Deutscher Bundestag Schule und Bundeswehr Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste © 2010 Deutscher Bundestag WD 3 – 3000 – 185/10 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 185/10 Seite 2 Schule und Bundeswehr Verfasser/in: Aktenzeichen: WD 3 – 3000 – 185/10 Abschluss der Arbeit: 30. April 2010 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Telefon: Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 185/10 Seite 3 1. Einleitung Nach Art. 6 Abs. 2 Grundgesetz (GG) sind Pflege und Erziehung der Kinder das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft, der damit ein Wächteramt zukommt, das zum Wohle des Kindes besteht. Jenseits dieses Wächteramtes hat das GG neben den Eltern in Art. 7 Abs. 1 GG auch dem Staat einen eigenständigen Erziehungsauftrag zugewiesen. Die Bildungs- und Erziehungsziele sind in den Schulgesetzen der Länder festgelegt und konkretisiert. So wird etwa nach § 4 Abs. 1 des Schleswig -Holsteinischen Schulgesetzes vom 24. Januar 2007 (SchulG SLH)1 der Auftrag der Schule bestimmt durch das Recht des jungen Menschen auf eine seiner Begabung, seinen Fähigkeiten und seiner Neigung entsprechende Erziehung und Ausbildung, durch das Recht der Eltern auf eine Schulbildung ihres Kindes sowie durch die staatliche Aufgabe, die einzelne Schülerin und den einzelnen Schüler auf ihre Stellung als Bürgerin und Bürger mit den entsprechenden Rechten und Pflichten vorzubereiten. § 4 Abs. 2 SchulG SLH weist der Schule die Aufgabe zu, die geistigen, seelischen und körperlichen Fähigkeiten des jungen Menschen unter Wahrung des Gleichberechtigungsgebots zu entwickeln. Dabei ist der Bildungsauftrag der Schule ausgerichtet an den im GG verankerten Menschenrechten, den sie begründenden christlichen und humanistischen Wertvorstellungen und an den Ideen der demokratischen, sozialen und liberalen Freiheitsbewegungen . Nach § 4 Abs. 4 Satz 1 SchulG SLH soll die Schule die Offenheit des jungen Menschen gegenüber kultureller Vielfalt, den Willen zur Völkerverständigung und die Friedensfähigkeit fördern. Das Verhältnis des Elternrechts und des staatlichen Erziehungsauftrages, die in der Schule aufeinander treffen, wird vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) als das der Gleichordnung gesehen ; Eltern und Staat obliegt damit eine gemeinsame Erziehungsaufgabe, die von Eltern und Schule in einem sinnvoll aufeinander bezogenen Zusammenwirken zu erfüllen ist.2 Geraten im Einzelfall das elternrechtliche Erziehungsrecht und der staatliche Erziehungsauftrag in Kollision, ist im Zusammenwirken von Eltern und Schulverwaltung bzw. Schule ein gerechter Ausgleich herbeizuführen. Der Staat muss bei der Bestimmung der Erziehungsziele in der Schule auf die Vorstellung der Eltern so weit wie möglich Rücksicht nehmen, da das GG kein ausschließliches Erziehungsrecht der einen oder anderen Seite begründet.3 Die Eltern haben allerdings das alleinige Recht, über den sogenannten Gesamtplan der Erziehung des Kindes zu entscheiden. Darunter fällt insbesondere das Recht der Eltern, zwischen den verschiedenen Bildungswegen und den verschiedenen Schularten, die vom Staat zur Verfügung gestellt werden, zu wählen und sich für denjenigen Bildungsweg zu entscheiden, den sie für ihr Kind am geeignetsten halten.4 1 GVOBl. 2007, 39, zuletzt geändert durch Art. 2 des Gesetzes vom 18. Januar 2010, GVOBl. S. 356. 2 BVerfGE 34, 165 (183); 98, 218 (244 f.). 3 Brenner, Meine Rechte in der Schule, 2. Auflage 2004, S. 67. 4 Brenner (Fn. 3), S. 62. