© 2017 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 185/17 Einbürgerung von EU-Ausländern Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 185/17 Seite 2 Einbürgerung von EU-Ausländern Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 185/17 Abschluss der Arbeit: 04.10.2017 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 185/17 Seite 3 1. Fragestellung und Einleitung Der Sachstand thematisiert die Voraussetzungen, die EU-Ausländer zur Erlangung der deutschen Staatsangehörigkeit erfüllen müssen. Dabei ist vorab darauf hinzuweisen, dass ein besonderes Einbürgerungsrecht für EU-Ausländer nicht existiert. Zu ihrer Einbürgerung müssen Staatsangehörige aus anderen EU-Staaten grundsätzlich die gleichen Voraussetzungen erfüllen, die auch bei einer Einbürgerung anderer Ausländer erforderlich sind.1 Besonderheiten bestehen jedoch hinsichtlich einer möglichen Mehrstaatigkeit sowie der erleichterten Erlangung eines unbefristeten Aufenthaltsrechts. 2. Allgemeine Voraussetzungen einer Einbürgerung Dauerhaft in Deutschland lebende Ausländer haben unter bestimmten Voraussetzungen einen Anspruch darauf, die deutsche Staatsangehörigkeit durch Einbürgerung zu erwerben, § 10 Staatsangehörigkeitsgesetz (StAG).2 Grundsätzlich sind nach § 10 Abs. 1 StAG folgende Bedingungen zu erfüllen: – ein unbefristetes Aufenthaltsrecht zum Zeitpunkt der Einbürgerung, – seit acht Jahren gewöhnlicher und rechtmäßiger Aufenthalt in Deutschland, – Lebensunterhaltssicherung (auch für unterhaltsberechtigte Familienangehörige) ohne Sozialhilfe und Arbeitslosengeld II, – ausreichende Deutschkenntnisse, – Kenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung sowie der Lebensverhältnisse in Deutschland, – keine Verurteilung wegen einer Straftat, – Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland und – Verlust bzw. Aufgabe der bisherigen Staatsangehörigkeit. Das Vorliegen der genannten Voraussetzungen muss der Ausländer im Einbürgerungsverfahren durch geeignete Dokumente nachweisen. Die Kenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung sowie der Lebensverhältnisse in Deutschland sind in der Regel durch einen Einbürgerungstest nachzuweisen (§ 10 Abs. 5 S. 1 StAG). 1 Berlit, in: Fritz/Vormeier [Hrsg.], Gemeinschaftskommentar zum Staatsangehörigkeitsrecht, 35. AL 2017, § 10 StAG Rn. 55. 2 Die Ausführungen entstammen der Dokumentation der Wissenschaftlichen Dienste zum Thema: Zum Einwanderungs - und Einbürgerungsrecht in den USA, Kanada, Deutschland und in anderen ausgewählten EU- Mitgliedstaaten, Az. WD 3 - 3000 - 135/17. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 185/17 Seite 4 Erleichterte Einbürgerungsbedingungen gelten nach § 10 Abs. 2-4 und Abs. 6 StAG für besondere Personengruppen (z.B. Kinder, ältere Menschen) sowie für Personen, die besondere Integrationsleistungen erbracht haben. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, von den oben genannten Voraussetzungen im Rahmen der sogenannten Ermessenseinbürgerung nach § 8 StAG zugunsten des Ausländers abzuweichen. Bei der Ermessenseinbürgerung besteht kein Anspruch auf Einbürgerung ; vielmehr liegt die Verleihung der deutschen Staatsangehörigkeit bei Vorliegen bestimmter Mindestvoraussetzungen im Ermessen der Behörde. Die Ermessenseinbürgerung findet insbesondere auf Ehegatten oder Lebenspartner von Deutschen Anwendung (§ 9 StAG). Eine Einbürgerung ist nach § 11 StAG ausgeschlossen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche, extremistische oder terroristische Bestrebungen oder Betätigungen durch den Ausländer bestehen. Dieser Ausschlussgrund gilt für die Anspruchseinbürgerung und für die Ermessenseinbürgerung. Die bisherige Staatsangehörigkeit muss bei der Anspruchseinbürgerung nach § 10 StAG und bei der Ermessenseinbürgerung nach § 8 StAG grundsätzlich aufgegeben werden. Ausnahmen bestehen hierbei jedoch grundsätzlich zugunsten von Staatsangehörigen der EU-Mitgliedstaaten und der Schweiz. Bei ihnen wird die Mehrstaatigkeit generell erlaubt.3 3. Aufenthaltsrecht von EU-Ausländern Nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 StAG ist für die Einbürgerung ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht erforderlich.4 Ein solches Recht besitzen vor allem freizügigkeitsberechtigte Unionsbürger. Deren Freizügigkeitsrecht ergibt sich in aller Regel bereits unmittelbar aus dem Unionsrecht.5 Nach Art. 21 Abs. 1 AEUV hat jeder Unionsbürger das Recht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten vorbehaltlich der in den Verträgen und in den Durchführungsvorschriften vorgesehenen Beschränkungen