© 2019 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 184/19 Einzelfragen zum Verwaltungsaufbau in Tschechien Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 184/19 Seite 2 Einzelfragen zum Verwaltungsaufbau in Tschechien Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 184/19 Abschluss der Arbeit: 19. August 2019 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 184/19 Seite 3 1. Fragestellung Der Sachstand befasst sich mit den Gesetzgebungs- und Verwaltungskompetenzen der Gemeinden und Kreise in Tschechien und einer möglichen Einflussnahme durch die staatliche Ebene. Weiterhin wird um Information gebeten, inwieweit die Gemeinden und Kreise befugt sind, völkerrechtliche Verträge oder andere transnationale Vereinbarungen zu schließen. 2. Gemeinden und Kreise in Tschechien Die Tschechische Republik gliedert sich in Gemeinden (untere territoriale Selbstverwaltungseinheiten ) und Kreise (höhere Selbstverwaltungseinheiten), Art. 99 Verfassung Tschechien1. Durch das Verfassungsgesetz 347/1997 wurden zum 1. Januar 2000 14 höhere selbstverwaltende Gebietseinheiten eingeführt, davon 13 Flächenkreise und die Hauptstadt Prag, die ein selbständiges Selbstverwaltungsgebiet mit dem Status eines Kreises darstellt. Die Kreise (kraje) bestehen aus 76 Bezirken (okresy) und diese bestehen wiederum aus 6.292 Gemeinden (obce).2 2.1. Gemeinden Die Gemeinden (obce) üben sowohl Selbstverwaltungsbefugnisse (eigener Wirkungskreis) als auch Staatsverwaltungsgewalt (übertragener Wirkungskreis) aus. Bei der Wahrnehmung ihrer Selbstverwaltungskompetenzen sind die Gemeinden lediglich an Gesetze und allgemeinverbindliche Durchführungsvorschriften gebunden. Die Gemeinden haben im Rahmen ihrer Selbstverwaltungsbefugnis für die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Belange der Bürger sowie für den Umweltschutz auf ihrem Gebiet zu sorgen. Hierzu können sie allgemeinverbindliche Bekanntmachungen erlassen. Neben der Selbstverwaltungsbefugnis verfügen die Gemeinden im gesetzlichen Umfang über Staatsverwaltungskompetenzen, sie handeln als ausführendes Organ der staatlichen Verwaltung. Sie sind verpflichtet, Gesetze, allgemeine Rechtsvorschriften, Regierungsverordnungen und Richtlinien der zentralen Staatsverwaltungsorgane zu beachten. Die Gemeinden können durch eine Ermächtigung im Gesetz bei der Wahrnehmung ihrer Staatsverwaltungsbefugnis auch allgemeinverbindliche Gemeindeverordnungen erlassen. Die zuständigen Staatsorgane beaufsichtigen die Gemeinden bei der Erfüllung ihrer Staatsverwaltungsaufgaben. Bei einer Meinungsverschiedenheit zwischen Gemeinde und Aufsichtsbehörde kann die zuständige staatliche Stelle die betreffende Maßnahme der Gemeinde unmittelbar aufheben.3 1 Verfassung der Tschechischen Republik, abrufbar in deutscher Sprache unter https://www.usoud.cz/fileadmin /user_upload/ustavni_soud_www/prilohy/Ustava_German_version.pdf. 2 Vodička, Das politische System Tschechiens, 2005, S. 243 f. 3 Vodička (Fn. 2), S. 244-245. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 184/19 Seite 4 2.2. Kreise Die Kreise (kraje)4 stellen die höheren Selbstverwaltungseinheiten dar.5 Die Kreise wurden als regionale Selbstverwaltungsorgane durch das Verfassungsgesetz 347/1997 eingerichtet und durch die Kreistagswahlen 2000 vollzogen. Sie nehmen ähnlich wie die Gemeinden Selbstverwaltungsbefugnisse und Staatsverwaltungskompetenzen wahr. Im Rahmen ihrer Selbstverwaltungskompetenzen können die Kreise Bekanntmachungen erlassen; sind Staatsverwaltungskompetenzen betroffen, können sie Verordnungen erlassen. Die Kreise verfügen über umfassende Befugnisse insbesondere in den Bereichen Verkehr, Gesundheits- und Schulwesen, Denkmalschutz und Raumplanung.6 Die Bürger eines Kreises wählen alle vier Jahre einen Kreistag, zu dessen Aufgaben der Haushalt, wesentliche Fragen der Raumentwicklung oder größere Eigentumstransaktionen gehören. Der Kreistag verfügt auch über das Recht, dem nationalen Parlament in Prag Gesetzentwürfe zu unterbreiten .7 Art. 41 Abs. 2 Verfassung Tschechien legt das Initiativrecht für Gesetzentwürfe für die Kreise als höhere territoriale Selbstverwaltungseinheit fest. In der Legislaturperiode 1998-2002 wurde von diesem Recht kein Gebrauch gemacht.8 Aktuelle Zahlen zu möglichen Gesetzentwürfen der Kreise waren nicht zu ermitteln. 3. Kooperationen mit Nachbarregionen In dem Gesetz über die Kreise ist auch die Zusammenarbeit der Kreise festgelegt, §§ 24 und 25 Gesetz Nr. 129/2000 Slg. Danach können die Kreise der Tschechischen Republik untereinander und auch mit selbständigen territorialen Einheiten anderer Staaten zusammenarbeiten sowie Mitglieder in regionalen Verbindungen mit ausländischen Partnern sein. Der Kreis kann allerdings weder Mitglied einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts noch eines Gemeindeverbandes sein.9 Die Kreise können Partnerschaften mit anderen europäischen Regionen vereinbaren, jedoch nur mit staatlicher Zustimmung.10 *** 4 Als deutsche Übersetzungen werden auch „Bezirk“ und „Region“ verwendet: z.B. Internetseite der „Region“ Pilsen, abrufbar unter: http://de.plzensky-kraj.cz/cs/kategorie/region-pilsen. 5 Hendrych, in: Wieser/Stolz (Hrsg), Vergleichendes Verwaltungsrecht in Ostmitteleuropa, Grundriss der Verwaltungsordnungen Polens, Tschechiens, der Slowakei und Ungarns, 2004, S. 65. 6 Vodička (Fn. 2), S. 248-249. 7 Vodička (Fn. 2), S. 250; Art. 41 Abs. 2 Verfassung Tschechien. 8 Vodička (Fn. 2), S. 218. 9 Hendrych (Fn. 5), S. 68. 10 Preußscher, Die Verwaltungsreform in der Tschechischen Republik, Euroregion Elbe/Labe, 2003, S. 27. (Der Autor verwendet in seinem Beitrag den Begriff Bezirke.)