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 185/10 Seite 4 2. Inhalt der Schulpflicht Wurde die Schulpflicht in Preußen bereits 1717, in anderen deutschen Ländern teilweise noch früher eingeführt, wurde sie bis zum Ende des 19. Jahrhunderts als Unterrichtspflicht verstanden, wobei die Erziehungsberechtigten dafür sorgen mussten, dass den Kindern Unterricht erteilt wurde, der den Mindestanforderungen der öffentlichen Volksschule entsprach. Nach diesem Verständnis konnte der Schulpflicht auch genügt werden, wenn häuslicher Unterricht, etwa durch einen Privatlehrer, erteilt wurde. Erst 1919 setzte sich das heutige Verständnis der Schulpflicht in dem Sinne durch, dass sie zum Besuch einer öffentlichen Schule (oder einer privaten Ersatzschule) verpflichtete. Es handelt sich um eine staatsbürgerliche Pflicht, welche die regelmäßige Teilnahme am Unterricht und an den übrigen für die Schüler verbindlichen Veranstaltungen beinhaltet, die mit dem Schulunterricht in unmittelbaren Zusammenhang stehen. Dabei kommt der Staat mit der Anordnung der Schulpflicht gleichzeitig seiner Verantwortung für das Schulwesen nach, insbesondere dem ihm obliegenden Erziehungsauftrag, und unterbreitet dem schulpflichtigen Kind ein Bildungsangebot mit der Möglichkeit, Wissen zu erwerben.5 Sind Eltern mit den Lehrinhalten der Schule nicht einverstanden, stellt dies grundsätzlich keinen Grund für eine Befreiung von der Schulpflicht dar. Dabei spielt es keine Rolle, aus welchem Grund die Eltern mit den Lehrinhalten nicht einverstanden sind. Weder sachliche, religiöse, weltanschauliche noch ideologische Gründe rechtfertigen eine Befreiung von der Schulpflicht.6 Allerdings ist in Ausnahmekonstellationen die Befreiung vom Unterricht aus wichtigem Grund möglich.7 Allgemeine – zum Beispiel verfassungsrechtliche – Bedenken gegen eine unerwünschte schulische Veranstaltung reichen nicht aus.8 Das Vorliegen eines „wichtigen Grundes“ ist nur dann zu bejahen, wenn im Einzelfall bestimmte Umstände dafür sprechen, einzelne oder mehrere Schüler von der Pflicht zur Teilnahme am Unterricht zu befreien.9 So können sich aus der Religions - und Gewissensfreiheit im Sinne des Art. 4 Abs.1 GG entsprechende Ansprüche ergeben.10 Hier wird zwischen der Beurlaubung aus Anlass religiöser Feste und Feiertage und der Abmeldung vom Unterricht in bestimmten Fächern unterschieden. Beurlaubung aus Anlass religiöser Feste und Feiertage entfällt weitgehend bei Angehörigen der christlichen Glaubensgemeinschaften , da an den meisten hohen christlichen Feiertagen und am Sonntag kraft Gesetzes kein Unterricht erteilt wird. Auch der jüdische Sabbat bereitet in der Regel keine Schwierigkeiten, da der Samstag meist unterrichtsfrei ist oder der Umfang des Unterrichts beschränkt ist. Der Freitag, der für die Muslime entscheidend ist, stellt einen regulären Unterrichtstag dar, weshalb die Befreiung vom Unterricht teilweise für unzulässig gehalten wird.11 Nach den meisten Auslegungen des Koran ist der Freitag allerdings kein Ruhetag, weshalb es teilweise als in der Regel ausreichend angesehen wird, wenn gläubigen Muslimen Gelegenheit zur Teilnahme am Mittagsgebet gegeben 5 Brenner (Fn. 3), S. 99. 6 Brenner (Fn. 3), S. 100 f. 7 Niehues/Rux, Schul- und Prüfungsrecht, Band 1, 4. Auflage 2006, Rn. 296. 8 VG Berlin, NVwZ 1999, 907. 9 Niehues/Rux (Fn. 7), Rn. 296. 10 Niehues/Rux (Fn. 7), Rn. 299. 11 Kloepfer, DÖV 2006, 45. