Deutscher Bundestag Gesetzgebungskompetenz des Bundes für eine Fachkräftequote in Pflegeheimen Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste WD 3 – 3000 – 185/12 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 185/12 Seite 2 Gesetzgebungskompetenz des Bundes für eine Fachkräftequote in Pflegeheimen Verfasser/in: Aktenzeichen: WD 3 – 3000 – 185/12 Abschluss der Arbeit: 21. Juni 2012 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Telefon: Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 185/12 Seite 3 1. Einleitung Bis zur Föderalismusreform I lag die Gesetzgebungskompetenz für das Heimrecht insgesamt beim Bund. Rechtsgrundlage für den Schutz von Heimbewohnern ist das Heimgesetz (HeimG) vom 5. November 2001.1 Das Gesetz enthielt sowohl zivilrechtliche Regelungen, z.B. über die zwischen Heimträgern und Heimbewohnern zu schließenden Verträge als auch ordnungsrechtliche Vorschriften. Nunmehr besitzen die Länder die Gesetzgebungskompetenz für das (ordnungsrechtliche) Heimrecht.2 Aus dem ehemals umfassenden Kompetenztitel des Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 Grundgesetz (GG) (öffentliche Fürsorge) ist das Heimrecht ausdrücklich ausgeschlossen. Nach der Übergangsregelung des Art. 125a Abs. 1 GG gilt Recht, dass als Bundesrecht u.a. nach Art. 74 Abs. 1 GG erlassen wurde, als Bundesrecht fort. Es kann durch Landesrecht ersetzt werden. Diverse Bundesländer haben nach der Föderalismusreform I eigene (ordnungsrechtliche) Regelungen des Heimrechts geschaffen (z. B. Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Hamburg, Rheinland -Pfalz u. a), die das Bundesrecht auf ihrem Gebiet ersetzen. In den übrigen Ländern gilt weiterhin das HeimG. Unabhängig davon besitzt der Bund für das vertragliche Heimrecht aufgrund seiner konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz für das bürgerliche Recht weiterhin die Regelungskompetenz (Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG).3 Seit dem 1. Oktober 2009 richten sich die vertraglichen Rechte und Pflichten bundesgesetzlich nach dem Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz (WBVG). Das WBVG hat die §§ 5 bis 9 HeimG abgelöst. Nachfolgend ist zu prüfen, ob der Bundesgesetzgeber eine Fachkräftequote in Pflegeheimen festlegen könnte. 2. Geltende bundesrechtliche Regelungen zum Fachkräfteanteil Nach § 3 Abs. 1 HeimG sind Heime verpflichtet, ihre Leistungen nach dem jeweils anerkannten Stand fachlicher Erkenntnisse zu erbringen. Eine Ermächtigung zu einer Durchführungsverordnung erteilt in Bezug auf die Eignung der Leitung des Heims und der Beschäftigen § 3 Abs. 2 Nr. 2 HeimG. Hiervon wurde mit der Verordnung über personelle Anforderungen (HeimPersV) Gebrauch gemacht. Eine Regelung über den Fachkräfteanteil in Bezug auf betreuende Tätigkeiten 1 Siehe hierzu auch: , Wohnbetreuungsvertragsgesetz und Heimgesetze der Bundesländer , Deutscher Bundestag, Wissenschaftliche Dienste, Ausarbeitung, WD 3 – 3000 – 191/10. 2 Siehe auch: http://www.bmfsfj.de/BMFSFJ/aeltere-menschen,did=129296.html. 3 Da das Bürgerliche Recht der so genannten konkurrierenden Gesetzgebung unterliegt, sind die Länder aber auch berechtigt, über die öffentlich-rechtlichen Ordnungsvorschriften hinaus, einen Heimvertrag in seinem Wesen und seinem Inhalt zivilrechtlich zu beeinflussen. Wegen des Spezialitätenprinzips können sie, soweit nicht gegen Bundesrecht verstoßen wird, unmittelbar bürgerlich-rechtlich wirkende Gesetze schaffen (so Drasdo, Michael, Der Heimvertrag nach der Föderalismusreform, in: NVwZ 2008, 639, 641). