsprechende innerparlamentarische Regelungsmaterien enthalten sind, so z. B. § 5 Petitionsaus- 11 BVerfG, NJW 1986, 907 (910); offen gelassen in BVerfGE 92, 74 (80) = NVwZ 1995, 888. - 7 - schussgesetz Baden-Württemberg12 (Übertragung der Ausschussbefugnisse auf einzelne Ausschussmitglieder), § 4 Abs. 4 Petitionsgesetz Berlin13 (Bestellung zweier Berichterstatter in besonderen Fällen), § 13 Abs. 2 Petitions- und Bürgerbeauftragtengesetz Mecklenburg-Vorpommern14 (Stellungnahme der Fachausschüsse). Hier könnte der Umstand, dass letztlich keine umfassende gesetzliche Regelung des parlamentarischen Verfahrens erfolgt, dafür sprechen, die gesetzliche Form der Regelung für als noch vertretbar zu erachten. Ferner wird die Geschäftsordnungsautonomie der Landtage z. T. anders ausgelegt, als die Geschäftsordnungsautonomie auf Bundesebene.15 Vorgenannte Definition des Kernbereichs der Geschä ftsautonomie dürfte mit der Rechtsprechung des BVerfG jedenfalls im Ergebnis konform gehen. Hiernach falle die Entscheidung über das Ob der Einrichtung eines Ausschusses im Bereich der parlamentarischen Geheimdienstkontrolle nicht in den Kern der Geschäftsordnungsautonomie, da insoweit ein enger Bezug zum Geheimschutzinteresse eines anderen Verfassungsorgans, hier der Bundesregierung, bestehe.16 Für die Verfassungsmäßigkeit des streitgegenständlichen Gesetzes dürfte jedoch mit ausschlaggebend gewesen sein, dass die Zahl der Mitglieder sowie die Zusammensetzung und die Arbeitsweise des Gremiums nicht in dem betreffenden Gesetz geregelt, sondern der Bestimmung durch den Bundestag vorbehalten war.17 2. Geschäftsordnungsautonomie des Petitionsausschusses Nicht nur das Parlament allein verfügt, sondern auch die Ausschüsse einschließlich des Petitionsausschusses dürften über eine gewisse Verfahrensautonomie verfügen.18 Aller- 12 Gesetz über den Petitionsausschuss des Landtags vom 20. Februar 1979, GBl. S. 85. 13 Gesetz über die Behandlung von Petitionen an das Abgeordnetenhaus von Berlin (Petitionsgesetz) vom 25. November 1969, GVBl. S. 2511, zuletzt geändert durch Art. I Zweites ÄndG vom 6. Juli 2006, GVBl. S. 710. 14 Gesetz zur Behandlung von Vorschlägen, Bitten und Beschwerden der Bürger sowie über den Bürgerbeauftragten des Landes Mecklenburg-Vorpommern (Petitions- und Bürgerbeauftragtengesetz - PetBüG M-V) vom 5. April 1995, GVOBl. M-V 1995, S. 190. 15 Brandenburgische Verfassungsgericht, NVwZ-RR 2003, 798 (799), in ausdrücklicher Abweichung zur Entscheidung des entsprechenden Sachverhalts (parlamentarische Geheimdienstkontrolle) durch BVerfG, NJW 1986, 907. 16 BVerfG, NJW 1986, 907 (910); offen gelassen in BVerfGE 92, 74 (80) = NVwZ 1995, 888. 17 § 4 Abs. 9 S. 1 HaushaltsG 1984 vom 9. Dezember 1983; Gesetz über die parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit des Bundes vom 11. April 1978 (BGBl. I S. 453). 18 In der Kommentierung soweit ersichtlich nur Achterberg, Parlamentsrecht, 1984, 682f., der die Freiheit inhaltlicher Weisungen auf die Ausschussautonomie gründet; a. A. Troßmann, Der Bundestag: Verfassungsrecht und Verfassungswirklichkeit , Jahrbuch des öffentlichen Rechts, Band 28, 1979, 1 (233), der zwar ebenfalls von einer sachlichen Weisungsfreiheit ausgeht, nicht jedoch von einer Ausschussautonomie; siehe ferner BVerfG, NJW 2002, 1936 (1938): „Verfahrensautonomie“ des Untersuchungsausschuss; ebenso Bayerischer Verfassungsgerichtshof, DÖV 2007, 338. - 8 - dings sind die Ausschüsse naturgemäß von einer Regelung durch das Parlament abhängig : „Die Verlagerung der Aufgaben des Parlaments in die Ausschüsse bringt zwangsläufig weiteren Regelungsbedarf mit sich, der in erster Linie deren Zusammensetzung und Verfahren betrifft. Auch die Entscheidung hierüber obliegt dem Plenum.