und Bedingungen frei zu bewegen und aufzuhalten. Das Freizügigkeitsgesetz/EU (FreizügG/EU)6 regelt u.a. den Aufenthalt und den Daueraufenthalt der Unionsbürger. Weitere Vorschriften über die Berechtigung zur Aufnahme einer abhängigen Beschäftigung oder einer selbständigen Tätigkeit sind nicht erforderlich, sondern folgen unmittelbar aus dem Unionsrecht (Arbeitnehmerfreizügigkeit, Niederlassungs- und Dienstleitungsfreiheit). Aufenthaltsberechtigt sind die Unionsbürger nach § 2 Abs. 1 FreizügG/EU, wenn sie nach § 2 Abs. 2 FreizügG/EU freizügigkeitsberechtigt sind. Die Freizügigkeitsberechtigung folgt aus § 2 Abs. 2 FreizügG/EU und umfasst u.a.: 3 Hailbronner/Hecker, in: Hailbronner/Maaßen/Hecker/Kau, Staatsangehörigkeitsrecht, 6. Auflage 2017, § 12 StAG Rn. 48. 4 Die Ausführungen entstammen der Ausarbeitung der Wissenschaftlichen Dienste zum Thema: Einwanderung nach Deutschland - Bestandsaufnahme der geltenden ausländerrechtlichen Regelungen, Az. WD 3 - 3000 - 111/16. 5 Vgl. Hailbronner/Hecker, in: Hailbronner/Maaßen/Hecker/Kau, Staatsangehörigkeitsrecht, 6. Auflage 2017, § 10 StAG Rn. 26. 6 Zur Entwicklung des Freizügigkeitsgesetzes Brinkmann, Zehn Jahre Freizügigkeitsgesetz, ZAR 2014, 13 ff. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 185/17 Seite 5 – Nr. 1: Unionsbürger, die sich als Arbeitnehmer oder zur Berufsausbildung aufhalten wollen, – Nr. 1a: Unionsbürger, die sich zur Arbeitsuche aufhalten, für bis zu sechs Monate und darüber hinaus nur, solange sie nachweisen können, dass sie weiterhin Arbeit suchen und begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden, – Nr. 2: Unionsbürger, wenn sie zur Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit berechtigt sind (niedergelassene selbständige Erwerbstätige), – Nr. 3: Unionsbürger, die, ohne sich niederzulassen, als selbständige Erwerbstätige Dienstleistungen im Sinne des Artikels 57 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union erbringen wollen (Erbringer von Dienstleistungen), wenn sie zur Erbringung der Dienstleistung berechtigt sind, – Nr. 4: Unionsbürger als Empfänger von Dienstleistungen, – Nr. 5: nicht erwerbstätige Unionsbürger unter den Voraussetzungen des § 4, – Nr. 6: Familienangehörige unter den Voraussetzungen der §§ 3 und 4, – Nr. 7: Unionsbürger und ihre Familienangehörigen, die ein Daueraufenthaltsrecht erworben haben. Hervorzuheben ist, dass nicht erwerbstätige Unionsbürger dann freizügigkeitsberechtigt sind, wenn sie über ausreichenden Krankenversicherungsschutz und ausreichende Existenzmittel verfügen, § 4 FreizügG/EU. Unter bestimmten Voraussetzungen, in der Regel nach fünfjährigem ständigen und rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet, wandelt sich das Aufenthaltsrecht in ein Daueraufenthaltsrecht (§ 4a FreizügG/EU), das das Vorliegen der Freizügigkeitsberechtigung (§ 2 Abs. 2 FreizügG/EU) nicht mehr voraussetzt. Die (drittstaatsangehörigen) Familienangehörigen verfügen über kein originäres Freizügigkeitsrecht, aber sie partizipieren am Aufenthaltsstatus des Unionsbürgers.7 Nach § 3 FreizügG/EU können Familienangehörige (u.a. Ehegatten, Lebenspartner und Kinder, § 3 Abs. 2 FreizügG/EU) den Unionsbürger begleiten oder ihm nachziehen. Nach in der Regel fünfjährigem gemeinsamem Aufenthalt mit dem Unionsbürger steht ihnen – wie den Unionsbürgern – das Daueraufenthaltsrecht gemäß § 4a Abs. 1 S. 2 FreizügG/EU zu. Besondere Anforderungen an die soziale Integration bestehen gegenüber Familienangehörigen von Unionsbürgern nicht. § 11 Abs. 1 FreizügG/EU verweist nur auf die Anwendung des § 44 Abs. 4 AufenthG, der eine Teilnahme an einem Integrationskurs bei freien Kapazitäten zulässt, aber nicht zur Teilnahme verpflichtet. 7 Vgl. dazu auch die sog. Freizügigkeitsrichtlinie der EU, RL 2003/86/EU. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 185/17 Seite 6 4. Dauer des erforderlichen Aufenthaltes Gemäß § 10 Abs. 1 StAG ist der achtjährige Aufenthalt eine Voraussetzung der Einbürgerung. Nach § 12 b Abs. 1 S. 1 StAG wird dieser nicht unterbrochen, wenn die Auslandsaufenthalte nicht länger als sechs Monate dauern. Eine explizite Ausnahme für Unionsbürger ist nicht vorgesehen. Die Regelung wird in der juristischen Literatur als gerechtfertigte Beschränkung der unionsrechtlichen Freizügigkeitsrechte angesehen.8 Diesem Ansatz folgend, müssen auch Unionsbürger zur Erlangung der deutschen Staatsangehörigkeit einen entsprechenden Mindestaufenthalt nachweisen. *** 8 Hailbronner/Hecker, in: Hailbronner/Maaßen/Hecker/Kau, Staatsangehörigkeitsrecht, 6. Auflage 2017, § 12 b StAG Rn. 6.