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 185/10 Seite 5 wird.12 Eine Befreiung vom Sportunterricht kommt aus gesundheitlichen, aber auch aus religiösen Gründen, in Betracht, wenn nämlich eine – meistens muslimische – Schülerin durch die Teilnahme am koedukativen Sportunterricht, namentlich am Schwimmunterricht, in religiöse Gewissenskonflikte gerät.13 Oft wird man diesem Problem dadurch abhelfen können, dass nach Geschlecht getrennter Sportunterricht erteilt wird. Die Rechtsprechung lehnt einen Anspruch auf Befreiung vom Sexualkundeunterricht ab, wenn dieser auf gesetzlicher Grundlage erteilt wird und den gesetzlichen Anforderungen genügt. Es darf als allgemein anerkannt gelten, dass Kenntnisse über die Fortpflanzung des Menschen, über Methoden der Verhütung und zum Schwangerschaftsabbruch und zum Schutz vor Geschlechtskrankheiten vermittelt werden dürfen, aus Gründen des Jugendschutzes sogar vermittelt werden müssen, um die Schüler über Gefahren zu belehren, die mit der Sexualität zusammenhängen.14 Freilich darf der Sexualkundeunterricht nicht auf einer einseitig fixierten Sexualideologie beruhen, sondern muss für die verschiedenen Wertvorstellungen auf diesem Gebiet offen sein.15 Es darf nicht versucht werden, die Schüler auf eine bestimmte Einstellung zu sexuellen Fragen festzulegen.16 Da die Sexualerziehung auf der anderen Seite notwendigerweise ein werterfüllter Vorgang ist, fließen in sie objektive Wertentscheidungen der Verfassung ein, wie etwa die Achtung der Würde des Menschen und seines Rechts auf freie Entfaltung der Persönlichkeit, einschließlich der Pflicht, das eigene Verhalten zu verantworten, sowie das grundlegende Ziel der Erziehung zur Toleranz.17 Soweit ersichtlich, fehlt eine derart dezidierte höchstrichterliche Rechtsprechung zur Behandlung der Bundeswehr im Pflichtteil des Schulunterrichts. Das Bundesverfassungsgericht hat zum staatlichen Erziehungsauftrag allgemein ausgeführt:18 „Der staatliche Erziehungsauftrag (Art. 7 GG), zu dem auch die inhaltliche Festlegung der Unterrichtsziele und des Unterrichtsstoffs zählen, und die zu seiner Konkretisierung erlassene allgemeine Schulpflicht beschränken in zulässiger Weise das elterliche Erziehungsrecht (Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG); der Staat überschreitet seine Befugnisse erst, wenn er die notwendige Neutralität und Toleranz gegenüber den erzieherischen Vorstellungen der Eltern vermissen lässt, die ihrerseits zur Toleranz gegenüber andersdenkenden Eltern verpflichtet sind und den staatlichen Erziehungsauftrag hinzunehmen haben […].“19 Bei Eintritt der Volljährigkeit eines Schülers erlischt das Vertretungsrecht der Eltern; der volljährige Schüler nimmt seine Rechte gegenüber der Schule eigenverantwortlich wahr.20 Dadurch tre- 12 Niehues/Rux (Fn. 7), Rn. 301. 13 Niehues/Rux (Fn. 7), Rn. 305. 14 Niehues/Rux (Fn. 7), Rn. 308. 15 BVerwGE, 57, 365. 16 BVerfGE 44, 77; vgl. dazu Oppermann, JZ 1978, 289 (291); OVG Hamburg, NVwZ-RR 2005, 183. 17 Niehues/Rux (Fn. 7), Rn. 309. 18 BVerwG NJW 1981, 1056; Schmitt-Kammler, in: Sachs, Grundgesetz, 5. Auflage 2009, Art. 7 Rn. 18. 19 BVerfG, Beschluss vom 21. April 1989, Aktenzeichen 1 BvR 235/89 – unveröffentlicht. 20 Brenner (Fn. 3), S. 72. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 185/10 Seite 6 ten bei den rechtlichen Anforderungen an die Gestaltung des Unterrichts keine Änderungen ein. Informationen über die Bundeswehr im Pflichtteil des Schulunterrichts sind verfassungsrechtlich grundsätzlich zulässig. Dies gilt allein schon deshalb, weil die Streitkräfte Teil des Staates und verfassungsrechtlich verankert sind (u. a. Art. 65a, 87b, 115a GG). Die Leitung der Informationsveranstaltung müsste aber bei der Schule verbleiben. Je umstrittener in der Öffentlichkeit die Inhalte der Veranstaltung sind, desto eher muss die Schule auf die Ausgewogenheit achten. Eine gezielte Beeinflussung der Schüler in eine bestimmte Richtung ist verfassungsrechtlich unzulässig .21 Daher gilt:22 Geht es bei der Informationsveranstaltung um die verschiedenen Karrieremöglichkeiten im Bereich der Bundeswehr, wäre es für eine neutrale und ausgewogene Informationsvermittlung wohl erforderlich, den Schülern auch die Vielfalt beruflicher Werdegänge außerhalb der Bundeswehr aufzuzeigen. Geht es um politischere Themen, wie z. B. Einsätze der Bundeswehr im Ausland oder Übergriffe bei der Ausbildung von Rekruten, muss die Schule ausgewogene politische Sichtweisen vermitteln. Dies kann die Schule sicherstellen, indem sie z. B. zu einer Veranstaltung auch einen militärkritischen Vertreter einlädt oder im Vorfeld der Veranstaltung die Schüler für kritische Aspekte sensibilisiert. Zum Teil machen die Schulgesetze der Länder auch inhaltliche Vorgaben („Friedenserziehung“ als besondere Bildungsaufgabe der Schule, § 17 Abs. 4 Schulgesetz Berlin23 (BlnSchulG)). Diese Vorgaben sind allerdings ihrerseits auslegungsbedürftig und dürften erfüllt sein, wenn z. B. das Thema „Frieden“ oder „Frieden und Bundeswehr“ im Unterricht offen erörtert wird. Bei Veranstaltungen zur Wehrpflicht gilt: Die Pflicht zur Ableistung eines Kriegsdienstes ist in der Verfassung verankert, ebenso das Recht, Waffengebrauch im Kriegsdienst aus Gewissensgründen zu verweigern, Art. 12a Abs. 1 und 2 GG. Auch hier sind einseitige Beeinflussungen der Schüler unzulässig.24 Denkbar ist z. B., dass die Bundeswehr Veranstaltungen zusammen mit dem Bundesamt für den Zivildienst durchführt.25 Was die Wehrdienstberatung anbelangt, kann ein Vertreter der Bundeswehr wohl auf die Möglichkeit individueller Beratungsgespräche hinweisen; denn diese Termine sind ein staatliches Beratungsangebot in Ausgestaltung des Art. 12a GG. Es ist dann an der Schule eine ggf. erforderliche Neutralität herzustellen, z. B. indem der Lehrer auf weitere Beratungsangebote von z. B. kirchlichen Trägern hinweist. Solange keine einseitige Beeinflussung der Schüler vorliegt, dürfte ein Vertreter der Bundeswehr bei Gelegenheit der Informationsveranstaltung auch Termine mit 21 Vgl. BVerfG, NVwZ 1990, 55; BayVerfGH, NJW 1982, 1092. 22 Die folgenden Passagen sind aus der Ausarbeitung „Bundeswehr im Schulunterricht“ von , WD 3 – 091/10, S. 3 f., entnommen. 23 Schulgesetz für das Land Berlin (Schulgesetz - SchulG) vom 26. Januar 2004 (GVBl. S. 26). 24 Siehe oben Fn. 21. 25 Abgeordnetenhaus Berlin, Drs. 16/13943, S. 3. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 185/10 Seite 7 interessierten Schülern vereinbaren; dies sollte, da wohl nicht unmittelbar vom Lehrplan gedeckt , aber möglichst außerhalb der Unterrichtsstunde geschehen, also z. B. in der an die Unterrichtsstunde anschließenden Pause. Die grundsätzliche Teilnahmepflicht am Unterricht gilt auch für Schüler, die sich entschlossen haben, den Kriegsdienst mit der Waffe nach Art. 4 Abs. 3 GG zu verweigern. Die Kriegsdienstverweigerung ist sachlicher Bestandteil der Gewissensfreiheit.26 Träger des Grundrechts sind alle (auch ungedienten) Wehrpflichtigen und alle Arten von Soldaten.27 Die primäre Verpflichtung des Wehrpflichtigen ist die Ableistung des Wehrdienstes, der Zivildienst, wie Art. 12a Abs. 2 GG verdeutlicht, lediglich Ersatz, der „nur an die Stelle des im Einzelfall rechtmäßig verweigerten Wehrdienstes“28 