“19 In §§ 54-74 Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages sind daher grundsätzliche Verfahrensregelungen für Ausschüsse aufgestellt. Der Freiraum, der über die durch das Plenum vorgegebenen Regelungen hinaus verbleibt , dürfte der Geschäftsordnungsautonomie des Ausschusses unterfallen. So geht § 74 Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages selbst davon aus, dass die Ausschüsse außerhalb der §§ 54-74 über Regelungsspielraum verfügen. Dem entspricht es, wenn das BVerfG an einzelnen Stellen von einer „Verfahrensautonomie“ jedenfalls der Untersuchungsausschüsse spricht: „Es unterliegt der Verfahrensautonomie eines Untersuchungsausschusses zu entsche iden, wie eine Person angehört wird.“20 Durch eine gesetzliche Regelung von Verfahrensgrundsätzen würde die Geschäftsordnungsautonomie des Petitionsausschusses allerdings nicht verletzt. Denn die Geschäftsordnungsautonomie des Petitionsausschusses dürfte nur so weit reichen, wie das Plenum selbst das Verfahren des Ausschusses nicht selbst geregelt hat.21 Der Bundestag hat zwar den Erlass von Verfahrensregeln in § 110 Abs. 1 GO BT an den Petitionsausschuss delegiert. Würde der Bundestag die bisherigen Verfahrensgrundsätze des Petitionsausschusses in einem Gesetz regeln, so müsste hierzu § 110 GO BT entsprechend abgeändert werden und dem Petitionsausschuss die Regelungsbefugnis entzogen werden. Damit würde aber zugleich die bisherige Geschäftsordnungsautonomie des Petitionsausschusses insoweit erlöschen. 3. Drittschützende Wirkung eines Gesetzes Der Geschäftsordnung kommt grundsätzlich keine Außenwirkung zu, es sei denn, die betreffenden Regelungen beruhen auf einer Verfassungsnorm, die ihrerseits Außenwirkung hat.22 Die Geschäftsordnung stellt damit gegenüber Bürgern regelmäßig keine Schutznorm dar. Gesetze hingegen sind jedoch immer dann als Schutznorm eines Bür- 19 Verfassungsgerichtshof Mecklenburg-Vorpommern, LKV 2001, 512 (511f.), der daher einen „unbestimmten “ und „unbegrenzten“ Einsetzungsbeschluss eines Ausschusses für unzulässig erachtet. 20 NJW 2002, 1936 (1938); ebenso Bayerischer Verfassungsgerichtshof, DÖV 2007, 338. 21 Vgl. Verfassungsgerichtshof Mecklenburg-Vorpommern, LKV 2001, 512 (511f.): „Die Verlagerung der Aufgaben des Parlaments in die Ausschüsse bringt zwangsläufig weiteren Regelungsbedarf mit sich, der in erster Linie deren Zusammensetzung und Verfahren betrifft. Auch die Entscheidung hierüber obliegt dem Plenum.“ 22 Pieroth in: Jarass/Pieroth, Grundgesetz, 8. Aufl., 2006, Art. 40 Rn. 7. - 9 - gers anzusehen, wenn sie neben dem allgemeinen Interesse zumindest auch dem Schutz von Individualinteressen zu dienen bestimmt sind.23 Die in der Geschäftsordnung des Bundestags und den Verfahrensregeln des Petitionsausschusses enthaltenen Bestimmungen könnten teilweise bei gesetzlicher Ausgestaltung die vorgenannte drittschützende Wirkung entfalten, so z. B. § 112 Abs. 3 Geschäftsordnung (begründete Mitteilung über die Erledigung der Petition an die Petenten) oder Nr. 9 Verfahrensgrundsätze des Petit ionsausschusses (Bekanntgabe der Beschlüsse ). Diese drittschützende Wirkung kann erklärtes Ziel einer gesetzlichen Regelung sein.24 Dabei ist bei der Formulierung des Gesetzes darauf zu achten, dass eine dritschützende Wirkung aus solchen Regelungen nicht hergeleitet werden kann, bei denen ein Drittschutz nicht gewünscht ist. 4. Formaler Aufwand eines Gesetzes Während die Geschäftsordnung durch schlichten innerparlamentarischen Rechtsakt erlassen werden kann25, ist ein Gesetzesverfahren schon in verfassungsrechtlicher Hinsicht zeitlich und formal aufwändiger (vgl. Art. 77 GG). 2. Vergleichende Betrachtung der Bundesländer In nahezu allen Bundesländern bestehen zu Petitionen Regelungen in den Verfassungen, in Form eines Landesgesetzes und auf Ebene der parlamentarischen Geschäftsordnung, mit folgenden vier Ausnahmen, bei denen keine gesetzliche Regelung besteht : - Das Land Hessen verfügt über kein Petitionsgesetz. Art. 16 und 94 der Landesverfassung enthalten auch keine Ermächtigungsnorm für ein Petitionsgesetz. - Das Land Niedersachsen verweist in Art. 3 der Verfassung auf Art. 17 GG. Im Übrigen besteht kein Petitionsgesetz, jedoch enthält die Geschäftsordnung des Landtags entsprechende Bestimmungen. - Das Saarland verfügt über kein Petitionsgesetz. Art. 20, 78 und 79 der Landesverfassung enthalten auch keine Ermächtigungsnorm für ein Petitionsgesetz. Jedoch 23 Kopp/Schenke, VwGO, 13. Aufl., 2003, § 42 Rn. 83. 