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 185/12 Seite 4 enthält bereits § 5 Abs. 1 HeimPersV: “Betreuende Tätigkeiten dürfen nur durch Fachkräfte oder unter angemessener Beteiligung von Fachkräften wahrgenommen werden. Hierbei muß mindestens einer, bei mehr als 20 nicht pflegebedürftigen Bewohnern oder mehr als vier pflegebedürftigen Bewohnern mindestens jeder zweite weitere Beschäftigte eine Fachkraft sein. In Heimen mit pflegebedürftigen Bewohnern muß auch bei Nachtwachen mindestens eine Fachkraft ständig anwesend sein.“ 3. Anpassungs- und Änderungsbefugnis des Bundesgesetzgebers Es stellt sich nun die Frage, ob der Bundesgesetzgeber befugt wäre, diese Quotenregelung abzuwandeln . Hierfür ist die unter 1. bereits genannte Regelung des Art. 125a Abs. 1 GG maßgeblich. Sie bestimmt die „Fortgeltung“ des Bundesrechts bei Änderung der konkurrierenden Gesetzgebungsbefugnis , d. h. auch hier in Bezug den Verlust der Regelungskompetenz des Bundes für das Heimrecht. Die Reichweite des Art. 125a Abs. 1 GG ist umstritten: Nach einer Ansicht4 ist hiernach jegliche Änderungs- und Anpassungskompetenz des Bundes zu verneinen, denn es bestehe eben gerade keine sachliche Zuständigkeit des Bundes mehr nach Art. 74 Abs. 1 GG. Zudem sei auch keine „Versteinerung“ des Bundesrechts zu befürchten, weil die Länder ihrerseits eine Ersetzungsbefugnis besäßen. Daher sei auch kein Bedarf für eine Anpassungs - und Änderungsbefugnis des Bundes gegeben. Anders als bei Art. 125a Abs. 2 GG, wo der Bund über die Ersetzung durch die Länder bestimme, komme bei der Konstellation des Abs. 1 allein den Ländern die Befugnis zu, über den Änderungs- und Anpassungsbedarf zu entscheiden . Folgt man dieser Argumentation, so wäre eine Änderung der bestehenden Fachkräfteregelung nach HeimPersV ausgeschlossen. Nach anderer Auffassung5 spricht die Tatsache, dass Art. 125a Abs. 1 GG allein die Ersetzungsbefugnis der Länder regelt, für eine verbleibende Anpassungskompetenz des Bundes. Diese beinhalte jedenfalls die Befugnis des Bundesgesetzgebers, die betroffenen Regelwerke mit der Zeit fortzuschreiben und an die geänderten Verhältnisse anzupassen. Eine grundlegende Neukonzeption sei jedoch nicht von Art. 125a Abs. 1 GG gedeckt.6 Die Abgrenzung der Anpassung von der Neukonzeption könne mitunter schwierig sein. Folgt man dieser Ansicht, so wäre eine Änderung der bundesgesetzlichen Vorschriften des Heimrechts einschließlich der Durchführungsverordnungen nicht per se ausgeschlossen. Ob es sich bei einer Änderung der Fachkräftequotenregelung allerdings tatsächlich um eine solche Fortschreibungsregelung handelte, ist eine Frage der Begründung einer solchen Bestimmung und hängt letztlich von ihrer konkreten Ausgestaltung ab. 4 So Degenhart, in: Sachs, GG, 5. Aufl., 2009, Art. 125a Rn. 7. 5 So Uhle, in: Maunz/Dürig/Herzog u.a., Grundgesetz, Bd. VII, Stand: Jan. 2012, Art. 125a Rn. 27 ff. (Stand: März 2006). 6 Uhle, in: Maunz/Dürig/Herzog u.a., Art. 125a Rn. 28.