tritt. Art. 4 Abs. 3 Satz 2 GG bezweckt, der Verfahrensabhängigkeit des Grundrechts gerecht zu werden. Erst das Anerkennungsverfahren bringt die in den Begriffen des Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG enthaltenen Voraussetzungen zur Geltung. Art. 4 Abs. 3 GG steht damit unter einem Verfahrensvorbehalt.29 Art. 4 Abs. 3 Satz 2 GG regelt die prozedurale Feststellung, „ob derjenige Wehrpflichtige, der sich auf dieses Grundrecht beruft, die tatbestandlichen Voraussetzungen erfüllt“30. Daraus folgt, dass Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG keine Vorwirkung – etwa in der Schule – entfalten kann. 3. Rechtsschutz Eine Befreiung von der Unterrichtspflicht in einem ordentlichen Lehrfach ist ein (begünstigender ) Verwaltungsakt (VA) im Sinne von § 35 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG)31, weil zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts eine Entscheidung mit unmittelbarer Rechtswirkung für den Schüler getroffen wird, in dessen Rechtssphäre (Gewissensfreiheit des Art. 4 Abs. 1 GG, allgemeine Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG) durch die allgemeine Schulpflicht eingegriffen wird. Der VA kann schriftlich, elektronisch, mündlich oder in anderer Weise erlassen werden. Ein mündlicher Verwaltungsakt ist schriftlich oder elektronisch zu bestätigen, wenn hieran ein berechtigtes Interesse besteht und der Betroffene dies unverzüglich verlangt. Ein elektronischer VA ist unter denselben Voraussetzungen schriftlich zu bestätigen (§ 37 Abs. 2 VwVfG). Ein schriftlicher oder elektronischer sowie ein schriftlich oder elektronisch bestätigter VA ist mit einer Begründung zu versehen. In der Begründung sind die wesentlichen tatsächlichen und 26 Morlok, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz, Band 1, 2. Auflage 2004, Art. 4 Rn. 157. 27 Morlok (Fn. 26), Art. 4 Rn. 172. 28 BVerfGE 48, 127 (165). 29 BVerfGE 69, 1 (25). 30 BVerfGE 69, 1 (25). 31 Die Verwaltungsverfahrensgesetze der Länder sind dem Verwaltungsverfahrensgesetz des Bundes größtenteils nachgebildet. Das gilt nicht für Schleswig-Holstein, wo sich die Regelungen über den VA in §§ 106 ff. des Landesverwaltungsgesetz finden. Inhaltlich besteht kein Unterschied, weshalb im Folgenden auf die bundesrechtliche Regelung verwiesen wird. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 185/10 Seite 8 rechtlichen Gründe mitzuteilen, die die Behörde zu ihrer Entscheidung bewogen haben (§ 37 Abs. 2 VwVfG). Gegen eine Ablehnung des VA ist der Verwaltungsrechtsweg nach § 40 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) eröffnet, da es sich – jedenfalls bei öffentlichen Schulen – um eine öffentlichrechtliche Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art handelt.32 Nach § 68 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 VwGO ist vor Klageerhebung ein Vorverfahren durchzuführen. Ein Verfahren der einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO ist grundsätzlich möglich, setzt aber einen Anordnungsanspruch , also einen Anspruch auf die angestrebte Rechtsposition – hier die Befreiung – und einen Anordnungsgrund voraus. Letzterer ist gegeben, wenn ohne den Erlass einer einstweiligen Anordnung die Gefahr besteht, dass die Verwirklichung der Rechte des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert wird. Da ein Anspruch auf Befreiung von der Unterrichtspflicht nach dem oben Gesagten grundsätzlich nicht besteht, dürfte die Inanspruchnahme von Rechtsschutz nur im Ausnahmefall erfolgversprechend sein. 32 Niehues/Rux (Fn. 7), Rn. 1171.