24 Begründung zum Entwurf eines Gesetzes über die Behandlung von Petitionen und über die Aufgaben und Befugnisse des Petitionsausschusses des Deutschen Bundestags – Petitionsgesetz – (PetG), BT-Drs. 14/5762, S. 8: Den petitionsrechtlichen Regelungen „fehlt aber der Gesetzescharakter. Rechtspositionen können unmittelbar aus ihnen nicht hergeleitet werden.“ 25 Achterberg/Schulte in: v. Mangoldt u. a., Kommentar zum Grundgesetz, 5. Aufl., 2005, Art. 40 Rn. 54. - 10 - existieren Bestimmungen zum Petitionsrecht in der Geschäftsordnung des Landtags . - Das Land Sachsen-Anhalt verfügt über kein Petitionsgesetz, jedoch enthält Art. 61 der Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt Bestimmungen über die Rechte des Petitionsausschusses . Die Ermächtigung in Art. 61 Abs. 3 S. 5 zum Erlass eines Gesetzes über die Beweiserhebung hat das Land Sachsen-Anhalt bislang nicht genutzt .26 Die Grundsätze des Petitionsausschusses gem. § 48 Geschäftsordnung des Landtags sind im Anhang zur Geschäftsordnung des Landtags veröffentlicht.27 In zwei Ländern (Bremen28, Brandenburg29) ist das Petitionsrecht in der parlamentarischen Geschäftsordnung nur mit einem relativ kleinen Absatz erwähnt, während eine erheblich umfassendere gesetzliche Regelung besteht. Der Landtag in Mecklenburg- Vorpommern hat ferner umfassende „Grundsätze zur Behandlung von Eingaben an den Landtag“ 30 beschlossen, die Bestandteil der Geschäftsordnung des Landtags sind.31 In der Anlage sind die Regelungen der 16 Bundesländer und des Bundes in der Verfassung , durch Gesetz und auf Ebene der Geschäftsordnung des Parlaments im Einzelnen zusammengestellt. Ferner wurden auf Ebene der Petitionsausschüsse Regelungen des Bundespetitionsausschusses und des Petitionsausschusses des Landes Sachsen-Anhalt beigefügt. Inwieweit in den Petitionsausschüssen aller Bundesländer Verfahrensgrundsätze bestehen und ob diese ggf. schriftlich fixiert sind, wurde mangels Öffentlichkeit dieser Regelungen zunächst nicht recherchiert. 3. Ergebnis Bei der bundesgesetzlichen Regelung von Verfahrensregeln, die in den Bereich der parlamentarischen Geschäftsordnung fallen, ist folgendes zu beachten: 1. Werden das Plenum und der Petitionsausschuss durch ein Bundesgesetz über ein bestimmtes Maß hinaus an Verfahrensregeln gebunden, dürfte dies gegen die Ge- 26 Ohne das noch zu erlassende Gesetz werden die Bestimmungen der Strafprozessordnung entsprechend angewandt, Reich, Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt, Kommentar, 2. Aufl., 2004, Art. 61 Rn. 5. 27 Geschäftsordnung des Landtages 5. Wahlperiode, Drucksache des Landtags Sachsen-Anhalt 5/1/3 B. 28 § 70 Geschäftsordnung der Bremischen Bürgerschaft in der Fassung des Übernahmebeschlusses vom 3. Juli 2003. 29 § 85 Geschäftsordnung des Landtages vom 31. Januar 2005. 30 Geschäftsordnung des Landtages Mecklenburg-Vorpommern vom 16. Oktober 2006, GVOBl. M-V 2006, S. 783, Anlage 3. 31 § 13 Abs. 3 Petitions- und Bürgerbeauftragtengesetz, § 67 Abs. 4 Geschäftsordnung des Landtages Mecklenburg-Vorpommern vom 16. Oktober 2006, GVOBl. M -V 2006, S. 783. - 11 - schäftsordnungsautonomie (Art. 40 Abs. 1 S. 2 GG) des Parlaments verstoßen mit der Folge der Unwirksamkeit des Gesetzes. 4. Gesetzliche Regelungen können im Unterschied zu parlamentarischen Verfahrensgrundsätzen weitreichende drittschützende Wirkung gegenüber Bürgern entfalten. 5. Nachträgliche Anpassungen eines Bundesgesetzes sind formal aufwändiger als bei parlamentarischen Verfahrensgrundsätzen. In den Ländern ist das Petitionsrecht ganz überwiegend ebenfalls in der Verfassung, in einem Gesetz und in der Geschäftsordnung des Parlaments enthalten. Lediglich in vier Ländern (Hessen, Niedersachsen, Saarland, Sachsen-Anhalt) besteht keine gesetzliche Regelung. In zwei Ländern (Bremen, Brandenburg) ist das Petitionsrecht in der parlamentarischen Geschäftsordnung nur mit einem relativ kleinen Absatz erwähnt, während eine erheblich umfassendere gesetzliche Regelung besteht. (